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Positionen im Diskurs

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Zwischen den Stühlen

Part of the book series: Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit ((SRF,volume 11))

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Zusammenfassung

Im Folgenden geht es um den Versuch einer Systematisierung des gegenwärtigen Diskurses zur mobilen bzw. aufsuchenden Jugendarbeit im deutschsprachigen Raum. Durch die Darstellung verschiedener Positionen und ihrer wesentlichen thematischen und theoretischen Bezüge soll sich ein einigermassen vollständiges Bild der aktuellen Diskussion über die mobile bzw. aufsuchende Jugendarbeit ergeben.

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Notes

  1. 1.

    Dieser Umstand verweist nicht exklusiv auf ein spezifisches Problem der aufsuchenden bzw. mobilen Jugendarbeit, sondern auf eine Spezifik des gesamten Feldes der sozialpädagogischen Arbeit in der ausserschulischen Kinder- und Jugendarbeit. Thole und Küster-Schapfl (1998, S. 221) bringen diese Problem-Spezifik treffend auf den Punkt: „Im Gegensatz zu anderen, klassischen Professionen können – und müssen – sie [die Fachkräfte der Jugendarbeit; S.H.] das >>Praktisch-Werden<< ihrer berufsorientierten Kompetenzen über nur schwach normierte oder ritualisierte Schablonen abstützen, weil keine berufsspezifische Professionalisierungstypik vorliegt, die erstens die beruflichen Integrationsprozesse steuert, zweitens in der beruflichen Praxis eine strukturell verankerte, habituelle Sicherheit bereitstellt und darüber drittens wissenschaftliches Wissen berufsorientiert kodifiziert.“

  2. 2.

    Die Beiträge und Projektevaluationen in dem hier angesprochenen Sammelband beziehen sich explizit auf Projekte der mobilen Jugendarbeit.

  3. 3.

    Deinet (2009c, S. 155) verweist in diesem Zusammenhang allerdings auch auf die begrenzten Möglichkeiten des Ansatzes. „Die nachhaltige Veränderung des öffentlichen Raums, d. h. die Revitalisierung und Nutzbarmachung für Kinder und Jugendliche kann mit den von uns untersuchten Projekten noch nicht erreicht werden.“

  4. 4.

    Die Chicagoer Schule hat in den 1920er-Jahren drei grundsätzliche Formen der Segregation unterschieden. Dazu zählen die Segregation als funktionale Differenzierung der Stadt (die wichtigsten Funktionen der Stadt finden sich in der Innenstadt), Segregation als sozialstrukturelle Differenzierung (die Wohnortwahl ist abhängig von den verfügbaren ökonomischen Ressourcen) und die Segregation als soziokulturelle Differenzierung (die Wohnortwahl ist abhängig von der Milieuzugehörigkeit) (vgl. Baum 2007, S. 143).

  5. 5.

    Bis dahin waren die Stadtstrukturen geprägt durch die Formen der fordistischen Arbeitsorganisation. „Der sozialen, kulturellen und zeitlichen Trennung von Arbeits- und Lebenswelt in der industriellen Stadt entsprach eine Trennung der Funktionen des Arbeitens, Wohnens und Lebens in der Stadt“ (Frey 2009, S. 67). In der Dienstleistungsstadt hingegen verändern und flexibilisieren sich räumlich-zeitliche Strukturen. So konzentriert sich die Dienstleistungsarbeit zwar städtisch-lokal, ist aber gleichzeitig global vernetzt. Auch können mit der Erbringung von Dienstleistungen verbundene Arbeiten vermehrt an privaten Orten geleistet werden. Ferner entstehen jenseits der industriegesellschaftlichen Institutionen neuartige Formen der Vergemeinschaftung, die ebenfalls gleichzeitig lokal und global sein können (vgl. ebd., S. 67).

  6. 6.

    Über die Tatsache einer zunehmenden Spaltung der Stadt herrscht gemeinhin grosse Einigkeit. Diskussionen gibt es bezüglich der Frage des Ausmasses dieser Spaltung. So kritisieren beispielsweise Hennig und Reiff (vgl. 2003, S. 608 ff.), dass vorschnell Konzepte aus den USA übernommen werden, um Spaltungsprozesse in Deutschland und Europa zu erfassen. Sie kritisieren in diesem Zusammenhang die gelegentliche Übernahme des Dual-City-Ansatzes. Die Dual-City beschreibt eine äusserst stark segregierte Stadt mit nahezu ausschliesslich privat geordneten Sozialräumen und einer starken Polarisierung zwischen Slums und Zonen des Reichtums. Sie plädieren demgegenüber für die Rede von der fragmentierten Stadt (vgl. ebd., S. 608) im Sinne der hier dargestellten Spaltungstendenzen.

  7. 7.

    Häufig ist in diesem Zusammenhang auch von sozialen Brennpunkten die Rede, zumindest dann, wenn die Entwicklung in den benachteiligten Wohnquartieren in eine ‚Abwärtsspirale‘ einmündet. Eine solche Entwicklung wird von Siebel (2007b, S. 131) wie folgt beschrieben. „Wenn aus einem Stadtteil die besser gestellten Haushalte fortziehen, verringert sich die Kaufkraft im Gebiet, private und teilweise auch öffentliche Anbieter von Gütern und Dienstleistungen dünnen darauf hin ihr Angebot aus oder schliessen, das Image des Gebiets wird schlechter, die Banken werden zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten, was Hauseigentümer veranlasst, nicht mehr in ihre Immobilien zu investieren, weitere Haushalte, die sich Mobilität leisten können, ziehen fort bis am Ende nur noch jene, die keine Alternative auf dem Wohnungsmarkt haben, in einem auch äusserlich heruntergekommenen Gebiet wohnen. Ein sozialer Brennpunkt ist entstanden.“

  8. 8.

    Wenn es um die zunehmende Exklusivität öffentlicher Räume geht, weisen verschiedene AutorInnen zu Recht darauf hin, dass entsprechende Prozesse des Exklusiv-Machens historisch zu relativieren sind, da der öffentliche Raum stets exklusiv war. So spielen bei der Debatte um Wandlungsprozesse des öffentlichen Raums häufig (idealisierte) Vorstellungen von Zugangs- und Partizipationsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle, die es kritisch zu hinterfragen gilt. Siebel (vgl. 2007a, S. 85) macht beispielsweise darauf Aufmerksam, dass die These von einem öffentlichen Raum, der für jedermann und zu jeder Zeit zugänglich ist, einen utopischen Charakter hat und zu keinem Zeitpunkt ein reales Entsprechungsverhältnis hatte. Und mit Simon (2007a, S. 159) kann man ergänzen: „Städtebau richtete sich zu keinem Zeitpunkt an den Bedürfnissen aller aus – und schon gar nicht an den physischen, sozialen und politischen Bedarfslagen der ärmeren Bevölkerungsteile.“ Der öffentliche Raum, die Teilhabe an ihm, seine Gestaltung etc. waren also stets eine tendenziell elitäre Angelegenheit. So wichtig Einlassungen und Relativierungen dieser Art sind, so wenig sollte man die gegenwärtigen sozialräumlichen Polarisierungs- und Marginalisierungstendenzen mit einem Hinweis auf eine historische Kontinuität abtun. Dies würde den Blick auf den massiven Verlust von demokratischen und sozialen Funktionen sowie des Integrationspotentials der öffentlichen Räume verstellen (vgl. auch ebd., S. 172).

  9. 9.

    Zu Recht macht beispielsweise Hornstein (vgl. 1999, S. 319 f.) darauf aufmerksam, dass mit dieser Kernthematik der Jugendforschung (Strukturwandel der Jugend) eine gewisse thematische Engführung verbunden ist, da stets Fragen des Einflusses gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse auf die Gestalt der Jugendphase im Vordergrund stehen. Dies geschieht zu Lasten der Frage, was Jugend für die Gesellschaft bedeutet. „Es ist notwendig, beide Aspekte zu bedenken: Die Frage, was bedeutet Gesellschaft für die Jugend, aber auch die Frage, was bedeutet Jugend für die Gesellschaft? Diese Frage muss stärker in den Gesichtskreis gerückt werden als bisher“ (ebd., S. 323).

  10. 10.

    Dies reflektiert auch die veränderte Nachfrage durch die Jugendlichen. Jugendarbeit wird heute anders, pragmatischer von den Jugendlichen angeeignet. Sie kann, so sehen es die VertreterInnen dieses Ansatzes, nicht mehr primär als priviligierter Ort für die Durchsetzung von (emanzipatorischen) Interessen angesehen werden, vielmehr ist sie eine mögliche Form der Freizeitgestaltung neben vielen anderen. Viele Probleme, für die die Jugendlichen Lösungen bei der Jugendarbeit suchten (z. B. mangelnde eigenverfügbare Unterhaltungsmöglichkeiten, Einengung durch die Eltern etc.), sind heute keine Probleme ersten Ranges mehr (vgl. Böhnisch/Münchmeier 1999, S. 17). Jugendarbeit wird vermehrt danach bewertet, inwieweit es ihr gelingt, einen Wert für die individuelle Lebensbewältigung zu entfalten. Dieser Fokus auf die Lebensbewältigung soll allerdings nicht die komplexe Bildungsfunktion der Jugendarbeit in Abrede stellen, da die Jugendlichen beides gleichermassen nachfragen. „Die Jugendlichen wollen ja nicht nur sozialarbeiterische Hilfen zur Jugendarbeitslosigkeit, sie wollen genauso Räume der Gleichaltrigen-Geselligkeit ermöglicht haben. Und die Jugendlichen wollen auf der anderen Seite nicht nur Bildungsmassnahmen haben, sondern sie fragen auch nach dem Gebrauchswert für die Lebensbewältigung“ (ebd., S. 32).

  11. 11.

    Das bedeutet nun gerade nicht, dass die emanzipatorischen Prämissen keine Rolle mehr für die Jugendarbeit spielen würden oder sollten, das Gegenteil ist der Fall (vgl. Thole 2000, S. 234). Die Ziele (z. B. Selbstbestimmung, Freiwilligkeit etc.) sind aktueller denn je. Gemeint ist vielmehr, dass man trotz dieser Aktualität nicht bruchlos an damalige emanzipatorische Ansätze anknüpfen kann (vgl. Müller 1998, S. 45).

  12. 12.

    Allerdings wird der materialistische Aneignungsbegriff in der Jugendarbeits-Debatte nicht systematisch rückbezogen auf seine gesellschaftstheoretischen Grundlagen und Implikationen (vgl. Scherr 2004, S. 161). Eine stärker gesellschaftstheoretisch orientierte Auseinandersetzung findet sich etwa bei Braun (2004, S. 19 ff.).

  13. 13.

    Kritisch anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings die etwas diffuse theoretische Konstruktion des entsprechenden Aneignungskonzepts. So findet sich bei Deinet (vgl. z. B. 2010) eine Ineinssetzung von Spacing, Synthese und Aneignung. Faktisch setzt er damit das, was Löw als Prozesse der Raumkonstitution bezeichnet (Spacing und Synthese), gleich mit Aneignungsprozessen. Damit lässt sich allerdings die, ja nicht nur analytisch relevante, Differenz zwischen Raumkonstitution und -aneignung nicht mehr erfassen.

  14. 14.

    Gleichzeitig zeigt sie allerdings auf, dass Kinder und vor allem Jugendliche sich längst nicht immer auf das funktional Geplante einschränken lassen. Im Gegenteil versuchen sie mit zunehmendem Alter Spezialisierungen der Räume kreativ durch eigensinnige, den eigentlichen Funktionen der Räume zuwiderlaufende Umnutzungen zu durchbrechen (vgl. Zeiher 1983, S. 185 ff.).

  15. 15.

    Dies war noch die zentrale Annahme des so genannten Zonenmodells von Baacke (vgl. 1980, S. 499). Nach diesem Modell gliedern sich die Erfahrungs- und Handlungszusammenhänge nach expandierenden Zonen (vom ökologischen Zentrum – der unmittelbaren, familiären Umwelt – hin zur ökologischen Perepherie – gelegentlich aufgesuchte, räumlich ferner gelegene Räume), die sich Kinder und Jugendliche mit der Zeit mehr oder weniger vollständig erschliessen. „Die Lebenswelt eines Jugendlichen erschliesst sich im Längsschnitt seiner Biographie und im Querschnitt der verschiedenen ökologischen Zonen und Bereiche“ (ebd., S. 499 f.; Hervorhebung im Original).

  16. 16.

    May (vgl. 2002, S. 5 ff.) unterscheidet im Zusammenhang mit den Funktionen zwischen einem eher raum- und einem eher zeitstrukturierten Heranwachsen. Die Gründe für ein eher raumstrukturiertes Aufwachsen erkennt er beispielsweise in etwaigen Problemen zu Hause, der Schule, in der Wohnraumknappheit etc. Solche Jugendliche seien sehr viel stärker auf selbstbestimmt nutzbare Räume angewiesen, um ihre Bedürfnisse adäquat verwirklichen zu können. Die eher zeitstrukturiert Heranwachsenden hingegen würden sich vermehrt auf funktionsspezifischen Inseln aufhalten und hätten eine sehr viel stärker pädagogisch reglementierte Freizeit. Als Voraussetzung für diese Struktur benennt er eine relativ priviligierte Situation der Familie. Damit identifiziert May einen sozioökonomischen Bias – für Jugendliche mit Problemen der Lebensführung, die aus weniger gut situierten Familien stammen, sind sozialräumliche Aneignungsprozesse zentraler als für jene aus gut situierten Familien. Auch Zinnecker (1979) argumentiert ähnlich. So sei der längere Aufenthalt im öffentlichen Raum vor allem für jene Jugendlichen interessant, „[…] die sich bei der Bewältigung der altersspezifischen gesellschaftlichen Aufgaben schwertun […]“ (ebd., S. 735). Gleichwohl kann man davon ausgehen, dass im Zuge des Wegbrechens verschiedener und zentraler Prämissen der institutionell orientierten Integrationsperspektive der (öffentliche) Raum für Jugendliche insgesamt an Relevanz gewonnen hat. Dass dieser Relevanzgewinn nicht die geschlechts- und milieuspezifischen Unterschiede zu nivellieren vermag, ist augenfällig.

  17. 17.

    Der Hinweis auf einen fehlenden ‚Backstage-Raum‘ bzw. auf die von den Jugendlichen zum Ausdruck gebrachte Alternativlosigkeit zum öffentlichen Raum findet sich in einer Vielzahl empirischer Studien (vgl. etwa Matthews 2000 & 2003; vgl. Lieberg 1995; vgl. Hafeneger et al. 2009).

  18. 18.

    Das Generationenverhältnis im öffentlichen Raum wird von der neueren (und älteren) Empirie der Aneignung nur gelegentlich problematisiert, interessanterweise aber in Untersuchungen aus der Schweiz. In den Publikationen zum Forschungsprojekt „Nutzungsmanagement im öffentlichen Raum“ wird herausgestellt, dass der öffentliche Raum vor allem von Jugendlichen ausgiebig genutzt wird und dabei die Kommunikations- und Inszenierungsfunktion im Vordergrund steht. Ein intergenerationaler Austausch, gleich welcher Art, wurde von den Forscherinnen allerdings nicht beobachtet. Gegenseitige Zuschreibungen erfolgen jeweils aus der (sicheren) Distanz. (vgl. Emmenegger/Litscher 2009, S. 13; vgl. Litscher 2009, S. 9). Daran anschlussfähig sind die Ergebnisse von Muri (vgl. 2008, S. 177 f.). Sie untersuchte die Aneignungsprozesse Jugendlicher in einem Neubaugebiet in Neu-Oerlikon und interessierte sich u. a. für die intergenerationale Dimension dieser Prozesse. Sie fand heraus, dass die intergenerationale Wahrnehmung stark von Vorurteilen und Distanz geprägt ist und entsprechend vor allem auf nonverbalen Ausdrucksformen beruht. Nutzungskonflikte werden also nicht direkt zwischen den Beteiligten ausgehandelt. Vielmehr setzen die Erwachsenen „[…] Ordnungshüter ein, die ihre Vorstellungen einer urbanen Lebenskultur im Alltag durchsetzen […]“ (ebd., S. 177).

  19. 19.

    Damit gehen sukzessive auch zentrale Voraussetzungen für die nicht kriminalisierte, kreative und eigensinnige Umnutzung öffentlicher Räume durch Jugendliche verlustig. Die Forschergruppe um von Seggern (vgl. von Seggern/Heinzelmann 2005 & Studio Urbane Landschaften 2009) hat im Rahmen von verschiedenen räumlichen Experimenten versucht, Revitalisierungsprozesse des öffentlichen Raums anzustossen. Über den Umweg des Experiments sollten die ausgesuchten, anregungsarmen Räume (z. B. der Raschplatz und eine zentrale U-Bahnstation in Hannover) in ihrer Qualität als möglicher Gegenstand aktiver Aneignung verdeutlicht werden. Die Experimente, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll (vgl. von Seggern/Heinzelmann 2005, S. 176 ff.; vgl. Studio Urbane Landschaften 2009, S. 168 ff.), konnten tatsächlich die Aufenthalts- und Aneignungsqualität der ausgewählten Orte erhöhen. Gerade, aber nicht nur für die Jugendlichen. Auch gestalterische Anregungen können aus den Experimenten erschlossen werden. Nur ist ein Experiment eben das was es ist, ein zeitlich und räumlich beschränkter Ausnahmefall mit unbestimmten (Nach-)Wirkungen. Deshalb fordern von Seggern und Heinzelmann (vgl. 2005, S. 187), aus der Sicht des Verfassers zu Recht, auch die langfristige Umgestaltung zentraler städtischer Räume in Hinsicht auf eine Steigerung ihrer Aneignungsqualitäten. Gerade, aber nicht nur für Jugendliche. Diese Perspektive kann aber nicht als Konsens vorausgesetzt werden. So plädiert beispielsweise Frey (vgl. 2004, S. 229) dafür, Aneignungsbarrieren zu umgehen und sich nicht auf den Kampf um Aneignungsrechte einzulassen. Vielmehr bräuchte es flexible Nutzungskonzepte für den öffentlichen Raum und ein eventorientiertes, temporäres Rückerobern öffentlicher Räume. Eine solche Position ist allerdings fachlich, vor dem Hintergrund der vorhergehenden Ausführungen, nicht haltbar, da sie grundlegend die Funktionen und Bedeutungen des öffentlichen Raums für Jugendliche verkennt.

  20. 20.

    Auch die, z. T. bis in die Gegenwart vorzufindende, strikte Problemfixierung der Jugendforschung hat ihren Anteil an diesem Umstand, indem sie u. a. die Festschreibung einer binären Logik begünstigte. „Youth research endorsed the great moral divide between sheep and goats, between the rspectable young citizens who join youth clubs, and the ‚rougher elements‘ who do not […]” (Cohen 1997, S. 194).

  21. 21.

    Auch wenn die Methoden für unsere Zwecke keine weitere Bedeutung haben, soll doch exemplarisch eine dieser Methoden zur Konkretisierung kurz vorgestellt werden (vgl. Krisch 2009a, S. 88 ff. & 2009b, S. 164 f.). Bei der Stadtteilbegehung mit Jugendlichen gehen die Fachkräfte mit einer Gruppe Jugendlicher gemeinsam durch ihren Stadtteil, und zwar auf den Routen und Wegen, die die Jugendlichen vorgeben. Ziel ist es, die lebensweltliche Perspektive der Jugendlichen auf die für sie relevanten Orte, Plätze etc. zu erheben. Zu Dokumentationszwecken wird dabei fotografiert, Memos werden geschrieben etc. Auf diese Weise lassen sich die (fehlenden) Qualitäten des Stadtteils aus Sicht der Jugendlichen darstellen. „Nachdem die Begehungen mit mehreren Gruppen durchgeführt wurden, können die begangenen Wege und Orte auf einem Stadt(teil)plan eingetragen werden, wodurch ein komplexes Bild von Streifräumen, ‚Knotenpunkten‘, Konfliktfeldern oder aber gemiedenen Orten im Stadtteil entsteht (vgl. ebd. 2009a, S. 88).

  22. 22.

    Die Kritik an der Einzelfallfinanzierung formuliert Hinte (2006, S. 15), einer der zentralen Verfechter der Sozialraumorientierung, wie folgt: „Im Rahmen der Einzelfallfinanzierung wird in der Jugendhilfe derzeit genau das bezahlt, was verhindert werden soll: Fälle. Träger benötigen Fälle, um zu überleben, und sie werden sie sich beschaffen.“ Aus dieser Perpsektive geht es den Trägern um einen konstanten Nachschub an Fällen um (fast) jeden Preis. Freilich setzt eine solche Perspektive ein gerüttelt Mass an Zynismus voraus, wie Ziegler (2010, S. 57) treffend feststellt. „Dass Anbieter sozialpädagogischer Leistungen in einem solchen Masse zynisch wären, dass sie Menschen absichtlich ‚kaputt‘ gehen lassen, damit sie zu Fällen werden und dass sie Fälle, die fachlich keine Unterstützung mehr brauchen, weiterhin klientifizieren um Gewinne zu machen, ist eine gewagte These.“

  23. 23.

    In diesem Zusammenhang werden die sogenannten Sozialraumbudgets relevant, da diese ein wesentlicher Teil der verwaltungsbezogenen Reorganisation sind. Sozialraumbudgets sollen präventive Arbeitsansätze belohnen und die Arbeit wirtschaftlicher und effektiver machen, indem das Budget nicht mehr fallspezifisch, sondern an die Bedarfe des Stadtteils gebunden wird. „Der Sozialen Arbeit gestatte dies erstens eine kostengünstigere Bearbeitung der Einzelfälle durch die freien Träger und zweitens könne aufgrund der höheren Flexibilität sowohl stärker präventiv als auch effektiver agiert werden (Kessl 2006b, S. 43). Die KritikerInnen erkennen in den Sozialraumbudgets allerdings vor allem Instrumente zur Senkung der Kosten, die den Kommunen angesichts derer angespannten Haushaltslage sehr gelegen kommen (vgl. Dahme/Wohlfahrt 2011, S. 210). Zudem kritisieren sie den Ansatz der Sozialraumbudgets in konzeptioneller Hinsicht. „Das Kernstück der Sozialraumbudgets, also die fallunspezifische Arbeit, leidet aber daran, dass der Begriff recht unscharf ist und es dadurch die gemeinte Sache auch wird. Das sozialraumorientierte Arbeiten scheint damit ein Feld zu sein, indem viel, wenn nicht alles möglich ist“ (ebd. 2011, S. 210).

  24. 24.

    Kritik wird in der hier verhandelten Debatte allerdings sehr eigenwillig verarbeitet. So ist beispielsweise Hinte (vgl. 2006, S. 17 f.) der Ansicht, dass die vorgebrachte Kritik völlig irrelevant, weil vor allem selbstreferenziell und von Praxisabstinenz geprägt sei. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Kritik findet hingegen nicht statt und steht weiterhin aus.

  25. 25.

    Der Wert dieses Konzepts für die mobile und sozialräumliche Jugendarbeit besteht aus Sicht des Verfassers darin, dass es die zentralen Prämissen einer raumorientierten Arbeit auf den Punkt bringt und theoretisch ausformuliert. Eine entsprechende Haltung ermöglicht es den Fachkräften, sich der bestehenden sozialräumlichen Grenzziehungen reflexiv zu vergewissern und sich fachlich und strategisch sinnvoll gegenüber Aneignungsbarrieren, -grenzen etc. zu positionieren. Gleichwohl bleibt das Konzept relativ vage, gerade wenn es um die häufige Frage nach dem Wie der Umsetzung geht. Freilich weisen Kessl und Reutlinger darauf hin, dass es bei der Sozialraumarbeit nicht um eine ‚neue‘ Sozialraumorientierung geht (vgl. ebd. 2007a, S. 122), sondern dass es sich vielmehr um einen Reflexionsrahmen handelt (vgl. Kessl/Reutlinger 2007b, S. 57). Dennoch erwecken sie, gerade durch die Einführung eines neuen Begriffes, den Eindruck, dass es sich doch um ein Handlungskonzept handelt.

  26. 26.

    Das entsprechende Hilfeverständnis kann als ein objektivistisches verstanden werden (vgl. Peters 2002b, S. 213; vgl. Liebel 1978, S. 24). Dieses Hilfeverständnis setzt die prinzipielle Überlegenheit des Pädagogen bzw. der Pädagogin voraus, der bzw. die also immer schon besser als die Jugendlichen selbst weiss, was gut und richtig für sie ist. Die „[…] pädagogische Praxis schrumpft auf eine methodisch-didaktische Problemstellung zusammen, wie ich die Jugendlichen dazu veranlassen kann, ein von mir im voraus gewusstes Interesse auch zu begreifen“ (Liebel 1978, S. 24; Hervorhebung im Original). Das Ergebnis bezeichnet Liebel (1978, S. 24; Hervorhebung im Original) dann treffend als „doktrinäre Trichterpädagogik“.

  27. 27.

    Darüber herrscht grundsätzlich grosse Einigkeit. Inwieweit Soziale Arbeit allerdings Hilfe und Kontrolle gleichzeitig sein kann, ist umstritten. So geht Müller (2001, S. 35) davon aus, dass Hilfe und Kontrolle in einem Handlungsvollzug möglich sind. „So kann beispielsweise eine einzelne Handlungssequenz sozialarbeiterischer Alltagspraxis auf der interaktiven Ebene als konkrete Hilfe […] erfasst werden, während sie sich gleichzeitig auf der strukturellen Ebene als sozialisatorische Kontrolle (Herstellung kapitalkonformer Verkehrsformen) darstellen lässt“. Peters (vgl. 2002a, S. 140 ff.) hingegen schliesst das kategorisch aus. Hilfe und Kontrolle sind für ihn unterschiedlichen Massnahmetypen zugehörig, „Hilfe und Kontrolle sind also verschiedene Dinge“ (ebd., S. 142).

  28. 28.

    Eine solche, unmittelbare Vertretung verkennt den Interpretations- und Reflexionsbedarf der (rasch wechselnden) Äusserungsformen Jugendlicher. „Bedürfnisse und Interessen sind nicht mit dem identisch, was uns als ihr Ausdruck entgegentritt“ (Liebel 1978, S. 23). Damit ist der Anspruch der unmittelbaren Vertretung nur oberflächlich bedürfnisorientiert (vgl. Bimschas/Schröder 2004, S. 71 f.). Im Ergebnis „[…] kann nichts anderes als eine sprunghafte, orientierungslose Gefälligkeits- oder Dienstleistungspädagogik herauskommen, und die Jugendlichen mögen sich fragen, warum ich eigentlich da bin und wofür ich bezahlt werde“ (Liebel 1978, S. 23; Hervorhebung im Original).

  29. 29.

    Lindner (2008) erkennt in niedrigschwelligen Ansätzen systematische Versuche der Tarnung und Täuschung. Aus systemtheoretischer Perspektive dienten sie vor allem der Kopplung jener KlientInnen an das Funktionssystem Soziale Arbeit, die eine Kopplung eigentlich ablehnen. Die Kopplung gelänge nur, weil sie die AdressatInnen täuscht. Niedrigschwellige Angebote täten so, als seien sie nicht Soziale Arbeit (prinzipielle Akzeptanz, fehlende Veränderungsperspektive etc.) und präsentierten ihre Arbeit entsprechend, sodass die AdressatInnen zur Kopplung angeregt würden (vgl. ebd., S. 583 f.). Aus dieser Perspektive sind niedrigschwellige Ansätze dann nur so etwas wie die ‚Klebefallen‘ der Sozialen Arbeit bzw. ‚Beschaffungsagenturen‘ für Fälle. „Diese Kopplungen verfolgen das Ziel, die Klientensysteme […] bereitzuhalten, quasi ‚in Reserve‘ zu halten und sie derart und währenddessen (gegebenenfalls) darauf vorzubereiten, dass im Bezug auf sie nicht-niederschwellige Sozialarbeit prozessiert werden kann“ (ebd., S. 585).

  30. 30.

    Die Beziehungsarbeit mit den Jugendlichen ist ein zentrales, gleichwohl vernachlässigtes Thema. Von den einen mit dem Verdacht der Wissenschaftsferne belegt, von den anderen angesichts vermeintlich wichtigerer Themen innerhalb der Jugendarbeit marginalisiert (vgl. Bimschas/Schröder 2004, S. 61 f.), fristet das Thema Beziehungsarbeit eher ein Randdasein innerhalb der Debatte. „In der Professionalisierungsdiskussion zur Jugendarbeit ist die Dimension des Pädagogischen als erlebte Beziehung oft übergangen […]“ (Böhnisch 1998, S. 65) oder eben ausgegerenzt worden. Böhnisch (ebd., S. 69) bezieht sich vor diesem Hintergrund auf Nohl und proklamiert „[…] die Notwendigkeit der ‚Wiedergewinnung des Pädagogischen Bezugs‘ […]“. Bimschas und Schröder (vgl. 2004) plädieren für eine verstärkte theoretische und empirische Aufmerksamkeit gegenüber der Ausgestaltung von Beziehungen im Feld der Jugendarbeit. Dabei sind sie allerdings skeptisch gegenüber dem Konzept des pädagogischen Bezugs, da dieses letztlich die mit der Adoleszenz verbundenen Ambivalenzen und Konflikte zu stark nivellieren würde. „Der charismatische Erzieher, wie er ihm [Nohl; S.H.] vorschwebte, kennt sich im Idealfall so gut aus und kann die Spannungen so gut ausgleichen, dass er diese in seiner Praxis – ohne grössere Zweifel und Irritationen zu erleiden – auflöst. Aus unserer heutigen Sicht müssen die Konflikte und Ambivalenzen jedoch ein zentraler Gegenstand der Theorie zur pädagogischen Beziehung – und damit zum Verständnis von Bildungsprozessen – sein“ (ebd., S. 63).

  31. 31.

    Man kann sagen, dass der Vorwurf der zu grossen Institutionendistanz den niedrigschwelligen Ansätzen hier stellvertretend gemacht wird. Wir haben gesehen, dass es die Pädagogik des Jugendraums ist, die nun gerade den Raum zwischen den Institutionen fokussiert und damit eine gewisse Skepsis gegenüber den Institutionen konzeptionell festschreibt. Eine entsprechende Institutionendistanz wird dann bei den niedrigschwelligen Ansätzen nur besonders deutlich.

  32. 32.

    Der städtische Sicherheitsdiskurs, der die rasante Ausweitung von Massnahmen zur Aufrechterhaltung und/oder (Wieder-)Herstellung von Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit (SOS-Dienste) vorantreibt, speisst sich dabei aus verschiedenen Quellen (vgl. zum Folgenden Henning 2003, S. 615; vgl. Schreiber 2011, S. 30 ff.). Zum einen aus einer allgemeinen und diffusen Verunsicherung der Menschen, resultierend aus gesellschaftlichen Transformationsprozessen und den diese begleitenden Freisetzungs-, Individualisierungs- und Pluralisierungsprozessen. Diese diffusen Ängste werden auf konkretere, fassbarere Phänomene übertragen, wie etwa Kriminalität. Politische Akteure und Medien greifen diese Ängste dann auf und verhandeln sie, nicht selten in äusserst populistischer Manier (Law & Order-Kampagnen), als Probleme der öffentlichen Sicherheit und schüren Ängste damit weiter. „Der Kontrollverlust über die eigenen Lebensumstände wird verschoben und als wachsende Unsicherheit auf die Ebene von safety interpretiert. Alles Ungewohnte und Fremde wird dann als Bedrohung der eigenen Person oder der Umwelt erlebt, aus Unsicherheitsgefühlen werden Ängste vor Kriminalität“ (Häussermann 2003, S. 643; Fehler im Original). Die damit verbundene, höchst problematische Entwicklung, bringt Häussermann (ebd., S. 646) treffend auf den Punkt: „Wenn es stimmt, dass […] mit dem Versprechen äusserer Sicherheit eigentlich auf die soziale Verunsicherung geantwortet wird – die Therapeuten und die Betroffenen gleichsam beständig aneinander vorbei reden – ,dann haben wir es mit einer Spirale der Angst zu tun, bei der auf jeder neuen Ebene mit immer neuen Placebos reagiert werden muss“.

  33. 33.

    Die neokonservativen ProtagonistInnen bedienen sich dafür zwar auch, aber nicht in erster Linie, moralunternehmerischer Instrumente. Es geht um die Ausgrenzung von als störend empfundenen Verhaltensweisen und der damit in Verbindung gebrachten Gruppen. Die Ausgrenzungsbemühungen legitimieren sich aber nicht primär darüber, dass die Verhaltensweisen als moralisch defizitär diskreditiert werden, sondern durch den Verweis auf den durch sie (potentiell) anrichtbaren Schaden durch die Signalisierung eines Mangels an sozialer Kontrolle (vgl. Belina 2011a, S. 147 f.; vgl. Belina 2005, S. 156 f.).

  34. 34.

    Analog zur Broken Windows-Theorie, die zwischen guten (ordentlichen) und schlechten (unordentlichen) Verhaltensweisen unterscheidet, wird auch hier verstärkt eine Grenze gezogen zwischen willkommenen, weil zahlenden, und unerwünschten KundInnen (vgl. Termeer 2010, S. 298).

  35. 35.

    Am Beispiel von Berlin zeigt Eick (vgl. 2004, S. 143 ff.) ein entsprechend arbeitsteiliges Vorgehen auf. Dort wurde ein kommerzieller Sicherheitsdienst, begleitet durch Arbeitslose im Rahmen einer ABM-Massnahme, beauftragt, in Parkanlagen zu patroullieren. Dies sollte der Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls und der Verminderung von Vandalismus dienen und zudem der zunehmenden Verkotung der Parks durch Hunde Einhalt gebieten. Die Polizei zog sich aus den betreffenden Gebieten zurück.

  36. 36.

    Bezüglich des privaten Bereichs des Wohnens sind auch gated communities zu nennen, die im deutschsprachigen Raum zunehmend als ‚Premium-Quartiere‘ bezeichnet werden (vgl. Termeer 2010, S. 296). Dabei handelt es sich um abgeschottete, zugangsüberwachte Wohnanlagen, häufig mit Concierge- und Pförtnerdiensten (vgl. Füller/Marquardt 2010, S. 58). Die Homogenität der Bewohnerschaft wird zum einen durch hohe Immobilienpreise und häufig auch durch ein internes Regelwerk sichergestellt (vgl. Wehrheim 2000, S. 113 f.).

  37. 37.

    Lindner und Freund (2001, S. 74) sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass der Begriff vornehmlich von seiner „Aura“ lebt, nicht aber von empirischen Nachweisen. Das Problem der grundsätzlichen Nicht-Falsifizierbarkeit bringt Lindner (2003, S. 279) an anderer Stelle wie folgt auf den Punkt: „Sinken nach einer Präventionsmassnahme die Fallzahlen, wird argumentiert, nun dürfe man aber auf keinen Fall in der Aktivität nachlassen. Steigen sie weiter an, verweist man auf die vielen intervenierenden Variablen, die Rückschlüsse auf ein Scheitern verhindern und führt zugleich an, dass die Problemraten womöglich weitaus schlimmer ausgefallen wären, hätte man die Vorbeugung unterlassen“.

  38. 38.

    Grunwald und Thiersch (2004) selbst verweisen freilich schon auf die Risiken, die mit einer Universalisierung des Prinzips der Prävention und der damit verbundenen Verallgemeinerung einer Defizitperspektive einhergehen. „Im Sog solcher Bedrohtheit wird präventiv orientierte Soziale Arbeit in ihrer Intention ein Instrument sublimer und frühzeitiger Kontrollen“ (ebd., S. 27).

  39. 39.

    Deutlich ist eine Tendenz festzustellen, immer früher mit der Prävention zu beginnen, am besten, wie Frehsee (vgl. 2001, S. 61) ironisch anmerkt, pränatal. Lohmeier und Schwarz (2008) haben, beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Polizei in Bayern, ein Malbuch für die Kriminalprävention im Kindergarten entwickelt, welches sich grosser Beliebtheit erfreut.

  40. 40.

    Lindner (2003, S. 278) spricht in diesem Zusammenhang treffend von Prävention als einem „symbolischen Sedativum“.

  41. 41.

    In der Prävention wird ein integrationsförderndes Normalisierungspotential erkannt. Diskussionen der sich tatsächlich (nicht) ergebenden Integrationsperspektiven durch die Übernahme von Normalitätsstandards durch Jugendliche, Verweise auf aktuelle Entwicklungsherausforderungen Jugendlicher sowie auf ein politisch-strukturelles Präventionsverständnis fehlen dabei weitgehend. Zu recht kritisieren beispielsweise Scherr (2000, S. 74 f.) und Kappeler (2007, S. 93), dass Präventionskonzepte nicht notwendig einen vorbeugenden, sondern sehr viel häufiger einen reaktiven Charakter haben. Sie greifen als nachträgliche Reaktion auf das Misslingen von präventiven Maßnahmen bei älteren Kindern und Jugendlichen sowie das Scheitern sozialpolitischer Maßnahmen (vgl. auch Huber 2009, S. 274).

  42. 42.

    Mit dem Versprechen der Kriminalprävention gibt sich die Soziale Arbeit selbst eine Fallhöhe vor, an der sie auch in Ermangelung entsprechender struktureller Einflussmöglichkeiten nur scheitern kann. Sie wird das Versprechen der Prävention nicht einlösen können, Erwartungen von Anstellungsträgern, Politik und Öffentlichkeit enttäuschen und „[…] auf längere Sicht ihre eigene Delegitimierung mitbetreiben und damit – ungewollt – die Grundlagen ihres professionellen und disziplinären Selbstverständnisses unterminieren“ (Anhorn/Bettinger 2002, S. 250; vgl. auch Kappeler 2007, S. 95 f. & Huber 2009, S. 279).

  43. 43.

    Von einem Typ ist hier deshalb die Rede, da sich diese Projekte konzeptionell sehr ähneln, fast sogar identisch sind. Das erste Programm dieser Art war „sip züri“, welches im Jahr 2000 etabliert wurde.

  44. 44.

    SIP Luzern (Homepage SIP Luzern) nimmt für sich in Anspruch, „[…] die bestehende Lücke zwischen Sozialarbeit und Polizei“ zu schliessen. Diese Formulierung ist deshalb interessant, weil sie einen alten, nach wie vor aber populären Vorwurf an die Soziale Arbeit impliziert. Nämlich jenen, dass die Fachkräfte der Sozialen Arbeit häufiger mit den Subkulturen als mit den sie bezahlenden, öffentlichen Instanzen sympathisieren und somit verstärkt ausfallen für Aufgaben sozialer Kontrolle (vgl. Mekelburg 1979, S. 213). Die rasante Expansion von Projekten wie SIP zeigt, dass das Propagieren jener „Lücke“ und das Angebot der Schliessung den kontrollpolitischen Zeitgeist trifft und Ressourcen sichert.

  45. 45.

    Damit ist die JUPO letztlich auch „[…] zugespitzter Ausdruck des Wehgeschreis, wieder ‚Mut zur Erziehung‘ zu finden“ (Lessing/Liebel 1979, S. 247), welches heute wieder allenthalben zu hören ist (für eine kritische Rezeption vgl. Otto/Sünker 2009).

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Huber, S. (2014). Positionen im Diskurs. In: Zwischen den Stühlen. Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit, vol 11. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03318-7_5

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