Zusammenfassung
Der gesellschaftliche Diskurs zur Bioethik oder Biopolitik ist ein modern medial inszenierter Diskurs par excellence. Ein kurzer Blick in die Internetarchive einiger wichtiger Zeitungen offenbart dies. Alleine in den Archiven von FAZ, Süddeutsche, Zeit und Spiegel findet man eine Unmenge Artikel, die in irgendeiner Weise das Thema Stammzellenforschung behandeln. Erweitert man die Suche um Begriffe wie Präimplantationsdiagnostik, Keimbahnmanipulation, Klonen, Biobanken usw. wird aus der Vielfalt der Meldungen ein undurchdringlicher Argumentationsdschungel. Und dies offenbart sich nicht nur dem interessierten Zeitungsleser, sondern auch den politischen Protagonisten des Diskurses. Auch stützen sich die Argumentationen oft auf unterschiedliche Sachverhalte, je nach dem, welche Praxis der Forschung gerade welchem Standpunkt Geltung zu verleihen mag. Der in den Zeitungen ausgetragene Diskurs zur Bioethik scheint einheitlich, ein in sich geschlossenes Gebilde von Argumenten zu sein, und sollte doch erheblich differenzierter stattfinden.
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Notes
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Es wird jetzt natürlich klar, in welcher Deutungslogik dieser Vorwurf der Unprofessionalität einzuordnen ist: Für den Akteur, der Kontingenz in seiner professionellen Logik reduziert, erscheint ein Akteur der gleichen Profession, der sich eben dieser Logik gegenüber ambivalent verhält, als unprofessionell. Es führt dann zu einer großen Verwunderung, stellenweise auch zu einer großen Verunsicherung, dass diese Unprofessionalität in vielen Fällen aber gerade Akteuren unterstellt werden muss, die über eine hohe Reputation innerhalb der Profession verfügen.
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In Bezug zur Bioethik wird hier gerne der Verweis auf die Abtreibungspraxis in Deutschland gebracht. Zur Problematik Unrechtsgewohnheiten und Menschenrechte allgemein (Ladwig 2007).
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Kaufmann spricht an dieser Stelle von Rationalitätsdefiziten in der Biopolitik (Kaufmann 2008): „Wenn Werte und Normen begründet sind, müssen die Begründungsargumente in ihrer logischen Stringenz intersubjektiv nachvollziehbar und eben auch vertretbar, d. h. in ihrem Geltungsanspruch diskursiv überprüfbar sein“ (Kaufmann 2008, S. 9–10). Das prinzipielle Rationalitätsdefizit macht er daran fest, dass einige Akteure im Diskurs an dieser Rationalitätsvorstellung nicht festhalten. Wir haben jetzt sehr deutlich gesehen, warum dem so ist. Die Kaufmannsche Idee von Rationalität basiert auf einer Gleichsetzung von Stringenz und Vernunft, die nur dann Sinn macht, wenn eine gemeinsame Lebenswelt als Grundlage von Geltungsansprüchen angenommen werden kann.
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Oevermann spricht von „struktureller Religiosität“. Seine These lautet, dass das moderne Subjekt „nach wie vor zur Beantwortung der Sinnfrage einen Mythos (braucht), der die universelle Funktion hat, jeder Lebenspraxis, sei es eine individuell-personale oder eine kollektiv-vergemeinschaftete, die für die konstitutive dreifache Frage danach, woher wir kommen, wohin wir gehen und wer wir dementsprechemnd jeweils im Hier und Jetzt sind, beantworten müssen“ (Oevermann 2006a, S. 50).
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Zur genaueren Analyse einer solchen Rechtsposition siehe auch Brunkhorst 2003, S. 364.
- 6.
Die Bezeichnungen der einzelnen Typen klingen negativ, aber sie haben keine negative Bedeutung. Vielmehr habe ich sie in Anlehnung an eine Klassifizierung von Riemann (Riemann 1999) übernommen, der sich wiederum in seinen Analysen auf Schulz-Hencke (1978, 1980) stützt. Mit der Darstellung der Typisierung einer individuellen Positionierung in einem gesellschaftlichen Diskurs, haben wir vor allen Dingen dann einen Anknüpfungspunkt zur Psychologie erreicht, wenn wir der religiösen Sinngebung eine kostituierende Funktion zuschreiben. Psychoanalytisch kann man die Ambivalenzreduktion als „Angstbearbeitungsmechanismus“ deuten, wobei es sich hier eindeutig um eine individuelle als auch um eine gemeinschaftliche Reaktion auf gesellschaftlich konstruierte Angstfaktoren handelt.
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Im Luhmannschen Sinne sind das dann durchaus autopoietische Systeme.
- 8.
Prainsack spricht hier von der Religion als „fundamentalen Sachverhalt“ in Fragen der Bioethik (Prainsack 2005, S. 76).
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Stark, C. (2014). Der politische Handlungsraum am Beispiel der Stammzellenforschung. In: Kontingenz und Ambivalenz. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03201-2_3
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