Zusammenfassung
Globale Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenschwund, die steigenden Belastungen der Umweltmedien Wasser, Luft, und Boden oder die Risiken moderner Hochtechnologien wie der Atomkraft oder der Gentechnik erzeugen politischen und rechtlichen Steuerungsbedarf. Die Europäische Union hat sich in Politikfeldern wie der Umweltpolitik in den letzten Jahrzehnten als bedeutsamer Initiator und politischer Akteur etabliert. Deren Entwicklung war und ist jedoch in eine komplexe Wirtschaftsordnung eingebettet. Wirtschaftspolitische Ideen, Ziele und Normen wie z.B. die Errichtung eines Binnenmarktes oder das Wettbewerbsrecht, prägen ihren Inhalt sowie ihre Entwicklung. Ziel dieses Beitrages ist es, am Beispiel der Beziehung von Umwelt- und Wettbewerbsrecht zu veranschaulichen, wie einzelne sektorale Politikbereiche durch die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union auf durchaus spannungsreiche Weise beeinflusst und geprägt werden. Hierzu werden in einem ersten Schritt zentrale Ideen zur Bedeutung und Funktion von Wettbewerb als Element einer Wirtschaftsordnung sowie seiner Beziehung zu individueller wirtschaftlicher Freiheit vorgestellt. Eine Orientierung hinsichtlich der Frage, wie freier Wettbewerb verstanden werden kann und welche Funktionen ihm im Rahmen einer Wirtschaftsordnung zugeschrieben werden, ist wesentlich für das Verständnis der politischen und rechtlichen Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung der Europäischen Union. Im zweiten Schritt wird in die konkrete Ausgestaltung der EU-Wettbewerbsordnung eingeführt. Hierzu werden insbesondere die wichtigsten in den Unionsverträgen festgelegten rechtlichen Instrumente zum Schutze des freien Wettbewerbs vorgestellt. Abschließend werden dann am Fall der EU-Umweltpolitik die Wirkungen und Grenzen des Wettbewerbsrechts erläutert.
Ich danke Frau Prof. Dr. Liebert, Frau Dr. Janna Wolff, Herrn Prof. Dr. Gerd Markus sowie Herrn Kristian Poppinga für Ihre inhaltlichen Hinweise. Etwaige Fehler liegen allein in meiner Verantwortung.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Zum semantischen Verhältnis der Begriffspaars Konkurrenz/Wettbewerb: Rammstedt (2007, S. 971 ff.).
- 2.
Es gibt viele allgemeine Definitionen von Wirtschaft. In wissenschaftlicher Hinsicht ist es entscheidend, dass man sich über allgemeine Begriffe spezifischeren Begriffen auf einem niedrigeren Abstraktionsniveau annähert, die dann Aussagekraft hinsichtlich der jeweils zu untersuchenden konkreten Wirtschaft bzw. Wirtschaftsordnung entfalten.
- 3.
Die ebenfalls gängigen Unterscheidungsmodelle zwischen Marktwirtschaft einerseits und Zentralverwaltungs- bzw. Planwirtschaft andererseits sind aus soziologischer Sicht relativ unklar. Insofern soll hier auf sie verzichtet werden. U. a. erfassen sie nur unzureichend das Phänomen der Beschränkung individueller wirtschaftlicher Freiheit in vorindustriellen und vorstaatlichen Wirtschaftsformen (siehe Luhmann 1988, S. 91 ff.).
- 4.
- 5.
In ihren einzelnen Positionen unterscheiden sich die hier genannten Vertreter liberaler Theorien erheblich. Gerade bei Smith, Ricardo und vor allem Mill finden sich Argumente für Interventionen und Umverteilung zugunsten öffentlicher Güter (Sandmo 2010, S. 59 ff.).
- 6.
Ricardo machte das Prinzip für den Außenhandel sichtbar, indem er den komparativen Vorteil am Beispiel von englischen Stoffen und portugiesischem Wein errechnete (Ricardo 1817 bzw. 2006).
- 7.
- 8.
- 9.
- 10.
Dies träfe allen Erfahrungen nach insbesondere arme Bevölkerungsschichten besonders hart. Nicht umsonst gelten die Regeln des EU Wettbewerbsrechts im Grundsatz nicht für den Agrar- und Fischereisektor, siehe Art. 42 Abs. 1 AEUV. Zu Fragen der globalen Verteilung von Fischereiprodukten im Rahmen sich zunehmend liberalisierender Weltmärkte und der EU Außenhandelspolitik: Markus (2013); zu den Grundfragen der Beziehungen von Wirtschafts- und Eigentumsordnungen und den Ursachen einer fehlgegangen Versorgung von Gesellschaften mit Nahrungsmitteln: Sen (1981).
- 11.
1890 wurde das US-amerikanische Wettbewerbsrecht kodifiziert, der Sherman Act, der die rasant zunehmende Kartellbildung in der Wirtschaft eingrenzen sollte. Der Sherman Act ist immer noch in Kraft.
- 12.
- 13.
Der rechtliche Grundsatz, dass hoheitliche Gewalt nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erfolgen darf, gilt auch für die EU, hier aber in der besonderen Gestalt des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung, siehe Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV.
- 14.
Dabei sind die einzelnen Ziele iSe praktischen Konkordanz miteinander in Einklang bzw. Ausgleich zu bringen. Ein Vorrang der Marktintegration lässt sich nur schwer begründen (Ruffert 2011, S. 45 f.).
- 15.
Siehe Art. 15–17 Charta der Grundrechte der EU; Art. 28 und 29 AEUV (Freier Warenverkehr), Art. 45 AEUV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer), Art. 49 AEUV (Niederlassungsrecht), Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit); Art. 63 AEUV (Freier Kapital- und Zahlungsverkehr); Art. 101–109 AEUV (Wettbewerbsregeln).
- 16.
Das Privateigentum wird entsprechend der Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten geachtet, siehe Art. 345 AEUV. Die Mitgliedstaaten gewähren Eigentum in aller Regel nur mit Einschränkungen, siehe z. B. Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
- 17.
Art. 38–44 AEUV. Siehe zur planwirtschaftlichen Strukturierung der Gemeinsamen Fischereipolitik der letzten 40 Jahre: Markus (2009).
- 18.
Art. 179–190 AEUV.
- 19.
Art. 179 Abs. 1 AEUV.
- 20.
Art. 170–172 AEUV.
- 21.
Art. 173 AEUV.
- 22.
Ultraliberale Theorien würden auch dies verneinen. Diese radikalen Auffassungen der libertarians haben sich in den USA entwickelt, spielen aber im Europäischen Kontext eine marginale Rolle. Siehe hierzu in der Stanford Encyclopedia of Philosophy unter: http://plato.stanford.edu/entries/libertarianism/ [Zugegriffen: 26.08.2013].
- 23.
Das Protokoll ist Bestandteil der Unionsverträge, siehe Art. 51 EUV. Vor dem Vertrag von Lissabon war das Ziel des unverfälschten Wettbewerbs explizit in Art. 3 Abs. 1 lit. g EGV erwähnt. Trotz der systematischen und semantischen Herabstufung, ändert sich aus juristischer Sicht wohl nichts an der Bedeutung des Ziels (Drexl 2009, S. 905 ff.).
- 24.
- 25.
Durch Art. 1 Abs. 2 der Verordnung 1/2003 ist diese Freistellung in allgemeiner Weise durch Gesetz erfolgt (Legalausnahme ohne Genehmigungsvorbehalt). Siehe hierzu: Weiß (2011, S. 1302 ff.). Entscheidend ist insofern, dass den Unternehmen aufgegeben wird, über die Rechtmäßigkeit ihrer Vereinbarungen selbst zu entscheiden (Weitbrecht 2003, S. 69 ff.).
- 26.
Zur näheren Konkretisierung wird an dieser Stelle auf die vertiefende Kommentarliteratur verwiesen (Weiß 2011, S. 1336 ff.).
- 27.
Dies lässt sich aus Art. 345 AEUV ableiten, nach dem die Unionsverträge die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten unberührt lassen (Kingreen 2011, S. 2703 ff.). Siehe insofern auch Art. 14 AEUV.
- 28.
Art. 106 Abs. 2 AEUV.
- 29.
Kritisch hierzu: Frenz und Ehlenz (2010, S. 490 ff.).
- 30.
- 31.
Zur kritischen Auseinandersetzung mit diesen Argumenten: Majone (2005, S. 117 ff.).
- 32.
Weitere Beispiele: Krämer (2003, S. 459 ff.).
- 33.
Siehe Fn. 1 auf Seite 7 der Leitlinie.
- 34.
Siehe Art. 101 Abs. 1 AEUV in den Paragraphen 128–140.
- 35.
Siehe hierzu aber konstruktiv: Jans und Vedder (2008, S. 280 ff.).
- 36.
- 37.
Hervorhebung durch den Autor.
- 38.
Siehe vertiefend: Jans und Vedder (2008, S. 286).
Literatur
Adorno T (2008) Gesellschaftstheorie und Kulturkritik. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Bick A (2003) Europäische Umweltvereinbarungen im Lichte des Gemeinschaftsrechts. C.H. Beck, München
Borchard KD (2010) Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union. UTB, Stuttgart
Debord G (1996) Die Gesellschaft des Spektakels. Bittermann, Berlin
Drexl J (2009) Wettbewerbsverfassung. In: Bogdandy A, Bast J (Hrsg) Europäisches Verfassungsrecht. Springer, Berlin, S 905–958
EuGH C-26/75 General Motors Slg. 1975 1367
EuGH, C-26/76 Metro I Slg. 1977 1875
EuGH C-27/76 Chiquita Slg. 1978 00207
EuGH C- 85/76 Hoffmann-La-Roche/Kommission Slg. 1979 461
EuGH C-226/84 British Leyland Slg. 1986 3263
EuGH C-62/86 AKZO/Kommission, Slg. 1991 I–3359
EuGH C-387/92 Banco Exterior des España Slg. 1994 I–877
EuGH C-393/92 Gemeente Almelo v. NV Energiebedrijf Ijsselmij Slg. 1994 I–01477
EuGH C-159/94 Kommission/Frankreich Slg. 1997 I–5699
EuGH C-203/96 Dusseldorp Slg. 1998 I–04075
EuGH C-209/98, Syndhaven Sten & Grus Slg. 2000 I–03743
EuGH C- 379/98 PreussenElektra Slg. 2001 I–02099
EuGH C-453/99 Courage und Crehan Slg. 2001, I- 6297
EuGH C-126/01 GEMO SA Slg. 2003 I–13769
EuGH C-8/08 T-Mobile Netherlands Slg. 2009 I–04529
EU Kommission (1994) Bekanntmachung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses. ABl. C 385
EU Kommission (1997) Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft. ABl. 1997 Nr. C 372/5
EU Kommission (2008) Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. ABl. 2008/C82/01
EU Kommission (2011) Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit. 2011/C11/01
EU Kommission (2013), Press Release, IP/13/196 06/03/2013
EU VO (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ("EG-Fusionskontrollverordnung")
EU VO (EG) Nr. 802/2004 Der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
Fikentscher W, Hacker P, Podszun R (2011) FairEconomy – crises, culture, competition and the role of law. Springer, Berlin
Fox EM, Sullivan LA (1987) Antitrust-retrospective and prospective: where are we coming from? Where are we going? NYUL Rev 62:936–988
Frenz W, Ehlenz W (2010) Defizitäre gerichtliche Wettbewerbskontrolle durch More-Economic-Approach und Vermutungen? EuR 4:490–516
Habermas J (2008) Nach dem Bankrott. Die Zeit 46. http://www.zeit.de/2008/46/Habermas. Zugegriffen: 26. Aug. 2013
Jans JH, Vedder HHB (2008) European environmental law. Europa Law Publishing, Groningen
Jones A, Sufrin B (2010) EU competition law. Oxford University Press, Oxford
Kilian W (2010) Europäisches Wirtschaftsrecht. C.H. Beck, München
Kingreen T (2011) Art. 345 AEUV. In: Calliess C, Ruffert M (Hrsg) EUV – AEUV Kommentar. C.H. Beck, München, S 2700–2705
Koenig C, Schreiber K (2012) Europäisches Wettbewerbsrecht. UTB, Stuttgart
Krämer L (2003) § 15 Direkte und indirekte Verhaltenssteuerung. In: Rengeling HW (Hrsg) Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht. Carl Heymanns, Köln, S 459–477
Lassalle F (1862/1983), Arbeiterprogramm. Reclam, Stuttgart
Ledyard JO (1987) Market failure. In: Eatwell J, Milgate M, Newman P (Hrsg) The new Palgrave: a dictionary of economics, Band III. Palgrave Macmillan, London, S 326–329
Luhmann N (1988) Die Wirtschaft der Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Majone G (2005) Dilemmas of european integration. Oxford University Press, Oxford
Mansfield E, Yohe G (2003) Microeconomics. W. W. Norton & Company, New York
Markus T (2009) European fisheries law – from promotion to management. European Law Publishing, Groningen
Markus T (2010) Towards sustainable fisheries subsidies – entering a new round of reform under the common fisheries policies. Mar Policy 34:1117–1124
Markus T (2013) Wege zu einer Nachhaltigen EU-Fischereiaußenhandelspolitik. EuR 6:697–710
Meßerschmidt K (2011) Europäisches Umweltrecht. C.H. Beck, München
Mestmäcker EJ, Schweitzer H (2004) Europäisches Wettbewerbsrecht. C.H. Beck, München
Posner RA (2009) Antitrust law. University of Chicago Press, Chicago
Rammstedt O (2007). In: Ritter J, Gründer K, Gabriel G (Hrsg) Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band IV. Schwabe, Basel, S 971–974
Ricardo D (2006, Erstöffentlichung 1817) Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und Besteuerung. Metropolis, Weimar
Roberts J (1987) Perfectly and imperfectly competitive markets. In: Eatwell J, Milgate M, Newman P (Hrsg) The new Palgrave: a dictionary of economics, Band III. Palgrave Macmillan, London, S 837–841
Ruffert M (2011) Art. 3 EUV. In: Calliess C, Ruffert M (Hrsg) EUV – AEUV Kommentar. C.H. Beck, München, S 41–54
Sandmo A (2010) Economics evolving: a history of economic thought. Princeton University Press, Princeton
Sen A (1981) Poverty and famines – an essay on entitlement and deprivation. Oxford University Press, Oxford
Smith A (1999, Erstöffentlichung 1776) Der Wohlstand der Nationen: Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. DTV, München
Stiglitz J (2010) Freefall – America, free market, and the sinking of the world economy. Norton, New York
Streinz R (2012) Europarecht. C.F. Müller, Karlsruhe
Vedder HHB (2003) Competition law and environmental protection in Europe – towards sustainability? Europa Law Publishing, Groningen
Von Hayek FA (1996) Die Anmaßung von Wissen. Mohr Siebeck, Tübingen
Walter R (2006) Geschichte der Weltwirtschaft. UTB, Stuttgart
Wegener B (2009) Zukunftsfähigkeit des europäischen Umweltrechts. Z Umweltr 10:459–464
Weiß W (2011) Art. 101–102 AEUV. In: Calliess C, Ruffert M (Hrsg) EUV – AEUV Kommentar. C.H. Beck, München, S 1256–1348
Weitbrecht A (2003) Das neue EG-Kartellverfahrensrecht. Eur Z Wirtsch 3:69–74
von Weizsäcker EU (2010) Faktor Fünf – Die Formel für nachhaltiges Wachstum. Droemer, München
Whish R (2011) Competition law. Oxford University Press, Oxford
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2015 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Markus, T. (2015). Die Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung der EU. In: Liebert, U., Wolff, J. (eds) Interdisziplinäre Europastudien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03620-1_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03620-1_10
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-03619-5
Online ISBN: 978-3-658-03620-1
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)