Zusammenfassung
Bildungsmisserfolg bringt für die Betroffenen neben verminderten Teilhabechancen auch ein diskursives „blaming-the-victim“ mit sich. Der Beitrag illustriert auf Basis einer Dokumentenanalyse, wie sogenannte „funktionale Analphabet/innen“ in der Grundbildungsberatung ihre Bildungsmisere und ihr aktuelles Bildungsinteresse typischerweise begründen, und wie entsprechende Muster (latente Klassen) jeweils den zurückliegenden biographischen Krisen, aber auch der bereits erreichten und greifbaren Teilhabe entsprechen. Insbesondere junge Bildungsverlierer, die zwischen extremem Verarmungsrisiko und Hoffnung das Grundbildungsangebot aufsuchen, tendieren dazu, das Identitätsangebot des Selbstverschuldens zu übernehmen. Wir diskutieren die Ergebnisse im Kontext kritischer Bildungssoziologie und plädieren für einen transparenten Umgang mit struktureller Benachteiligung, insbesondere auch gegenüber SchülerInnen.
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Drucks, S., Bauer, U. (2014). Schulische Behinderung und funktionaler Analphabetismus. In: Hagedorn, J. (eds) Jugend, Schule und Identität. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03670-6_33
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