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Die Moralisierung der Finanzmärkte als eine Kritik der zunehmenden Finanzmarktorientierung? Die theoretische Debatte

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Die Moralisierung der Finanzmärkte als Fiktion

Part of the book series: Wirtschaft und Gesellschaft ((WUG))

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Zusammenfassung

Folgt man einer breiten Einschätzung in der Finanzcommunity von Finanzconsultants, Investmentbanken und Ratingagenturen bis hin zu Investment-, aber auch Verbraucherschutzverbänden, dann scheint die zunehmende Finanzmarktorientierung derzeit durch eine Gegenbewegung herausgefordert zu werden: nämlich durch „nachhaltige“ Anlageformen, die die Interessen aller an einem Unternehmen beteiligten Anspruchsgruppen („stakeholder“) im Blick haben. So zeichnen sich „nachhaltige“ Anlageformen dadurch aus, dass sie nicht nur finanzielle Anlageziele verfolgen, sondern ebenfalls ökologische und soziale Anlagekriterien in ihrer Investmententscheidung berücksichtigen. Diese schlagen sich sowohl in Ausschlusskriterien nieder, die Unternehmen mit einer kontroversen Unternehmensstrategie (z. B. Kinderarbeit) vom Investment ausschließen als auch dem sogenannten „Nachhaltigkeitsrating“, bei dem die Unternehmen mit Blick auf ihre ökologischen und sozialen Strategien gerankt werden. In der öffentlichen Debatte besonders prominent verhandelt werden hier „soziale“ Kriterien wie beispielsweise Arbeitsplatzsicherheit, betriebliche Sozialleistungen oder die Gewährleistung einer ausgewogenen Work-Life-Balance. In Kritik zur „Shareholder Value“-Orientierung konventioneller Anlageformen ist daher auch von einer „Stakeholder“-Orientierung „nachhaltiger“ Anlageformen die Rede.

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Notes

  1. 1.

    Wie wir im Folgenden sehen werden, changiert der Autor zwischen unterschiedlichen Erklärungsprogrammen, die aber allesamt die Interaktionsbeziehungen der Akteure in ihrer sozialen Umwelt systematisch ausblenden, nämlich normativ-deterministische Ansätze in der Soziologie als auch funktionalistische Zugriffe in der „Neuen Institutionenökonomik“ und der „Rational Choice“-Theorie.

  2. 2.

    Zu Recht kritisiert Schröder (2011b, S. 214 ff.), dass Granovetters Ansatz der „sozialen Einbettung“ die Frage nicht klären kann, wie moralische Argumente auf das Handeln einwirken. Wir werden auf diese Kritik im Folgenden noch zu sprechen kommen.

  3. 3.

    Schröder (2011a) resümiert im Folgenden – vor dem Hintergrund seiner Fragestellung überraschend –, dass „einstweilen die Frage offen bleiben [muss], wie gesellschaftliche Rollen und persönliche Eigenschaften interagieren, um moralischen Richtlinien Geltung zu verschaffen“ (ebd.: S. 78; Hervorhebung EMW.).

  4. 4.

    Vergleiche dazu ausführlicher Abschn. 4.3.1.

  5. 5.

    Knorr Cetina arbeitet in ihrer jüngsten Arbeit zum Finanzmarkt (Knorr Cetina 2010) die Spezifika des Marktes dahingehend aus, dass sie Finanzmärkte als ein System wechselseitiger Versprechen (ebd.: S. 334) zwischen Aktionären, Unternehmensvertretern, institutionellen Investoren usw. versteht, da die Verzinsung der Investition – anders als bei Krediten auf Produktmärkten – nicht vertraglich festgelegt ist, sondern ein „Versprechen“ auf zukünftige Kurswertsteigerungen ist (Knorr Cetina 2010, S. 331 ff.). Dem ist zweifelsohne Recht zu geben (vgl. auch Faust et al. 2010; Windolf 2005). Als problematisch sehe ich die Argumentation gleichwohl deshalb an, da sie, im Anschluss an die Austin’sche Sprechakttheorie, „Versprechen“ eine performative Kraft attestiert, die die Finanzmarktakteure zum Handeln „auffordern“. Handeln kann dann nicht mehr sinnhaft rekonstruiert werden, da die Handlungsmotive zwangsläufig im Verborgenen bleiben – deren Analyse Knorr Cetina im Übrigen selbst einfordert (ebd.: S. 327). Warum also seitens der Unternehmen „Versprechen“ auf Kurswertsteigerungen eingehalten werden oder warum Investoren auch bei Nicht-Einhaltung des „Versprechens“ bereit sein können, auf die Exit-Option zu verzichten (vgl. hierzu Faust et al. 2010), bleibt demnach unklar.

  6. 6.

    Hinzu kommt, dass das zugrunde liegende Wissen – anders als auf Produktmärkten – nicht auf Beobachtungen erster bzw. zweiter Ordnung basiert, sondern auf Beobachtungen dritter Ordnung. So wird nicht wie in der Marketingforschung lediglich das Konsumverhalten der Kunden analysiert (Beobachtung 1. Ordnung) oder die Reaktion der Unternehmen auf die Kundenerwartungen (Beobachtung 2. Ordnung), sondern der Kursverlauf des betreffenden Unternehmens als Reaktion auf die vorangegangenen Informationen (Knorr Cetina und Preda 2001).

  7. 7.

    Granovetters Analyse gibt allerdings keinen Aufschluss über die Entstehung sozialer Normen und Werte; wir kommen im Folgenden darauf noch zu sprechen.

  8. 8.

    Granovetter begründet seine Nähe zur „Rational Choice“-Theorie noch an einer zweiten Stelle mit Bezug auf James Coleman: „Ein weiterer Ansatz, der meinem insofern ähnelt, als er auch den Einfluss sozialer Beziehungen auf zielgerichtetes Handeln betont, ist Marsdens Erweiterung der Theorien kollektiven Handelns und Entscheidens von James Coleman auf Situationen, in denen soziale Kontakte zu Ergebnissen führen, die sich in einer völlig atomistischen Situation nicht ergeben hätten.“ (Granovetter 2001/11985, S 55, Fn. 1; dt. 2000, S.  181/182, Fn. 2).

  9. 9.

    Jedweder subjektive Sinn – zumindest für ein pragmatistisches Verständnis der Wissenssoziologie – ist stets schon sozial vorkonstituiert. Genannt seien nur die Terminologien Schütz’: Das Moment des Fremdverstehens, das Typisierungen als zuvor gespeicherte, sozial konstruierte Sinnkonstrukte voraussetzt, sowie das System der Relevanz, das gerade nicht nur individuelle Präferenzen widerspiegelt, sondern sozial konstituierte „weil-Motive“ (vgl. dazu auch Srubar 1992).

  10. 10.

    Wenn in der Finanzsoziologie von „Repräsentationen“ die Rede ist und nicht wie in der Wirtschaftssoziologie von „Rationalitätsvorstellungen“, dann um zu betonen, dass die Darstellung (also die Vorstellung über einen Gegenstand) das Dargestellte (also den Gegenstand selbst) erst hervorbringt (Kalthoff und Vormbusch 2012). Wie wir nachfolgend aber sehen werden (vgl. Abschn. 4.3.4), weisen auch „klassische“ Soziologien die Annahme zurück, dass soziale Repräsentationen die Realität lediglich abbilden (Schützeichel 2007). Vielmehr gelten Institutionen per se als unvollständig und bedürfen damit der Interpretation, um handlungsorientierend zu wirken. Dass diese kollektiv geteilten Interpretationen einer Institution – beispielsweise des Koordinationsmechanimus „Konkurrenz“ –, dann wieder neue Institutionen erschaffen können, wird auch von „klassischen“ Soziologien nicht infrage gestellt.

  11. 11.

    Dies ist der entscheidende Unterschied zum Repräsentationsverständnis „klassischer“ Soziologien (Schützeichel 2007); vergleiche dazu auch Abschn. 4.3.4.

  12. 12.

    Vor allem anhand des Optionshandels mit Währungen lässt sich das von den Autoren entwickelte Argument der Entkopplung von Finanzmärkten gut belegen. Optionen stellen ein Finanzinstrument zweiter Ordnung dar, da sich ihr Preis, anders als beispielsweise bei Aktien, nicht in Abhängigkeit von realwirtschaftlich begründeten Fundamentaldaten bestimmt, sondern in Abhängigkeit des prognostizierten Kursverlaufs des zugrunde liegenden Finanzinstruments.

  13. 13.

    Das Problem der Machtvergessenheit werden wir im weiteren Verlauf des Abschnitts präzisieren. Dies ist der prominenteste Vorwurf an die postmoderne Theoriebildung, der in etlichen Arbeiten in der Finanzsoziologie bereits aufgegriffen wurde (z. B. Callon und Muniesa (2005) oder Mackenzie (2007)), m. E. jedoch das Grundargument beibehalten wird.

  14. 14.

    Auf die verschiedentlich vorgenommenen Ausdifferenzierungen des Performanztheorems (z. B. MacKenzie 2007; Santos und Rodrigues 2009) werden wir – soweit es für die Diskussion des postmodernen Subjektverständnisses relevant ist – im Folgenden ausführlicher eingehen.

  15. 15.

    Der hier an die Postmoderne adressierte Vorwurf der „Verdinglichung“ ökonomischer Realität scheint zunächst nicht gerechtfertigt, wenn man in Rechnung stellt, dass Callon (1998b) als Gegenstück zum Prozess der Herstellung („framing“) ökonomischer Wirklichkeit den Prozess der kontinuierlichen Herausforderung („overflowing“) der ökonomischen Wirklichkeit in den Blick nimmt. Mehr noch: Er verweist in seinem zentralen Aufsatz (Callon 1998a) an mehreren Stellen darauf, dass „unsichere […] Situationen die Regel und nicht die Ausnahme sind“ (ebd.: S. 6; Übersetzung EMW.; ebd.: S. 17 ff., 37 ff., 1998b). Ganz analog zur Grundfigur der Giddens’schen Strukturationstheorie sieht auch Callon zwei gegenläufige Prozesse am Werk, die den Markt konstituieren und dessen Stabilität gleichzeitig wieder untergraben (Callon 1998a, S. 19). Trotzdem unterscheidet sich Callons Argument von Giddens darin, dass die Motivation zur Durchbrechung der Struktur („Kreativität“) bei Callon anthropologisch und nicht kognitiv begründet wird (Callon 1998a, S. 40; Callon 2006/11991, S. 318 ff.; Stäheli 2000, S. 58 ff.). Gerade weil sich Akteure als „mangelhafte“ Wesen wahrnehmen, verspüren sie einen inneren Zwang, Unsicherheit zu reduzieren (ebd.). Der analytische Ausgangspunkt der permanenten Notwendigkeit des „framings“ liegt somit nicht im sinnhaften Handeln des Subjekts begründet, sondern darin, dass die formatierte Praxis das ontologische Bedürfnis des Handelnden nach Sicherheit nicht mehr zufrieden stellen kann (Callon 1998a, S. 40; Callon 2006/11991, S. 318 ff.; Stäheli 2000, S. 58 ff.). Das heißt aber, dass die aus Sicht „klassischer“ Soziologien so zentrale Frage nach der Motivation zur Durchbrechung von Routine verschlossen bleibt.

  16. 16.

    Wir können an dieser Stelle nicht die gesamte Literatur zum postmodernen Subjekt- bzw. Interaktionsverständnis aufarbeiten und beschränken uns auf die Kernaussagen. Für einen guten Überblick über die postmoderne Theoriebildung siehe zum Beispiel Stäheli (2000) und den Sammelband von Belliger und Krieger (2006).

  17. 17.

    Vormbusch setzt hier die Ebene des „Verhaltens“ mit der des „Handelns“ bzw. „Entscheidens“ gleich. Damit wird die postmoderne Verkürzung des Handlungsverständnisses auf das „Verhalten“ nochmals offensichtlich.

  18. 18.

    Dies zeigen auch die Autoren Santos und Rodrigues (2009) für den US-amerikanischen Markt für Breitbandlizenzen. Dieser sollte nach den Vorstellungen des US-Kongresses nach spieltheoretischem Vorbild „performiert“ werden und damit sicherstellen, dass die Breitbandlizenzen nicht mehr – wie bislang – willkürlich vergeben werden, sondern vermittels eines transparenten Auktionsverfahrens. Wie die Autoren allerdings belegen, kann von einer Performanz des technischen Artefakts – vorliegend: das spieltheoretische Modell – nicht die Rede sein, zeigte sich die tatsächliche Handelspraxis doch durch opportunistisches Verhalten der Marktteilnehmer, mehrere Gerichtsurteile sowie Preisbeeinflussungen durch Großaktionäre aus. Anstatt dass also die Akteure vermittels der performativen Kraft des Modells als atomistische Preisnehmer am Markt hergestellt wurden, musste vielmehr deren „Eigenwilligkeit“ in Rechnung gestellt werden (ebd.: S. 993 ff.).

  19. 19.

    Wenn wir von Sozialkonstruktivismus sprechen, meinen wir die Wissenssoziologie im Anschluss an Berger und Luckmann (2000/11966). Da der Begriff der „Wissenssoziologie“ in der finanzsoziologischen Literatur automatisch postmodern interpretiert wird (vgl. Kalthoff 2010; Pahl 2010), werden wir – um Missverständnissen vorzubeugen – stets von einem sozial-konstruktivistischen Zugang sprechen.

  20. 20.

    Die finanzsoziologische Debatte würde diesem Argument nun vermutlich entgegen halten, dass sie sich im Kern gerade nicht auf Aktien, sondern auf derivative Finanzinstrumente bezieht, die sich von dem zugrunde liegenden Referenzobjekt entkoppeln können, da sie nicht nur von steigenden Kurswerten profitieren, sondern auch auf fallende Kurse wetten können („absolute return funds“) (vgl. dazu auch Faust et al. 2010, S. 33). Nur: Auch derivative Finanzinstrumente werden in ihrer Preisbildung zwangsläufig dann an die Volkswirtschaft zurückgebunden, wenn der kollektive Glaube an die Preisentwicklung eines realwirtschaftlichen Tauschobjekts (jüngst: die Immobilienpreise) erschüttert wird.

  21. 21.

    So der Titel eines im Jahre 2007 erschienenen Aufsatzes von Streeck.

  22. 22.

    Jüngst haben die Autoren Fourcade und Healy (2007) die Argumente in der Debatte um das Verhältnis von „Wirtschaft“ und „Moral“ in den unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen (Sub-)Disziplinen Ökonomik, Politische Ökonomie und Soziologie zusammengefasst und entlang von vier Dimensionen systematisiert. Erstens die neoklassische Perspektive („civilizing markets“, ebd.: S. 287 ff.), die „Markt“ und „Moral“ infolge der unterstellten Informationseffizienz tautologisiert, zweitens die Perspektive der Politischen Ökonomie („destructive markets“, ebd.: S. 291 ff.), die normativ-politisch argumentiert und die gesellschaftlich destruktiven Effekte der Liberalisierung kritisiert, drittens die Perspektive der Wirtschaftssoziologie („feeble markets, ebd.: S. 295 ff.), die jenseits normativer Fragen auf die gesellschaftliche Konstruktion von Märkten respektive Rationalität verweist und viertens die Perspektive der Postmoderne („moralized markets“, ebd.: S. 299 ff.), die – so die Autoren – den Fokus auf den kontinuierlichen Konstruktionsprozess sozialer Ordnungen legt (ebd.: S. 300). Wir kommen auf diese Systematisierung im Folgenden nicht ausführlicher zu sprechen: Zum einen, weil sie entlang der disziplinären Grenzen des Fachs verläuft und damit offensichtlich ist und zum anderen, weil die uns interessierende Frage nach den handlungstheoretischen Grundlagen nicht ausreichend genug systematisiert wird. Dies zeigt sich deutlich an der Unterscheidung zwischen den „feeble markets“ der Wirtschaftssoziologie und den „moralized markets“ der Postmoderne: So liegt der Unterschied zwischen den beiden Theorieströmungen m. E. ja gerade nicht darin, dass erstere nicht erkannt hätte, dass Märkte nicht „natürlicherweise“ existieren, sondern vielmehr, dass hier ein sinnhafter Handlungsbegriff zugrunde gelegt wird, der reflexiv zugänglich ist (vgl. Abschn. 4.3.4.).

  23. 23.

    Analog hierzu Parsons Kritik am Normbegriff der Neoklassik bzw. der NIÖ (Münch 1999, S. 29).

  24. 24.

    Wir sprechen dann von einer „sozialen Einbettung“ wirtschaftlichen Handelns, wenn die Frage adressiert wird, wie wirtschaftliches Handeln wechselseitig abgestimmt und koordiniert wird („soziale Ordnung“), auch wenn beispielsweise Parsons selbst den Begriff gar nicht verwendet (Deutschmann 2007, S. 81). Es geht vorliegend weniger um den Begriff selbst (vgl. Abschn. 4.3.1), sondern vielmehr um die Gegenüberstellung zwischen funktionalen und normativen Interpretationen.

  25. 25.

    Wir argumentieren hier implizit, dass die beiden (wirtschafts-)soziologischen Klassiker im Hinblick auf ihr hermeneutisch-interpretatorisches Potential stark zu lesen sind und folgen damit der Interpretation des Parsons’schen Werkes von Münch (1999, S. 32 f.). Dies ist freilich nicht ganz unproblematisch, wie Münch selbst für Parsons’ Werkentwicklung anmerkt und seine strukturfunktionalistische bzw. systemtheoretische Lesart des Ordnungsproblems herausstellt (ebd.). Auch Beckert (1997b, S. 640 ff.) belegt für Durkheims Vertragstheorie einen normativen Determinismus, der der freien Entfaltung subjektiver Sinnsetzungen geradezu entgegen steht. Wenn wir hier also von einer werksgeschichtlichen Interpretation beider (wirtschafts-)soziologischer Klassiker absehen und diese eher in ihren sinnverstehenden Theorieelementen stark machen, so geschieht dies im Hinblick auf die in vorliegender Arbeit herausgestellten Vorzüge eines sozial-konstruktivistischen Zugriffs auf wirtschaftliches Handeln.

  26. 26.

    Vergleiche für eine Kritik am funktionalistischen Institutionen- respektive Normverständnis auch Beckert (1997a, S. 55 ff.).

  27. 27.

    Vergleiche Abschn. 4.3.4.

  28. 28.

    Die Gleichgewichtsannahme ist zwangsläufig der neuralgische Punkt zwischen „verstehenden“ und „erklärenden“ Theorien. Zwar betonen auch jene Autoren der Wirtschaftssoziologie, die eine Nähe zur „Rational Choice“ aufweisen, dass subjektive Präferenzen (Handlungsmotive) das Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse (Swedberg 2003, S. 3; Hervorhebung EMW.) sein müssen, die je nach „Definition der Situation“ – so Esser (1996) im Anschluss an Schütz’ phänomenologischer Lebensweltanalyse – variieren können. Allerdings wird unterstellt, dass ein bereits bestehendes mentales Modell diesem Konstruktionsprozess voraus geht und damit auch unter Einbezug sozialer Situationen die Gleichgewichtsannahme aufrecht erhalten bleiben kann. Anders wäre Essers Anspruch auf eine „erklärende“ Soziologie logisch ja auch gar nicht einzulösen.

  29. 29.

    Wenn es um die Frage des „Wissens“ geht, wird in der wirtschaftssoziologischen Literatur vor allem die in der Tradition der Postmoderne stehende Finanzsoziologie bemüht (z. B. Knorr Cetina, Langenohl, Kalthoff). Wie wir gezeigt haben, sind damit bestehende sozialkonstruktivistische Zugriffe in der Wirtschaftssoziologie unterrepräsentiert, die aber gleichwohl zu finden (z. B. Aspers 2007; Engels 2010). Uns ging es daher in erster Linie um eine Begründung der Vorzüge sozialkonstruktivistischer Zugriffe auf die Kategorie des „Wissens“ gegenüber postmodernen Ansätzen. In zweiter Linie galt es das sozialkonstruktivistische Profil zu präzisieren. So differenziert beispielsweise Aspers in seiner Arbeit zu den unterschiedlichen Markttypen (Standard- und Statusmärkten) nicht zwischen Legitimierungs- und Institutionalisierungsprozessen und „verschenkt“ damit ja gerade das sozialkonstruktivistische Potential, sozialen Wandel zu erklären.

  30. 30.

    Für Wirtschaftsorganisationen entwickelt Schimank in einer späteren Arbeit (Schimank 2008) eine Entscheidungsmatrix, die unterschiedliche „Spielarten gesellschaftlicher Ökonomisierung“ (ebd.: S. 231) typisiert. Darin unterscheidet er zwischen drei Möglichkeiten der Ökonomisierung: dem Zwang, dem Wille und dem Können zur Ökonomisierung. Insbesondere in Branchen, die sich bislang dem Non-Profit-Sektor zugerechnet haben (z. B. Universitäten, Museen, Krankenhäuser) und sich jetzt ökonomisieren müssen, dies aber nicht wollen bzw. auch nicht können, sieht er einen erzwungenen Wandel von einem professionellen Ethos hin zu einem erlernten „Unternehmerethos“ am Werk (ebd.).

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Walker, EM. (2015). Die Moralisierung der Finanzmärkte als eine Kritik der zunehmenden Finanzmarktorientierung? Die theoretische Debatte. In: Die Moralisierung der Finanzmärkte als Fiktion. Wirtschaft und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05502-8_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-05502-8_4

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