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Professionalität und Professionalisierung

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Professionalisierungskrisen im Referendariat

Part of the book series: Rekonstruktive Bildungsforschung ((REKONBILD,volume 1))

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Zusammenfassung

Das Referendariat soll der Professionalisierung angehender Lehrerinnen und Lehrer dienen. Offen ist die dieser sicher wenig umstrittenen programmatischen Bestimmung zugrunde liegende Konzeption von Professionalität und Professionalisierung. Während im Rahmen einer strukturtheoretischen Fassung die Frage nach der Strukturlogik zentraler pädagogischer Handlungsprobleme im Mittelpunkt steht, kennzeichnet den kompetenzorientierten Ansatz ein Verständnis von Professionalität als eine Summe definierbarer Kompetenzen. Ein Durchgang durch zentrale strukturtheoretisch orientierte Ansätze lässt eine grundlegende Bestimmungsproblematik pädagogischer Praxis erkennen, als deren Ausdrucksgestalt die professionstheoretische Debatte gefasst werde kann. Wenn auch in unterschiedlicher Pointierung, lässt sich als gemeinsamer Nenner die Behauptung einer sich aus der Handlungslogik heraus ergebenden Nichttechnologisierbarkeit pädagogischen Handelns identifizieren. Wie am Beispiel des Ansatzes von Jürgen Baumert und Mareike Kunter (2006) gezeigt werden kann, liegt hier ein zentraler Unterschied zur kompetenzorientierten Fassung pädagogischer Professionalität, in der sich jenseits entsprechender Relativierungen eine auf die pädagogische Handlungssituation bezogene Kontroll- und Machbarkeitsvorstellung transportiert.

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Notes

  1. 1.

    Wie im Folgenden deutlich wird, wird der Begriff der Professionalisierung aus soziologischer Perspektive in erster Linie auf einen Berufsstand bezogen. In diesem Sinne bezeichnet er die Transformation eines „normalen Berufs“ zu einer Profession als einer Sonderform beruflicher Tätigkeiten.

  2. 2.

    Diese Darstellung trägt dem Bedeutngsgewinn der praxistheoretisch ausgerichteten ethnographischen Schul- und Unterrichtsforschung Rechung, in deren Rahmen jedoch noch keine „systematischen Rekonstruktionen unterrichtlicher Lehrerpraktiken vor[liegen]“ (Bennewitz 2010, S. 208). Aufgrund dieser Randständigkeit der Professionalitäts- und Professionalisierungsthematik wird im Folgenden allein der strukturtheoretische Ansatz fokussiert.

  3. 3.

    Als quer zu dieser Differenzierung liegend verortet Tillmann die Aktionsforschung (Tillmann 2011, S. 234). Diese Linie innerhalb der Lehrerforschung weist jedoch für unsere Zusammenhänge auf Grund ihrer inhaltlichen Ausrichtung und Anwendungsorientiertheit nur sehr begrenzte Relevanz auf und wird daher im Folgenden nicht berücksichtigt. In den Blick genommen werden könnte sie wohl eher als Form der praktischen Auseinandersetzung mit jenen interessierenden Charakteristika des Handlungsfeldes, weniger jedoch als Form der analytischen Beschreibung derselben.

  4. 4.

    In seinen Ausführungen geht es Oevermann zunächst um pädagogische Tätigkeiten im Allgemeinen. Die exemplifizierenden Ausführungen verweisen jedoch fast durchgängig auf den schulpädagogischen Handlungsbereich. Insbesondere die Ausführungen zu den strukturellen Gründen für die mangelnde Professionalisiertheit lassen erkennen, dass Oevermanns Ausführungen auf den Lehrerberuf abzielen: Als zentraler Mangel wird hier die Schulpflicht genannt (Oevermann 1996a, S. 162 ff.).

  5. 5.

    Neben den beiden hier genannten Foki professioneller Tätigkeiten führt Oevermann als dritten die „methodische Sicherung dessen, was Wahrheit ist“ bzw. die „methodisch explizite Überprüfung von Geltungsfragen und -ansprüchen unter der regulativen Idee der Wahrheit“ an (Oevermann 1996a, S. 88). Dieses dritte Feld professionalisierungsbedürftiger Tätigkeiten, also das Feld der Wissenschaften, unterscheidet sich von den beiden oben genannten dadurch, dass kein unmittelbarer Klientenbezug gegeben ist. Gemäß Oevermanns Wissenschaftsverständnis kann es einen solchen im Sinne einer Auftragsforschung oder einer angewandten Wissenschaft nicht geben. Vielmehr zeichne sich Wissenschaft gerade dadurch aus, dass sie im „Elfenbeinturm“ (ebd., S. 106) sitze. Die Forderung, diesen zu verlassen, bewirke dagegen eine Deprofessionalisierung (ebd.). In unserem Zusammenhang erscheint die Auseinandersetzung mit diesem Bereich professioneller Tätigkeiten auf Grund des nicht vorhandenen unmittelbaren Klientenbezugs nicht relevant.

  6. 6.

    Jenseits dieser Parallele behauptet Oevermann jedoch mit Verweis auf Wernets Untersuchung über die Professionalisierung rechtspflegerischen Handelns (Wernet 1997) eine grundsätzliche Differenz des Klientenbezugs rechtspflegerischer und ärztlich-therapeutischer Tätigkeiten. Diese spielt für unsere Zusammenhänge keine Rolle, begründet allerdings, warum im Folgenden allein auf medizinische bzw. therapeutische Praxisfelder verwiesen wird.

  7. 7.

    Dass Oevermann die Frage nach einer medizinischen Behandlung als ein dezidiert normatives Problem reformuliert, lässt sich leicht nachvollziehen. Zwar folgt die Diagnose einer Krankheit im Sinne einer Feststellung eines spezifischen organischen Zustandes in aller Regel dem Paradigma einer naturwissenschaftlichen Analyse. Gleichwohl setzt die Beantwortung der Fragen, inwieweit es sich um eine Krankheit handelt und inwieweit diese eine medizinische Intervention rechtfertigt, normative Setzungen voraus, deren Angemessenheit sich letztlich am subjektiven Befinden des Patienten und seiner spezifischen lebensgeschichtlichen Situation bemisst.

  8. 8.

    Andersherum erklärt sich aus dem sich hier andeutenden Verständnis genuiner Entscheidungssituationen Oevermanns Behauptung, die Professionalisiertheit von Ingenieurinnen und Ingenieuren basiere nicht auf einer Professionalisierungsbedürftigkeit: „Der Ingenieur hat als Ingenieur praktisch nichts zu entscheiden, sondern eine Lösung zu entwickeln, die den durch die Praxis, das heißt den Auftraggeber und den Souverän vorgegebenen praktischen Entscheidungen zu genügen hat“ (Oevermann 1996a, S. 138).

  9. 9.

    Was hier eher abstrakt gefasst wird, lässt sich recht einfach illustrieren: Stellen wir uns gedankenexperimentell vor, in einer Paarbeziehung fragte der eine Partner: Wie war Dein Tag? Folgte auf diese Frage die Antwort: Darüber will ich nicht sprechen, oder: Das Thema gehört hier nicht her, oder gar: Das geht Dich nichts an, so führte diese Reaktion zu einer deutlichen und aufklärungsbedürftigen Irritation. Stellen wir uns kontrastiv vor, am Arbeitsplatz fragte ein Kollege oder eine Kollegin nach einem als „privat“ gewerteten Thema, so irritierte eine Zurückweisung der Frage nicht.

  10. 10.

    Oevermann geht nicht davon aus, dass sich diese Interaktionslogik in Reinform in der Praxis wiederfinden lässt. Vielmehr konstruiert er hier ein idealtypisches Modell therapeutischer Interaktion (Oevermann 1996a, S. 121).

  11. 11.

    Diese Anleihe begründet sich in der von Oevermann diagnostizierten faktisch fehlenden Professionalisiertheit pädagogischer Praxis. Vor deren Hintergrund kann das Strukturmodell nicht mit Hilfe einer empirischen Rekonstruktion derselben entwickelt werden.

  12. 12.

    Ausgehend von diesem Gedanken kritisiert Oevermann die gesetzliche Schulpflicht als Negation der Neugier scharf und begründet in dieser die mangelnde Professionalisiertheit schulpädagogischen Handelns (Oevermann 1996a, S. 162 ff.).

  13. 13.

    Auf Grund der Chronologie des Diskurses erscheint bemerkenswert, dass Oevermann an keiner Stelle seiner Ausführungen auf Wagner verweist; andersherum erscheint interessant, dass Hericks die Modifikationen im Modell Oevermanns unkommentiert lässt, obwohl seine Adaption dieses nahelegte.

  14. 14.

    Ohne diese Abstraktion wäre die zentrale Unterscheidung zwischen faktischer Professionalisiertheit und Professionalisierungsbedürftigkeit nicht möglich.

  15. 15.

    Diese Konzeption der sozialisatorischen Funktion der schulischen Peerinteraktion ist bereits bei Parsons in seiner Analyse der „Schulklasse als soziales System“ zu finden (Parsons 1979).

  16. 16.

    Ein eindrucksvolles Beispiel des Scheiterns eines derartigen Beeinflussungsversuchs rekonstruieren Georg Breidenstein und Michael Meier (2004): Dargestellt wird der Versuch einer Lehrerin, das Thema „Streber“ mit ihrer Lerngruppe zu diskutieren. Relevanz kommt dem Strebervorwurf zu, weil in ihm eine peerkulturelle Abgrenzung gegenüber der Institution Schule und der mit ihr verbundenen Leistungs- und Identifikationsforderung zum Ausdruck kommt. Diese Abgrenzungsbewegung versucht nun die Lehrerin als Repräsentantin der Institution sozial zu ächten. Damit produziert sie jedoch eine interaktive Situation, welche geradezu prädestiniert ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler ihres im Streber-Vorwurf zum Ausdruck kommenden peerkulturellen Konsenses versichern. Anstatt den Strebervorwurf kritisch zu hinterfragen, etabliert sich ein Überbietungswettkampf der Distanzierung vom schulischen Leistungsethos. Infolge dessen verfällt die Lehrerin ins Moralisieren und in eine tendenziell die Schülerinnen und Schüler verletzende Vorwurfshaltung. Bezogen auf die dargestellte Begrifflichkeit des kollektiven Arbeitsbündnisses können das Scheitern des Versuchs und die hilflos wirkende moralisierende Reaktion darauf auf die fehlende Anerkennung der „relativen Autonomie der Lerngruppe als Vergemeinschaftungsform“ seitens der Lehrerin zurückgeführt werden.

  17. 17.

    Diese Individualisierung der dyadischen Arbeitsbündnisse ergibt sich auch aus der Funktion der Wissens- und Normenvermittlung, sobald sich die pädagogische Interaktion am – individuellen – Kenntnisstand der Schülerin bzw. des Schülers ausrichtet und diesen nicht subsumtionslogisch, etwa per Ausrichtung der didaktischen Präsentation des Unterrichtsgegenstandes an einem durchschnittlich zu erwartenden Leistungsstand, unkenntlich macht.

  18. 18.

    Dass die Abgrenzung gegenüber den familiären Erwartungen im konkreten Fall ihre kontraintuitive Gestalt in einer reflexiven Konformität der Schule gegenüber finden kann, begründet sich darin, dass sich der Schüler seitens seiner Familie mit einer paradoxalen Emanzipationsforderung konfrontiert sieht, die Helsper und Hummrich in folgender Weise paraphrasieren: „Werde so kritisch und rebellisch, wie ich Dich haben will! – also: Werde so, wie ich Dich haben will!“ (Helsper und Hummrich 2008, S. 55) Erst vor diesem Hintergrund kann die konformistische Positionierung des Schülers, welche das im Mittelpunkt des Interesses stehende „exklusive Arbeitsbündnis“ ermöglicht, als Abgrenzungsbewegung gegenüber der Familie gedeutet werden. Daraus kann zwar nicht abgeleitet werden, dass eine solche familiäre Konstellation eine notwendige Voraussetzung für die Etablierung eines derartigen Arbeitsbündnisses darstellt; gleichwohl bildet sie einen günstigen Möglichkeitsraum.

  19. 19.

    Dass wie bei Helsper in der Rezeption des strukturtheoretischen Professionalitätsbegriffs statt von stellvertretender Krisenbearbeitung auch von stellvertretender Krisendeutung die Rede ist, kritisiert Oevermann als Vereinseitigung, welche sich in seiner eigenen ungenauen Begriffsverwendung im Rahmen unveröffentlichter Manuskripte begründe (Oevermann 2002a, S. 30). Tatsächlich legen jedoch die in der zentralen veröffentlichten Fassung des Ansatzes enthaltenen Ausführungen zum Modell einer mäeutischen Praxis diese Deutung seines Ansatzes nahe (Oevermann 1996a, S. 156). Hier wird das „Prinzip der fallbezogenen, stellvertretenden Deutung des latenten Sinns der aktuellen Interaktion mit dem Schüler“ in den Mittelpunkt des professionellen pädagogischen Handelns gestellt. Gleichwohl reduziert sich dieses – selbstverständlich – nicht auf dieses Deuten.

  20. 20.

    Zu dieser Gruppe zählt Helsper insgesamt sieben Antinomien: Im Einzelnen nennt Helsper die „Begründungsantinomie“ als Gegensatz zwischen einem verschärften Entscheidungszwang bei gleichzeitiger gesteigerter Begründungsverpflichtung, die „Praxisantinomie“ als Anforderung, in der professionellen Praxis zwischen Theorie und Praxis vermitteln zu müssen, sowie die im Folgenden erläuterte „Subsumtionsantinomie“. Des Weiteren führt er die „Ungewissheitsantinomie“ als Widerspruch zwischen dem ungewissen Erfolg des Handelns bei gleichzeitiger Notwendigkeit, diesen dem Klienten/der Klientin glaubhaft in Aussicht stellen zu müssen, sowie die „Symmetrie- bzw. Machtantinomie“ als widersprüchliches Verhältnis der strukturellen Überlegenheit des Professionellen bei gleichzeitiger Notwendigkeit einer symmetrischen Strukturierung der Interaktion an. Schließlich nennt er die „Vertrauensantinomie“ als Widerspruch eines besonderen Vertrauensbedarfs, als Voraussetzung für die Etablierung des Arbeitsbündnisses bei gleichzeitiger vertrauensgefährdender Abhängigkeit zwischen Professionellem und Klienten. Wie sich im Rahmen dieser verkürzenden Darstellung ggf. nur andeuten mag, erscheinen die vorgenommenen Abgrenzungen zwischen den Antinomien z. T. nur schwer nachvollziehbar. Darüber hinaus führt Helsper bei der Darstellung der Antinomien nicht aus, worin sich deren jeweiliger konstitutiver Charakter, also deren Unaufhebbarkeit begründet, weil er das Verhältnis der jeweiligen Antinomien zu deren „lebenspraktischer Anlage“ nicht explizit ausweist (Helsper 2002, S. 75 ff.; 2004, S. 70 ff.).

  21. 21.

    Dass dies keine zutreffende Deutung des Ansatzes wäre, wird unmittelbar an Hand Helspers Ausführungen über eine professionelle Umgangsweise mit der genannten Autonomieantinomie erkennbar: „Dabei ist diese Antinomie grundlegend dadurch gekennzeichnet, […] dass es auf Seiten der Lehrer zu immer neuen Ausbalancierungen von Autonomie und Heteronomie kommen muss, die auf der Aushandlung mit den Schülern und in rekonstruktiven Verstehensprozessen auf Seiten der Pädagogen fundiert sein müssen.“ (Helsper 2002, S. 85)

  22. 22.

    Diese Deutung ermöglicht eine schlüssige Begründung, warum Helsper die im Verlauf seiner Darstellungen erkennbar werdenden Schwankungen in Bezug auf die Anzahl der Antinomien nicht kommentiert oder gar als Revisionen seines Ansatzes rechtfertigt.

  23. 23.

    Interessant erscheint an dieser Stelle, dass Hericks tatsächlich eine Formulierung von Oevermann wörtlich übernimmt und entsprechend als solche ausweist (Hericks 2006, S. 101): Allerdings spricht Oevermann von der „widersprüchlichen Einheit von Rollenhandeln und Handeln als ganzer Person“ (Oevermann 1996a, S. 105) im Kontext der Rekonstruktion der professionalisierungsbedürftigen Praxis im Bereich der Wissenschaft. Hier ergibt sich jedoch die Professionalisierungsbedürftigkeit nicht aus einem Klientenbezug und weist daher grundlegende strukturelle Differenzen auf.

  24. 24.

    Wernet weist selbst darauf hin, dass sich seine Kritik allein auf eine 1996 veröffentlichte Darstellung Helspers bezieht. Dort spielt Oevermanns strukturtheoretische Fassung pädagogischer Professionalität noch keine zentrale Rolle.

  25. 25.

    Die hier unterstellte Interdependenz zwischen Theorie und Praxis lässt sich auch andersherum begründen: Plausibel erscheint auch, die theoretischen Konzeptionen, wie sie hier diskutiert werden, als Elaborationen alltagstheoretischer Konzepte zu verstehen, welche, wie vermittelt auch immer, Eingang in den theoretischen Diskurs finden.

  26. 26.

    Diese Deutung erscheint insofern angreifbar, als die Durchsetzung der universalistisch-unpersönlichen Leistungsnorm als eine Form der Normenvermittlung angesehen werden kann. Dieser Einwand ist nicht falsch. Gleichwohl unterscheidet sich diese Durchsetzung der Leistungsnorm von der Normenvermittlung, soweit letztere im Sinne einer expliziten Thematisierung und damit einer diskursiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen und deren Gültigkeit gefasst wird. Wie in Wernets Ausführungen deutlich wird, soll die Leistungsnorm in der Schule allein performativ zur Geltung gebracht und gerade nicht in ihrer faktischen Gültigkeit hinterfragt werden.

  27. 27.

    Diese gesellschaftlichen Erfordernisse müssen nicht in Differenz zu den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler stehen. Entscheidend ist an dieser Stelle allein, dass Wernet diese Frage in diesem Zusammenhang nicht thematisiert, weil er die Funktion von Schule allein gesellschaftstheoretisch begründet.

  28. 28.

    In Richtung einer solchen Ausdifferenzierung im Sinne einer sequenziellen Auflösung des angesprochenen Widerspruchs verweist die tradierte Form der Heraushebung von Prüfungssituationen aus dem Unterrichtsalltag mitsamt den damit verbundenen Ritualisierungen. Konkret markieren letztere gerade die Differenz z. B. einer Klassenarbeitssituation oder gar der Situation einer Abschlussprüfung zur Unterrichtssituation und damit auch die Differenz der in diesen Situationen einzunehmenden Rollen.

  29. 29.

    Neben diesen in Deutschland mit politischer Verbindlichkeit ausgestatteten Standards findet in der (wissenschaftlichen) Diskussion über Standards insbesondere der von Oser entwickelte Standardkatalog Beachtung. Dieser zeichnet sich gegenüber dem hier in den Blick genommenen Ansatz durch eine ungleich elaboriertere theoretische Fundierung aus (Oser 2001, 2002, 2003).

  30. 30.

    Karl Wilbers ordnet die Einführung von Standards für die Lehrerbildung in den Kontext der Etablierung der Steuerungslogik des New Public Management im Bildungssystem ein (Wilbers 2004, S. 4).

  31. 31.

    Diese Charakterisierung der Standards stellt keinerlei Kritik an diesen dar, solange nicht implizit von einer Höherwertigkeit wissenschaftlichen Wissens gegenüber praktischem Wissen ausgegangen wird. Im Gegenteil ließe sich argumentieren, dass eine derartige Vorgehensweise der Funktion eines normativen Bezugspunktes unmittelbar entspricht, welcher Auskunft über eine dem Anspruch nach konsensuelle Zielvorstellung geben und damit in erster Linie dem Geltungsanspruch der Richtigkeit und nicht dem der Wahrheit genügen soll.

  32. 32.

    Innerhalb der Kompetenzdarstellungen wird genau genommen nicht zwischen erster und zweiter Ausbildungsphase unterschieden, sondern zwischen einzelnen Ausbildungsabschnitten. Dazu heißt es: „Mit der hier getroffenen Unterscheidung zwischen Standards, die einerseits in theoretischen und andererseits in praktischen Ausbildungsabschnitten erreicht werden sollen, werden Schwerpunkte gesetzt. Sie ist nicht als gegenseitige Abgrenzung zu verstehen“ (KMK 2004, S. 7). Gleichwohl ist in den konkreten Ausformulierungen jeweils auf der einen Seite von „Absolventinnen und Absolventen“ der theoretischen und der praktischen Ausbildungsabschnitte die Rede. Diese Unterscheidung verweist unmittelbar auf die beiden Phasen der Lehrerausbildung; anders ergäbe sie keinen Sinn.

  33. 33.

    Die konkrete Konzeption der Anwendbarkeit bleibt dabei offen. An anderer Stelle deutet sich jedoch an, dass die Formulierungen keine Vorstellung einer linear-kausalen Ableitbarkeit von Handlungsentscheidungen aus den für relevant erachteten theoretischen Wissensbeständen implizieren So heißt es in Bezug auf die Gestaltung und Unterstützung von Lernsituationen (Kompetenz 2): „Absolventinnen und Absolventen gestalten Lehr-Lernprozesse unter Berücksichtigung der Erkenntnisse über den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten“ (KMK 2004, S. 5, Hervorhebung F.D.).

  34. 34.

    In einer alternativen Lesart ließe sich eine Begründung für die auffällige Formulierung entwerfen, wonach die Absolventinnen und Absolventen in der Ausbildung noch gar nicht lernen können, mit den Belastungen des Lehrerberufs umzugehen, weil sie sich diesen auch in der zweiten Ausbildungsphase noch nicht (vollständig) ausgesetzt sehen. Gleichwohl müsste es in kongruenter Weise zu den Standardformulierungen dann heißen, dass sie die Voraussetzungen für eine Bewältigung der besonderen Belastungen bereits erlernt hätten.

  35. 35.

    Begriffsanalytisch erscheint fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, hier von unterschiedlichen Paradigmen zu sprechen, oder inwieweit der Begriff des Forschungsprogramms angemessener erscheint: „Sie [Forschungsprogramme, F.D.] sind Ausdruck unterschiedlicher Fragestellungen oder auch unterschiedlicher methodischer Ansätze innerhalb ein und desselben Paradigmas“ (Beck 2009, S. 239).

  36. 36.

    Dieser Kompetenzbegriff bezieht sich auf von Schülerinnen und Schülern im Unterricht zu erwerbende Kompetenzen. Jedoch finden sich zwischen dem dort verwendeten und dem in der Lehrerforschung etablierten Kompetenzbegriff keine Differenzen.

  37. 37.

    Wenn dem so wäre, müsste der strukturtheoretische Ansatz diskreditiert werden, um den kompetenzorientierten Ansatz vor dieser Dekonstruktion zu schützen.

  38. 38.

    An anderer Stelle formuliert Mareike Kunter bezogen auf das DFG-Schwerpunktprogramm „Kompetenzmodelle“: „Die Erforschung der Kompetenzen von Lehrkräften ist somit eine wichtige Aufgabe der Bildungsforschung und kann entscheidende Grundlagen zur Verbesserung von Bildungsprozessen beisteuern.“ (Kunter 2010, S. 307) Auch in dieser Formulierung reproduziert sich die Behauptung, empirisch gesicherte Erkenntnisse über Lehrerkompetenzen könnten eine Optimierbarkeit erzeugen. Auch hier transportiert die praktische Relevanzbehauptung ein Modell der Schließbarkeit von Ungewissheiten und einer Erzeugung von Kontrollierbarkeit qua wissenschaftlicher Erkenntnisse.

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Dietrich, F. (2014). Professionalität und Professionalisierung. In: Professionalisierungskrisen im Referendariat. Rekonstruktive Bildungsforschung, vol 1. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03525-9_3

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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