Bei jeder Wahl aufs Neue geben die Parteien zum Teil große Summen für die Produktion und Schaltung von Radiospots aus, und das, ohne gesicherte Erkenntnisse über deren Wirkung zu besitzen. Vermutlich beruht ihr Interesse an dieser Form der Wahlwerbung vor allem auf dem Wissen um die Tatsache, dass das Radio dem Fernsehen seit Jahrzehnten regelmäßig und oft erfolgreich den ersten Platz in der Rangfolge der meistgenutzen Medien in Deutschland streitig macht. Gleichzeitig sind den Parteien wohl die Erkenntnisse bekannt, die die allgemeine Publikums- und Werbeforschung für kommerzielle Werbung im Hörfunk ermittelt hat: Recht einhellig wird ihr dort ein großes Wirkpotential zugeschrieben.

Die beiden Forschungsfragen nach Intentionen und Wirkungen von Wahlwerbung im Radio liegen also nahe – umso erstaunlicher ist es, dass Politik- und Kommunikationswissenschaft sie bis dato unbeantwortet gelassen haben.

Derzeit spricht einiges dafür, dass der Stellenwert der Werbekampagne von Parteien gegenüber ihrer Medienkampagne, d. h. der größtmöglichen Präsenz in der medialen Berichterstattung, an Bedeutung zunimmt. Zum einen, weil die Darstellung der Parteien in Wahlwerbespots ausschließlich ihnen selbst überlassen und in keiner Weise dem Unsicherheitsfaktor journalistischer Selektion unterworfen ist. Zum anderen, weil sich die Bedingungen geändert haben, auf die die Parteien bei der Wählerschaft stoßen: Mit dem zunehmenden Verschwinden traditioneller Milieus verblassen auch die alten Organisationsloyalitäten, also Einfluss und Prägung durch Arbeitswelt, Gewerkschaften und Kirchen. Damit schwindet zugleich die Unterstützung der beiden Volksparteien, und mit eben diesem Abschmelzen längerfristiger Parteibindungen geht ein erheblicher Anstieg der Bereitschaft zur Wechselwahl einher. In der Folge wird das Wahlverhalten immer weniger kalkulierbar und Wahlergebnisse zunehmend schwerer zu prognostizieren, denn die Wähler sind wankelmütig und sprunghaft geworden, sie treffen die Entscheidung, ob und wen sie wählen, situationsabhängig und zunehmend später, häufig erst einige Tage vor der Wahl oder gar am Wahltag selbst. Je unentschlossener die Wähler jedoch sind, desto eher hat Wahlwerbung die Chance, Einfluss auf ihre Stimmabgabe zu nehmen.

In Zeiten zunehmend volatileren Wählerverhaltens und abnehmender Wahlbeteiligungen muss die Werbung um Vertrauen in die Politik bzw. seine Rückgewinnung eine wesentliche Strategie im Kampf um Wählerstimmen ausmachen. Hierzu scheint das Radio in seiner Rolle als treuer Begleiter über den Tag und Institution, der die Deutschen vertrauen, besonders geeignet. Als Trägermedium für Wahlwerbung bietet es sich zudem deswegen an, weil aufgrund der Steuerungsmechanismen für Radiokampagnen einzelne Wählergruppen systematisch umworben werden können, denn die spezifischen Nutzungsbedingungen des Hörfunks machen eine Zielgruppenansprache ohne großen Aufwand möglich. Besonders interessant erscheinen in diesem Zusammenhang die Erstwähler – schließlich wird der Hörfunk auch von jungen Menschen in erheblichem Maße genutzt und übernimmt eine wichtige Vermittlerfunktion im Hinblick auf politische Information und Bildung.

In allen acht untersuchten Landtagswahlkämpfen schalteten die Parteien Wahlwerbespots bei öffentlich-rechtlichen und bei privaten Hörfunksendern. Ein Blick auf Anzahl und Größe derjenigen Parteien, von denen Spots im Privatfunk ausgestrahlt wurden, macht vor allem eines deutlich: Der unterschiedliche Zugang zu Sendezeit für Wahlwerbung – kostenfreie Ausstrahlung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenüber Ankauf von Sendeplätzen (wenn auch zu reduzierten Preisen) bei den Privatsendern – unterläuft den in der bisherigen Rechtsprechung immer wieder betonten Gleichheitsgrundsatz für die Parteien. Denn der Gesetzgeber garantiert hier lediglich Chancengleichheit in Bezug auf die Anzahl der für Ausstrahlungen zur Verfügung stehenden Sendeplätze (Quantität). Weil aber diese chancengleichen Möglichkeiten zur Ausstrahlung unterschiedlich stark und zumeist gemäß der ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel von den Parteien genutzt werden, gehorcht das Ergebnis nicht mehr dem Proporzgebot. Dieser Kritikpunkt ist nicht neu, in vorangegangenen Untersuchungen von Parteienspots, ganz gleich ob aus Hörfunk oder Fernsehen, wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen. Viel schwerer aber wiegt das in dieser Untersuchung zum ersten Mal aufgezeigte Problem einer Ungleichheit der Chancen selbst für den Fall, dass die Anzahl der Ausstrahlungen dem Proporzgebot gehorcht (wie bei allen kostenlosen Ausstrahlungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Fall): Die unterschiedliche Qualität der Sendetermine, nachweis- und zählbar durch die Anzahl der im Durchschnitt erreichten Hörer pro Sendeplatz, sorgt für stark unterschiedliche Reichweiten der Spots. Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass diese ungleiche Zuteilung der Sendeplätze bewusst oder gar absichtlich vollzogen wurde, wurden trotzdem durch die Ausstrahlung der Spots zu unterschiedlichen Ausstrahlungsterminen einige Parteien benachteiligt bzw. andere bevorteilt. Es bleibt abzuwarten, ob diese Kritik in der Zukunft einmal von Parteien oder Gerichten aufgegriffen wird – zuvorkommen könnten die Rundfunkanstalten einem solchen Schritt jedoch zum Beispiel durch eine Selbstverpflichtung zur Einbeziehung der unterschiedlichen Qualität ihrer Sendeplätze bei der Vergabe der Sendezeiten an die Parteien. Eine derartige Maßnahme würde für ein ungleich höheres Maß an Gerechtigkeit im Hinblick auf die im Parteiengesetz verfügte Chancengleichheit sorgen.

Bei der Analyse der 118 Spots politischer Parteien aus acht Landtagswahlkämpfen der Jahre 2001 bis 2009 hat sich vor allem eine Trennlinie als nützlich und geeignet erwiesen, Wahlwerbung im Radio zu gruppieren und zu charakterisieren: Die Unterscheidung zwischen großen und kleinen Parteien. Sie verweist nicht nur auf Unterschiede im Stimmenanteil und, damit verbunden, in der Bekanntheit der Parteien, sondern auch auf Unterschiede in der Finanzkraft, was besonders augenfällig – siehe oben – beim geschilderten Unterschied im Zugang zu Sendeplätzen im Privatfunk zu Tage tritt.

Bei der Gestaltung hält sich die Radio-Wahlwerbung, unabhängig ob große oder kleine Parteien die Urheber sind, weitestgehend an die klassischen Formate. Ungewöhnliche oder experimentelle Darstellungsformen kommen zwar hin und wieder vor, spielen aber genauso wie humorvolle Spots eher eine Nebenrolle. Die Spots der großen Parteien sind professionell produziert und ähneln in Bezug auf die Qualität ihrer Skripte bzw. deren auditiver Umsetzung den Radiospots kommerzieller Produktwerbung. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die großen Parteien zur Entwicklung ihrer Hörfunk-Kampagnen Werbe- und Mediaagenturen engagieren (können), die neben den Parteien in erster Linie Kunden aus der Wirtschaft betreuen. Dagegen wirken die Spots der Kleinparteien oftmals unprofessionell. Da ihnen finanzielle Mittel für die Beauftragung einer Werbeagentur bzw. einer fachgerechten Produktion häufig fehlen, produzieren sie ihre Wahlwerbung nicht selten in Eigenregie – ein Dialog oder einfach eine Off-Präsentation sind meist die unkomplizierte und kostengünstigste Lösung.

Bei einem Vergleich der Gestaltungstechniken von Spots aus unterschiedlichen Landtagswahlkämpfen lassen sich empirische Hinweise für den Umstand finden, dass die Auswahl eben dieser Gestaltungstechniken für die Spots nicht zufällig erfolgt. Sie ist im Gegenteil fast immer Ausdruck bestimmter Absichten der werbetreibenden Partei und erfolgt vor dem Hintergrund von Wahlprognosen, Vorgeschichte, Ausgangssituation und Kandidatenkonstellation des entsprechenden Wahlkampfs. Bei einem Vergleich von Spots zu ein und derselben Landtagswahl fällt auf, dass die teilnehmenden Parteien (ohne die Kampagnen ihrer Konkurrenten zu kennen) weitestgehend auf die gleichen Gestaltungstechniken setzen. Dies ist zum einen ein Indiz für die Tatsache, dass die Auswahl dieser Techniken von Umständen und Voraussetzungen abhängt, denen alle Parteien eines Bundeslandes bzw. Wahlkampfs gleichermaßen unterworfen sind. Gleichzeitig beweist es, dass die Verwendung einer bestimmten Gestaltungstechnik tatsächlich ein Ausdruck von Strategie im Kampf um Wählerstimmen ist.

Im Hinblick auf die Untersuchung von Intention und Taktik der Parteien im Wahlkampf ließen sich detaillierte Ergebnisse durch ein Aufschlüsseln in Regierungs- und Oppositionsparteien erreichen. Hier lässt sich die Anwendung der Leistungsbilanzstrategie durch Parteien, die sich zur Zeit des Wahlkampfes in der Regierung befanden, nachweisen. Die auditive Umsetzung dieser Strategie in den Radiospots enthält stets auch eine stark emotionale Komponente, in der statt mit Bezug zu konkreten Themen mit einer großen Menge thematisch nicht konkreter Elemente, seien es Analogien, Metaphern oder positive, aber eben sachpolitisch inhaltsleere Floskeln aufgewartet wird („Meine Leute und ich, wir haben gut zwei Jahre Zeit gehabt, zu zeigen, was wir können (…) Und ich habe noch viele Ideen, was wir gemeinsam für diese Stadt und aus dieser Stadt machen können.“ Footnote 1). Auch die zwei grundsätzlichen Strategien oppositioneller Parteien, nämlich entweder den Wählern einen gegensätzlichen politischen Weg als Alternative zur Regierungsarbeit aufzuzeigen oder die Politik der Regierung mit zu tragen, den Wählern aber für den Fall einer Regierungsübernahme mehr Effizienz und höhere Erfolgsquoten zu versprechen, lassen sich in den Spots nachweisen.

Die Analyse der unterschiedlichen Strategien im Kampf um Wählerstimmen ist vor allem auch im Hinblick auf mögliche, die Wahlentscheidung beeinflussende Wirkungen der Spots wesentlich. Während Kleinparteien vor allem darauf setzen, sich selbst als echte Alternative gegenüber den Großen darzustellen und häufig eine Stimmabgabe zu ihren Gunsten als Zeichen von Protestwahl zu propagieren, sind die Spots der etablierten Parteien insgesamt stärker an Themen ausgerichtet. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Themenorientierung bei der Kürze der Spots nicht gleichzusetzen ist mit einer tiefgehenden Behandlung der Inhalte. Meist beschränkt sie sich auf die schlagwortartige Präsentation als wichtig erachteter Politikfelder. Eben diese einmal mehr, einmal weniger ausführliche Nennung von Themen ist jedoch das entscheidende Moment, das allen Spots gemein ist. Dieser Umstand deutet auf die Tatsache, dass es vor allem die wichtigen bzw. meistgenannten Themen sind, die von den Hörern erinnert werden, denn Radiowerbung – das wissen wir von der kommerziellen Werbung – wirkt vor allem durch Wiederholung. Für die Parteienspots heißt das, es setzen sich vor allem diejenigen Momente der Spots in den Köpfen der Hörer fest, die am häufigsten wiederholt werden. Und das sind, vom Wahltermin vielleicht einmal abgesehen, von den Parteien als wichtig erachtete Themen, denn nur sie ziehen sich durch eine Vielzahl der Spots. Dabei ist die Urheberschaft eines einzelnen Spots zunächst nicht relevant, nur die Wiederholung der immer gleichen Themen in der Radiowerbung, ganz gleich von welcher Partei zählt. Durch die mehrfache Ausstrahlung der Spots wird die Nennung sogar noch potenziert und der Werbedruck einzelner Themen immer weiter erhöht.

Mit der Sensibilisierung der Rezipienten für eben diese Themen als inhaltliche Schwerpunkte der politischen Auseinandersetzung haben wir es dann im Ergebnis mit einer ersten Agenda-Setting-Wirkung zu tun. Der Gleichheitsgrundsatz für die Parteien ist auch hier ausgehebelt: Nur die großen Parteien sind aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten in der Lage, durch den Zukauf von Sendezeit im Privatfunk vor allem die ihnen wichtig (oder nützlich) erscheinenden Themen zu forcieren oder gar zu neu setzen. Die Radiospots der Kleinparteien haben mangels Werbedruck weniger Einfluss, vor allem im Sinne einer forcierten und gesteuerten Einflussnahme auf das Themenbewusstsein bzw. Ein- und Vorstellungen der Rezipienten. Sie erfüllen noch am ehesten eine Verstärkerfunktion, wenn sie die Themen der großen Parteien aufgreifen und durch Wiederholung nochmals intensivieren.

Der Vergleich der in der Hörfunk-Wahlwerbung am häufigsten auftauchenden Themen mit den wichtigsten Themen der Bevölkerung vor und während der heißen Phase der jeweiligen Landtagswahlkämpfe hat deutlich gemacht, dass Wahlwerbung im Radio Themen für die Bevölkerung zu strukturieren vermag und in der Wahrnehmung der Rezipienten eine Tagesordnungsfunktion übernehmen kann. Selbst eine stärkere Ausprägung dieses Effekts, nämlich die Veränderung politischer Urteile der Rezipienten als Folge der Verschiebung thematischer Prioritäten, ist denkbar. Zwangsläufig, schematisch oder voraussetzungslos treten derartige Effekte jedoch nicht ein. AgendaSetting-Wirkungen entstehen nicht aus dem bloßen Wiederholen von Themen in den Radiospots, und nicht alle Themen sind überall und gleichermaßen dazu geeignet, Einfluss auf die politische Agenda der Bevölkerung zu nehmen. Vielmehr ist eine Interaktion zwischen Politik (die sich durch die Themen in den Hörfunkspots mitteilt) und Bevölkerung notwendig. Dabei scheint von entscheidender Relevanz zu sein, ob bei den Rezipienten der Radiospots eine unbewusste, durch psychologisch-biografische und/oder sozialstrukturelle Voraussetzungen beeinflusste Bereitschaft (Disposition) besteht, einem in den Radiospots angesprochenen Thema Bedeutung beizumessen oder nicht. Schließlich weisen Individuen grundsätzlich die Tendenz auf, bei Kontakt mit persuasiven Botschaften zunächst nur diejenigen zu akzeptieren, die mit ihren Prädispositionen konsistent sind, während inkonsistente Inhalte tendenziell abgelehnt werden. In Radiospots werden Informationen oder Überzeugungsbotschaften zu politischen Themen also am ehesten dann akzeptiert, wenn sie den Prädispositionen ihres jeweiligen Hörers entsprechen, und weniger, wenn dessen Prädispositionen mit den Informationen weniger oder gar nicht konsistent sind. Das Verhältnis der Themenagenden von Radiospots und Bevölkerung erscheint in diesem Kontext als umgekehrt proportional. Bei geringem Interesse der Rezipienten an einem Thema ist ein hoher Werbedruck vonnöten, um einen Problematisierungs- oder, bezogen auf die Bevölkerungsagenda, Hierarchisierungseffekt zu erzielen. Bei bereits erhöhter Sensibilität der Bürger für ein Thema reicht hingegen ein geringerer Werbedruck bereits aus, um eine Zunahme der Relevanz dieses Themas in der Bevölkerungsagenda auszulösen.

Ein Agenda-Setting-Effekt kann also nur dann zustande kommen, wenn beide Seiten ein Interesse daran haben. Die Parteien riskieren mit einer Schwerpunktsetzung ins Leere zu stoßen, wenn das Thema nicht wenigstens von Teilen der Bevölkerung als bedeutend erachtet wird. Umgekehrt ergeben sich selbstverständlich auch dann keine Agenda-Setting-Wirkungen, wenn die Parteien mögliche Themen in der Bevölkerung verkennen und sie in ihren Spots nicht erwähnen.

Auf die Frage, inwiefern die Möglichkeit der Parteien, Themen zu setzen, Einfluss auf die Wahlentscheidung hat, vermochte die durchgeführte Untersuchung der HörfunkWahlspots nur eine hypothetische Antwort zu geben. Es ist klar, dass Themen Wahlentscheidungen beeinflussen, jedoch keineswegs im Sinne einer direkten und linearen Kausalbeziehung. Hier muss ein äußerst komplexer Wirkungsprozess angenommen werden, bei dem die Inhalte der Spots mit den psychosozialen Erfahrungen, sozialstrukturellen Prägungen und behavioristischen Mustern der Hörer interagieren. Diese Vermutung entspricht weitestgehend den Erwartungen des Ann Arbor-Modells an Bedeutung und zeitliche Distanz von Einflussfaktoren auf die Wahlentscheidung: Im „funnel of causality“ sind tagespolitische geprägte Orientierungen an der Mündung des Trichters platziert. Sozialisation und Parteiidentifikation sind ihnen kausal vorgelagert und filtern die Wahrnehmung von Kandidaten und Themen. Von einer pauschalen Wirkungsannahme der Wahlspots, etwa in dem Sinne, dass durch Themen in der Radiowerbung Wahlen entschieden werden, sollte man daher Abstand nehmen. Selbst die Annahme möglicher Ein- und Vorstellungsänderungen allein durch die mehrfache Rezeption ein und desselben Spots der immer gleichen Partei, die dann indirekt auf die Wahlentscheidung der Rezipienten wirkt, muss als problematisch eingestuft werden. Vielmehr haben die Radiospots bzw. die in ihnen angesprochenen Themen bei der Interaktion der Rezipienten mit allen Medien in zweierlei Hinsicht einen entscheidenden Anteil:

  1. 1.

    Als Reichweiten-Verstärker. Ähnlich wie in der kommerziellen Werbung, wo ein zusätzlicher Einsatz von Radio in jedem Fall mehr Reichweite bringt bzw. der Verzicht auf Radiowerbung den Verzicht auf eine größenmäßig nicht unerhebliche Bevölkerungsgruppe bedeuteten würde, kann auch Wahlwerbung im Radio (bzw. die in ihr angesprochenen Themen) auf Bürger einwirken, die kein anderes Medium erreicht.

  2. 2.

    Als Themen-Verstärker. Durch die Spots erinnern die Hörer die Problembereiche, die aktuell in ihrer Umgebung von hoher Bedeutung zu sein scheinen. Diese Problembereiche nutzen sie als Maßstab zur Beurteilung von Parteien und Kandidaten (Priming). Damit ist vor allem für die in ihrem Wahlverhalten volatilen Teile der Wählerschaft anzunehmen, dass sie derjenigen Partei ihre Stimme geben, von der sie glauben, dass sie die in ihrer Wahrnehmung aktuellsten Probleme am besten löst. Es lässt sich daher vermuten, dass die Parteien versucht sind, in ihren Spots diejenigen Themen in den Vordergrund zu schieben, von denen sie annehmen, dass sie der Eigenprofilierung am meisten dienen.

Die Frage eines Vergleichs der hier vorgelegten Ergebnisse aus der Analyse eines Querschnitts von Radio-Wahlwerbespots aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts mit ähnlichen Untersuchungen bleibt aufgrund des Mangels an derartigen Forschungsarbeiten offen. Weitere wissenschaftliche Anstrengungen auf diesem Gebiet wären jedoch gerade angesichts der Prognose, dass dem Radio als Wahlkampfkanal in Zukunft eine höhere Bedeutung zukommen könnte, wünschenswert. Die Anwendung von Untersuchungsergebnissen und die Übertragung von Methoden aus der Werbebzw. Radioforschung, so wie sie hier stattgefunden hat, sollte bei der Entwicklung von Analyseverfahren eine wichtige Rolle spielen. Schließlich kann die Tatsache, dass die Werbeforschung auf dem Gebiet der Wirkungsanalyse von Radiospots für Konsumgüter und Dienstleistungen bereits einen entscheidenden Schritt weiter ist als Politik- und Kommunikationswissenschaft bei der Untersuchung des Wirkungspotentials von Wahlwerbung, nicht einfach ignoriert werden. Eine Kooperation der Wissenschaften könnte sich als echter Vorteil herausstellen, ebenso wie regelmäßige Untersuchungen von Wahlwerbung im Radio – was über eine mittlere Frist Voraussetzungen für einen Langzeitvergleich schaffen würde.