Zusammenfassung
Im Mittelpunkt des Beitrages steht ein erster Ansatz einer rekonstruktiven Reformulierung der Educational Governance (Altrichter, Brüsemeister, Wissinger 2007), der unter Bezugnahme auf die Methode der Objektiven Hermeneutik (Oevermann 2000) konkretisiert wird. Den Ausgangspunkt bildet eine Rekapitulation der forschungsprogrammatischen Verortungen der Educational Governance als auf die Analyse von Fragen der „Handlungskoordination“ im als Mehrebenensystem gefassten Bildungswesen gerichteter Forschungsansatz. Von dieser ausgehend wird die These entwickelt, dass die für die Governance-Perspektive charakteristische Vorläufigkeit und Offenheit, welche auch in der immer wieder herausgestellten Abgrenzung gegenüber tradierten Vorstellungen von „Steuerung“ Ausdruck findet, einen rekonstruktiven Zugang zu den interessierenden Formen der Handlungskoordination nahe legt. Konkretisiert wird diese Überlegung in Form einer Anwendung der Objektiven Hermeneutik im Feld der Governance-Forschung. Am Beispiel einer Rekonstruktion zur Etablierung der Schulinspektion als Steuerungsimpuls werden Potenzial, Herausforderungen und Grenzen einer derartigen rekonstruktiven Reformulierung des Ansatzes diskutiert. Deutlich werden Klärungsbedarfe u.a. bezogen auf die konzeptionelle Fassung des Mehrebenen-Begriffes sowie bezogen auf den Stellenwert und die inhaltliche Fassung der Kategorie der Intentionalität. Abschließend wird problematisiert, inwieweit eine rekonstruktiv verstandene Educational Governance mit dem im Forschungsansatz trotz aller Distanzierungen gegenüber konventionellen Steuerungsvorstellungen mitschwingenden Gestaltungsimpetus vereinbar ist.
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Dietrich, F. (2014). Objektiv-hermeneutische Governance-Analysen. In: Maag Merki, K., Langer, R., Altrichter, H. (eds) Educational Governance als Forschungsperspektive. Educational Governance, vol 17. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06443-3_9
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