Mit Rennfahrzeugen wird versucht möglichst schnell eine bestimmte Strecke zu durchfahren. Die Grenzen geben dabei in erster Linie die Motorleistung, die Haftung der Reifen und das Können des Fahrers vor. Das oft zitierte Fahren im Grenzbereich ist eine Gratwanderung, bei der die Grenzmarken nicht oder nicht immer sichtbar sind. Möglichst schnell fahren kann daher auch bedeuten die Grenzen zu überschreiten. Weil dies oft bei hoher Geschwindigkeit passiert, kommt dem Schutz des Fahrers eine hohe Bedeutung zu. In dem Zusammenhang gibt folgendes Zitat die Entwicklungsrichtung vor:
Speed does not kill, but a sudden lack of it does (Henry Labouchere).
Nicht die Geschwindigkeit ist tödlich, sondern deren plötzlicher Verlust.
1 Fahrzeugaufbau Vehicle Construction
Bei einem offenen Cockpit müssen zum Schutz des Fahrers besondere Maßnahmen ergriffen werden. Der Aufbau solcher Fahrzeuge soll an dieser Stelle beispielhaft für alle zweispurigen Fahrzeuge betrachtet werden, Abb. 3.1. Im Prinzip findet sich dieser Aufbau ja auch bei anderen Wettbewerbsfahrzeugen.
Der Fahrer wird so im Fahrzeug untergebracht, dass seine Füße hinter der Vorderachse liegen. Die Querspanten der Hauptstruktur werden von drei Schottwänden bzw. Überrollbügel gebildet. Der mittlere Überrollbügel muss mindestens die Höhe der Oberkante des Lenkradkranzes erreichen. Ein zweiter Überrollbügel schützt den Kopfbereich des Fahrers und ist hinter dem Fahrer angebracht. Seine Höhe ist so bemessen, dass eine gedachte Verbindungsgerade zwischen den höchsten Punkten der beiden Bügel so über dem Helm des Fahrers in Fahrstellung (Hände am Lenkrad) verläuft, dass noch ein Sicherheitsabstand (z. B. 80 mm nach FIA Anhang J Art. 258) bleibt. Der Gedanke hinter dieser Forderung ist die Vorstellung, dass der Wagen auf ebener Fahrbahn überrollt. Dann liegt das Fahrzeug auf diesen Stellen der Überrollbügel auf und der Fahrer benötigt einen Überlebensraum, auch wenn sich die Überrollstruktur deformiert.
Vor dem Fußhebelwerk angeordnet erstreckt sich ein stoßaufnehmender Bereich, der die Kräfte eines Frontalaufpralls in den Rahmen weiterleitet und selbst durch seine Deformation das Fahrzeug so verzögert, dass die Maximalwerte der Beschleunigung unter dem für den Menschen ertragbaren Limit bleiben. Bei Abnahmetests wird der Beschleunigungsverlauf über der Zeit erfasst. Die Beschleunigung darf dabei einen bestimmten Wert nur für wenige ms überschreiten. Ein Crashelement (Abb. 3.2 und 3.3 ) darf also nicht zu steif sein, damit es beim Aufprall einen gewissen Deformationsweg und damit eine Deformationszeit zulässt. Die kinetische Energie des Fahrzeugs wird bei einem Unfall in Verformungsenergie und Wärme umgewandelt.
Zum Schutz des Fahrers bei seitlichem Anprall werden seitliche Deformationselemente (Seitenaufprallschutz) vorgesehen.
Der Bereich des Kraftstofftanks und des Motors wird bei allen Fahrzeugen durch eine Flammschutzwand vom Fahrerbereich getrennt. Wird der Kraftstofftank im Fahrzeuginnenraum ohne Schottwand zum Fahrer hin eingebaut, muss der Tank in einem eigenen feuerfesten Sicherheitsbehälter untergebracht sein.
Weitere umschließende Behälter, z. B. aus GFK, sind vorgeschrieben, wenn die Batterie im Fahrzeuginnenraum untergebracht ist. Diese müssen elektrisch isolieren und mögliche aus der Batterie austretende Flüssigkeiten auffangen.
Das hintere Fahrzeugende weist ein Heckaufprallelement auf. Dieses wird am hinteren Ende des Getriebegehäuses oder am Rahmen befestigt, Abb. 3.4.
Überlebenszelle Survival Cell.
In vielen Reglements wird mittlerweile ein Mindestbereich vorgeschrieben, der dem Fahrer bei einem Unfall das Überleben sichern soll. Beispielhaft zeigt Abb. 3.5 die Außen‐ und Innenabmessungen einer solchen Zelle. Sie wird für Einsitzer herangezogen und kann somit gut für die Gestaltung eines ein- oder zweisitzigen Fahrzeugs als Grundlage bei der Festlegung der Hauptabmessungen verwendet werden.
Solche Zellen werden auch bei zweisitzigen Fahrzeugen vorgesehen. Fahrer und Beifahrer sitzen dann in je einem eigenen „Monocoque“, dass nicht tragende Struktur des Fahrzeugs ist, sondern im Gegenteil wie ein Sitz im Fahrzeug verankert ist.
2 Schalter Switches
Der Feuerlöscher soll von außen, z. B. von einem Streckenposten, betätigt werden können. Der Griff für den Auslösezug bzw. der Schalter muss mit einem Symbol (siehe Abb. 3.6 und 3.8) gekennzeichnet sein.
Der Stromkreis muss von außen unterbrochen werden können. Dieser Hauptschalter (master switch) muss mit einem Symbol (siehe Abb. 3.7) gekennzeichnet sein. Er muss funkenfrei öffnen.
Der Hauptschalter (Abb. 3.9) ist von außen zugänglich angebracht, damit ihn Streckenposten einfach erreichen können. Es ist auch ersichtlich wie der Schalter betätigt werden muss und wo die Aus‐Stellung ist.
Bei Rundstreckenrennfahrzeugen muss die Kraftstoffpumpe vom Fahrerplatz aus abgeschaltet werden können, z. B. mit einem Kippschalter.
3 Schutzeinrichtungen Protecting Device
Überrollvorrichtung Rollover Structure.
Überrollkäfige (rollcage) als Hauptbestandteil einer Überrollvorrichtung sind wesentlicher Bestandteil der Schutzvorrichtungen für Produktionssportwagen, Tourenwagen, GT‐Fahrzeuge, Rallyefahrzeuge usw (Abb. 3.10). Die Hauptbestandteile, Abb. 3.11, sind in den FIA‐Vorschriften [3] festgeschrieben, die die Basis für viele nationale Vorschriften bilden. Überrollkäfige, die nicht diesen Bauvorschriften entsprechen, können ebenfalls eingesetzt werden, müssen jedoch einen statischen Belastungstest bestehen, Abschn. 3.4. Alternativ kann dieser Test durch eine FEM‐AnalyseFootnote 1 eines akkreditierten Instituts ersetzt werden.
Der Hauptbügel befindet sich hinter den Vordersitzen und überspannt in einem Stück die gesamte Fahrgastzelle. Der Biegeradius der Mittellinie muss mindestens das Dreifache des Rohrdurchmessers betragen. Daran angeschlossen bilden entweder zwei seitliche Bügel oder ein durchgehender vorderer Bügel die weitere Struktur. Diagonalstreben versteifen diese Struktur zusätzlich. Den Flankenschutz übernehmen Diagonalstreben in den Türöffnungen. In Fahrtrichtung wird der Hauptbügel von den hinteren Abstützungen gehalten. Die gesamte Überrollvorrichtung muss in der Seitenansicht zwischen den Punkten des Fahrwerks untergebracht sein, die die Radkräfte aufnehmen, also zwischen den Befestigungen von Aufbaufedern und Dämpfer. Zusätzliche Streben dürfen als Verstärkung eingearbeitet werden. Diese können auch demontierbar, etwa durch Verschraubung, befestigt sein.
Die prinzipiell erlaubten Möglichkeiten Überrollkäfige aus Bügeln aufzubauen zeigt Abb. 3.12. Diese Bügel müssen alle aus einem Stück ohne Verbindungen hergestellt sein. Sämtliche Rohre des Käfigs dürfen keine Flüssigkeiten leiten.
Der Überrollkäfig muss über Befestigungsfüße am Rahmen bzw. Fahrgestell befestigt sein. Jedes Bügelende und jede Abstützung muss einen Fuß aufweisen, d. h. jeder Käfig muss mit mindestens sechs Füßen versehen sein. Diese Füße müssen mit mindestens drei M8-Schrauben mit einer Qualität 8.8 am Rahmen über Verstärkungsplatten verschraubt sein, Abb. 3.13.
Verbindungsstellen und Kreuzungen von Streben können verstärkt werden. Erlaubt sind kurze Streben oder Knotenbleche, Abb. 3.14. Die Mindestwandstärke dieser Verstärkungen muss über 1 mm liegen.
Die Befestigung von lösbaren Streben an Bügel und Befestigungen zwischen seitlichen Halbbügeln und dem Hauptbügel dürfen nur von der FIA anerkannte Typen sein, Abb. 3.15.
Für Produktionssportwagen und Rallye‐Fahrzeuge muss das Erscheinungsbild des Überrollkäfigs in der Türöffnung ein bestimmtes Aussehen haben, Abb. 3.16.
Im Cockpitbereich müssen die Teile der Überrollvorrichtung mit einer schwer entflammbaren Polsterung (FIA Standard 8857-2001 Typ A oder B, SFI‐Spezifikation 45.1) versehen sein, die Kontakt mit dem Fahrer bzw. Beifahrer haben könnten, Abb. 3.17. Bemerkenswert bei den zulässigen Polsterungen ist ihre – zumindest auf den ersten Blick – unerwartet hohe Härte. Sie wirken auch nur im Zusammenspiel mit einem Helm wunschgemäß energieabsorbierend. Eine vielleicht nahe liegende Polsterung mit einem weichen Schaumstoff ist für diesen Zweck gänzlich ungeeignet.
Werkstoff.
Empfohlen werden nicht hochfeste Stähle, sondern im Gegenteil niedriglegierte, kohlenstoffarme Stähle. Diese sind besser schweißbar (C-Gehalt unter 0,3 Massen-%) und weisen vor allem ein großes Verformungsvermögen auf. Die große Dehnbarkeit ist beim eigentlichen Einsatz der Überrollvorrichtung, also bei einem (Mehrfach-)Überschlag, entscheidend für die lebensrettende Wirkung.
Überrollstrukturen Rollover Structure.
Bei zweisitzigen Produktionssportwagen mit offenem oder geschlossenem Cockpit werden von der FIA zwei Überrollstrukturen verlangt, Abb. 3.18. Die vorderen und hinteren Teile der Hauptstruktur müssen eine bestimmte horizontale Entfernung aufweisen und symmetrisch zur Fahrzeuglängsebene verlaufen. Der Helm des Fahrers in Fahrstellung muss einen Sicherheitsabstand zu einer gedachten Verbindung über die beiden Überrollelemente aufweisen. Zusätzlich muss sich hinter dem Fahrer eine zweite Überrollstruktur befinden, die bei Versagen der Hauptstruktur den Fahrer schützt. Sie muss von vorne gesehen den Helm überragen und über einen Mindestdurchmesser von 280 mm verfügen.
Die hintere Überrollvorrichtung kann auch zum Bergen des Fahrzeugs nach einem Unfall herangezogen werden, Abb. 3.19. Dafür muss der Hersteller allerdings der Rennleitung seine schriftliche Einwilligung geben.
Feuerlöscher Fire Extinguisher.
Bei Rallyefahrzeuge müssen sowohl eine eingebaute Löschanlage als auch ein Handfeuerlöscher mitgeführt werden. Für Rundstreckenrennen, Slaloms und Bergrennen genügt eines von beidem.
Die Anzahl und Größe der Feuerlöscher hängt von den einzelnen Reglements und vom Löschmittel ab. Als Füllung kommen nur bestimmte Löschmittel in Frage, nämlich AFFF, FX G-TEC, Viro 3 und Pulver.
In der Formel 1 werden nach FIA Bestimmungen zwei Löscher mit 2,5 und 5 kg Füllung mitgeführt [4]. In den meisten Fällen wird jedoch ein 2,25 l Löscher den Bestimmungen genügen [5].
Alle Löschsysteme müssen sowohl vom Fahrerplatz (Abb. 3.21) als auch von außen betätigbar sein. Die Betätigung von außen muss in der Nähe des Hauptschalters sein. Zur Kennzeichnung der Auslöseschalter siehe Abschn. 3.2. Bei zweisitzigen Fahrzeugen müssen auch Beifahrer leicht den Feuerlöscher erreichen können.
Elektrisch betätigte Löscher mit einer eigenen Batterie und einer separaten Verkabelung werden bevorzugt. Es gibt daneben auch über Seilzug ausgelöste Systeme.
Die Löscheinrichtungen müssen Feuer im Motorraum und Fahrgastraum bekämpfen können bzw. es können auch zwei getrennte Löschsysteme installiert werden.
Der Feuerlöscher selbst muss so im Fahrzeug befestigt sein, dass er den Beschleunigungskräften eines Rennlaufes standhält. Konkret verlangt die FIA, dass die Behälterbefestigungen einer Verzögerung von \(25\,g\) standhalten müssen. Weiters müssen die Befestigungen aus Metall sein und mit einem Schnellentriegelungssystem versehen sein. Zwei Metallbänder sind so die Mindestanforderung.
Feuerlöscher müssen im Cockpit untergebracht werden. Bei Einsitzern sind sie meist unterhalb der Fahrerknie oder im Wagenbug angeordnet, bei zweisitzigen Sportprototypen am Platz des „Beifahrers“ (Abb. 3.22).
Rettungsluftbehälter Life Bottle.
In vielen Rennfahrzeugen ist ein Rettungssystem eingebaut, dass den Fahrer im Notfall über eine feuerfeste Schlauchleitung zum Helm mit Atemluft versorgt. Der Luftbehälter kann den Fahrer ca. 30 s mit Luft versorgen.
Dieser Behälter wird bei Einsitzern meist unterhalb der Fahrerknie oder im Wagenbug angeordnet.
Sicherheitsgurte Safety Belts.
Sicherheitsgurte werden von den einzelnen Reglements vorgeschrieben. Durch die extremen Fahrzustände sind sie aber auch bei „Normalfahrt“ erforderlich. Genaueres zu Ausführung und Befestigung siehe Abschn. D.8 Rückhaltesysteme.
Lenkradschnellverschluss Steering Wheel Quick Release.
Ein leicht entfernbares Lenkrad erlaubt dem Fahrer eines Einsitzers das eng geschnittene Cockpit schnell zu verlassen. Aber auch bei Sportprototypen und anderen Fahrzeugen mit breiten Fahrgasträumen sind Schnellverschlüsse Pflicht. Der Schnellverschluss ist in der Lenkradnabe integriert. Diese ist in Abschn. J.3 Lenkwelle beschrieben.
Seitennetz (Fensternetz) Window Net.
Seitennetze werden bei Tourenwagen im Bereich neben dem Fahrer zur Wagenaußenseite hin im Kopf‐Schulterbereich eingesetzt, Abb. 3.23. Sie können so an der Fahrertür oder direkt am Überrollkäfig montiert werden. Die Türmontage hat zwar den Vorteil, dass der Fahrer leicht ein‐ und aussteigen kann, aber sobald die Tür offen steht, ist der Schutz nicht mehr gegeben [1]. Es gibt auch Seitennetzhalterungen, die mit einem Schnellverschlusssystem ausgerüstet sind und so ein Lösen auf Knopfdruck ermöglichen.
Das Netz weist Abmessungen \(\text{Breite}\times\text{H{\"o}he}\) von \(400\times 405\,\mathrm{mm}\) (4-türiges Cockpit) oder \(525\times 467\,\mathrm{mm}\) (2-türiges Fahrzeug) auf.
Rücklicht Red Light.
Ein rotes 15W-Rücklicht im Heckbereich des Fahrzeuges wird bei Schlechtwetter und in der Boxengasse vom Fahrer eingeschaltet, Abb. 3.24.
Halteseile Tether Ropes.
Die Querlenker der Radaufhängung weisen an den Anlenkpunkten zum Fahrzeug Sollbruchstellen auf. Bei einer Kollision eines Rades mit einem Hindernis deformieren sich die Lenker und brechen weg. Damit die freigewordenen Lenkerenden nicht die Cockpitwand durchbrechen und die Fahrerbeine verletzen können, sind diese hinter der Sollbruchstelle mit einer Längsstrebe verbunden.
An Formel-1 und Formel-3-Fahrzeugen werden die Radträger zusätzlich mit Seilen am Rahmen befestigt, damit diese bei einem Unfall den Fahrer nicht treffen können, Abb. 3.25. Das Beispiel zeigt eine Vorderachse. Jeder Radträger wird mit zwei Halteseilen gesichert. Die Befestigung erfolgt über die Schraubbutzen für die Bremszange (3) und über eigene Haltebügel (1) chassisseitig. Die Seile werden dabei über Kreuz geführt, d. h. die Seile des linken Radträgers werden an der rechten Bugseite verschraubt. Die Seile werden den Querlenkern entlang geführt und unter Abdeckungen (2) gehalten.
Die Seile in der Formel 1 müssen min. 8 mm Durchmesser aufweisen und eine Mindestzugkraft von 50 kN ertragen.
Schraubensicherung Screw Lock.
Bei vielen Rennklassen müssen Fahrwerksverschraubungen formschlüssig gesichert sein, z. B. durch Kronenmutter mit Splint (castellated nut and cotter pin) oder Drahtsicherung (safety wire).
Bei der Drahtsicherung werden Schraubenköpfe, die eine Querbohrung aufweisen müssen, miteinander oder mit einem anderen Bauteil so verbunden, dass sich die Schrauben nicht aufdrehen können, Abb. 3.26.
Üblicher Draht für diesen Einsatz besteht aus Edelstahl mit einer Stärke von 0,8 mm. Es werden aber auch 0,5 und 1 mm herangezogen. Die Bohrung im Schraubenkopf hat einen Durchmesser b um 2 mm (bis M6-Gewinde ist b 1,2 mm, ab M8 ist b 1,8 mm).
Selbstsichernde Muttern mit einem Kunststoffeinsatz (elastic stop nut with nylon collar) sind nicht temperaturbeständig und können daher nicht in der Umgebung heißer Teile (Bremse, Abgasanlage, Motor, Wärmetauscher, …) verbaut werden. Die maximale Einsatztemperatur liegt bei 120 °C.
Sicherheitsklappen bei NASCAR‐Fahrzeugen Roof Flaps.
Eine wohl einzigartige Sicherheitseinrichtung findet sich an den nordamerikanischen Fahrzeugen des Stock Car Winston Cups. Die seriennahe Außenform der Fahrzeuge und die hohen Geschwindigkeiten führten in dieser Rennserie oftmals zu einem gefährlichen Phänomen. Wenn die Fahrzeuge einen Dreher hatten und dabei rückwärts oder annähernd rückwärts weiterrollten, entstand durch die nun „verkehrte“ Anströmung ein Auftrieb, der ab 260 km/h so stark sein konnte, dass der Wagen trotz seiner 1590 kg Masse von der Fahrbahn abhob. Die Abhilfemaßnahmen (s. Abb. 3.27) bestehen aus 12,5 mm hohen seitlichen Blechstreifen, die an beiden Seiten des Dachlaufes angebracht sind und erstens eine gewisse Stabilisierung bei Geradeausfahrt bringen und vor allem zweitens bei großer Schräganströmung die Strömung ablösen lassen. Zusätzlich sind im Dachbereich zwei \(510\times 205\,\mathrm{mm}\) große Klappen so angeordnet, dass sie bei Anströmung von hinten oder schräg rechts (die Fahrzeuge fahren im Oval immer links herum) durch den Staudruck öffnen und als Luftbremse wirken. Eine Klappe ist dazu genau rechtwinklig zur Fahrtrichtung, die andere rechtwinklig zu 140° Fahrzeug‐Gierwinkel angebracht.
Abreißventile Breakaway Valves.
Abreißventile bei Leitungen zum und vom Tank verhindern ein Auslaufen von Kraftstoff, wenn diese Leitungen brechen.
Vertikale Luftleiteinrichtung Vertical Aerodynamic Device.
Seit 2011 wird für Fahrzeuge der Kategorie LM P1 und P2 (Le Mans Prototype) eine vertikale Luftleiteinrichtung über der Motorabdeckung als Teil des Sicherheitspakets vorgeschrieben. Eine solche Heckflosse (shark’s fin) stabilisiert das Fahrzeug bei hohen Geschwindigkeiten, wenn der Druckpunkt (Luftangriffsmittelpunkt) hinter dem Fahrzeugschwerpunkt liegt und so die Luft ein rückdrehendes Moment sicherstellt, falls der Schwimmwinkel zu groß wird, vgl. auch Abschn. E.7, Abb. 5.86. Abbildung 3.28 zeigt die Ausführung einer solchen Heckflosse bei einem LM-P1-Fahrzeug.
Reifendruckkontrollsystem tyre pressure monitoring system (TPMS).
Bei einem solchen System werden Reifentemperatur und -druck radindividuell aus Sicherheitsgründen permanent überwacht. Abgesehen davon, dass ein falscher Reifendruck den Reifenlatsch negativ beeinflusst, erhöht sich bei zu geringem Reifendruck dessen Temperatur im Betrieb derart, dass ein Reifenplatzer die Folge sein kann, vgl. Abschn. G.2.3 Rollwiderstand. Der plötzliche Verlust von Seitenführung und Aufstandskraft lässt das Fahrzeug instabil werden. Der Wagen bricht aus, sitzt auf und bekommt – wenn ein Hinterreifen zerstört wird – Unterluft (Auftrieb!), was vor allem bei hohen Geschwindigkeiten zu schweren Unfällen führen kann. Einige Teams verbauen daher solche Systeme und überwachen den Zustand der Reifen im Training sowie im Rennen über Telemetrie. Wird ein Druckverlust festgestellt, wird das Fahrzeug unverzüglich in die Box geholt. In den USA sind Reifendruckkontrollsysteme für Pkw gesetzlich vorgeschrieben, die EU hat vor kurzem eine ähnliche Vorschrift für Neufahrzeuge in Kraft gebracht.
4 Prüfungen Tests
Die einzelnen Motorsportbehörden schreiben unterschiedliche Prüfungen von Baugruppen und Komponenten vor. Diese Tests sind für den Konstrukteur insofern interessant, dass sie Größenwerte für Belastungen und Verformungen liefern und diese Komponenten nur bei bestandener Prüfung freigegeben werden.
Überrollkäfige für Tourenwagen und ähnliche Fahrzeuge müssen für ihre Freigabe einen statischen Belastungstest ertragen [3], der aus zwei Teilprüfungen besteht. Der grundsätzliche Aufbau ist in Abb. 3.29 dargestellt. Der Hauptbügel wird mit einer vertikalen Kraft \(F_{\text{Z}}\) und der vordere Bügel mit einer schräg wirkenden Kraft F belastet, die einem Mehrfachen des Eigengewichts inkl. zweier Personen zu 75 kg entsprechen:
- \(F_{\mathrm{Z}},F\) :
-
Prüfkräfte lt. Abb. 3.29, N
- \(m_{\mathrm{V}}\) :
-
Eigengewicht des Fahrzeugs, kg
- g :
-
Erdbeschleunigung. \(g=9{,}81\,\mathrm{m/s^{2}}\)
Dabei darf die gesamte Überrollvorrichtung keinen Bruch oder eine bestimmte plastische Verformung in Kraftrichtung aufweisen. Die Maximalwerte der plastischen Verformung sind für den Hauptbügel mit 50 mm und für den vorderen Bügel mit 100 mm festgelegt.
Nach FIA‐Standards werden beispielsweise folgende Prüfungen an Fahrzeugrumpf und -bug durchgeführt. Die hintere Überrollstruktur bei Sportprototypen und Monoposti wird mit einer räumlichen Kraft mit einem flachen Stempel von 200 mm Durchmesser statisch belastet. Die drei Kraftkomponenten entsprechen dabei \(F_{\mathrm{X}}=1{,}5G\), \(F_{\mathrm{Y}}=5{,}5G\) und \(F_{\mathrm{Z}}=7{,}5G\), wobei G das Fahrzeuggewicht inkl. Fahrer mit 75 kg ist, Abb. 3.30. Dabei darf die Deformation in Kraftrichtung 50 mm nicht überschreiten und jegliches Versagen der tragenden Struktur darf in vertikaler Richtung höchstens 100 mm vom Scheitel des Überrollbügels gemessen betragen. Weitere Prüfungen von Chassis‐Teilen zeigen die Abbildungen 3.31 bis 3.32. Eine Auswertung eines Tests nach Abb. 3.32 ist in Abb. 3.34 zu sehen. Darüber hinaus werden auch vollständige Monocoques auf einem Schlitten gegen massive Barrieren gefahren, Abb. 3.33.
Diese Abnahme‐Prüfungen wurden erst nach einigen tragischen Unfällen eingeführt und erhöhen die passive Sicherheit der Fahrzeuge enorm. Sie schlagen sich auch in der Konstruktion eines Monocoque nieder. Hatte ein typisches Formel-1-Monocoque 1994 (also in der Zeit ohne Prüfungen) ca. 35 kg, so weist ein heutiges etwa 65 kg Masse auf.
Das Lenkrad und seine Aufnahme werden ebenfalls einem Test unterzogen, Abb. 3.35 . Nach FIA Anhang J Art. 258A und 259 sieht solch ein Test grob wie folgt aus. Es wird eine 8-kg‐Halbkugel mit 165 mm Durchmesser auf die Lenkradmitte mit einer Geschwindigkeit von 7 m/s in Achsrichtung der Lenkwelle geschlagen. Der Höchstwert der Beschleunigung darf \(80g\) nur für eine Zeitspanne von 3 ms überschreiten. Der Schnellverschluss des Lenkrads muss auch nach dem Test einwandfrei funktionieren.
Notes
- 1.
Siehe Anhang.
Literatur
Murri, R., Schläppi, M.: Realitätsbezogene Abstimmung passiver Sicherheitssysteme mittels Schlittentest für Tourenwagen Race.Tech, Münche. (2004)
N., N.: Formula Renault 2000 Manual, Renault Sport Promotion Sportive (2001)
www.fia.com/sport/Regulations/appjregs.html. Zugegriffen: 7. Februar 2007
Incandela, S.: The Anatomy & Development of the Formula One Racing Car from 1975, 2. Aufl. Haynes, Sparkford (1984)
McBeath, S.: Competition Car Preparation, 1. Aufl. Haynes, Sparkford (1999)
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
Copyright information
© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Trzesniowski, M. (2014). Sicherheit Safety . In: Rennwagentechnik. ATZ/MTZ-Fachbuch. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04919-5_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-04919-5_3
Published:
Publisher Name: Springer Vieweg, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-04918-8
Online ISBN: 978-3-658-04919-5
eBook Packages: Computer Science and Engineering (German Language)