Zusammenfassung
In den vorhergehenden Kapiteln sind bereits wesentliche Indikatoren zur Beantwortung der Frage aufgelistet, ob der EuGH trotz mangelnder Staatlichkeit der EU zumindest als faktischer Europäischer Verfassungsgerichtshof (EuVerfGH) zu positionieren ist. Inwieweit verfügt der EuGH über institutionelle Analogien zur Machtstellung des BVerfG, um als legitimierte Institution mit letztem Argument supranationale Normen verbindlich durchzusetzen? Nationale Verfassungsgerichte oder Supreme Courts sind prinzipiell mit weit reichenden Kompetenzen ausgerüstet, um andere staatliche Gewalten wie Legislative und Exekutive zur normativen Disziplin aufzufordern. Damit werden dieser systemisch privilegierten Gerichtsbarkeit gegenüber anderen Verfassungsorganen institutionelle Kompetenzen eingeräumt, um auch gegen Verstöße parlamentarisch legitimierter Akte zu intervenieren. Diese legitime und notwendige Kompetenz von Leitgerichten, auch contra legem zu agieren, erfolgt jedoch in einem von der Legislative zuvor festgelegten Kontext, nämlich in der Verfassung mit ihren gesellschaftlichen Präferenzen. Ein herrschaftliches System (Staat, Regime) hat ohne Wenn und Aber ihm auferlegte, grundlegende Prinzipien einzulösen, um vor den Argusaugen der obersten Judikative ohne Widerspruch bestehen zu können.
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Notes
- 1.
Historische Vorgänger des BVerfG waren faktisch das Reichskammergericht (1495), der Reichshofrat (1518). Nach der Verfassung der Paulskirche 1849 hätte das Reichsgericht mit analogen Kompetenten des US-Supreme Court ausgestattet werden sollen, was durch die Restaurationszeit verhindert wurde. Die Weimarer Verfassung (1919) führte den „Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich“ ein. Im Jahr 1949 wurde in West-Deutschland das BVerfG begründet.
- 2.
Der Zweite Senat des BVerfG bewertet im Urteil vom 4. Juli 2012 die bisherige Wahl der Verfassungsrichter als rechtmäßig. Geklagt über die Verfassungswidrigkeit hatten Rechtswissenschaftler und kleine im Bundestag vertretene Parteien (FDP, Die Grünen). Die Begründung war, dass die beiden großen Parteien, die CDU und SPD, die „Richterstellen wie Erbhöfe unter sich aufgeteilt hätten und das Verfahren nicht transparent sei.“ Deshalb wurde eine Abstimmung im Plenum gefordert (FAZ vom 5. Juli 2012, S. 4).
- 3.
Die EGKS (Montanunion) wurde von den Gründerstaaten auf 50 Jahre vereinbart, der Vertrag lief am 23. Juli 2002 ab, er wurde nicht verlängert. Ihre Regelungen sind im AEU-Vertrag aufgenommen worden.
- 4.
Beim US-Supreme Court gilt die Amtszeit eines Richters unbegrenzt (Höreth 2009, 189)
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Zapka, K. (2014). EuGH als Europäischer Verfassungsgerichtshof?. In: Der Europäische Gerichtshof. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03947-9_6
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