Zusammenfassung
Wenn man über die Legitimationsbedürftigkeit und vor allem über die Legitimationsfähigkeit eines Herrschaftsgebildes etwas aussagen will, ist man gut beraten, wenn man sich zunächst darüber Klarheit verschafft, wie dieses Herrschaftsgebilde beschaffen ist und ob es bestimmte Eigenarten aufweist, die unter dem Gesichtspunkt seiner Legitimationsfähigkeit von Bedeutung sein könnten. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Lissabon-Urteil (BVerfGE 123, 267 – Lissabon) für die Europäische Union – um die es im Folgenden gehen soll – ausdrücklich hervorgehoben, es sei bei dem gegenwärtigen Integrationsstand nicht geboten, „das europäische Institutionensystem demokratisch in einer staatsanalogen Weise auszugestalten“ (a.a.O, Randnr. 278), eine methodisch wertvolle Einsicht, die sich allerdings im Verlaufe der breit ausgreifenden Entscheidungsbegründung zunehmend verflüchtigt. Es erscheint uns daher für die Überzeugungskraft unserer Argumentation unabdingbar zu sein, zunächst einen kurzen Blick auf die Eigenart des Herrschaftsgebildes EU zu werfen.
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Schuppert, G. (2015). Legitimationsmodi eines Systems supranationaler Herrschaftsverflechtung: Das Beispiel der Europäischen Union. In: Abbas, N., Förster, A., Richter, E. (eds) Supranationalität und Demokratie. Staat - Souveränität - Nation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05335-2_3
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