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Verantwortung für globale Armut

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Part of the book series: Springer Reference Sozialwissenschaften ((SRS))

Zusammenfassung

Dieser Artikel verfolgt zwei Absichten. Die erste besteht darin, verschiedene Quellen moralischer Verantwortung für den Kampf gegen weltweite Armut oder deren Linderung zu beschreiben, d. h. die möglichen Gründe darzulegen, warum Akteure eine solche Verantwortung tragen. Bei der zweiten Absicht handelt es sich darum, herauszufinden, welche Art von Akteur eine jeweilige Verantwortung trägt, vor allem, ob es kollektive Akteure wie Staaten, Gesellschaften und Unternehmen oder individuelle Personen sind. Es ist oft die Rede von unserer Verantwortung gegenüber den ärmsten Menschen der Welt oder davon, was wir ihnen schulden. Die Frage ist daher, wer dieses Wir ist. Ich werde im Folgenden darlegen, dass die Antwort darauf von der Quelle der Verantwortung abhängt. Manche Formen der Verantwortung gehören in erster Hinsicht Kollektiven an, obwohl sie auch eine Verantwortung von Individuen innerhalb des Kollektivs sein kann. Andere Formen der Verantwortung kommen in erster Linie Individuen zu, können jedoch, wie ich zeigen werde, zu Kollektiven, denen Individuen angehören, „aufsteigen“.

Übersetzung: David Carus

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Notes

  1. 1.

    Ich verwende insgesamt eher den Ausdruck „Verantwortung“ als „Pflicht“ oder „Verpflichtung“, da Letztere einen festgelegten und legalistischen Anklang haben, der manche dazu zu bringen scheint, auf ihrem Standpunkt zu beharren. Über die Jahre hinweg haben mich zahlreiche Gespräche davon überzeugt, dass es hier einen bedeutenden Unterschied gibt. Manche Menschen mögen überzeugt sein, dass sie eine moralische Verantwortung haben, anderen zu helfen – sie sollten dies tun, es wäre tadelnswert, wenn sie es nicht täten, usw. – aber sie lehnen die Vorstellung ab, dass sie eine moralische Pflicht oder Verpflichtung hätten, zu helfen. Vielleicht glauben sie, dass Pflicht oder Verpflichtung Zwang impliziert, und sie widersprechen der Vorstellung, dass der Staat eine Person dazu verpflichten sollte zu helfen. Genau genommen ist der Zwang jedoch rein moralisch. Auf jeden Fall ist der Ausdruck „Verantwortung“ etwas weiter und abgeschwächter als „Pflicht“ oder „Verpflichtung“ und ich benutze hauptsächlich diesen Ausdruck, um keine wichtigen Fraglichkeiten aufzuwerfen.

  2. 2.

    Das American Law Institute hat den Model Penal Code aufgestellt, „um die gesetzgebenden Gewalten darin zu unterstützen und anzuregen, größte Sorgfalt bei der Auslegung der Inhalte des Strafgesetzes anzuwenden“. https://www.ali.org/index.cfm?fuseaction=publications.ppage&node_id=92. Zugegriffen am 09.03.2015.

  3. 3.

    Gleichzeitig spielen diejenigen, die bedingungslose positive Verpflichtungen vertreten, den Unterschied zwischen positiven und negativen Verpflichtungen oft herunter. Das klassische Beispiel für diese Herangehensweise ist Shue 1996; vergleiche außerdem Lichtenberg 2014, Kap. 3, 4 und an weiteren Stellen. Eine weitere Auseinandersetzung folgt im nächsten Abschnitt.

  4. 4.

    Vgl. zu dieser Ansicht Moller 2014. Die Unterscheidung zwischen Gerechtigkeit und Wohltätigkeit folgt nicht immer der Unterscheidung zwischen Verursachung und Nichtverursachung, aber sie scheint zumindest mit der Unterscheidung zwischen relational und nicht relational übereinzustimmen. Siehe dazu Nagel 2005, S. 121: „Gerechtigkeit ist etwas, das wir durch unsere verbindenden Institutionen nur denjenigen schulden, mit denen wir in einem politischen Verhältnis stehen“, d. h. in einem Staat.

  5. 5.

    Ausbeutung hat nicht immer diese Bedeutung, obwohl sie in philosophischen Debatten gängig ist. Wir sagen, dass Kinderpornografie Kinder ausbeutet, ohne dabei zu denken, dass es sie in irgendeiner Weise in eine bessere Lage bringt. Ich verdanke diesen Punkt Amelia Uelmen.

  6. 6.

    Eine kürzere Version findet sich in Rothstein 2014a. Beide Artikel stellen den Punkt durch zahlreiche lebhafte Beispiele dar. Eine kürzlich erschienene Verteidigung von Entschädigungen für die Nachwirkungen der Sklaverei und Unterdrückung von Afroamerikanern findet sich in Coates 2014.

  7. 7.

    Für eine Debatte über die Idee, dass „Armut ein dominierender Kontext ist“, der „geistige Ressourcen wie Aufmerksamkeit, Planung, Problemlösung und Selbstbeherrschung“ dezimiert, siehe Mullainathan und Shafir 2013a, die Passage ist zitiert aus S. 291–292; sowie Mullainathan und Shafir 2013b.

  8. 8.

    Jamieson behauptet, dass der Klimawandel in dieser Hinsicht einzigartig ist. Ich bezweifle, dass sich der Klimawandel grundsätzlich von anderen Formen einer Verhaltensweise, der wir anhängen und die für arme Menschen in ganzer Welt weitreichende Konsequenzen trägt, unterscheidet, wie zum Beispiel Produkte zu kaufen, die in Ausbeutungsbetrieben produziert werden, oder Produkte, die Ressourcen beinhalten, deren Aneignung Gewalt und Leiden in Entwicklungsländern schürt.

  9. 9.

    Wenn Beschuldigungen oder sogar Schuldzuweisungen, zumindest als pauschale Urteile über alle Individuen, die involviert sind, nicht angemessen sind, wird es vielleicht Sinn machen, zu behaupten, dass diese Taten auf der Basis eines Modells strikten Pflichtvergehens betrachtet werden sollten.

  10. 10.

    Falls man daher daran zweifeln würde, dass Virginia Helds Beispiel das zu behandelnde Problem illustriert, könnte man es entsprechend abändern: Stellen wir uns vor, dass jeder Fußgänger kleine Teile des Gebäudes als Andenken entfernt hat. Keine dieser Taten allein hätte zum Einsturz des Gebäudes geführt, alle zusammen führten jedoch zum Einsturz. Natürlich verliert das Beispiel dann seine erfrischende Plausibilität und seinen bodenständigen Charakter und nimmt eine fantasiehafte Qualität an, die typisch für Beispiele in der zeitgenössischen analytischen Philosophie ist – eine Qualität, die es oft unmöglich macht, unseren „Intuitionen“, wenn in solchen Fällen überhaupt Intuitionen entstehen, zu trauen.

  11. 11.

    Dies heißt nicht, dass das Recht auf einen annehmbaren Lebensstandard am besten erfüllt wird, indem man Menschen verschiedene Dinge gibt. Es wird jedoch wahrscheinlich notwendig sein, dass wohlhabende Menschen auf bestimmte Weisen affirmativ handeln, nicht nur wenn die Pflichten für Entschädigungen auf einem Schaden gründen, sondern auch wenn sie in einem Humanitarismus wurzeln.

  12. 12.

    Gemäß der traditionellen Kantischen Ansicht ermöglichen unvollkommene Pflichten einen großen Spielraum bezüglich der Zeit, des Ortes, der Art und (am wichtigsten) der Reichweite, und sie korrelieren nicht mit Rechten anderer, so wie vollkommene Pflichten es tun.

  13. 13.

    Es sei angemerkt, dass insofern das Argument von Menschenrechten ausgeht, es nicht auf die Annahme ankommt, dass die Pflichtenträger den Trägern der Rechte geschadet haben – in diesem Sinne ähneln diese Pflichten humanitären Pflichten.

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Lichtenberg, J. (2017). Verantwortung für globale Armut. In: Heidbrink, L., Langbehn, C., Loh, J. (eds) Handbuch Verantwortung. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06110-4_40

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