Zusammenfassung
Das wirtschaftliche Umfeld in Deutschland ist seit Jahren geprägt von durchgreifenden Unternehmens- und Konzernumstrukturierungen, sowohl organisatorischer wie gesellschaftsrechtlicher Art, von Übernahmen, Abspaltungen und Fusionen. Im internationalen Vergleich ist es schon bemerkenswert, wie lautlos und reibungslos diese Prozesse in Deutschland in der Regel über die Bühne gegangen sind, was zu einem ganz wesentlichen Teil der befriedenden Wirkung der Mitbestimmung zu danken ist. Dies gilt für die paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten ebenso wie für Betriebsräte und Sprecherausschüsse als Interessenvertretung der Leitenden Angestellten. Die Mitbestimmung ermöglicht es, die Arbeitnehmer über ihre gewählten Vertretungen an diesen Gestaltungs- und Veränderungsprozessen zu beteiligen. Die Arbeitnehmer wissen, dass ihre Vertretungen inzwischen mit hoher Professionalität arbeiten und der Einzelne seine Interessen ohne eine kollektive Interessenvertretung kaum noch effektiv vertreten kann, weil viele Arbeitsbedingungen heute kollektivrechtlich geregelt und Veränderungsprozesse rechtssicher nur auf kollektivrechtlicher Basis zu gestalten sind. Die Folge ist eine deutlich höhere Akzeptanz der Maßnahmen auf Arbeitnehmerseite, als dies ohne jegliche Partizipation der Fall wäre. Der ökonomische Wert der befriedenden Wirkung eines Zusammenspiels von Partizipation, Transparenz und Kommunikation sollte nicht unterschätzt werden. Eine nach wie vor aktuelle Studie des Kölner Max-Planck-Instituts aus dem Jahre 2004 zur Unternehmensmitbestimmung zeigt, dass weder unternehmensvergleichende Studien noch ländervergleichende Daten die These belegen, wonach die Mitbestimmung die Profitabilität oder den Aktienkurs von Unternehmen negativ beeinflusst (Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung: Unternehmensmitbestimmung unter Beschuss – Die Mitbestimmungsdebatte im Licht der sozialwissenschaftlichen Forschung, 2004; zu zahlreichen weiteren Studien, die die positiven ökonomischen Effekte der Mitbestimmung belegen: Priddat, Leistungsfähigkeit der Sozialpartnerschaft in der Sozialen Marktwirtschaft, 2011, S. 43 ff.). Dies wird, anders als oft vermutet, auch im Ausland erkannt. So sagte der bekannte US-Ökonom Edward P. Lazear von der Stanford-University anlässlich der Verleihung des IZA-Preises des Instituts zur Zukunft der Arbeit (Bonn) schon im Jahre 2004: „Das deutsche System der Mitbestimmung hat sich hervorragend bewährt und führt zur innerbetrieblichen Leistungssteigerung. Wer dieses Prinzip infrage stellt, riskiert Produktivitätsverluste der deutschen Wirtschaft.“ (FAZ v. 26.10.2004).
Auch die katholische Soziallehre fordert hellsichtig, dass die Verhältnisse innerhalb der Arbeitswelt von Zusammenarbeit geprägt sein müssen, weil Arbeit und Kapital für den Produktionsprozess gleichermaßen unverzichtbar sind. Richtigerweise wird diese Forderung sogleich mit der Ansage verknüpft, dass Zusammenarbeit und Teilhabe in diesem Zusammenhang nicht ohne einen Zuwachs an Verantwortung funktionieren (Kompendium der Soziallehre der Kirche, 2004, RdNr. 306, 309).
Damit ist letztlich auch einer alten Arbeitgeberforderung entsprochen, wonach die Mitarbeiter mitunternehmerisch denken und handeln sollen (Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung: „Bildungsaufgabe: Unternehmerisches Denken und Handeln“, 2006, www. kwb-berufsbildung.de). Diese durch Partizipation geprägte Mitverantwortung in Form der deutschen Mitbestimmungskultur hat sich in besonderem Maße immer wieder in Krisenzeiten bewährt und zuletzt in der Finanz- und Wirtschaftskrise mit dem Höhepunkt in den Jahren 2008 bis 2010. Mit betrieblichen Bündnissen für Arbeit wurden von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen akzeptierte Beschäftigungssicherungsmaßnahmen verein bart, die vielen Unternehmen in prekären finanziellen Situationen geholfen haben. Zugleich lag es im unternehmerischen Interesse, den Personalbestand weitgehend zu sichern, so dass nach dem Wiederanziehen der Konjunktur genügend qualifizierte Fach- und Führungskräfte zur Verfügung standen. Derartige Bündnisse für Arbeit mögen generell nicht im Interesse der Tarifpartner sein, die darin in erster Linie eine Gefahr für das Tarifkartell sehen. Die getroffenen Vereinbarungen haben sich aber überwiegend, wenn auch nicht überall, bewährt und sind Beleg für den partnerschaftlichen Umgang innerhalb einer richtig verstandenen Mitbestimmungskultur (Institut der deutschen Wirtschaft, Hagen Lesch: Betriebliche Bündnisse für Arbeit in der Metall- und Elektro-Industrie, IW-Trends Heft 4/2008; Berthold/Brischke/ Stettes: Betriebliche Bündnisse für Arbeit, Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge des Lehrstuhls Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik, Nr. 68, 2003, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg).
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Ulrich, G. (2015). Mitbestimmung als Teil der Unternehmenskultur und des unternehmerischen Erfolgs. In: Widuckel, W., De Molina, K., Ringlstetter, M., Frey, D. (eds) Arbeitskultur 2020. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06092-3_17
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