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Die sozialpolitische Bearbeitung von Kindeswohlgefährdung: ein komplexes Regelwerk im Wandel

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Organisierter Kinderschutz in Deutschland
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Zusammenfassung

Wenn in Bezug auf den Kinderschutz eingangs von „verschlungenen Pfaden“ auf dem Weg zu einem „großen Ziel“ die Rede war, so ist dies mehr als nur Rhetorik. Zwar erteilt sich das Gemeinwesen einen schlichten Handlungsauftrag – nämlich: Kinder sind vor Gewalt und Vernachlässigung zu schützen. Die Bearbeitung dieses Auftrags erfolgt jedoch nicht „aus einem Guss“; vielmehr greift ein schwer überschaubares, horizontal wie vertikal hoch differenziertes Regelwerk, wobei mehrere Normenkomplexe koexistieren. Nicht nur die flüchtige Natur des Interventionsobjekts macht Kinderschutz also zu einer komplizierten Angelegenheit – auch der Apparat, mit dem Kindeswohlgefährdung sozialpolitisch „bearbeitet“ wird, weist eine beträchtliche Komplexität auf.

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Notes

  1. 1.

    Wie im Methodenkasten in der Einleitung bereits erläutert, wurden für die inhaltsanalytischen Teile unserer Untersuchung Auswertungstechniken der interpretativen Textanalyse eingesetzt (vgl. Macdonald & Tipton 2001; Wolff 2008).

  2. 2.

    Innerhalb des letzteren konzentrieren wir uns auf die Funktionsbereiche der Familiengerichtsbarkeit sowie des Sicherheitsapparats (Polizei).

  3. 3.

    Mehr dazu weiter unten. Weil unsere Studie die Zielgruppe der 0–6-Jährigen Kinder fokussiert, spielt das Schulwesen für unsere Betrachtung eine untergeordnete Rolle – wiewohl die für diesen Bereich geltenden Regulierungen, z. B. was die Ausstattung der Schulsozialarbeit mit Kompetenzen und Ressourcen angeht, für ältere Kinder von großer Bedeutung sind. Die diesbezüglichen (ohnehin spärlichen) kinderschutzrelevanten Normierungen auf Bundesebene behandeln wir also nicht als gesonderten Funktionsbereich; im Zusammenhang mit regionalen Regulierungen werden wir aber einige Berührungspunkte zwischen Schule und Kinderschutz ansprechen.

  4. 4.

    Dabei muss man die Dialektik im Auge behalten, die zwischen nationalen Meta-Normen und regionalen Konkretisierungen auf der Basis praxisorientierter, notwendigerweise detaillierterer Richtlinien besteht – in einem föderal organisierten Wohlfahrtsstaat vollziehen sich Umbauten im nationalen Regelwerk nicht selten aufgrund von Impulsen, die von praxiserprobten „Regelarchitekten“ auf unteren administrativen Ebenen (wie denen der Bundesländer) stammen.

  5. 5.

    Abweichend vom in der Sozialpädagogik gängigen Begriff des „Klienten“ wollen wir hier und im Weiteren von „Adressaten“ sprechen. Zudem wird anstelle der in Gesetzen und Vorschriften häufig verwendeten Begriffe „Personensorgeberechtige“, „Erziehungspersonen“ o. ä. aus Gründen der besseren Lesbarkeit von „Eltern“ gesprochen.

  6. 6.

    Mit Ausnahme von Somalia und den USA. Deutschland hat die Konvention 1992 ratifiziert.

  7. 7.

    Zu diesem Zweck sieht die Konvention konkret vor: „Sozialprogramme […], die dem Kind und denen, die es betreuen, die erforderliche Unterstützung gewähren und andere Formen der Vorbeugung vorsehen sowie Maßnahmen zur Aufdeckung, Meldung, Weiterverweisung, Untersuchung, Behandlung und Nachbetreuung in […] Fällen schlechter Behandlung von Kindern und gegebenenfalls für das Einschreiten der Gerichte“.

  8. 8.

    So lautet § 1631 Abs. 2 BGB. Diese Neufassung (aus dem Jahr 2000) ersetzte die frühere Formulierung eines Verbots „entwürdigender Erziehungsmaßnahmen“ und hob das „elterliche Züchtigungsrecht“ endgültig auf (Bussmann 2005c).

  9. 9.

    Rheinland-Pfalz und Bremen plädierten 2008 in einem (erfolglosen) Antrag für die Aufnahme ausdrücklicher Kinderrechte ins Grundgesetz.

  10. 10.

    Sie umfasst im Übrigen auch Institutionen der vorschulischen Erziehung und der offenen Jugendarbeit (bzw. öffentlichen Freizeitpädagogik für Kinder), die i. d. R. nicht im engeren Sinne mit Kinderschutzfragen betraut sind, aber ebenfalls (z. B. in Gestalt von Meldepflichten oder sporadischen Verfahrensbeteiligungen) von kinderschutzrelevanten Meta-Normen berührt werden.

  11. 11.

    An dieser Stelle soll es nur um die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe gehen, deren Aufgaben aufgrund ihrer Regelung unter dem gemeinsamen Dach des Kinder- und Jugendhilferechts stark ineinander greifen; erkennbar werden hier aber auch die „Anschlussstellen“ zu den in den nächsten Abschnitten näher zu betrachtenden Funktionsbereichen (Familiengericht, Gesundheitswesen und Polizei).

  12. 12.

    Zudem wird in Abs. 2 nochmals wörtlich Art. 6 Abs. 2 GG (s. o.) zitiert.

  13. 13.

    Der historische Rückblick (siehe dazu Kunkel 2013: 15 ff.; Wiesner 1991: 3 ff.) zeigt die Spezifik des heutigen Gesetzesauftrags: Beim Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 handelte es sich noch um ein im Wesentlichen polizei- und ordnungsrechtlich orientiertes „Jugendfürsorgegesetz“, das auch nach einer Novellierung im Jahr 1961 – trotz Stärkung des Subsidiaritätsprinzips, des elterlichen Erziehungsrechts und der Orientierung am Kindeswohl – ähnlich ausgerichtet blieb.

  14. 14.

    Zu diesen Modellen und ihrer Rationalität siehe die Ausführungen im zweiten Kapitel.

  15. 15.

    Diese Regelungen gelten nach Bundesrecht zunächst nur für teil- und vollstationäre Leistungen, können aber nach § 78 a Abs. 2 im Landesrecht auch auf andere (ambulante) Leistungen ausgedehnt oder auf örtlicher Ebene entsprechend vereinbart werden. Das Gesetz zielte laut offizieller Begründung auf eine „Dämpfung der Kostenentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe“ und eine „Verbesserung der Effizienz der eingesetzten Mittel“ (Kröger 2004: 79). Das etablierte Selbstkostendeckungsprinzip wurde dadurch durch prospektive, vorab kalkulierte Entgelte ersetzt (ebd.).

  16. 16.

    Allerdings ist bezüglich dieser beiden Komponenten auch von wechselseitigen „Anknüpfungspunkten“ die Rede, etwa in Debatten von Jugendhilfeexperten (vgl. DST & AGJ 1999, BMFSFJ 2000). Dies wird in Abschn. 3.3 wieder aufgegriffen.

  17. 17.

    Der Begriff steht für eine stärker betriebswirtschaftlich ausgerichtete Steuerung von Organisationsprozessen, wobei dies den „Endzweck“ einer sozialen Einrichtung nicht beeinträchtigen soll. Zu den Kernelementen gehören etwa die zahlengestützte Beobachtung von Organisationsumwelten (Klienten, Financiers), die Etablierung gesonderter Abteilungen zur Einwerbung externer Ressourcen, der Aufbau eines systematischen internen Controllings sowie eine unmittelbar(er)e strategische Befassung mit sich verändernden Aufgabenumwelten (Projektmanagement, Organisationsentwicklung etc.).

  18. 18.

    Die Gesetzesbegründung rekurrierte explizit auf „spektakuläre Fälle“ von Kindeswohlgefährdung, öffentliche Vorwürfe gegen „untätig“ gebliebene oder „nicht rechtzeitig“ eingeschrittene Jugendämter und eine damit einhergehende Verunsicherung der Praxis – auch „vor dem Hintergrund der Dienstleistungsdebatte in der sozialen Arbeit“ – und leitete daraus das Erfordernis einer eindeutigen Klarstellung ab. Nicht zuletzt Straf- und Schadensersatzverfahren gegen Mitarbeiter der Jugendhilfe hatten zuvor eine breite fachliche Diskussion über einheitliche verbindliche Standards in der Jugendhilfe angestoßen. Einen zentralen Stellenwert nahmen hier die Empfehlungen des Deutschen Städtetages (DST 2003) ein.

  19. 19.

    Dieser Kompromiss stellte den Schlusspunkt einer erhitzten Debatte um „verbindliche Hausbesuche“ dar (vgl. Abschn. 3.3 sowie Turba 2012).

  20. 20.

    „Hilfen zur Erziehung“ (kurz: HzE) sind dann vorgesehen, wenn „eine dem Wohl des Kindes […] entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (§ 27 SGB VIII). In diesem Falle besteht seitens der Eltern ein Rechtsanspruch auf Hilfeleistung. Eine in einschlägigen Fällen häufig eingesetzte ambulante Maßnahme ist z. B. die „Sozialpädagogische Familienhilfe“ (SPFH; § 31 SGB VIII), die die Familien über einen längeren Zeitraum regelmäßig zu Hause aufsucht und durch „intensive Betreuung und Begleitung“ z. B. bei der Bewältigung von Erziehungs- und Alltagsproblemen „Hilfe zur Selbsthilfe“ bietet.

  21. 21.

    Die entsprechende Qualifikation (deren Kriterien ebenfalls per Vereinbarung festgehalten werden müssen) kann entweder durch langjährige Berufserfahrung oder eine Fortbildung erworben werden. Es kann sich um Mitarbeiter der Einrichtung oder auch um externe Fachkräfte handeln. Die Gesetzesbegründung von 2005 führte hierzu aus, dass es den Trägern häufig an der „notwendigen Kompetenz“ fehle, eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen. Nach dem 2012 neu eingefügten § 8 b SGB VIII haben die Träger auch gegenüber dem örtlichen Jugendamt Anspruch auf eine entsprechende Beratung.

  22. 22.

    Konkretisierungen finden sich in untergesetzlichen Regelungen (in Vereinbarungen, Arbeitshilfen, Erhebungsinstrumenten etc.) auf der Ebene der Länder und Kommunen (s. Abschn. 3.2).

  23. 23.

    Vgl. dazu Schmid 2006, Rebbe 2006 sowie für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Hilfeformen Blüml 2006. Ist eine dem Kindeswohl angemessene Erziehung nicht gewährleistet und sind Hilfen „geeignet und notwendig“, so besteht seitens der Eltern ein Rechtsanspruch (s. o.).

  24. 24.

    Gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.

  25. 25.

    Hier handelt es sich um eine Verdeutlichung bereits vor der Gesetzesnovelle bestehender Handlungsoptionen.

  26. 26.

    Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, hat das Gericht stets auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken und auf die Beratungsmöglichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe hinzuweisen.

  27. 27.

    Als Verfahrensbeistände (vor dem FamFG: „Verfahrenspfleger“) werden (mit unterschiedlichen lokalen Präferenzen) z. B. Rechtsanwälte, Sozialpädagogen oder Psychologen herangezogen. Diese haben „im intensiven Gespräch mit dem Kind dessen Empfindungen und Bedürfnisse zu erkunden“ bzw. bei Kindern, die noch nicht sprechen können, „sich durch Beobachtung des Kleinkinds und seines Verhaltens sowie durch Gespräche mit den Betreuungspersonen zu informieren“. Sie haben „keine fiskalischen Interessen wahrzunehmen und auch nicht das Wohl der Eltern, sondern nur das Wohl des Kindes im Auge zu behalten“ (Baer 2006: 122–1 ff., vgl. Raack 2006: 110–3). Die berufsmäßige Ausübung der Verfahrensbeistandschaft wird seit dem FamFG mit einer Pauschale von 350–550 € aus der Staatskasse (§ 158 Abs. 7 FamFG) anstelle der bislang (für Vormünder) üblichen Stundensätze von 19,50–33,50 € (§ 277 FamFG) vergütet.

  28. 28.

    Kindern über 14 Jahren steht zudem ein Beschwerderecht zu.

  29. 29.

    Denkbar sind z. B. (familien)psychologische, (rechts)medizinische oder psychiatrische Gutachter. Der Sachverständige ist in das Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII (s. o.) einzubeziehen. Die Steuerungsverantwortung hinsichtlich der erforderlichen Hilfe bleibt indes beim Jugendamt – wenngleich, so eine Experteneinschätzung, „in der Praxis gerade in akuten Krisen zu beobachten ist, dass ärztliche oder psychologische Sachverständige mitunter gerne direktive Vorgaben über die Ausgestaltung der Hilfe machen würden“ (Kindler & Meysen 2006: 121–5).

  30. 30.

    Etwa wenn diese (nach § 81 Abs. 2 FamFG) durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben haben.

  31. 31.

    Hier sind zunächst die bundesgesetzlichen Bestimmungen relevant. Daneben existieren in den Bundesländern weitere Regelungen, die insbesondere die seit 2007 nahezu flächendeckend verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen betreffen (Fegert et al. 2010: 323ff; siehe zur konkreten Ausgestaltung Abschn. 3.2).

  32. 32.

    So wie z. B. auch Rechtsanwälte, Berufspsychologen oder staatlich anerkannte Sozialarbeiter.

  33. 33.

    Ausnahmen stellen hier lediglich einige besonders gravierende Straftaten dar (im hiesigen Zusammenhang etwa: Mord, Totschlag, Menschenhandel), zu deren Anzeige nach § 138 StGB jedermann verpflichtet ist, der von ihrer Vorbereitung oder Ausführung erfährt.

  34. 34.

    Teilweise wird Ärzten dabei eine „Garantenstellung“ im Sinne einer „höhere[n] Verpflichtung […] als ein Laie“ zugeschrieben (Herrmann et al. 2010: 3).

  35. 35.

    Darüber hinaus verpflichtet § 294 a SGB V Krankenhäuser und Vertragsärzte, Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden „einschließlich der Angabe über Ursachen und den möglichen Verursacher“ den Krankenkassen mitzuteilen, damit diese ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen können. Zwar ist die Relevanz dieser Regelung in der Praxis – mangels entsprechender Erfahrungen zu ihren Auswirkungen – unklar, jedoch äußern Experten aus dem Kreis der Ärzteschaft Bedenken, dass aus unmittelbaren Anfragen der Krankenkassen bei den Justizbehörden auch negative Konsequenzen für das Kindeswohl erwachsen könnten und sprechen sich daher für eine Abstimmung mit dem behandelnden Arzt aus (Herrmann et al. 2010: 258f). Meysen et al. (2009: 114) merken dazu an, dass Ärzte – sofern sie von ihrer Meldepflicht absehen – ggf. keine Leistungen abrechnen können, denen eine Fremdverursachung zugrunde liegt.

  36. 36.

    Ziel des Gesetzgebers war eine Erhöhung der Rechtssicherheit bei der Abwägung der Schweigepflicht durch eine entsprechende gesetzliche Befugnisnorm außerhalb des Strafrechts, also jenseits des o. g. „rechtfertigenden Notstandes“. Czerner (2012: 72) spricht in diesem Zusammenhang von einem „vergleichsweise niedrigschwelligen Rechtfertigungsgrund“, um die Schweigepflicht zu durchbrechen.

  37. 37.

    Genannt werden „Gesundheitsämter, Sozialämter, Gemeinsame Servicestellen, Schulen, Polizei- und Ordnungsbehörden, Agenturen für Arbeit, Krankenhäuser, Sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen, Beratungsstellen […], Einrichtungen und Dienste zur Müttergenesung […], Familienbildungsstätten, Familiengerichte und Angehörige der Heilberufe“ (§ 3, Abs. 2 KKG).

  38. 38.

    Laut § 4 KKG erhalten entsprechende Angebote (zunächst zeitlich befristet) zusätzliche Fördergelder des Bundes in Höhe von 30–51 Mio. € pro Jahr.

  39. 39.

    Bei Gerichtsverfahren erfolgt sie nach dem allgemeinen Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Die Finanzierung spezieller rechtsmedizinischer Institute ist lokal unterschiedlich geregelt (s. Abschn. 4.1.2).

  40. 40.

    Der Betreuungszeitraum liegt dabei bei maximal einem Jahr. Auf lokaler Ebene existieren für Familienhebammen spezielle Vereinbarungen bezüglich des Umgangs mit Kindeswohlgefährdung, die in ihrer Diktion oft § 8 a SGB VIII ähneln und entsprechende (Melde-)Verpflichtungen vorsehen (s. zu den Details der lokalen Ausgestaltung Abschn. 3.2 und 4.1).

  41. 41.

    In den Augen einiger Experten erschwert es dieser Umstand Hebammen, so wie vielfach gewünscht, als „Brückenbogen für die Jugendhilfe“ zu fungieren (Meysen et al. 2009: 117). Nicht unwesentlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass Hebammen seit einigen Jahren generell – v. a. aufgrund einer markanten Erhöhung der Prämien für ihre Berufshaftpflichtversicherung – eine deutliche Verschlechterung ihrer Einkommenssituation zu verzeichnen haben; die Anfang 2013 beschlossene Anpassung der von den Krankenkassen für ihre „Standardtätigkeit“ vergüteten Honorare hat daran kaum etwas geändert.

  42. 42.

    Sehr umfangreiche und konkrete Empfehlungen finden sich dagegen in verschiedenen von ärztlichen Berufsverbänden, Behörden, Krankenkassen u. ä. herausgegebenen Leitlinien. So empfiehlt z. B. ein von der „Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin“ (DAKJ) und der „Arbeitsgemeinschaft Kinderschutz in der Medizin“ (AG KiM) erstellter Leitfaden jeder Klinik die Erstellung einer strukturierten, verbindlichen Leitlinie mit entsprechender Diagnostik und Dokumentation sowie die Etablierung einer „Kinderschutzgruppe“, die den Ärzten beratend zur Seite stehen soll. Enthalten sind exemplarische Dienstanweisungen, Checklisten zum klinischen Ablauf bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung sowie verschiedene Dokumentationsschemata. Entsprechende Leitfäden liegen in verschiedenen Bundesländern auch für Praxen niedergelassener Kinderärzte vor (s. Abschn. 4.1.2).

  43. 43.

    Gerber (2006: 36–1) zählt im Kontext Kindeswohlgefährdung darüber hinaus „Opferhilfe im weiteren Sinn“, i.e. „individuelle Beratung“ und „Prävention“, zu den polizeilichen Funktionen.

  44. 44.

    Indes wird eine einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt, sofern kein besonderes öffentliches Interesse vorliegt.

  45. 45.

    Insofern zeigen sich gewisse Parallelen zum „doppelten Mandat“ der Sozialarbeit (vgl. Turba 2014 sowie Behr 2006: 157 ff.).

  46. 46.

    Eine umgekehrte Meldeverpflichtung des Jugendamts besteht dagegen nicht, weshalb der Informationsfluss seitens der Polizei oft kritisch als „Einbahnstraße“ beschrieben wird (Meysen 2012: 49).

  47. 47.

    Demnach gelten Minderjährige als gefährdet, wenn: zu befürchten ist, dass sie Opfer einer rechtswidrigen Tat werden; sie passive Teilnehmer eines gefährlichen Ereignisses sind; sie in die Kriminalität abzugleiten drohen; sie sich an gefährlichen Orten aufhalten (z. B. Gaststätten, Nachtclubs, Sexshops, Spielhallen oder im Kontext Prostitution, Glücksspiel, Rauschmittel, Planung von Straftaten); sie bei Fremden Mitfahrgelegenheiten suchen; sie Rauschmittel konsumieren oder in verwahrlostem Zustand sind; sie als Streuner bzw. wiederholt als Schulschwänzer angetroffen werden, der Prostitution nachgehen oder rechtswidrige Taten begehen.

  48. 48.

    Letztere Optionen stehen im Zusammenhang mit dem 2002 erlassenen „Gewaltschutzgesetz“, das der Polizei einige neue Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit häuslicher Gewalt eröffnete.

  49. 49.

    Im hiesigen Zusammenhang sind insbesondere die §§ 225 und 171 einschlägig – sie bilden die Grundlage der nachfolgenden Darstellung (s. dazu BDK 2009: 31 ff.).

  50. 50.

    Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK 2009: 35) führt dazu aus, dass eine „gröbliche“ Pflichtverletzung „i. d. R. erst bei wiederholten und dauerhaften […] Verstößen“ vorliegen wird, während „ein allgemein kritikwürdiges oder den Anforderungen an eine moderne Pädagogik nicht entsprechendes Erziehungsverhalten“ nicht ausreiche.

  51. 51.

    Der Ergänzungspfleger kann z. B. die Zustimmung zu einer psychologischen bzw. (gerichts)medizinischen Begutachtung oder einer (ggf. per Video dokumentierten) Aussage des Kindes geben. Für diese Rolle kommen Mitarbeiter des Jugendamts, von Beratungsstellen oder Verfahrensbeistände mit juristischer, pädagogischer oder psychologischer Ausbildung in Betracht, wobei die Details der Rekrutierung lokal unterschiedlich ausfallen.

  52. 52.

    Ähnlich der Rolle des Jugendamts im Verhältnis zum Familiengericht.

  53. 53.

    Indes enthalten institutionelle Regulierungen zur Ressourcensteuerung auch im Bereich der Polizei – wenn auch nicht auf der übergeordneten, gesetzlichen Ebene wie in der Jugendhilfe – durchaus Ansätze, die durch Instrumente wie Budgetierung, Outputsteuerung und Controlling auf wirtschaftliche Effizienz abzielen (vgl. zum Einsatz Neuer Steuerungsmodelle in der nordrhein-westfälischen Polizei exemplarisch Lange & Schenck 2003 sowie allgemein Barthel 2008).

  54. 54.

    Bezüglich dieser Settings kann – wie im Methodenexkurs am Ende der Einleitung bereits verdeutlicht – unterstellt werden, dass sie eine gewisse Bandbreite in der Vielfalt möglicher (kinderschutzsystemexterner) Umweltbedingungen abbilden (was etwa den sozioökonomischen oder politisch-administrativen Kontext anbelangt).

  55. 55.

    Aus Gründen der Anonymisierung wollen wir keine Verknüpfungen herstellen zwischen dem Charakter der Regulierungen und dem gebietskörperschaftlichen Kontext, in dem sie zur Geltung kommen. Die dadurch entstehenden Vagheiten müssen hingenommen werden. Aus dem gleichen Grund verzichten wir im Folgenden bei wörtlichen Zitaten aus offiziellen (Regulierungs-)Texten auf die Angabe der Quelle.

  56. 56.

    Dieses Verfahren ist im Übrigen immer anzuwenden, wenn die betroffenen Kinder bis zu drei Jahre alt sind.

  57. 57.

    Ist dies fachlich nicht vertretbar, so muss die Fortsetzung unter Beteiligung des übergeordneten Fachreferates beschlossen werden.

  58. 58.

    Nach einem (traditionellen) lokalen Modell der trägerbezogenen Budgetierung erfolgt die Finanzierung hier anhand von (bestimmten, großen) Trägern zugewiesenen „Betreuungspunkten“ und damit verbundenen festen Entgeltsätzen (auf Basis der vorgehaltenen Mitarbeiterstellen). Ca. 40 % der Fälle werden in diesem Rahmen bearbeitet, die Übrigen sind als „flexible Hilfen“ ausgestaltet.

  59. 59.

    Für Hausbesuche kann der Richtwert (aufgrund einer hier erforderlichen „Aufwärmphase“ mit der Familie) 90 min auch überschreiten. Zum Mindeststandard zählt auch eine gewisse Gesprächszeit mit dem Kind allein.

  60. 60.

    Soweit Kinderschutzgesetze auf Landesebene existieren, setzen sich diese gewiss auch mit Rechtsgütern auseinander, allerdings kaum abweichend vom nationalen Rahmen. Allerdings werden die zu schützenden Rechtsgüter vielfach in speziellen Dokumentationsinstrumenten („Kinderschutzbögen“) konkretisiert, die im Rahmen von Melde- und Diagnoseverfahren Verwendung finden. Diese werden hinsichtlich ihrer allgemeinen Merkmale (Einsatz, Umfang, etc.) unter der Rubrik „Verfahren“ thematisiert, jedoch keiner Feinanalyse in Bezug auf (ohnehin marginale) Unterschiede in der Formulierung einzelner „Gefährdungskriterien“ unterzogen.

  61. 61.

    Da Interventionen im Bereich der Kindeswohlgefährdung von allgemeineren Regulierungen der Jugendhilfe sowie – darüber hinaus – der regionalen Sozialpolitik abhängen, werden auch eher globale Bestimmungen etwa zur Finanzierung sozialer Programme in die Analyse mit einbezogen. Wir gehen davon aus, dass diese Bestimmungen mittelbar durchaus Auswirkungen auf relevante Abläufe im Kinderschutzsystem zeitigen können.

  62. 62.

    Etwa das sog. „Dormagener Modell“, um nur ein weiteres, wissenschaftlich ausführlich dokumentiertes Design mit besonderem Zuschnitt zu nennen (vgl. Jugendamt Dormagen 2011).

  63. 63.

    Das Verfahren wird unten erläutert. Nach Ablauf des Modellzeitraums sind die Einführung eines weiterentwickelten Einladungs- und Meldewesens sowie eine Verknüpfung mit dem System der „Frühen Hilfen“ (s. u.) geplant.

  64. 64.

    Zudem wurden im Anschluss an das Bundeskinderschutzgesetz verschiedene neue Projekte im Bereich der „Frühen Hilfen“ aufgelegt, die auf den Ausbau von Familienhebammenangeboten abzielen (hier gilt es, sich mit Konzepten zu bewerben, um Zugriff auf die entsprechenden Fördermittel des Bundes zu erhalten). Einbezogen werden z. B. auch Geburtskliniken, die im Anschluss an ein „Screening“ ggf. an sog. „Familienteams“ (bestehend aus Hebammen, Gesundheitsamt und „Familienlotsen“) melden sollen.

  65. 65.

    Unsere empirischen Untersuchungen fallen größtenteils in die Zeit vor dieser Umstellung. Allerdings war der konzeptionelle Rahmen der Neuerungen zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt. In einem abschließenden Interview befragten wir zentrale Akteure zu den neuesten Entwicklungen und den damit verbundenen Erfahrungen (s. Kap. 4).

  66. 66.

    Gleiches gilt für bestimmte rechtliche und fachliche Erfordernisse im Zusammenhang mit dem Hilfeplanverfahren. Dies hat den Hintergrund, dass die Software aus dem Ausland „eingekauft“ wurde und somit (noch) technische Anpassungsschwierigkeiten an das „Wesen“ der deutschen Jugendhilfe bestehen.

  67. 67.

    Enthalten sind die Rubriken „äußere Erscheinung des Kindes“ (z. B. massive Verletzungen, starke Unterernährung, Fehlen jeder Körperhygiene), „Verhalten des Kindes“ (z. B. Delinquenz, apathisches Verhalten, Äußerungen des Kindes), „Verhalten der Eltern“ (z. B. massive bzw. wiederholte körperliche Gewalt unter Eltern oder gegenüber dem Kind, häufiges massives Beschimpfen), „persönliche Situation der Eltern“ (z. B. stark verwirrtes Erscheinungsbild oder häufig berauschte Erscheinung) sowie „Wohnsituation“ (z. B. stark vermüllte Wohnung, erhebliche Gefahren im Haushalt). Das Instrument wird nunmehr durch eine erweiterte Kinderschutzdiagnostik (mit „Ankerbeispielen“) ergänzt, welche durch regionale „Qualitätszirkel“ flankiert wird.

  68. 68.

    So sind z. B. Stichprobenüberprüfungen von Hilfeentscheidungen bzgl. des Kostenaspekts (im Umfang von 5 % aller Fälle) vorgesehen.

  69. 69.

    Die Qualifikation der von diesen hinzuzuziehenden „insoweit erfahrenen Fachkraft“ kann entweder durch eine „mindestens dreijährige ständige Berufspraxis im Umgang mit Kindern“ oder eine „spezifische Qualifikation“ (z. B. durch die Teilnahme an landesweit angebotenen Zertifizierungskursen) erworben werden. Das Jugendamt stellt Adresslisten externer Fachkräfte bereit, sofern der jeweilige Träger selbst keine solchen beschäftigt. Wenn die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann, ist das Jugendamt unverzüglich zu unterrichten.

  70. 70.

    Ist dies nicht möglich, so kommt auch die Vorstellung des Kindes bei einem rechtsmedizinischen Institut in Betracht.

  71. 71.

    Diese richten sich an Kinder zwischen neun und 27 Lebensmonaten.

  72. 72.

    Die o. g. neue Jugendamtssoftware ermöglicht mittels einer Schnittstelle mit dem polizeilichen EDV-System nunmehr eine elektronische Meldung.

  73. 73.

    Die Einrichtung einer zentralen Polizeidienststelle (hier sogar „mit fest zugewiesenen Staatsanwälten“) nach Vorbild von Setting 2 (s. u.) wurde politisch erwogen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

  74. 74.

    Laut einem Interview hat sich die Situation dadurch entschärft. Mitarbeiter mit unmittelbarem Kontakt zu Kindeswohlgefährdung wurden bereits vorher nach einem separaten (höheren) Tarif bezahlt.

  75. 75.

    Ein regionales Modellprojekt zur „Sozialraumbudgetierung“ (mit festgelegten Budgets für die einzelnen Träger) konnte sich nicht landesweit durchsetzen.

  76. 76.

    So ist z. B. die familiäre Situation nach verschiedenen Kriterien (Problembewältigung durch die Eltern, Situation des Kindes, Wohn-, Arbeits-, Finanz- und gesundheitliche Verhältnisse, soziales Umfeld) zu bewerten. Ein hoher Anteil von Hilfen mit zu erwartender nachhaltiger Verbesserung gilt als Indikator für den Erfolg der Hilfe(form).

  77. 77.

    Laut Dienstanweisung dürfen die Kosten für die Maßnahme höchstens 20 % über dem vom Jugendamt veranschlagten Wert liegen. Hilfeentscheidungen müssen (z. T. nur bei teureren Hilfen) durch die Leitung gegengezeichnet werden. Hinzu kommen im Zuge des neuen Computersystems Stichprobenüberprüfungen hinsichtlich der Kosten (s. o.). Ehemals durch die Abteilung „wirtschaftliche Jugendhilfe“ übernommene Aufgaben (Kostenfreigabe und Bearbeitung) fallen nunmehr dem ASD zu.

  78. 78.

    Entsprechend erstatten die freien Träger im Rahmen von Qualitätsentwicklungsvereinbarungen den Jugendämtern und der Fachbehörde mindestens alle zwei Jahre Bericht hinsichtlich der „Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität“. Vor diesem Hintergrund finden dann ebenfalls strategische Gespräche statt.

  79. 79.

    Bzgl. dieser Einsparungen werden mit den einzelnen Jugendamtsbezirken Kontrakte geschlossen.

  80. 80.

    Eine Ausnahme stellt der zentrale Kindernotdienst dar.

  81. 81.

    Dieses wird von Ausführungsvorschriften sowie sog. „Rundschreiben“ der zentralen Verwaltungseinheit flankiert, die ebenfalls bindenden Charakter haben.

  82. 82.

    Konkrete Angaben zu den hier angedeuteten Verfahren finden sich weiter unten.

  83. 83.

    Infolgedessen stiegen die polizeilich registrierten Misshandlungs- und Vernachlässigungsdelikte innerhalb kürzester Zeit deutlich an – ein Sachverhalt, der in politischen Konzepten explizit zur Begründung eines besonderen Handlungsbedarfs im Kinderschutz herangezogen wurde. Die daraus folgenden Vernetzungsinitiativen führten in der Folge ihrerseits zu einem weiteren Anstieg von Meldungen durch Bürger wie Fachkräfte (und damit zu einer Erhöhung des Fallvolumens in den Jugendämtern).

  84. 84.

    Ergänzende Handlungsempfehlungen führen dazu aus, dass die Instrumente „lediglich Hilfsmittel zur Strukturierung von Wahrnehmungs- und Bewertungsprozessen“ sein können, jedoch für sich allein keine Prognosen erlauben. Gefragt sei vielmehr eine „beteiligungsorientierte Sozialpädagogik“, die „mit den Eltern gemeinsam Einschätzungen vornimmt“ bzw. gegen deren Willen gerichtete Entscheidungen „nachvollziehbar darzulegen und zu vermitteln sucht“. Die Erfassungsbögen wurden im Dialog von Wissenschaft und Praxis entwickelt und basieren auf in anderen Kommunen bereits etablierten Instrumenten.

  85. 85.

    Dieser muss ebenfalls stets mit zwei Fachkräften (und – falls erforderlich – unter Hinzuziehung der Polizei) durchgeführt werden. Bemerkenswert erscheint, dass das Landesgesetz die auf Bundesebene erwogenen (Hausbesuchs-)Regelungen (s. Abschn. 3.1) bereits früh – und mit größerer Deutlichkeit und Rigorosität – vorwegnahm. Bezeichnenderweise wird in der Vorschrift explizit darauf hingewiesen, dass in Fällen akuter Gefahr ein (einfaches) Betreten der Wohnung auch gegen den Willen der Inhaber zulässig ist. Dies gilt auch für das Jugendamt, das als „Ordnungsbehörde“ – wie unter Berufung auf das geltende allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz verdeutlicht wird – zum Betreten von Wohnungen berechtigt ist. Es gilt der Grundsatz „Kinderschutz vor Recht auf Unverletzlichkeit des Wohnraums“. Im Gegensatz zur Polizei darf das Jugendamt jedoch keine unmittelbaren Zwangsmaßnahmen vollziehen.

  86. 86.

    Das Bundesland praktizierte bereits einige Zeit vor der Einführung des FamFG ein „beschleunigtes Familienverfahren“. Zum staatlichen Wächteramt und einer damit verbundenen eventuellen Haftung der Fachkräfte führen die Empfehlungen überdies aus, dass es „auch zum eigenen Schutz in Kinderschutzfällen besonders wichtig [sei], die vorgeschriebenen Verfahrensweisen einzuhalten und alle Schritte genau zu dokumentieren und nicht ‚im Zweifel nichts zu tun‘“. Dem schließt sich der Hinweis an, dass bei einer hohen Gefährdung für das Leben des Kindes notfalls (beim Kammergericht) Beschwerde gegen offensichtlich fehlerhafte familiengerichtliche Entscheidungen eingelegt werden sollte.

  87. 87.

    Die Differenzierung erfolgt anhand des Lebensalters des betroffenen Kindes (0–2, 3–5, 6–13, 14–18 Jahre). Die auf das Kind bezogenen Kriterien betreffen sein Erscheinungsbild (körperlich, psychisch, kognitiv, Sozialverhalten), die Interaktion zwischen Kind und Bezugspersonen sowie die Sicherung der Grundversorgung (Ernährung, Schlafplatz, Kleidung, Körperpflege, Beaufsichtigung und Betreuung, medizinische Versorgung). Bezogen auf die Eltern sind ebenfalls Risikofaktoren (materielle/soziale, familiale, persönliche Situation) sowie Ressourcen und Prognosen (bzgl. der Veränderungs- und Kooperationsbereitschaft) festzuhalten. Zusätzlich ist ein „Genogramm“ des Familiensystems zu erstellen.

  88. 88.

    Hier sind verschiedene Anhaltspunkte für eine Gefährdung nach Häufigkeit ihres Auftretens (selten, häufig, immer) anzugeben; Angaben zu Ressourcen bzw. Selbsthilfepotenzial der Eltern, wahrgenommenen Risiken und eigens unternommenen Schritten können frei vermerkt werden.

  89. 89.

    Für Kita-Erzieherinnen ist eine spezielle Fortbildung erforderlich. Beschäftigt ein freier Träger selbst kein entsprechendes Personal, so können (in einer Liste festgehaltene) externe Fachkräfte (anderer Träger oder auch des Jugendamts) beratend hinzugezogen werden.

  90. 90.

    Diese ist in einem lokalen Universitätsklinikum angesiedelt. Die Regelung des Verfahrens (einschließlich seiner Finanzierung) obliegt laut Gesetz der Gesundheitsverwaltung (in Absprache mit der Verwaltung der Hochschulen).

  91. 91.

    Hierfür werden in den Gesundheitsämtern Sozialarbeiter (und mancherorts auch Hebammen) beschäftigt. Im Falle der Überschreitung der vorgesehenen Zeiträume holt der Gesundheitsdienst die versäumten – nur innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen durch die Krankenkassen finanzierten – Untersuchungen selbst nach. Zusätzlich ist die Durchführung ärztlicher Reihenuntersuchungen in den Kitas vorgesehen.

  92. 92.

    Insoweit folgt die Regelung im Wesentlichen den Vorgaben, die nach § 8a SGB VIII auch für freie Träger der Jugendhilfe gelten.

  93. 93.

    Die Angabe von Informationen seitens der Mütter ist freiwillig.

  94. 94.

    Ambulant: §§ 29, 30, 31, 35 SGB VIII; stationär: §§ 34, 35, 35a.

  95. 95.

    Sind solche nicht vorhanden oder sprechen andere Gründe für das teurere Angebot, so ist dies gesondert zu dokumentieren. Zudem muss eine Überschreitung der auf Grundlage des aktuellen Zuweisungsverfahrens ermittelten „Falldurchschnittskosten“ (hochgerechnet auf ein Jahr) stets besonders begründet werden.

  96. 96.

    Nach einem Jahr ist eine Hilfe immer zu überprüfen. Unterbringungen von Kindern im Alter von bis zu drei Jahren werden bereits nach drei Monaten Gegenstand einer obligatorischen Erörterung.

  97. 97.

    Die Zielvereinbarung soll eine „Verständigung auf Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen“ erlauben. Das Fachcontrolling wird dabei als ein „dialogischer Prozess“ aufgefasst, der einen „allokativen Umgang mit Ressourcen (= ein knappes Gut in die bestmögliche Verwendung überführen)“ gewährleisten soll. Zentrales Ziel ist die Herstellung von „Transparenz“ über die jeweilige Fall- und Ausgabenentwicklung, verbunden mit verschiedenen Verfahren des „Benchmarkings“. Es fußt u. a. auf einem „intrakommunalen Kennzahlenvergleich HzE“ sowie auf dem „interkommunalen Kennzahlenvergleich der deutschen Großstädte (IKO)“.

  98. 98.

    Im Rahmen einer solchen Evaluation (im Jahr 2009) waren insbesondere die Jugendämter mit den – im Vergleich – größten Abweichungen gehalten, (unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen vor Ort) selbst Angaben zu den (vermuteten) Ursachen der Unterschiede in der Ausgaben- und Fallzahlenentwicklung zu machen. Hintergrund dieser Vorgehensweise waren (wieder) ansteigende Ausgaben nach einer längeren Phase der Haushaltskonsolidierung (mit Einstellungsstopps im öffentlichen Dienst, massiven Ausgabenkürzungen im Bereich der HzE etc.).

  99. 99.

    Beruhend auf §§ 78 a–g SGB VIII (s. o.).

  100. 100.

    Der Rahmenvertrag enthält hierfür ein Kalkulationsbeispiel. Differenzierungsmöglichkeiten sind – erklärtermaßen – auf das Notwendigste reduziert worden, um den Verhandlungs- und Prüfaufwand zu vermindern. Mit der Fachleistungsstunde sind sämtliche fallbezogenen und damit zusammenhängenden Tätigkeiten (einschließlich „Qualitätsentwicklung“, Dokumentation, kollegiale Beratung, Fortbildungen, etc.) abgegolten.

  101. 101.

    Dies gilt bereits seit 2008. Vgl. entsprechende Regelung im Bundeskinderschutzgesetz von 2012 (s. Abschn. 3.1).

  102. 102.

    Die hier referierten Vorgaben haben den Charakter einer „Empfehlung“ seitens des Landesjugendamts, wobei die konkrete (interne) Ausgestaltung i. d. R. den einzelnen Jugendämtern überlassen bleibt. Dabei wird ausdrücklich auf das Erfordernis einer fachgerechten, situationsabhängigen „Reaktion im Einzelfall“ verwiesen.

  103. 103.

    Letzterer Verweis findet sich auch in Setting 5 (s. u.). Im von uns beforschten Jugendamt wird dagegen ein 10-seitiger Erfassungsbogen verwendet, der die Bewertung von ca. 20 Items (zur Grundversorgung des Kindes und der familiären Situation) auf einer 4-stufigen Skala sowie die Erfassung weiterer Informationen (z. B. zur Mitwirkungsbereitschaft der Eltern) vorsieht und nicht zuletzt Dokumentationszwecken dient.

  104. 104.

    Letzteres wird auch in Phasen allgemeiner Krisen, des „Clearings“ oder generell am Beginn von Hilfen (bis zu deren „Stabilisierung“) anempfohlen.

  105. 105.

    Das Einladungsschreiben erläutert den Rahmen, Sinn und Zweck der Untersuchungen sowie das weitere Vorgehen im Falle von Versäumnissen.

  106. 106.

    In diesem Zusammenhang wird auch mehrfach darauf verwiesen, dass das Nichtwahrnehmen einer U-Untersuchung (die formal freiwillig ist) allein noch keinen Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung darstellt. Solche Hinweise finden sich in einer umfangreichen Arbeitshilfe der zentralen „Servicestelle Kinderschutz“. Diese sieht vor, dass der Kontakt zu den Familien zunächst mittels eines Telefonats, dann durch einen Brief und schließlich in einem persönlichen Treffen (Hausbesuch oder Einladung ins Amt) herzustellen ist. Hinzu kommen u. a. Empfehlungen bzgl. der Dokumentation (Gesprächsmitschriften, Beobachtungen, Vereinbarungen) sowie ein Gesprächsleitfaden mit relativ genauen Angaben (z. B. Verständnis zeigen, keine Behauptungen aufstellen, freundlich bleiben). Das Gesundheitsamt erhält für die ihm durch das Gesetz übertragenen Zusatzaufgaben (analog zum Jugendamt, s. u.) eine Pauschalfinanzierung in Höhe von drei Euro pro im jeweiligen Bezirk gemeldetem Kind unter sechs Jahren. Liegt kein Versicherungsschutz vor, so übernimmt das Land die Kosten der Nachholuntersuchung. Laut Arbeitshilfe haben die Krankenkassen bei Überschreitung der entsprechenden Toleranzgrenzen eine „pragmatische Handhabung“ zugesagt.

  107. 107.

    Eine kompakte Auflistung von Anhaltspunkten ist in der Arbeitshilfe für das Gesundheitsamt enthalten.

  108. 108.

    Entsprechendes wird durch Änderungen im Heilberufsgesetz, Landeshebammengesetz und Landeskrankenhausgesetz geregelt: In Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe und dem öffentlichen Gesundheitsdienst (dem seinerseits ein erweitertes gesetzliches Mandat zufällt) sollen die Adressaten dieser Gesetze (Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Hebammen sowie Krankenhäuser mit gynäkologischen Abteilungen) auf die notwendigen Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen hinwirken (gleiches sehen Schul- und Kindertagesstättengesetz vor). In einem Modellprojekt wird außerdem – mit der Perspektive vermehrter familienbezogener Beratungshilfen – eine (krankenkassenfinanzierte) Ausweitung der Wochenbettbetreuung durch Hebammen erprobt.

  109. 109.

    Diese Formulierung findet sich auch in Setting 1 (s. o.), während in den übrigen Bundesländern lediglich vom „Schutz eines höherwertigen Rechtsguts“ die Rede ist.

  110. 110.

    Empfehlungen für die konkrete Ausgestaltung der Netzwerkarbeit sind in einer Arbeitshilfe des Landesjugendamts enthalten. Demnach sollten z. B. alle beteiligten Instanzen eine verantwortliche Person oder Steuerungsgruppe benennen (im Jugendamt sog. „Netzwerkkoordinatoren“). Die jährlichen Netzwerkkonferenzen sind durch spezifische Arbeitsgruppen und Fortbildungsveranstaltungen zu ergänzen. Weitere „Ideen und Anregungen“ umfassen z. T. sehr genaue Angaben, etwa zur Dauer oder Frequenz von Treffen.

  111. 111.

    Die Finanzierung erfolgt in Form einer Zuwendung (Festbetrag) für Personalkosten i. H. v. je 25.000 € für bis zu zwei Fachkräfte (Psychologen mit therapeutischer Ausbildung, (Sozial-)Pädagogen). Die Stellen sollen eng mit dem Jugendamt sowie ggf. dem Familiengericht und der Polizei zusammenarbeiten und an jährlichen Fortbildungen und Fallbesprechungen in der zentralen Servicestelle Kinderschutz teilnehmen.

  112. 112.

    An dieser Stelle sind wir (mangels entsprechender auf Dokumente gestützter Nachweise) in Vorgriff auf Kap. 4 auf die subjektive Einschätzung lokal(politisch)er Akteure angewiesen.

  113. 113.

    Hier geht es z. B. um die Aufteilung von Fachleistungsstunden in Kontaktzeit mit der Familie (vier Fünftel) und Dokumentation bzw. Hintergrundarbeit (ein Fünftel).

  114. 114.

    Für Hebammen existiert ein Weiterbildungsangebot bzgl. „familienpädagogischer Fragestellungen“. Kindertagesstätten sollen als „frühe Förder- und Bildungseinrichtungen“ Eltern verstärkt auf Hilfeangebote hinweisen. Erziehungsberatungsstellen sollen ihre „Geh-Struktur“ (Hausbesuche bei Familien) ausbauen. Das Land fördert darüber hinaus z. B. Angebote der Eltern- und Familienbildung, Schreibaby-Ambulanzen sowie verschiedene andere Projekte.

  115. 115.

    Das Bundesland investiert dafür (im Rahmen einer Regelförderung) eigene finanzielle Ressourcen. Die konkrete organisatorische Ausgestaltung obliegt dagegen den einzelnen Ämtern und fällt dementsprechend unterschiedlich aus.

  116. 116.

    Diese werden in freier Trägerschaft betrieben, dienen aber gleichzeitig als Plattform für seitens der Koordinierenden Kinderschutzstellen angebotene Beratungen.

  117. 117.

    Merke: Nicht nur einer Befugnis wie in anderen Settings. Die Begründung des Gesetzes hebt auf das Erfordernis größerer „Klarheit und Sicherheit“ sowie die Wahrnehmung einer „verantwortungsbewussten Wachsamkeit“ für die betroffenen Berufsgruppen ab. Das Versäumnis einer Meldung steht indes nicht unter Strafe.

  118. 118.

    Als sinnvolle Anspruchsvoraussetzungen für die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH, § 31 SGB VIII) gelten z. B. die „Bereitschaft, Hilfe anzunehmen“, „Problemeinsicht“, „Veränderungsbereitschaft“ und „Selbsthilfepotenzial“. Es wird darauf hingewiesen, dass für die Zielgruppe dieser Hilfeform Anhäufungen unterschiedlicher Problemlagen (über Erziehungsprobleme hinaus) typisch sind und die Maßnahme auf längere Dauer („i. d. R. bis zu zwei Jahre“) angelegt ist.

  119. 119.

    Dieser ist grundsätzlich zu zweit, möglichst mit einer weiblichen und einer männlichen Fachkraft sowie notfalls unter Einschaltung der Polizei durchzuführen. Amtsintern sind Regelungen über eine klare Rollenaufteilung während des Besuchs zu treffen (Beobachtung, Gesprächsführung usw.). Zur mitzuführenden Mindestausstattung zählen der Dienstausweis, ein Mobiltelefon, eine Liste bezirklicher Ansprechpartner in Notsituationen sowie ggf. Kindersitze für den Transport von Kindern.

  120. 120.

    Bezüglich etwaiger intern verwendeter Diagnoseinstrumente erfolgt der Hinweis, dass diese auf Vollständigkeit zu prüfen sind.

  121. 121.

    1 = akutes Gefährdungsrisiko auszuschließen; 2 = längerer Abklärungsprozess erforderlich; 3 = akutes Gefährdungsrisiko nicht auszuschließen.

  122. 122.

    Mit erneutem Hinweis auf die vorliegenden Tabellen.

  123. 123.

    Die Überprüfung wird (wie auch anderswo üblich) im Regelfall alle sechs Monate durchgeführt. Die wirtschaftliche Jugendhilfe ist über das Ergebnis der Überprüfung zu informieren; „günstigstenfalls“ ist sie daran zu beteiligen.

  124. 124.

    Gleiches gilt in Form einer Soll-Vorschrift auch für Schulen.

  125. 125.

    Entsprechende Dokumente existieren auch in den anderen Settings.

  126. 126.

    Im ASD beschäftigte Sozialpädagogen gelten dagegen automatisch als „insoweit erfahren“.

  127. 127.

    Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus: „Nur mit der Verankerung einer gesetzlichen Pflicht und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit ist eine Steigerung der Teilnahmequote zu erwarten, da damit immer auch ein Bewusstseinswandel bewirkt wird (siehe Beispiel der Verankerung der gewaltfreien Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB). Auch können andere Stellen (z. B. Kindertageseinrichtungen, Kinder- und Jugendärzte, Hausärzte, Hebammen, Geburtskliniken) oder Behörden besser auf die Einhaltung einer gesetzlichen Pflicht hinweisen, als nur an die Fürsorge der Eltern zu appellieren.“

  128. 128.

    In Höhe von 150–300 € pro Monat.

  129. 129.

    Das Kita-Personal hat laut geltendem „Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz“ bei den Eltern auf die Teilnahme hinzuwirken (hinzu kommen hier Konkretisierungen hinsichtlich des Vorgehens von Kita-Mitarbeitern gemäß § 8a SGB VIII). Gleiches gilt für Schulen, in denen zudem ersatzweise eine schulärztliche Untersuchung vorgenommen werden kann.

  130. 130.

    Unterschieden werden die Förderung gemäß § 74 SGB VIII (gebräuchlich eher für die angebotsorientierten Leistungen nach §§ 11–21 SGB VIII; Personal- und Maßnahmenförderung, Projektförderung), die Kostenerstattung nach § 77 SGB VIII (häufig verwendet bei ambulanten Hilfen zur Erziehung; Vertrag über die zu erbringende Leistung und Kostenerstattung, z. B. Abrechnung nach Fachleistungsstunden) sowie die Rahmenvereinbarung nach §§ 78a ff. SGB VIII (v. a. für stationäre Hilfen; detaillierte Vorgaben über den Inhalt entsprechender Vereinbarungen).

  131. 131.

    Weitere Themen waren z. B. „Dienstleistungsorientierung und Bürgernähe“ sowie „Fachlichkeit“ in der Jugendhilfe.

  132. 132.

    In Bezug auf die Finanzierung hat das Landesjugendamt darüber hinaus in Zusammenarbeit mit verschiedenen Projektpartnern ein Personalbemessungskonzept entwickelt, bei dem „für die wichtigsten fallbezogenen Leistungsbereiche der Jugendämter Standards und Zeitbedarf für Arbeitsprozesse ermittelt und in ein Verfahren zur Personalbedarfsbemessung zusammengeführt“ werden. Darin erfolgt eine Ermittlung mittlerer Bearbeitungszeiten für verschiedene Tätigkeiten auf der Basis von „Jahresarbeitszeitminuten“. Das Konzept wird den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

  133. 133.

    Gegen einen finanziellen Eigenbeitrag können sich die Kommunen darüber hinaus an einem softwaregestützten Verfahren zum „Familienmanagement“ beteiligen.

  134. 134.

    Hier wirkt offenbar der in der fraglichen Region traditionell sehr robuste „Wohlfahrtskorporatismus“ unmittelbar in das Kinderschutzsystem hinein.

  135. 135.

    Hierfür stellt die Landesregierung im Rahmen eines Modellversuchs entwickelte Arbeitsmaterialien zur Verfügung.

  136. 136.

    Indes soll hier keine inhaltliche Vermischung mit der Leistungsvereinbarung erfolgen.

  137. 137.

    In Bezug auf solche Tabellen wird im Übrigen auf das Vorbild einer Arbeitshilfe in einer ostdeutschen Großstadt verwiesen.

  138. 138.

    Die Arbeitshilfe enthält hierfür eine Mustervereinbarung. Demnach müssen bei der Risikoeinschätzung und der darauf basierenden Aufstellung eines „Schutzplans“ eine Leitungskraft, eine „insoweit erfahrene Fachkraft“, die Eltern sowie ab dem 3. Lebensjahr auch das Kind einbezogen werden. In dringenden Fällen bzw. wenn die Eltern nicht mitwirken, kann der Träger unmittelbar das Jugendamt oder auch das Familiengericht einschalten. Eine Erläuterung des Begriffs Kindeswohlgefährdung („mit Beispielsfällen“) sollte durch die Kommunen hinzugefügt werden.

  139. 139.

    Für Inobhutnahmen existiert eine separate Arbeitshilfe, deren Inhalt anderen lokalen Kontexten entlehnt ist.

  140. 140.

    Die Kommunen können eine landesweite Vorlage nach dem „Baukasten-Prinzip“ mit örtlich spezifischen Informationen und Beratungshinweisen ergänzen.

  141. 141.

    Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern existieren dagegen keine Konkretisierungen hinsichtlich von Meldebefugnissen bzw. -pflichten von Berufsgeheimnisträgern (weder gesetzlich noch in der ärztlichen Berufsordnung).

  142. 142.

    Abgedeckt wird der Zeitraum vom sechsten Lebensmonat bis zur Einschulung (U5–U9).

  143. 143.

    Das Erinnerungsschreiben ist eine Woche vor Ende des jeweiligen Untersuchungszeitraums zu versenden.

  144. 144.

    Eine Arbeitshilfe zur Verordnung enthält weitere Vorschläge zu Fristen und konkretem Prozedere: Eine Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst wird hier empfohlen. Die Kontaktaufnahme durch den ASD (oder auch einen entsprechend beauftragten Dritten, z. B. Besuchsdienst, Familienzentrum, Hebamme, freier Träger) soll durch ein Anschreiben mit Terminvorschlag für einen Hausbesuch erfolgen. Unterbleibt eine Rückmeldung innerhalb von 5–10 Werktagen, so sind weitere Schritte einzuleiten.

  145. 145.

    Methodisch wird auf die Bedeutung von sozialpädagogischer Diagnostik und „psycho-sozialem Fallverstehen“ hingewiesen.

  146. 146.

    Darüber hinaus finden sich in der Unterlage weitere konkrete Verfahrensempfehlungen für unterschiedliche Altersgruppen: für 6–10-jährige (überschauen unmittelbaren Lebensraum und orientieren ihre Handlungen daran, besitzen „Identitätsbewusstsein“): Klärung der Frage „Was will ich?“, z. B. durch Vorstellung eines eigenen „Steckbriefs“ im Hilfeplangeschehen; für Kinder ab 10 (fähig zur Abstraktion, Erkennen und Bewerten von Strukturen, Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Interessen): Möglichkeit von „Einzelkontrakten“ mit dem Kind, Klärung der Fragen „Was will ich, was möchte ich erreichen, was erwarte/n ich/andere vom Jugendamt?“, z. B. durch einen „Interessenkuchen“; für Kinder ab 14 (Fähigkeit, Strukturen zu abstrahieren und in subjektiven/allgemeinen Kategorien zu denken): Festes Rederecht im Aushandlungsgeschehen (dieses soll gemeinsam mit dem Kind vorbereitet bzw. eingeübt werden).

  147. 147.

    Details zu den Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen sind (wie üblich) in einem Rahmenvertrag geregelt.

  148. 148.

    Mit der Schwerpunktsetzung auf präventive, sozialräumliche und niedrigschwellige Maßnahmen liegt die Steuerung inhaltlich allerdings auf Linie mit vielen anderen Settings.

  149. 149.

    Im Gegensatz zu in anderen regionalen Kontexten vorhandenen, mitunter relativ umfangreichen Diagnoseinstrumenten bleibt es auch im Hinblick auf die Konkretisierung der zu schützenden Rechtsgüter bei einem Verweis auf einen („extern“ erstellten) Katalog relevanter Anhaltspunkte.

  150. 150.

    Ähnlich formulieren es Olk et al. (2003: LVIII), wenn sie von einer „Überlagerung und gleichzeitigen Wirksamkeit unterschiedlicher Steuerungs-und Integrationsprinzipien“ im Bereich sozialer Dienste sprechen (wobei sie allerdings auf die Parallelität und Verwobenheit von hierarchischer Kontrolle, solidarischer Reziprozität und preisvermittelten Markttauschs abstellen).

  151. 151.

    Und mehr noch die Festschreibung einer (wenn auch eher symbolischen) Meldepflicht, wie sie vereinzelt lokal vorgesehen ist (s. o.).

  152. 152.

    Besonders deutlich wird dies in den Stadtstaaten – wohl auch deshalb, weil sich hier mediale und politische Prozesse unmittelbarer aufeinander beziehen.

  153. 153.

    Siehe dazu Abschn. 4.2.1 b.

  154. 154.

    Mit dem Gesetz verband sich allgemein der Anspruch, das „kinderfreundlichste“ Land im Bundesgebiet zu werden – auch durch ein Aktionsprogramm mit sektorenübergreifenden Maßnahmen (Schule, Kultur, Stadtplanung, Verkehr, Umwelt, Gesundheit, usw.). In diesem Bundesland wurden im Übrigen Kinderrechte bereits im Jahr 2000 verfassungsrechtlich verankert; die Landespolitik engagierte sich in der Folge (wenngleich erfolglos) auch für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz.

  155. 155.

    In den begleitenden Debatten auf der Steuerungsebene der Jugendhilfe gab es Tendenzen, eine semantische Verknüpfung zwischen den beiden unter 3.1 genannten Dimensionen einer „doppelten Dienstleistungsorientierung“ herzustellen, und zwar indem postuliert wurde, beide Formen folgten gemeinsamen Prinzipien wie „Partizipation“ oder „Transparenz“ (vgl. DST & AGJ 1999, BMFSFJ 2000).

  156. 156.

    In der Fachöffentlichkeit wird dementsprechend auch von „wirkungsorientierter Jugendhilfe“ gesprochen (Polutta 2011).

  157. 157.

    Wie in Abschn. 3.2 deutlich wurde, gibt es auf der lokalen Ebene häufiger die Tendenz, die ursprünglich für stationäre Maßnahmen vorgesehenen detaillierten Vorgaben auch auf den Bereich der ambulanten Hilfen auszudehnen. Im Hinblick auf die Vorgeschichte der Gesetzesnovelle ist erwähnenswert, dass an den Verhandlungen beteiligte Vertreter der freien Wohlfahrtspflege die Neuregelung billigten, um einer generellen Deckelung infolge der markant steigenden Kosten für stationäre Maßnahmen zu entgehen.

  158. 158.

    Verbunden mit der Maßgabe, die Vergütungen „nicht mehr wie bisher gemäß den entstandenen Kosten, sondern durch die zu erbringende Leistung“ (Messmer 2007: 21, mit Bezug auf die stationäre Jugendhilfe) zu berechnen – womit das wirtschaftliche Risiko stärker auf die Leistungserbringer verlagert wird.

  159. 159.

    So tendiert das Vergütungssystem des ambulanten Versorgungssektors dahin, (trotz einiger Gegensteuerungen) technische Einzelleistungen gegenüber der „sprechenden Medizin“ zu bevorzugen (Bandelow & Schade 2009); für Haus- und Kinderärzte bedeutet dies einen wachsenden ökonomischen Druck (während andere Arztgruppen prosperieren). Was Hebammen betrifft, so hat das bestehende Vergütungssystem u. a. Belastungen durch rasch steigende Haftpflichtprämien vernachlässigt.

  160. 160.

    In der sozialrechtlichen und -pädagogischen Fachwelt stieß das Gesetz nach seiner Einführung auf ein geteiltes Echo. Befürworter der Regelung sprachen von einer „deutliche[n] Akzentuierung […] des Kinderschutzes“ (Jordan 2006: 25) und sahen in dem Gesetz eine Reaktion auf eine zuvor „falsch verstandene Dienstleistungsorientierung“ in der Sozialpädagogik (vgl. Salgo 2007: 12 ff.). Einige betonten, § 8 a SGB VIII sei gerade nicht als „Meldeparagraph“, sondern im Kontext einer „Kultur der Aufmerksamkeit und Förderung“ (Jordan 2006: 36) und als Aufforderung zur „Kooperation“ zu verstehen (vgl. Meysen 2006: 65 f.). Für andere standen die Neureglungen im Verdacht, die Dienstleistungsorientierung der Jugendhilfe zu untergraben; befürchtet wurden zudem eine „Beschneidung der Autonomie freier Träger“ (Münder 2006: 51), ferner eine Störung der professionellen Vertrauensbeziehung (Hartwig & Hensen 2008: 62) oder gar eine „repressive Aufrüstung der Jugendhilfe und verstärkt sozialstaatliche Überwachungs- und Eingriffstendenzen“ (Widersprüche 2008: 4; vgl. Lutz 2010). Eine entsprechende Ambivalenz in der Einschätzung fanden wir auch in den Settings: Während von uns befragte Akteure teilweise äußerten, die Regelung habe „nichts Neues“ enthalten und lediglich gängige Abläufe abgebildet (vgl. Turba 2012), wurde sie von anderen durchaus als klare „Meldeverpflichtung“, verbunden mit Befürchtungen hinsichtlich einer Störung der Vertrauensbeziehung zu den Adressaten, verstanden (s. auch Kap. 4).

  161. 161.

    Das Beispiel führt vor Augen, dass Positionierungen von „Experten des Fachs“ bzw. der Praxis die Dynamik der Regulierungen im Kinderschutz durchaus beeinflussen können.

  162. 162.

    Der außerordentliche Aufwand bei der Organisation des Kontrollverfahrens steht dabei in einem markanten Gegensatz zum erwiesenermaßen spärlichen Ertrag, was die Entdeckung latenter Gefährdungen anbelangt (ebd.).

  163. 163.

    Bei unseren Terrainstudien z. B. besonders prominent in Setting 2.

  164. 164.

    In Setting 4 sind für diese Aufgabe Spezialinstanzen in Form der „Servicestelle Kinderschutz“ (auf Landesebene) und der „Koordinierenden Kinderschutzstellen“ (auf Kommunalebene) formal vorgesehen. Jenseits der Jugendämter wird vielerorts gezielt die Spezialisierung von „Multiplikatoren“ gefördert (z. B. durch den Ausbau von Kitas zu „Familienzentren“ in Setting 5 oder generell im Kontext von „Sozialraumorientierung“).

  165. 165.

    Man beachte in diesem Zusammenhang z. B. auch die herausragende Rolle des Gesundheitsamts in Setting 2.

  166. 166.

    Czerner (2012: 68) spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „okkulten Komplementärnorm“ (zum Strafrecht), noch dazu „an versteckter Stelle“ im Rechtskorpus.

  167. 167.

    Vgl. hier nur die besonders weit reichende gesetzliche Regelung in Setting 3, die „insbesondere Einrichtungen und Dienste der freien Jugendhilfe, Gesundheitsämter, Sozialämter, Schulen, Polizei- und Ordnungsbehörden, Agenturen für Arbeit, Krankenhäuser, Sozialpädiatrische Zentren, Beratungsstellen, Einrichtungen und Dienste zum Schutz gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, Familienbildungsstätten, Familiengerichte und Angehörige der Heilberufe und der Gesundheitsfachberufe sowie weitere geeignete Personen, Behörden und sonstige Organisationen“ zur Achtsamkeit im Arbeitsalltag und die Beteiligung an kinderschutzbezogenen Netzwerkaktivitäten verpflichtet.

  168. 168.

    Was unsere Feldstudien betrifft, so fiel diese Orientierung unterschiedlich stark aus. Besonders deutlich – mit konkreten organisatorischen Folgen – kam sie in Setting 1 zur Geltung.

  169. 169.

    Gerade vor dem Hintergrund von Vorwürfen gegen Sozialarbeiter und diesen attestierten Unzulänglichkeiten hinsichtlich ihrer Diagnose- und Handlungskompetenz entfaltet der Einbezug von Akteuren des Gesundheitswesens (als einen Bereich, der in der Öffentlichkeit eher mit evidenzbasierter „Wissenschaftlichkeit“ assoziiert wird) oder auch der Polizei (der aufgrund ihrer besonderen Machtstellung ein hohes Konfliktregelungspotenzial zugeschrieben wird) in diesem Zusammenhang einen besonderen Reiz.

  170. 170.

    Ein Interviewzitat in diesem Zusammenhang lautete: „Man brauchte nur noch Kinderschutz zu sagen und man kriegte alles“. Auf diesen Aspekt (der letztlich organisationale Kodierungen betrifft) wird in Abschn. 4.2.1 b näher eingegangen.

  171. 171.

    Aufgrund der (sehr speziellen) Eigenheiten des Falls geriet ferner das Prinzip der „milieunahen Unterbringung“ in die Kritik, was in Zeiten der „Sozialraumorientierung“ (s. o.) eine komplexe Gemengelage auslöste.

  172. 172.

    Aus dem gleichen Grund erfolgte eine Anhebung der tariflichen Gehälter für ASD-Mitarbeiter.

  173. 173.

    Vgl. Demszky & Voß (2010) oder Hasenfeld (2010). Kollektivorientierung bedeutet, dass alle Operationen der entsprechenden Berufsgruppen primär an gesellschaftlich konsentierten Zwecken ausgerichtet sind und nicht an eigenen wirtschaftlichen Interessen.

  174. 174.

    So ist das Krankenhaus ebenso eine gesellschaftliche Instanz mit institutionellem Charakter wie die Universität oder das Jugendamt.

  175. 175.

    Eine typische Eigenschaft von zeitgenössischen Wohlfahrtsverbänden und dienstleistungsproduzierenden Nonprofit-Organisationen ist es, dass sie – zumindest ihrem eigenen Anspruch nach – in verschiedenen Organisationsfeldern operieren bzw. mehrere Aufgaben gleichzeitig erbringen. Tatsächlich reklamieren die deutschen Wohlfahrtsverbände für sich, sowohl materielle (sozialwirtschaftliche) Leistungen zu erbringen als auch stellvertretend für unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen eine „Bewegungsrolle“ in der politischen Öffentlichkeit zu übernehmen – was allerdings häufig Zerreißproben provoziert (vgl. Bode 2003b).

  176. 176.

    Was bedeutet: Sie bilden (auch) in der Gegenwartsgesellschaft eine Erwartungsfolie, an denen Operationen durch die Öffentlichkeit und auch innerhalb von Organisationen letztlich gemessen werden.

  177. 177.

    Genau dieses Ineinandergreifen verschiedener Institutionen in einem organisierten Handlungszusammenhang wird mit dem Konzept der institutionellen Logiken stark gemacht (vgl. Thornton et al. 2012 sowie Abschn. 2.1).

  178. 178.

    Bei sozialen Interventionen wird häufig unterschieden zwischen Outputs (die Ausweis geleisteter Tätigkeiten, etwa Beratungsstunden, Behandlungen, Vermittlungsangebote etc. sind) und langfristigen, mit einer veränderten sozialen Lebenslage (selbstorganisiertes Leben, Gesundung, langfristig eigenständige Existenzsicherung etc.) verbundenen Outcomes als Gesamtwirkung einer Intervention. Zur Destabilisierung von Outcomes durch die Kosteneffizienzorientierung der Neuen Steuerung bzw. des New Public Management vgl. für viele Klatetzki (1996).

  179. 179.

    Zu dieser Diagnose und ihren Grundlagen vgl. Heintz (2006) und Miliopoulos (2011) sowie die Ausführungen (zu den Grundlagen zeitgenössischer Wohlfahrtsstaatlichkeit) im zweiten Kapitel.

  180. 180.

    Zur neuen Debatte um „social citizenship“ vgl. die Beiträge in Evers & Guillemard (2012).

  181. 181.

    Also ein über Funktionsgrenzen der Erwerbswirtschaft hinausgehendes, zumindest symbolisches soziales (und ökologisches) Engagement (vgl. Backhaus-Maul et al. 2009; Hanlon 2011).

  182. 182.

    In Gegenwartsdiagnosen wird für dieses Phänomen der Begriff der Ökonomisierung verwendet (vgl. Krönig 2007, Hardering 2011, Labitzke 2012 sowie Bode 2013b).

  183. 183.

    Empirisch lassen sich solche Tendenzen v. a. an Einstellungen von Eliten und gehobenen Mittelschichten ablesen, aber auch an Parteiprogrammen politischer Formationen, die von diesen Gruppen dominiert werden. Deren starker Einfluss auf die (ver)öffentlich(t)e Meinung trägt dann dazu bei, dass die entsprechenden Haltungen von anderen Bevölkerungsgruppen als unumgehbare Sachzwänge interpretiert und mehrheitsfähig werden.

  184. 184.

    wie vor geraumer Zeit einschlägig in der Formel der Risikogesellschaft beschrieben (Beck 1984).

  185. 185.

    Was sich auch auf den Bereich der sozialen Dienste auswirkt (vgl. Merchel 2009).

  186. 186.

    Vgl. dazu Behrend (2008) und Lemke (2007) sowie die Ausführungen im zweiten Kapitel.

  187. 187.

    Zu den Hintergründen dieser Eigensinnigkeit bzw. Selbstständigkeit von Einrichtungen auch in hochgradig regulierten Organisationsfeldern vgl. die Ausführungen in Bode (2013a: 39 ff.).

  188. 188.

    Sowie teilweise auch durch individuelles Interaktionshandeln (von intervenierenden Professionen) im privaten Lebensraum.

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Bode, I., Turba, H. (2014). Die sozialpolitische Bearbeitung von Kindeswohlgefährdung: ein komplexes Regelwerk im Wandel. In: Organisierter Kinderschutz in Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03354-5_3

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