Zusammenfassung
Aufgrund der verstärkten Nachfrage an Arbeitskräften im Zuge der Nachkriegskonjunktur setzte in den 1950er Jahren eine spezifische Form transnationaler Arbeitsmigration in die Industriestaaten Mittel-, West- und Nordeuropas ein. Eingeleitet wurde diese Wanderungsform, die im deutschsprachigen Raum als „Gastarbeiterwanderung“ bezeichnet wird, durch bilaterale Anwerbeabkommen zwischen Ziel- und Herkunftsländern. Auf diesem Weg wurden europaweit zwischen 1955 und 1973 rund 15 Mio. Arbeitskräfte angeworben und ein dichtes Netz an Verträgen, zur Regelung und Steuerung der Arbeitsmigration entstand. Portugal, Spanien, Italien, Jugoslawien, Griechenland, die Türkei sowie die euromediterrane Zone des Maghreb stellten die wichtigsten Entsenderegionen für sogenannte „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“ dar. Österreich reihte sich Anfang der 1960er Jahre in die Liste der Anwerbeländer ein. Im Zeitraum von 1961 bis 1973 kamen rund 265.000 ausländische Dienstnehmende nach Österreich, die vorwiegend in der Bauwirtschaft, dem Dienstleistungssektor und in privaten, gewerblichen und industriellen Betrieben beschäftigt waren.
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Notes
- 1.
In diesem Beitrag werden historische beziehungsweise rechtliche Begriffe wie „Ausländerbeschäftigung“ und „Gastarbeitermigration“ verwendet. Um die Unsichtbarkeit der weiblichen Arbeitsmigration und deren Festschreibung auszuschließen, möchte ich an dieser Stelle, auf die Tatsache hinweisen, dass sowohl Frauen als auch Männer zur Arbeitsaufnahme migrierten und die Begriffe beide Geschlechter umfassen. In der internationalen Literatur werden Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten dieser spezifischen Form der Arbeitsmigration als „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“ bezeichnet. Da es sich um einen Euphemismus handelt, ist dieser Begriff unter Anführungszeichen zu verstehen.
- 2.
Jugoslawien wird synonym für die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ beziehungsweise ab 1963 die „Sozialistische Föderative Republik Jugoslawiens“ verwendet. Das Gebiet umfasste Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien sowie die beiden autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina.
- 3.
Im Jahr 1993 erfolgte die Umbenennung der Bundeswirtschaftskammer in „Wirtschaftskammer Österreich“.
- 4.
Mit dem juristischen Begriff „Fremde“ werden in Österreich laut Fremdengesetz von 1997 bzw. Fremdenpolizeigesetz 2005 Personen bezeichnet, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Neben der rechtlichen Bedeutung des Begriffs wird dieser im allgemeinen Sprachgebrauch auch für Außenstehende, „Andere“ bzw. nicht der „Wir-Gruppe“- Angehörige verwendet und ist in diesem Beitrag als sprachliche Norm zur Aus- und Abgrenzung in Österreich zu verstehen.
- 5.
Frankreich und die Schweiz begannen bereits 1945 mit der Rekrutierung von Arbeitskräften, Belgien und Großbritannien folgten und Mitte der 1950er Jahre trat die Bundesrepublik Deutschland als Anwerbeakteur in Erscheinung. Ab den 1960er Jahren bis in die frühen 1970er Jahre kamen die Niederlande, Luxemburg, Schweden sowie Österreich als Anwerbestaaten hinzu. Durch die Beschäftigung von Kriegsvertriebenen und Displaced Persons (DP’s) sowie durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus Staaten des Ostblocks erfolgte ein laufender Zustrom von Arbeitskräften in Österreich. Bis in die 1950er Jahre konnten dadurch die Abwanderung von österreichischen Arbeitskräften sowie der Mangel an Arbeitskräften ausgeglichen werden und der Übergang zur Nachkriegsprosperität erfolgen (Castles und Miller 2003; Rass 2010).
- 6.
Durch den Erlass von 1946 wurden die Interessensvertretungen in die Entscheidungen der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter hinsichtlich der Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften einbezogen und paritätisch besetzte „Ausländerausschüsse“ eingerichtet. Mit dem Erlass von 1948 wurden die BG und AE zusammengelegt und der Befreiungsschein abgeschafft und der Erlass von 1951 legte die Tätigkeit der „Ausländerausschüsse“ genauer fest und konkretisierte die einzelnen Zuständigkeiten im „Ausländerbeschäftigungsverfahren“. Die Aufhebung der Erlässe erfolgte mit der Begründung, dass diese nicht kundgemacht wurden (Wollner 1996).
- 7.
Die unerwartete Einigung lässt auf ein „Tauschgeschäft“ zwischen den Spitzenfunktionären schließen. Neuhauser (1966) geht davon aus, dass die Zulassung der Kontingente der Preis des ÖGB für die Zustimmung der BWK zur Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft gewesen war.
- 8.
Die Angaben variieren. Laut Wimmer (1986) umfasste das erste Kontingent 47.000 Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten. Die Festlegung der Kontingente war sehr undurchsichtig und schwer nachvollziehbar. Beispielsweise wurden für das Jahr 1963 insgesamt 176 verschiedene Kontingente festgesetzt, die teilweise nur 11–25 Personen umfassten (Wollner 1996; Matuschek 1985).
- 9.
Das Abkommen mit Spanien blieb weitgehend unbedeutend. Panreiter (1994) beschreibt die Stellung Österreichs als „abhängiges Zentrum“, in dem globale Trends abgeschwächter, zeitverzögerter und in teilweise abgewandelter Form auftraten. Als Österreich als Aufnahmeland aktiv wurde, herrschte bereits eine starke Konkurrenzsituation zwischen den Anwerbeländern. Des Weiteren wirkte sich das niedrige Lohnniveau in Österreich ebenfalls hemmend auf die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften aus.
- 10.
In den Rezessionsjahren 1966, 1967 und 1968 stieg die Zahl der Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten nur geringfügig, wobei die Wanderungsbilanz, im Vergleich zu anderen europäischen Anwerbestaaten, positiv blieb.
- 11.
Diese Maßnahmen sollte die Neubeschäftigung von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten am österreichischen Arbeitsmarkt einschränken (BGBl. Nr. 218 1975).
- 12.
Die internationale Ölkrise bewirkte eine Änderung der Einwanderungspolitik in allen Zielländern der Arbeitsmigration. Im Zeitraum von 1973 bis 1984 wurde die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in Österreich um circa 110.000 minimiert. Die Zahl der tatsächlich abgebauten Arbeitskräfte dürfte aber nach Matuschek (1985) niedriger gewesen sein, da Beschäftigungsgenehmigungen und nicht Personen erfasst wurden. Weiter wurden im gleichen Zeitraum rund 81.000 Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert, wovon 13.000 jugoslawische Staatsangehörige waren (Perchinig 2010; Matuschek 1985).
- 13.
Die Interviews wurden im Rahmen des Dissertationsprojektes der Autorin zum Thema „Lebensrealitäten von ,Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter‛ in der Steiermark“ (1961–1976) mit Hilfe der Methode der Oral History geführt und geben Auskunft über die innerbetrieblichen Partizipationsmöglichkeiten von ausländischen Dienstnehmenden.
- 14.
Im Vergleich erhielten Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in Deutschland bereits im Jahr 1972 das passive Wahlrecht bei Betriebsratswahlen.
- 15.
Eine Ausnahme stellen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union dar. Sie erhalten in jenem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament.
- 16.
Als gesetzliche Interessensvertretung vertritt die Arbeiterkammer österreichweit die Interessen der Arbeitnehmenden gegenüber der Regierung und der Wirtschaft und ist für die Beschäftigung, die Weiterbildung, die Qualifizierung wie auch die Wiedereingliederung ihrer Mitglieder am Arbeitsmarkt zuständig.
- 17.
Die ÖH ist die gesetzlich verankerte Studierendenvertretung für Studierende der Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen und Universitäten in Österreich und vertritt laut dem Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz (HSG) „die allgemeinen und studienbezogenen Interessen ihrer Mitglieder“.
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Quellen
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Interview Stephan 7.5.2013.
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Wirtschaftskammer Österreich Archiv (WKÖ Archiv). BUKA - Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte Jugoslawien. JUG Nr. 247/1965.
WKÖ Archiv. BUKA - Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte Jugoslawien. JUG Nr. 159/1967.
WKÖ Archiv. BUKA - SPA Kommission Istanbul. Ordner Ärzte C1+C2/C3–C5.
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Lorber, V. (2016). „Wir brauchten Arbeitskräfte“: Das „Gastarbeitersystem“ in Österreich als spezifische Form transnationaler Arbeitsmigration. In: Eigenmann, P., Geisen, T., Studer, T. (eds) Migration und Minderheiten in der Demokratie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04031-4_11
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