Zusammenfassung
Gegenstand dieses Kapitels ist der Preis für das Leistungsversprechen eines Versicherers. Einleitend wird ein häufig in der Literatur anzutreffendes grundsätzliches Missverständnis über die Bedeutung der versicherungstechnischen Prämienkalkulation ausgeräumt und herausgearbeitet, dass die Prämienkalkulation nicht mit der Preispolitik gleichgesetzt werden kann. Basierend auf einem einfachen Kalkulationsschema werden dann die unterschiedlichen Preisbestandteile vorgestellt. Die weiteren Überlegungen in diesem Kapitel beziehen sich in erster Linie auf die Nettorisikoprämie. Letztere ist gemäß dem anschließend betrachteten Äquivalenzprinzip dem Erwartungswert der versicherten Schäden gleichzusetzen. Kompakt wird, auch mit Hilfe eines Beispiels, auf die Ermittlung der Nettorisikoprämie für den Fall einer ausreichenden und geeigneten Datengrundlage eingegangen, bevor der für die ökonomische Diskussion über Versicherungsmärkte zentrale Begriff der Prämiendifferenzierung eingeführt wird. Prämiendifferenzierung bezeichnet letztlich die tatsächliche Anwendung des individuellen Äquivalenzprinzips, also die Verwendung risikogerechter Prämien im Rahmen der Tarifierung mit Hilfe von Risiko- bzw. Tarifmerkmalen. Das Kapitel befasst sich ausführlich mit der ökonomischen Begründung für die Anwendung von Prämiendifferenzierung, setzt sich aber auch mit Gegenargumenten und Grenzen risikogerechter Tarifierung sowie mit den Implikationen von Risikoklassifikationsverboten auseinander. Zahlreiche Beispiele verdeutlichen die Argumentation.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Nell (1998) analysiert den Fall, dass der Versicherer Preissetzer ist, und betrachtet für diese Konstellation die mögliche Wirkung der Kalkulation eines Sicherheitszuschlags auf die Verlustwahrscheinlichkeit. Er arbeitet dabei den Trade‐off zwischen zwei gegenläufigen Effekten heraus: Einerseits erhöht der Sicherheitszuschlag ceteris paribus die Sicherheit des Versicherungsunternehmens; andererseits verschiebt sich allerdings auch die Kostenfunktion des Versicherers, tendenziell sinkt die Nachfrage und damit die für den Risikoausgleich wichtige Bestandsgröße. Überwiegt letzterer Effekt den erstgenannten, so kann die Kalkulation eines Sicherheitszuschlags sogar die Verlustwahrscheinlichkeit des Versicherers erhöhen.
- 2.
Wenn einzelne Klassen für eine stabile Kalkulation zu schwach besetzt sind, kann es helfen, die Schadenerfahrung aus anderen, benachbarten Tarifklassen einzubeziehen (vgl. z. B. Mack 2002, S. 162).
- 3.
Die Systeme sind üblicherweise so ausgestaltet, dass die Daten an einen Dienstleister übermittelt werden, der dem Versicherungsunternehmen wiederum nur gewisse Kennzahlen – aber nicht die gesamten aufgezeichneten Daten – zur Verfügung stellt.
- 4.
- 5.
Vgl. für eine pointierte Gegenüberstellung der Argumente auch die Positionen von Hufeld und Russ in GDV (2015, S. 13).
- 6.
Vgl. hierzu die differenzierte Diskussion in Dionne und Rothschild (2014).
- 7.
In der GKV wird durch die beschriebenen Maßnahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs versucht, einen funktionierenden Wettbewerb zwischen Krankenkassen herzustellen.
- 8.
Das Prämienrisiko ließe sich natürlich auch dann ausschalten, wenn schon auf Stufe 0 die Möglichkeit bestünde, dieses Risiko durch einen entsprechenden Versicherungsvertrag abzusichern (vgl. zur Prämienrisikoversicherung z. B. Peter et al. 2016).
- 9.
Literatur
AIRAC (1987): Unisex Auto Insurance Rating: How auto insurance premiums in Montana changed after the elimination of sex and marital status as rating factors, Oak Brook, IL, All-Industry Research Advisory Council.
Aseervatham, Vijay, Christoph Lex und Martin Spindler (2016): How Do Unisex Rating Regulations Affect Gender Differences in Insurance Premiums?, Geneva Papers on Risk and Insurance – Issues and Practice 41, S. 128–160.
BdV (1994, Hrsg.): Verschlimmbesserung, BdV-Info 1/94, S. 1 und 4.
Crocker, Keith und Arthur Snow (1986): The Efficiency Effects of Categorical Discrimination in the Insurance Industry, Journal of Political Economy 94, S. 321–344.
Crocker, Keith und Arthur Snow (2013): The Theory of Risk Classification in: Dionne, Georges (Hrsg.): Handbook of Insurance, 2. Auflage, New York, S. 281–313.
Dionne, Georges und Casey Rothschild (2014): Economic Effects of Risk Classification Bans, Geneva Risk and Insurance Review 39, S. 184–221.
Filipova, Lilia und Michael Hoy (2014): Impact of genetic testing on surveillance and prevention, Journal of Health Economics 34, S. 31–41.
GDV (2015): Bedrohen individualisierte Tarife das Prinzip der Versicherung?, GDV Positionen Nr. 96, S. 13.
Gürtler, Max (1961): Einführung in die Kalkulation der Versicherungsbetriebe, Karlsruhe.
Gürtler, Max (1964): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre der Versicherung, Stuttgart.
Harsanyi, John C (1955): Cardinal welfare, individualistic ethics, and interpersonal comparisons of utility, Journal of Political Economy 63, S. 309–321.
Heilmann, Wolf-Rüdiger und Klaus Schröter (2014): Grundbegriffe der Risikotheorie, 2. Auflage, Karlsruhe.
Hoy, Michael, Richard Peter und Andreas Richter (2014): Take-up for genetic tests and ambiguity, Journal of Risk and Uncertainty 48, S. 111–133.
Mack, Thomas (2002): Schadenversicherungsmathematik, 2. Auflage, Karlsruhe.
Nell, Martin (1998): Der Sicherheitszuschlag als kalkulatorischer Prämienbestandteil – eine Neubewertung, Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 87, S. 403–427.
Oster, Emily, Ira Shoulson, Kimberly Quaid und E. Ray Dorsey (2010): Genetic Adverse Selection: Evidence from Long-term Care Insurance and Huntington Disease, Journal of Public Economics 94, S. 1041–1050.
Peter, Richard, Andreas Richter und Paul Thistle (2017): Endogenous Information, Adverse Selection, and Prevention: Implications for Genetic Testing Policy, Journal of Health Economics 55, S. 95–107.
Peter, Richard, Andreas Richter und Petra Steinorth (2016): Yes, No, Perhaps? – Premium Risk and Guaranteed Renewable, Insurance Contracts with Heterogeneous Incomplete Private Information, Journal of Risk and Insurance 83, S. 363–385.
Pope, Devin G. und Justin R. Sydnor (2011): Implementing Anti-discrimination Policies in Statistical Profiling Models, American Economic Journal: Economic Policy 3, S. 206–31.
Rawls, John (1971): A theory of justice, Cambridge.
Rogot, Eugene, Paul D. Sorlie und Norman J. Johnson (1992): Life expectancy by employment status, income, and education in the National Longitudinal Mortality Study, Public Health Report 107, S. 457–461.
Rothschild, Michael und Joseph Stiglitz (1976): Equilibrium in Competitive Insurance Markets: An Essay on the Economics of Imperfect Information, Quarterly Journal of Economics 90, S. 629–649.
Schmeiser, Hato, Tina Störmer und Joël Wagner (2014): Unisex Insurance Pricing: Consumers’ Perception and Market Implications, Geneva Papers on Risk and Insurance – Issues and Practice 39, S. 322–350.
Wallace, Frances K. (1984): Unisex automobile rating: The Michigan experience, Journal of Insurance Regulation 3, S. 127.
Zick, Cathleen D., Charles J. Mathews, J. Scott Roberts, Robert Cook-Deegan, Robert J. Pokorski, und Robert C. Green (2005): Genetic Testing for Alzheimer’s Disease and its Impact on Insurance Purchasing Behavior, Health Affairs 24, S. 483–490.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
Copyright information
© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Karten, W., Nell, M., Richter, A., Schiller, J. (2018). Grundlagen der Risikoprämienkalkulation. In: Risiko und Versicherungstechnik. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06308-5_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-06308-5_6
Published:
Publisher Name: Springer Gabler, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-06307-8
Online ISBN: 978-3-658-06308-5
eBook Packages: Business and Economics (German Language)