Zusammenfassung
Die Theatertexte von René Pollesch zeichnen sich durch eine besondere Form der Theorieaffinität aus: die dramatische Figurenrede wird ersetzt durch einen mäandernden Diskurs, der sowohl Zitate aus der gegenwärtigen Popkultur als auch aus akademischen Theoriediskursen versammelt und umschreibt. Vor allem Texte aus der feministischen Theoriebildung stehen im Mittelpunkt, wobei diese aber nicht als erkennbare Zitate eingefügt werden, sondern vielmehr in der 1. Person als ‚Apparate‘ zur Selbstreflexion der Situation der Performer_innen dienen sollen. Mein Artikel fokussiert auf die spezifische Art und Weise, mit welcher diese Theoriediskurse Eingang in Theatertexte, hier Die Welt zu Gast bei reichen Eltern von 2007 sowie Sex. Nach Mae West von 2002, finden, insbesondere der Rezeption der Theorien Donna Haraways und Judith Butlers wird nachgegangen. Die Bearbeitung von Alltagsphänomenen mithilfe von feministischer Theorie als eine ‚Sehhilfe‘ wird bei Pollesch als textuelle und theatrale Praxis performativ hergestellt.
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Notes
- 1.
Der Text ist unveröffentlicht, freundlicherweise wurde mir er mir vom Thalia Theater Hamburg zur Verfügung gestellt. Das Zitieren aus dem Text wurde mir vom Rowohlt-Verlag mit der Zustimmung des Autors ermöglicht.
- 2.
Auf den Schillertagen am Mannheimer Nationaltheater im Jahre 2009 war es mir möglich, eine Probe von Polleschs Inszenierung von Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er singt für das Festival zu besuchen, wo ich einen Einblick in den Probenprozess bekam.
- 3.
Für Näheres zum Verhältnis von Ökonomie und Geschlecht bei Pollesch vgl. Bergmann 2009. Die Dialektik der Postmoderne in Theatertexten von René Pollesch. Zur Verschränkung von Neoliberalismus und Gender. In Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhetik, Produktion, Institution, hrsg. Franziska Schößler und Christine Bähr,193–208, Bielefeld: transcript.
- 4.
Pollesch bezieht sich im Stück auch auf den feministischen Theorieband Reproduktionskonten fälschen! von Pauline Bourdry, Brigitta Kuster und Renate Lorenz, in dem wiederum Polleschs Trilogie Heidi Hoh abgedruckt ist, wodurch die Verschränkung von Text und Theorie besonders deutlich wird, vgl. dazu Bergmann. Franziska: Die Dialektik der Postmoderne in Theatertexten von René Pollesch, S. 195.
Literatur
Bergmann, Franziska. 2009. Die Dialektik der Postmoderne in Theatertexten von René Pollesch. Zur Verschränkung von Neoliberalismus und Gender. In Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhetik, Produktion, Institution, Hrsg. F. Schößler und C. Bähr, 193–208. Bielefeld: transcript.
Bloch, Nathalie. 2004. Popästhetische Verfahren in Theatertexten von René Pollesch und Martin Heckmanns. Der Deutschunterricht 2:57–70.
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Diederichsen, Diedrich. 2002. Denn sie wissen, was sie nicht leben wollen. Theater heute 3:56–63.
Dreysse, Miriam. 2011. Heterosexualität und Repräsentation. Markierung der Geschlechterverhältnisse bei René Pollesch. In GeschlechterSpielRäume. Dramatik, Theater, Performance und Gender. Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 78, Hrsg. G. Pailer und F. Schößler, 357–370. Amsterdam: Rodopi.
Eke, Norbert Otto. 2009. Störsignale. René Pollesch im ‚Prater‘. In Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhetik, Produktion, Institution, Hrsg. F. Schößler und C. Bähr, 175–192. Bielefeld: transcript.
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Haraway, Donna. 1995. Situiertes Wissen. Die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer partialen Perspektive. InDie Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Dies, Hrsg. Carmen Hammer und Immanuel Stiess, 73–97. Frankfurt a. M.: Campus-Verlag.
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Lehmann, Hans-Thies. 1999. Postdramatisches Theater. Frankfurt a. M: Verlag der Autoren.
Raddatz, Frank M. 2007. Penis und Vagina, Penis und Vagina, Penis und Vagina. René Pollesch über Geschlechterzuschreibungen, das Normale als Konstruktion und die Theoriefähigkeit des Alltags. In Brecht frisst Brecht. Neues Episches Theater im 21. Jahrhundert, Hrsg. F. M. Raddatz, 195–213. Leipzig: Henschel.
Pollesch, René. 2002. Sex. Nach Mae West. Theater heute 3:64–69.
Pollesch, René. 2007. Die Welt zu Gast bei reichen Eltern. Unveröffentlicht. Copyright © René Pollesch. Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg.
Poschmann, Gerda. 1997. Der nicht mehr dramatische Theatertext. Aktuelle Bühnenstücke und ihre dramaturgische Analyse. Tübingen: Niemeyer.
Smith, Dorothy. 1987. The everyday world as problematic. A feminist sociology. Boston: Northeastern.
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Vollhardt, M. (2014). (Feministische) Theorie und Alltag. Theorie als theatrale Praxis in Sex. Nach Mae West und Die Welt zu Gast bei reichen Eltern von René Pollesch. In: Hackel, A., Vollhardt, M. (eds) Theorie und Theater. Kulturelle Figurationen: Artefakte, Praktiken, Fiktionen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04102-1_5
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