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Die Finanzmarktorientierung in der Unternehmensorganisation und die Folgen für Prozesse „organisationalen Lernens

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Die Moralisierung der Finanzmärkte als Fiktion

Part of the book series: Wirtschaft und Gesellschaft ((WUG))

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Zusammenfassung

Während wir im vergangenen Abschnitt die zunehmende Kapitalmarktorientierung auf der Ebene der gesamten Wirtschaftsordnung in den Blick genommen haben, schärfen wir jetzt unseren Blick für die konkrete Situation der Unternehmensorganisation. Wir fragen hier zunächst, welche Erwartungen Finanzinvestoren an die Gestaltung einer optimalen Unternehmensorganisation formulieren und prüfen dann, welche Konsequenzen hieraus für Prozesse „organisationalen Lernens“ folgen. Warum sind Prozesse „organisationalen Lernens“ aber aus Unternehmenssicht überhaupt relevant?

Ich meine, letzten Endes entscheidet immer der Kapitalmarkt darüber, was ein gutes Unternehmen ist. […] Letzten Endes sind wir als Kapitalmarkt der Intermediär dazwischen, über den diese Umsetzungsmechanismen, diese Allokation erfolgt. (I1_PF1)

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Notes

  1. 1.

    Wir interessieren uns hier für die erwarteten Unternehmensstrategien aus Sicht der Finanzinvestoren. In der Prinzipal-Agenten-Theorie wird bekanntlich das Argument ins Feld geführt, dass Anreize in Form von erfolgsorientierter Vergütungssysteme geschaffen werden müssen, um die Interessen des Managements auf die der Kapitalgeber einzuschwören. Ganz abgesehen davon, dass allen Akteuren hier ausschließlich opportunistisches Handeln unterstellt wird, werden wir kapitalmarktorientierte Vergütungssysteme nicht eigens thematisieren, da es sich hierbei nicht primär um eine Unternehmensstrategie handelt, sondern eher um eine Absicherung der Kontrollgewalt durch die Kapitalmarktakteure.

  2. 2.

    Grundsätzliche Bedenken gegen die in theoretischer Hinsicht problematische Annahme, dass Handlungsmotivationen und Sinnzuschreibungen lediglich auf den Opportunismus der Akteure zurückzuführen sind, lassen wir an dieser Stelle außen vor.

  3. 3.

    Vergleiche Abschn. 2.1.

  4. 4.

    Die hier zitierte Textstelle ist insofern missverständlich, da Höpner (2003) hier bereits für den Wandel des „deutschen Modells“ argumentiert und Aktionäre – also institutionelle Investoren – zu den „outsidern“ zählt. Zu Zeiten des „deutschen Modells“ hingegen zählt er (Groß-)Aktionäre und Kreditgeber infolge des engen Verflechtungsnetzwerkes zwischen Unternehmen, Banken und Staat zu den „insidern“ (ebd.: S. 133 ff.). Für das folgende Argument legen wir letztere Definition zugrunde und bezeichnen also Kreditgeber bzw. Großaktionäre als „insider“ und die (meist internationalen) institutionellen Investoren jenseits des Verflechtungsnetzwerks als „outsider“.

  5. 5.

    Ganz im Gegensatz dazu stehen die gewandelten Karrieremuster heutiger deutscher Topmanager, wie Höpner (2003) am Beispiel der Unternehmensfusion Daimler und Chrysler belegt (ebd.: S. 145 f.). Obwohl dem Topmanagement die schwierige wirtschaftliche Lage von Chrysler bekannt war, forcierten sie die Unternehmensfusion. Es liegt der Verdacht nahe, dass dies mit der Motivation geschah, die deutschen Vorstandsgehälter auf das Niveau amerikanischer Vorstandsgehälter anzuheben (ebd.).

  6. 6.

    Vergleiche Abschn. 2.1.

  7. 7.

    Ganz offensichtlich ist dies bei gewährleistenden Unternehmensaufgaben wie beispielsweise der Personalbeschaffung oder der betrieblichen Weiterbildung (Faust 1997, S. 84). Die Entscheidungsgrundlage für die Erbringung einer Dienstleistung basiert nicht mehr auf einer historisch gewachsenen sozialen Beziehung innerhalb des Unternehmens, sondern auf dem „Preis“ der Dienstleistung. Ist dieser höher als am Markt, so wird die betreffende Dienstleistung ausgelagert.

  8. 8.

    Wir streifen hier das in Abschn. 3.3. zu diskutierende Transformationsproblem (Deutschmann 2002, S. 95 ff.). Anzumerken ist an dieser Stelle lediglich, dass Deutschmann – anders als die hier ebenfalls genannten Autoren Sauer und Döhl (u. a.) – dieses akteurstheoretisch und daher wesentlich differenzierter bearbeitet. So legt er gerade nicht lediglich spiegelbildlich zur Argumentationslinie der NIÖ einen Strukturdeterminismus zugrunde, der aus der jeweiligen Organisationsform (Märkte respektive Hierarchien) auf die Formen der Handlungskoordination sowie der Sozialintegration quasi deduktiv schließt (Deutschmann 2002, S. 139 ff.). Ebenfalls betont Deutschmann, dass auch in der hierarchisch organisierten Massenproduktion, Arbeit „nicht nur programmgerechtes Verhalten [ist], sondern Handeln, das auf die reflexive Bewältigung einer Situation orientiert ist.“ (ebd.: S. 40; Hervorhebung EMW.) Und weiter: „Die Arbeit, die den modernen Kapitalismus schuf, ist schon immer ‚Wissensarbeit‘ gewesen.“ (ebd.: S. 42).

  9. 9.

    Vergleiche dazu Abschn. 2.1.

  10. 10.

    Wenn Windolf (2008) von Finanzinvestoren spricht, dann bezeichnet er damit eine ganze Reihe unterschiedlicher Investorentypen: Investmentfonds-, Pensionsfonds- und Hedge-Fonds-Manager, Investmentbanker und Analysten (ebd.: S. 516). Ganz abgesehen davon, dass letztere Personengruppe gar keine Anlageentscheidung trifft, sondern Analyse betreibt, ist diese Zusammenfassung der Investorengruppen vor allem deshalb problematisch, da sie einen zentralen Strategieunterschied in der Konstruktion von Fonds verwischt: So gibt es einerseits „long-only“-Fonds (z. B. Aktienfonds), die nur von Kurssteigerungen bzw. Dividenden profitieren und andererseits „absolute return“-Fonds, die auch von fallenden Kursen profitieren (z. B. Derivate). Während sich also beim zweiten Investorentyp die Frage nach der Rückbindung des Investitionsrisikos an das realwirtschaftliche Unternehmensrisiko erst gar nicht stellt, ist ersterer Investorentyp zumindest über die Kurswertentwicklung an das realwirtschaftliche Referenzobjekt gebunden (Faust et al. 2010, S. 36 ff.). Nur hier lässt sich folglich die Frage nach dem Verhältnis von Risiko und Kontrolle sinnvoll stellen. Wir sprechen daher im Folgenden nicht von Investoren im Allgemeinen, sondern von (Streubesitz-)Aktionären im Speziellen.

  11. 11.

    Meines Wissens gibt es keine empirischen Befunde zu der Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang der Handel von verbrieften Krediten im „deutschen Modell“ eine Rolle gespielt hat. Für den Fall, dass dem so war, müsste das Argument, dass Kreditgeber im Vergleich zu Finanzinvestoren weniger flexibel sind bzw. waren, relativiert werden.

  12. 12.

    Wenn Windolf (2008) Investoren als „Eigentümer ohne Risiko“ bezeichnet, präzisiert er sein zugrunde liegendes Verständnis von Risiko nicht näher, inhaltlich scheint er sich aber auf das Liquiditätsrisiko zu beziehen; andernfalls würde sein Vergleich zwischen Finanzinvestoren und Kreditgebern hinken. Würde man nämlich das Risiko einer Investition darin sehen, wer im Falle einer Unternehmensinsolvenz das Hauptrisiko trägt, dann sind es zunächst die Kreditgeber und dann erst die Aktionäre, die aus der Konkursmasse bedient werden. Und auch das Argument des Diversifikationsrisikos (ebd.: S. 523 ff.) trägt nur bedingt als Unterscheidungsmerkmal zwischen Finanzinvestoren und Kreditgebern: So haben zwar Finanzinvestoren die Möglichkeit, ihr Anlagerisiko nicht nur über unterschiedliche Branchen, Regionen oder Unternehmensgrößen zu streuen, sondern auch über andere Anlageklassen (z. B. Anleihen oder Renten), das heißt ja aber nicht, dass nicht auch Kreditgeber ihre Investitionsrisiken gestreut hätten.

  13. 13.

    Wir kommen hier nur auf die durch die Investoren selbst kommunikativ vermittelten Fristigkeiten zu sprechen. Indirekt können sie aber auch beispielsweise über anreizkompatible Vergütungssysteme zum Tragen kommen, die eine strategische Ausrichtung des Managements an einer kurzfristigen Kurswertsteigerung nahelegen (Faust et al. 2010, S. 107 ff.).

  14. 14.

    Das schließt nun gleichwohl nicht aus, dass die Beschäftigten auch arbeiten „wollen“ bzw. sich dazu intrinsisch verpflichtet fühlen („sollen“) (Berger 1999, S. 51 ff.). Dies tangiert aber bereits die Frage nach dem Willen zur „freiwilligen“ Arbeitsleistung, die – wie wir im Folgenden sehen werden – je nach theoretischer Provenienz unterschiedlich beantwortet wird.

  15. 15.

    Bei Marx ist dies die privilegierte Schicht von Meistern, Aufsehern und „Industrieunteroffizieren“ (Deutschmann 2002, S. 105) und bei Weber ist es das Vorbild des loyalen Beamten in der preußischen Staatsbürokratie (ebd.: S. 109).

  16. 16.

    Folglich begründet Deutschmann (2002) den oben dargestellten Wandel von einer hierarchischen Arbeitsorganisation hin zu vermarktlichten Unternehmensstrukturen gerade nicht mit der Freisetzung des kreativen Potentials der Beschäftigten, da dieses weder über Hierarchien noch über Märkte kontrolliert bzw. erzwungen werden kann.

  17. 17.

    Nun kann die Abschwächung der betrieblichen Machtasymmetrie freilich auch transaktionskostenökonomisch gelesen werden und die institutionelle Absicherung der Beschäftigten lediglich als bloßes Eigeninteresse der Unternehmer interpretiert werden. Gerade weil diese Sozialbeziehungen dann aber lediglich auf ihren instrumentellen Tauschcharakter reduziert werden, werden nicht die Grundlagen für wechselseitiges Vertrauen, Reziprozität und Solidarität geschaffen, sondern für opportunistisches Handeln (Deutschmann 2002, S. 142 f.).

  18. 18.

    Wenn wir hier zwischen individuellen und kollektiven Voraussetzungen von Innovationsprozessen unterscheiden, dann ist dies nicht ganz unbedenklich: schließlich setzt ja zum einen die Kooperationsebene das Individuum voraus und das Individuum kann sich nur in der Gemeinschaft weiterentwickeln. Wenn wir diese Unterscheidung trotzdem treffen, so deshalb, weil wir die beiden Ebenen zumindest mit Blick auf die Analyseebene auseinanderhalten wollen.

  19. 19.

    Wenn sich jüngst sogenannte „Business Angels“ als Risikokapitalinvestoren gerade auf innovative Start-up-Unternehmen und Universitätsausgründungen im Hochtechnologiebereich konzentrieren (Hirsch-Kreinsen 2010, S. 123 ff.), so ist damit die These einer Innovationsfeindlichkeit des Kapitalmarkts noch nicht widerlegt. Zwar zeichnen sich die Investoren durch eine hohe Risikobereitschaft als auch eine hohe Technologiekenntnis aus – Hirsch-Kreinsen spricht sogar von einer „Neukonturierung des Insider-Systems“ (ebd.) auf dem Segment des Wagniskapitals –, allerdings ist hiermit auch die Erwartung einer möglichst raschen und hohen Verzinsung des Risikokapitals verbunden. Das hat eine Konzentration auf gewinnträchtige und radikale Innovationen im Hochtechnologiebereich zur Folge (ebd.); weniger erfolgsversprechende bzw. langfristigere Innovationsprojekte haben somit das Nachsehen.

  20. 20.

    Die Pharmabranche gilt als eine Branche, in der das Problem der Ungewissheit von Innovationen am deutlichsten zutage tritt: Die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem in der Forschung begonnenen Projekt ein zulassungsfähiges und damit wirtschaftlich verwertbares Medikament entsteht, liegt bei 5 % (Kädtler 2009, S. 16).

  21. 21.

    Seit der Restrukturierung auf eine am „Shareholder Value“ orientierte Unternehmensstrategie hat das betreffende Pharmaunternehmen keine erfolgreichen Großinnovationen mehr zu verzeichnen und der Umsatz, der auf eigene Pharmainnovationen zurückgeht, ist gesunken (Kädtler 2009, S. 17, Fn. 23).

  22. 22.

    Dies betrifft alle Entscheidungen, die gegen das unmittelbare Interesse der Beschäftigten sind.

  23. 23.

    In seinem jüngsten Aufsatz bezeichnet Kotthoff (2010) diese als „high trust“-Beziehungen (ebd.: S. 433 ff.).

  24. 24.

    In seinem jüngsten Aufsatz bezeichnet Kotthoff (2010) diese als „low trust“-Beziehungen (ebd.: S. 434 ff.).

  25. 25.

    Diese Langfristigkeit in der „Würdigungsbeziehung“ schlägt sich darin nieder, dass Vorleistungen auch in Zukunft gewürdigt werden können. Dies wären aufseiten der Beschäftigten beispielsweise betriebsspezifische Weiterbildungsmaßnahmen (Voswinkel 2000). Würdigung beinhaltet damit Züge von Dankbarkeit und setzt auf beiden Seiten die Bereitschaft zu „freiwilligen“ Gaben voraus (Voswinkel 2005, S. 239 ff.).

  26. 26.

    Neckel (2010) bezeichnet diese daher auch als „winner-take-it-all“-Märkte (ebd.: S. 6).

  27. 27.

    Freilich war die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Beschäftigtem noch nie „zweckfrei“, schließlich handelt es sich um eine Vertragsbeziehung, die darüber hinaus noch asymmetrisch ist (Voswinkel 2005). Allerdings kann – so haben wir in Abschn. 3.3.1 im Anschluss an Deutschmann (2002) argumentiert – diese Machtasymmetrie zuungunsten der Beschäftigten in Form von institutionalisierten Formen der Anerkennung wie beispielsweise Mitbestimmungsrechten, betriebsinternen Karrierewegen oder betrieblichen Sozialleistungen „neutralisiert“ werden, da die Gegenleistung des Unternehmers/Vorgesetzen dann nicht mehr an eine bloße Vorleistung des Beschäftigten gebunden ist (Voswinkel 2005), sondern er als „Betriebsbürger“ (Kotthoff 2000, S. 27 ff.) anerkannt wird.

  28. 28.

    Die Felder dieses inszenierten Wettbewerbs sind vielfältig: der Wettbewerb um den höchsten Umsatz, den günstigsten Einkaufspreis oder der günstigsten Dienstleistung in der Kunden-Lieferantenbeziehung zwischen den Abteilungen.

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Walker, EM. (2015). Die Finanzmarktorientierung in der Unternehmensorganisation und die Folgen für Prozesse „organisationalen Lernens . In: Die Moralisierung der Finanzmärkte als Fiktion. Wirtschaft und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05502-8_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-05502-8_3

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-05501-1

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