Zusammenfassung
Sinn erschließt sich, wie gesagt, nur mittelbar, und zwar in demjenigen Text, der sich zwischen uns webt, uns trennt und verbindet, d. h. im kommunikativen Text des Sozialen. Solches Sicherschließen ist ein obliquer (indirekter) Modus des Textes. Ebenso wie man nicht fragen kann, wer genau das Selbst ist, oder, wann genau die Gegenwart ist, so kann man nicht fragen, was genau denn der Sinn ist, z. B. der Sinn des oder meines oder deines Lebens, oder aber auch der Sinn der Arbeit. Daher sind zunächst einmal solche Sätze sinnlos, wie, der Sinn der Arbeit sei das Leben, oder der Sinn des Lebens sei die Arbeit. Nach dem Sinn läßt sich nicht direkt fragen, bzw. man erhält dann nur sinnlose Antworten, weil zusammen mit Gegenwart und Selbst der Sinn eine Funktionsposition des kommunikativen Textes ist, und zwar jene Zero-Funktionsposition, die Bezüge ermöglicht, d. h. die in dieser Hinsicht eine transzendentale Funktion hat. Von der Gegenwart nämlich werden die Relationen zu Vergangenheit und Zukunft konstituiert, und ohne diese Bezüge (Relationen) ist die Gegenwart leer; und vom Selbst aus werden die Relationen zum inneren und äußeren Anderen gestiftet, ohne sie bleibt uns nur ein leeres Selbst, und vom Sinn aus schließlich ergeben sich die Relationen auf das Normative (was soll geschehen?) und auf das Epistemische (was ist der Fall?).
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Notes
- 1.
Dazu ausführlich K. Röttgers (2012).
- 2.
Zur Indirektheit von Sinn s. O. Marquard (1986).
- 3.
Zu diesem Zusammenhang s. beispielsweise M. J. Schäfer: Die Gewalt der Muße.
- 4.
Der Zusammenhang von Denken und Handeln ist eine der Grundthesen des späteren Heidegger, was freilich einen nicht-subjektzentrierten Handlungbegriff voraussetzt, sondern einen, der die Zäsur, das Geschehen eines Ereignisses in den Mittelpunkt rückt.
- 5.
P. Lafargue (1883); ferner G. Simmel 2004, S. 392–397, dort heißt es: „ … alle höhere Entwicklung wird vom Willen zur Faulheit geleitet. Lassen wir uns nicht von dem Anschein der Unruhe und Geschäftigkeit blenden … Nichts anderes ist jede Thätigkeit, als die Brücke zwischen zwei Faulheiten, und alle Cultur arbeitet, daß sie immer kürzer und kürzer werde.“ (S. 392).
- 6.
Zur Prägung des Begriffs Ende des 19. Jh. s. Conrad et al. (2000, S. 449–475).
- 7.
Selbst der Arbeitsfanatiker Rousseau, für den einer der Hauptgründe gegen das Theater der sogenannte Zeitvertreib ohne Arbeitsamkeit war, (Rousseau 1967, S. 65 f.) pries später (jedenfalls für sich selbst!) das „dolce farniente“. (Rousseau 2003, S. 85). Und Christian Jakob Kraus, jener „workoholic without a work“, entdeckte für sich (spät) die „ganz fremde Kunst …, die edle Kunst nichts zu thun, oder zu vegetieren…“ zit. in Röttgers (1993, S. 60).
- 8.
Dischner (1980), Schlegels „Idylle über den Müßiggang“ aus der „Lucinde“ findet sich dort S. 60–65; cf. auch Dischners „Prolegomena zu einer Theorie des Müßiggangs“, ibd., S. 185–192; cf. ferner die in Anm. 6 genannte Schrift der Autorin. Wußte eine alte Volksweisheit der Deutschen „Müßggang ist aller Laster Anfang“, so ist mit Gisela Dischner seit der Frühromantik auch sagbar geworden „Müßiggang ist aller Lüste Anfang“, verstanden vor allem als Liebes-Lüste. Dischner (2011, S. 39).
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Röttgers, K. (2014). Modo obliquo: Was ist Nichtarbeit?. In: Muße und der Sinn von Arbeit: Ein Beitrag zur Sozialphilosophie von Handeln, Zielerreichung und Zielerreichungsvermeidung. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05386-4_3
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