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Private Sphäre: Rechtsschutz versus Verrechtlichung

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Zusammenfassung

Nun plädieren vor allem liberale TheoretikerInnen für den Erhalt eines unpolitischen Privatraumes. Bei einer weiten Definition von Politik würde es keinen unpolitischen Privatraum geben, denn auch im Privaten existieren kleine politische Sphären; auch dort wird verhandelt, diskutiert, gestritten und es wird versucht in den relevanten Punkten zu einer Einigung zu gelangen. In stärker hierarchisch orientierten Familienstrukturen trifft eine Person die wesentlichen Entscheidungen und in eher demokratisch orientierten Familien entscheiden die Familienmitglieder miteinander. Der Unterschied zum Öffentlichen liegt darin, dass die Angelegenheiten des Privaten zwar innerhalb des Privaten entschieden werden, doch auch hier gibt es einen Gestaltungsrahmen, der vom Öffentlichen beeinflusst wird. Hier wird eine enger gefasste Definition von Politik herangezogen, wonach unter Politik konkrete öffentliche politische Formen und Handlungen verstanden werden. Wenn von Öffentlichkeit die Rede ist, dann sind damit ebenso öffentliche politische Formen und Handlungen gemeint.

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Notes

  1. 1.

    Ein weiteres Beispiel ist folgendes: nach der deutschen Gesetzeslage, also nach dem Kindschaftsrechtsreform von 1997 (BGB § 1626a, Abs. 3), hat jeder Erzeuger beziehungsweise biologische Vater ein Anrecht darauf, sein Kind oder seine Kinder jedes zweite Wochenende zu besuchen. Dabei ist es gleichgültig, welchen Lebensstil der Mann hat oder wie das Kind gezeugt worden ist. Diese Regelungen gelten sowohl für Menschen im Gefängnis und sogar für Kinder, die aus einer Vergewaltigung entstanden sind. Das Umgangsrecht geht ausschließlich von der genetischen Abstammung aus, nicht von der tatsächlichen Bindung oder den vorherigen Betreuungszeiten des Mannes mit dem Kind. Es wird dabei nicht bedacht, dass die Mutter darunter leiden könnte und damit auch das Kind beziehungsweise das „Kindeswohl“, welches nach der deutschen Gesetzgebung oberste Priorität hat. Die Abhängigkeit des Kindeswohles von der Mutter wird nicht in die Überlegung mit einbezogen. Die Einmischung ins Private geht sogar noch einen Schritt weiter. Wenn sich eine Mutter wehrt, ihr Kind ihrem Vergewaltiger zum „Umgang“ zu geben, droht ihr die Aussetzung des Sorgerechts. Die Steigerung hierzu ist die neueste Rechtsprechung des BverfGs, die seit dem 03.08.2010 die Möglichkeit für Väter einräumt, unabhängig der Umstände in denen sie oder das Kind leben die Hälfte der elterlichen Sorge per Antrag zu erhalten Siehe auch Teil II.

  2. 2.

    Siehe hierzu auch Krause (2003, 76 ff.).

  3. 3.

    Dies betrifft, genauer formuliert, das Elternteil, welches nicht mit dem Kind zusammenlebt, doch in der Praxis sind die „Geschützten“ fast immer die Männer. Dies wird in BGB § 1684 formuliert. Der Umgang kann vom Gericht nur unterbunden werden, wenn das Wohl des Kindes gefährdet wird (BGB § 1697). Dies wird jedoch nur in ganz eindeutigen und extremen Fällen, wie beispielsweise Kindesmisshandlungen, in der Praxis ausgeführt. Die psychische Belastung der Mutter kann nicht zum Umgangsausschluss des Vaters führen. Siehe OLG 2008 Az. 8 UF 12/8. Dies gilt selbst dann, wenn die psychische Belastung der Mutter aufgrund des Umgangsrecht daher rührt, dass das Kind beispielsweise durch eine Vergewaltigung gezeugt worden ist.

  4. 4.

    An dieser Stelle kann nicht unerwähnt bleiben, dass nichteheliche Kinder oft von der Familie der Frau miterzogen wurden. Der Familienbund war noch stärker und die Kontrolle über das Kind trug die Familie der Mutter mit.

  5. 5.

    Siehe oben. BverfG-Beschluss vom 03.08.2010.

  6. 6.

    Siehe hierzu u. a. Norad und Cerny 1998; S. 297; Zippel 2007.

  7. 7.

    So haben beispielsweise nach einer Scheidung seit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz (siehe hierzu Punkt 3.2.5 in diesem Kapitel) von 1998 beide Elternteile jeweils die Hälfte des Sorgerechtes mit dem Kind und können rechtlich betrachtet jede Woche Zeit mit dem Kind verbringen. Wenn nun aber das Kind sich weigert, mit dem einen Elternteil den Kontakt aufrecht zu halten, so kann BGB § 1666 in Kraft treten, wonach „Kindeswohlgefährdung“ dann eintreten kann, wenn der Bezug zu einem Elternteil, was meist den Vater betrifft, nicht gewährleistet ist; konkreter kann dies den richterlichen Beschluss zur Folge haben, wonach der Vater das Sorgerecht über das Kind im Falle der „Kindeswohlgefährdung“ vollständig erhalten kann. Siehe hierzu auch AmtsG 2003. Demnach kann „[d]ie hartnäckige und grundlose Ablehnung jeglicher Kontakte des Kindes mit dem Vater mit dem Entzug der Personensorge der Mutter rechtfertigen“. Man unterstellt in solchen Fällen der Mutter, dass sie das Kind nicht richtig erziehen kann (dass.).

  8. 8.

    Siehe hierzu den oben erwähnten exemplarischen BverfG-Entscheid vom 03.08.2010. Im Anschluss daran sind gehäuft ähnliche Entscheide von Amts- und Landesgerichten getroffen worden.Siehe unter anderem AmtsG 2003. Siehe hierzu auch Steinert 2007, 147 ff..

  9. 9.

    Zu den Bundesverfassungsgerichtsbeschlüssen meint Gabriele Wilde, „[dass das Bundesverfassungsgerichtbis 1993 lediglich mit einer und seit diesem Zeitpunkt mit deutlich minoritärer Stimmeder Frauen über Recht und Unrecht befindet[. Dies] verweist nur auf einen – wenngleich aussagekräftigen– Nebenaspekt meiner Argumentation. Denn insofern das Männliche als Allgemeines gilt,stellt sich die Geschlechterfrage erst gar nicht. Fraueninteressen werden also – unabhängig von derFrauenanzahl – nicht ausreichend vertreten“ (Wilde 2001, S. 224)

  10. 10.

    Wie oben gezeigt wird anstelle von Privatraum sogar von Sozialraum gesprochen (Krause 2003, S. 77).

  11. 11.

    Frauen arbeiten in der Bundesrepublik täglich mehr als Männer. Siehe unter anderem Demokratiezentrum; Familienhandbuch; Welt (2011).

  12. 12.

    Siehe Teil III.

  13. 13.

    Die negativen Effekte im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit werden hier nicht untersucht, da dies weiter unten im Text beleuchtet wird.

  14. 14.

    Siehe hierzu unter anderem auch Wilde (2001).

  15. 15.

    Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligenGerichtsbarkeit, also FamFG § 96 beinhaltet folgendes: „(1) Handelt der Verpflichtete einer Anordnungnach § 1 des Gewaltschutzgesetzes zuwider, eine Handlung zu unterlassen, kann der Berechtigtezur Beseitigung einer jeden andauernden Zuwiderhandlung einen Gerichtsvollzieher zuziehen.Der Gerichtsvollzieher hat nach § 758 Abs. 3 und § 759 der Zivilprozessordnung zu verfahren. Die§§ 890 und 891 der Zivilprozessordnung bleiben daneben anwendbar. (2) Bei einer einstweiligenAnordnung in Gewaltschutzsachen, soweit Gegenstand des Verfahrens Regelungen aus dem Bereichder Ehewohnungssachen sind, und in Ehewohnungssachen ist die mehrfache Einweisung des Besitzesim Sinne des § 885 Abs. 1 der Zivilprozessordnung während der Geltungsdauer möglich. Einererneuten Zustellung an den Verpflichteten bedarf es nicht.“

  16. 16.

    In Deutschland liegt die allgemeine Prävalenz von körperlicher Gewalt mit 37 % im europäischenVergleich verhältnismäßig hoch. Insgesamt wird von 14–30 % ausgegangen. Vgl. Müller 2008,S. 224.

  17. 17.

    Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetztes der Bundesrepublik Deutschland: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit […]“.

  18. 18.

    Vgl. hierzu Ereignisse, in denen die Frauen zur Abtreibung überredet oder gar gezwungen wurden.Statistische Untersuchungen darüber bleiben derzeit noch aus. Hier können nur Schilderungenvon Frauen herangezogen werden. Die Beispiele könnten weiter fortgesetzt werden, doch dann wäreeine konkrete Auswertung der Aussagen erforderlich, welche jedoch nicht das Ziel der Untersuchungist. Siehe unter Abtreibung, 2011.

  19. 19.

    A.a.O.

  20. 20.

    Einen Überblick hierzu vgl. unter anderem Max-Planck-Institut 2011.

  21. 21.

    Siehe hierzu unter anderem Elterngeld 2011. In jedem Bundesland ist die Regelung für den 13.-24. Monat anders geregelt. Hier wird von der Situation in Bayern ausgegangen.

  22. 22.

    § 1570 BGB (Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes) in der seit 01.01.2008 geltenden Fassunglautet: „(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung einesgemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. DieDauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht.Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zuberücksichtigen. (2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verängert sich darüber hinaus, wenn diesunter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowieder Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.“

  23. 23.

    Siehe u. a. auch BverfG-Entscheid vom 03.08.2010. Hierbei wurde der bereits erwähnte Beschluss veröffentlicht, wonach der „Ausschluss des Vaters eines nichtehelichen Kindes von der elterlichen Sorge bei Zustimmungsverweigerung der Mutter verfassungswidrig“ ist. Das Herantragen dieserProblematik von Vätern zeigt, dass dies in unteren Instanzen vorher anders entschieden wurde, was nicht zuletzt die Konfliktträchtigkeit aufzeigt. Auch nach der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes sind die unteren Instanzen vorsichtiger mit solchen Entscheidungen. Insbesondere die Sozialämterziehen die soziale Realität näher in Betracht.

  24. 24.

    Siehe u. a. Reiss (2011). Die Rechte der Mütter sind in südeuropäischen Staaten weiter eingeschränkt.

  25. 25.

    Zwar kann diesem Paragraphen zufolge das Umgangsrecht eingeschränkt werden, sofern das Kindeswohl gefährdet ist, doch eine Kindeswohlgefährdung muss bewiesen werden und hierfür reicht beispielsweise nicht die Aussage eines Kindes, was einen Beweis erschwert.

  26. 26.

    Siehe „zur Situation der Mütter bei Umgangszwang“ u. a. Heiliger (2008, S. 13 ff.).

  27. 27.

    Siehe (BverfG 2005).

  28. 28.

    Siehe BverfG-Entscheid 1 BvR 421/05 vom 13. Februar 2007. Demnach gilt folgendes: „HeimlicherVaterschaftstest darf im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden – Gesetzgeber mussaber Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitstellen.“

  29. 29.

    Siehe BverfG-Entscheid (2007) [2], BvL 9/04.

  30. 30.

    A.a.O. I.1.b.

  31. 31.

    Siehe unter anderem (Spiegel 2004).

  32. 32.

    Siehe hierzu u. a. (Heiliger 2008).

  33. 33.

    Siehe unter anderem (Lundt 2008).

  34. 34.

    Siehe Walzer 1992. Michael Walzer spricht in „Sphären der Gerechtigkeit“ von sozialen Güternim Zusammenhang mit materiellen und nicht-materiellen Bereichen die für die Individuen wichtig sind.

  35. 35.

    Sie meint unter anderem die Clinton-Lewinsky-Affäre, da dabei in der Öffentlichkeit kaum noch über etwas anderes gesprochen wurde. Siehe Rössler 2001, S. 322 f.

  36. 36.

    Siehe unter anderem Schnebel (2001), unter anderem S. 46–51 und 55–62. Hier finden sich Untersuchungen zur Entstehung von Gruppen im Zusammenhang mit der Theorie der Reflexiven Modernisierung und der Globalisierung.

  37. 37.

    Siehe unter anderem Rössler (1992).

  38. 38.

    Dies ist zwar abhängig von dem jeweils verwendeten Identitätsbegriff, doch hier wird die Meinung vertreten, dass Rollenänderungen nicht mit Identitätsänderungen verbunden sein müssen.

  39. 39.

    Siehe dazu unter anderem Connell (1990, S. 528).

  40. 40.

    Siehe unter anderem einschlägige Studien, wie die von Koppetsch und Burkart (1999, S. 203 ff.).

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Schnebel, K. (2015). Private Sphäre: Rechtsschutz versus Verrechtlichung. In: Selbstbestimmung oder Geschlechtergerechtigkeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04209-7_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-04209-7_8

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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