Zusammenfassung
Die Bezeichnung sozialer Ressourcen als soziales Kapital schließt an den in der Ökonomie verwendeten Kapitalbegriff an. Als eine bedeutende ökonomische Größe findet er dort Anwendung in der Erklärung von Wirtschaftsprozessen. In diesem Kapitel wird erläutert, inwiefern soziale Ressourcen mit diesem Kapitalbegriff gekennzeichnet werden können und welche spezifischen Eigenschaften sozialer Ressourcen es notwendig machen, einen selbstständigen, vom ökonomischen Kapitalbegriff losgelösten Begriff für soziale Ressourcen zu verwenden.
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Notes
- 1.
Eine graduelle Abstufung hebt natürlich nicht die stark asymmetrische Verteilung des ökonomischen Kapitals in entwickelten Gesellschaften auf.
- 2.
Im Gegensatz dazu kann Wissen individuell und korporativ erzeugt werden. In der Wissensgesellschaft verlagert sich die Wissensproduktion „von nationalstaatlich organisierter Politik zu weltweiten wirtschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Lernprozessen“ (Heidenreich 2003, S. 40). Die korporative Wissensproduktion erfolgt in lernenden mitunter auch transnationalen Organisationen (Heidenreich 2003; Willke 1998).
- 3.
Am Humankapitalansatz Beckers wurde kritisiert, dass Bildungsaufwendungen auf solche Dinge reduziert werden, die sich in Geld und verwendeter Zeit ausdrücken lassen. Hingegen bleibt die Transmission von Humankapital in der Familie und der Beitrag des Erziehungssystems zur Reproduktion der Sozialstruktur, d. h. die Vererbung des Humankapitals, unberücksichtigt (Bourdieu 1983a, S. 185 f.).
- 4.
Bourdieu benennt neben ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital noch symbolische Macht als eine weitere Kapitalform. Symbolisches Kapital kommt durch gesellschaftliche Erkennungs- und Anerkennungsakte zustande und wirkt als Ruf, Prestige, Ehre, Ruhm, Autorität oder Renommee (Bourdieu 1982, S. 391). Der Ruf von Kompetenz und das Prestige von Ansehen und Ehrbarkeit verleihen dem Träger symbolische Macht (Bourdieu 1982, S. 456). Bourdieu verwendet in seinen frühen Schriften den Begriff eher als eine Unterart des sozialen Kapitals. Später schreibt er dem symbolischen Kapital als eigenständige Kapitalsorte eine größere Bedeutung zu. Ein generelles Problem ist die Unterschiedlichkeit und mangelnde Vergleichbarkeit der Kapitalsorten, die auf unterschiedlichen Ebenen der Wirklichkeit liegen (Rehbein und Saalmann 2009). In der weiter unten entfalteten Theorie wird symbolische Anerkennung nicht als Kapitalform, sondern als Handlungsinteresse konzipiert.
- 5.
Eine sehr ähnliche Definition geben Foley und Edwards (1999, S. 166): „Social capital is best conceived as access (networks) plus resources“.
- 6.
Boissevain (1974) nennt soziales Kapital deshalb indirekte Ressourcen oder Ressourcen zweiten Ranges.
- 7.
Das charakteristische Merkmal von Kollektivgütern ist die Nicht-Ausschließbarkeit. Das bedeutet, dass keine Person von der Nutzung des Kollektivgutes ausgeschlossen werden kann, unabhängig davon, ob sie zur Erstellung des Gutes einen Beitrag geleistet hat. Durch die direkten und indirekten Beziehungen im Netzwerk kann theoretisch jedes Mitglied von den Ressourcen aller Mitglieder profitieren. Dies gilt aber nur für Mitglieder des Beziehungsnetzwerks. Nicht-Mitglieder werden ausgeschlossen. Damit stellt das Beziehungsnetzwerk des sozialen Kapitals allenfalls ein Klubgut dar. Die üblichen Schwierigkeiten, Klub- oder Kollektivgüter zu erstellen, sind auch für das soziale Kapital gegeben: Wenn ein Akteur infolge eines Beziehungsabbruchs durch den Beziehungspartner mit dem (teilweisen) Verlust seines sozialen Kapitals rechnen muss, obwohl er keine Kontrolle darüber hat, dann ist Zurückhaltung beim Aufbau sozialen Kapitals zu erwarten (Coleman 1995, S. 410).
- 8.
Allerdings geht Kritikern die Analyse gesellschaftlicher Veränderungen nicht weit genug. Braun (2001, 2002) vermisst beispielsweise im Sozialkapitaldiskurs nach Putnam Verweise auf die Probleme der wachsenden sozialen Ungleichheiten, wie sie sich bei Bourdieu finden.
- 9.
Die Mitgliedschaft in Vereinigungen wird im Kollektivgut-Ansatz eher als Quelle des sozialen Kapitals angesehen und weniger als ein Indikator der Präsenz oder der Folge sozialen Kapitals (vgl. Foley und Edwards 1999, S. 148).
- 10.
Beziehungen sind redundant, wenn sie zu den gleichen Akteuren und deren Ressourcen führen. Ein dichtes Netzwerk ist ineffizient, wenn es für höhere Kosten die gleichen Ressourcen eines dünnen Netzwerks bereitstellt.
- 11.
Kohäsion liegt vor, wenn die beiden Kontakte eines Akteurs in einer Akteurstriade durch eine starke Beziehung verbunden sind. Zwei Akteure besetzen strukturell ähnliche oder äquivalente Netzwerkpositionen, wenn sie die gleichen Kontakte haben ohne notwendigerweise selbst miteinander verbunden zu sein. Beispielsweise interagieren zwei Akteure nicht miteinander, aber jeder Akteur ist mit einem zentralen Akteur verbunden, deshalb besetzen beide die gleiche periphere Position.
- 12.
Dabei besteht natürlich immer die Möglichkeit der Zweckentfremdung, vor allem je größer die Gruppe ist oder je machtloser die Mitglieder sind (Bourdieu 1983a, S. 194).
- 13.
Nicht-intendierte Folgen werden gelegentlich als Nebenfolgen bezeichnet. Dies ist insofern irreführend, als dass diese Folgen nicht bloß nebensächlich, sondern gravierend sein können (vgl. die Diskussion zu individueller und kollektiver Rationalität in Abschn. 1.3).
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Petermann, S. (2015). Soziale Ressourcen als Kapital. In: Persönliches soziales Kapital in Stadtgesellschaften. Netzwerkforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05418-2_2
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