Zusammenfassung
Katharina Müllers Biographie (Jahrgang 1928) ist eng mit dem Verlauf des Nationalsozialismus verbunden. Ihre Erzählstrategie folgt der Reduktion der eigenen Involviertheit auf eine Hitlerverehrung. Damit benutzt sie die Bearbeitungsstrategie der ‚von Hitler verführten Frauen‘, die nach 1945 als Erklärungsansatz Akzeptanz gefunden hat. Sie greift einen Aspekt des nationalen Opferdiskurses auf, der sich der Schuldzuweisung an Hitler bzw. des Bildes der durch ihn Verführten als Deutungsmuster bedient. Katharinas Opferkonstruktion basiert nicht auf dem Narrativ des Leidens während der Bombardierung Wiens oder während der Nachkriegszeit, sondern vor allem auf Täuschung und Verrat durch Vertreter des NS-Regimes, insbesondere durch Adolf Hitler. Katharina ist im Vergleich zu den anderen Biographinnen am stärksten ideologisch mit dem Nationalsozialismus verbunden. Auf dieser Ebene – und weil sie zudem die jüngste Biographin des Samples ist – stellte der Zusammenbruch des Nationalsozialismus einen tiefgehenden biographischen Bruch dar, auch im Sinne einer Lebenskrise. In der Bearbeitung dieses Bruchs übernahm Katharina nicht einfach nur das diskursive Angebot der ‚verführten Frauen‘. Das Thema ‚Verführung‘ ist bereits vor 1945 aufgrund der erlebten sexualisierten Gewalt ein grundlegendes biographisches Thema, das sich mit dem Nationalsozialismus und der Involviertheit ihres Vaters in diesen potenziert und eine Bearbeitungs- und Reparaturstrategie dieses Erlebens darstellt.
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Pohn-Weidinger, M. (2014). Diskursives in biographischen Erzählungen: eine Kontrastierung. In: Heroisierte Opfer. Theorie und Praxis der Diskursforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04220-2_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-04220-2_5
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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Online ISBN: 978-3-658-04220-2
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