In Kapitel vier und fünf wurde ein recht einfaches Netzwerk besprochen. Dieses war unbewertet und besaß nur einen Beziehungstyp. Im Folgenden betrachten wir ein bewertetes Netzwerk, das in verschiedene Relationen zerlegt werden wird.

In diesem Kapitel diskutieren wir an einem etwas komplexeren Beispiel, wie Daten erhoben werden, wie man diese kodieren kann und welche Auswertungsstrategien für die Darstellung geeignet sind. Die in diesem Kapitel verwendeten Daten wurden in einer Schulklasse erhoben. Die Erhebung fand im Rahmen eines Seminars mit dem Titel „Schulpraktische Studien“ an der Universität Frankfurt statt. Es handelt sich um eine Klasse in der sechsten Jahrgangsstufe des gymnasialen Zweiges einer Gesamtschule (11 Schüler, 12 Schülerinnen).

In der Klasse wurde das soziale Netzwerk der positiven und negativen Einstellungen der Schülerinnen und Schüler untereinander mit verschiedenen Netzwerkgeneratoren erhoben. Jeder Schüler und jede Schülerin wurde nach den eigenen Beziehungen gefragt (Ego-Netzwerke) und nach den Beziehungen der anderen untereinander. Parallel dazu wurde der Lehrer bzw. die Lehrerin gebeten, die positiven und negativen Beziehungen ihrer Schüler und Schülerinnen untereinander zu benennen. Die Erhebung war Teil eines Projekts „Kognitive Sozialstruktur“ im Rahmen des Seminars „Schulpraktische Studien“ (Stegbauer, JWGU, SS 2009).

In diesem Kapitel wird jedoch lediglich das Netzwerk untersucht, das sich aus den Ego-Netzwerken der einzelnen Schülerinnen und Schülern zusammensetzt. Zur Erfassung der Beziehungen wurden den Schülerinnen und Schülern Nummern zugewiesen. Für jeden Mitschüler sollte ein Wert angegeben werden, der die Beziehung von Ego, zu den anderen in der Klasse beschreibt.

6.1 Untersuchungsdesign

Zunächst zeigen wir, wie die Erhebung der Beziehungen von Schülern zu ihren Mitschülern, durchgeführt wurde. Jeder Schüler, jede Schülerin sollte über die Beziehungen zu den Mitschülern in der Klasse berichten. Hierzu wurde eine sog. bipolare Rangskala verwendet (siehe Abb. 6.1). Eine 1 bedeutet „Schüler/in x mag ich überhaupt nicht“, eine 5 bedeutet, mit „x2 bin ich sehr gut befreundet“. Es wurden „Kunin-Gesichter“ (Kunin 1955) verwendet, die angekreuzt werden sollten, um die Einstellung zum/zur jeweiligen Mitschüler/in zu charakterisieren.

Abb. 6.1
figure 1

Bipolare Rangskala, mit der die Einstellung zu Mitschülern erhoben wurden (Kunin-Gesichter)

In den Beispieldaten in den vorigen Kapiteln wurden unbewertete, aber gerichtete Beziehungsdaten verwendet. Es wurde danach gefragt, wer von wem Material für das Studium ausgeliehen hatte. Nun haben wir es mit einer Rating-/einer Rangskala zu tun. Das bedeutet, dass die Beziehung nun nicht nur einfach benannt, sondern auch bewertet wird. Sie bekommt ein Gewicht. Mit diesem Gewicht lässt sich die Beziehung in Werten von eins bis fünf, also von Abneigung bis hin zu Freundschaft ausdrücken. Ferner sind die Beziehungsdaten gerichtet, da jedes Klassenmitglied alle anderen bewerten konnte.

Obgleich die Einstellung zweier Personen zueinander theoretisch symmetrisch konstruiert ist (etwa Freundschaft), findet man in empirischen Erhebungen immer auch nicht symmetrische Angaben über die Beziehung. Es kommt also vor, dass A seiner Beziehung zu B eine andere Bewertung gibt, als B zu A. Somit ist es sinnvoll, die Beziehungen als gerichtet zu betrachtenFootnote 1. Was man aus dem erhobenen Datenmaterial letztendlich macht, ob man z. B. nur wechselseitig positive oder negative Beziehungen als relevant ansieht, ist eine Entscheidung, die methodisch oder von der Forschungsfrage her begründet werden muss.

Abb. 6.2
figure 2

Datenerhebung

Um die Datenerhebung (vgl. Abb. 6.2) möglichst einfach zu gestalten wurde jedem/r Schüler/in eine Nummer zugewiesen. Jede/r Schüler/in erhielt ein Kärtchen. Das Kärtchen wurde so platziert, dass alle übrigen Schüler/innen es sehen konnten und wussten, wer mit welcher Nummer gemeint war. Im Fragebogen war für jede/n Schüler/in eine Zeile bestehend aus dessen/deren Nummer und den fünf Kunin-Gesichtern eingetragen.

6.2 Datenorganisation und Eingabe

Wenn man eine solche Erhebung durchgeführt hat, stellt sich die Frage, wie man die Daten so organisiert, dass man auf diese, in einfacher Weise eingeben und verarbeiten kann. Da wir ein gewichtetes Netzwerk erheben, brauchen wir drei Angaben: 1) die Nummer der befragten Person, 2) die Nummer der Person zu der sich die befragte Person hinsichtlich ihrer Einstellung zu derselben äußert und den 3) den Zahlenwert mit dem diese Einstellung kodiert ist (vgl. Abb. 6.3).

Abb. 6.3
figure 3

Datenmatrix mit Identifikationsnummern in der Kopfzeile und Kopfspalte (grau unterlegt)

Im vorliegenden Fall hatte die Klasse 23 Schüler. Das bedeutet, dass wir eine große Anzahl an Werten vorliegen haben. Es handelt sich um 23 × 22 = 506 Bewertungen der Interschülerbeziehungen. Wie schon gesagt, bedeutet eine 1, dass eine Person die andere überhaupt nicht mag, eine 5, dass die befragte Person angibt, mit der anderen befreundet zu sein.

Man erkennt leicht, dass in dem Datensatz auf die Nennung von Knotennamen verzichtet wurde. Die Knoten sind also entsprechend ihrer zeilen- bzw. spaltenweisen Anordnung in der Netzwerkmatrix nummeriert. Die Knotennamen sind mit den Knotennummern identisch.

Der Datensatz enthält fehlende Werte für folgende Beziehungen 6 7, 6 17 und 14 5. Diese sind durch ein Fragezeichen kodiert und rot hervorgehoben. Zur besseren Orientierung ist die mit Nullen besetzte Diagonale der Netzwerkmatrix blau hervorgehoben. Der Datensatz enthält demnach 506 − 3 = 503 Beziehungsangaben (Anzahl der Matrixelemente minus Anzahl der Diagonalelemente minus Anzahl der fehlenden Werte, also (232 = 529)−23−3).

6.3 Dateneingabe

Die Dateneingabe im Matrix-Format (format = fullmatrix) ist etwas mühsam. Allerdings ist dieses Format hier gut geeignet, da tatsächlich jede mögliche Beziehung einen Wert zugeordnet bekommt. Für die Dateneingabe arbeitet man am besten mit einem Tabellenkalkulationsprogramm (z. B. Excel). In diesem kann man die Eingaben Schüler für Schüler zeilenweise vornehmen. Man muss aber auf jeden Fall die gesamte Matrix eingeben, da ja alle Schüler/innen über alle anderen eine Bewertung abgegeben haben (abgesehen von ganz wenigen fehlenden Werten).

Die Daten aus dem Tabellenkalkulationsprogramm können dann durch „Kopieren (Strg + C) und Einfügen (Strg + V)“ in den Text der UCInet-Importdatei eingefügt werden, die wie üblich mit einem Texteditor oder einem Textverarbeitungsprogramm erstellt wird. Man muss den Daten dann lediglich noch die Datendefinition voranstellen. Diese fällt aber ganz einfach aus: sie beginnt wie üblich mit dem Schlüsselwort „dl“, sodann wird die Zahl der Knoten definiert. In unserem Fall sind es 23 Personen (Knoten). Es folgt die Angabe zum Format, im vorliegenden Fall benutzen wir, wie gesagt, das fullmatrix-Format (vgl. Abb. 6.4). Hinzu muss noch eine Information kommen, nämlich, ob die Diagonale vorhanden ist oder nicht. Schließlich wird die Datendefinition durch das Schlüsselwort „data:“ beendet. Dieses weist darauf hin, dass ab der nächsten Zeile die Daten folgen.

Abb. 6.4
figure 4

Eingabe der Daten

In unseren Daten verwenden wir keine eingebetteten Knotenetiketten (embedded labels) und verzichten auch sonst auf die Verwendung von Knotenetiketten. Stattdessen haben wir die Schüler fortlaufend von 1 bis 23 durchnummeriert und die Datenmatrix so organisiert, dass dem Schüler/der Schülerin mit der Nummer i die i-te Zeile (als befragter Person) und die i-te Zeile (als bewerteter Person) entspricht. Aus diesem Grund stehen auch in der Diagonalen nur Nullen, da im vorliegenden Fall reflexiven Beziehungen (Einstellungen zu sich selbst) keinen Sinn machen. Fehlende Werte haben wir hier mit Fragezeichen kodiert.

6.4 Kodierung der Knotenattribute

In unserem Beispiel (vgl. Abb. 6.5) konzentrieren wir uns wiederum nur auf ein einziges Knotenattribut: das Geschlecht. Es ist wie im vorherigen Beispiel kodiert (1: männlich und 2: weiblich). Da wir keine Knotenetiketten verwendet hatten, müssen nun die Werte in exakt derselben Reihenfolge angeordnet werden wie die Zeilen in der Netzwerkmatrix.

Abb. 6.5
figure 5

Erstellung der Knotenattribute

Durch Klicken auf das Symbol bzw. das Symbol , können nach dem Start von Netdraw, wie in Kap. 4 beschrieben, die Beziehungsdaten und die Knotenattribute geladen werden. Von einem ersten Blick auf das Netzwerk kann man sich kaum etwas versprechen, da quasi jeder Knoten mit allen übrigen durch eine Kante verbunden sind. Es fehlen lediglich die zu den drei in der Netzwerkmatrix fehlenden Werten zugehörigen Kanten.

6.5 Kanten auswählen, anhand ihres Kantengewichts

Nach dem Import in NetDraw erscheint sogleich eine Visualisierung des Netzwerks (siehe Abb. 6.6). Da das Netzwerk aus 503 Beziehungen besteht, kann man in diesem Diagramm kaum etwas erkennen. Auch die räumliche Anordnung der Knoten gibt uns keine direkt verwertbaren Hinweise auf die Struktur des Netzwerks.

Abb. 6.6
figure 6

Erste Darstellung nach Import in NetDraw

Was für die Dateneingabe eine gute Idee war, nämlich die Erfassung aller Beziehungen in ein- und derselben Netzwerkmatrix, stiftet bei dieser Visualisierung zunächst Verwirrung. Positive und negative Einstellungen der Schüler/innen werden gleichartig dargestellt. Für eine Analyse des Netzwerks ist diese Visualisierung nicht geeignet. Um zu instruktiveren Darstellungen zu gelangen, bietet NetDraw eine Vielzahl von Möglichkeiten, von denen wir im Folgenden einige vorstellen werden. Dreh- und Angelpunkt werden hierbei die verschiedenen Möglichkeiten sein, das Kantengewicht, also die Einstellungen der Schüler/innen untereinander, für die Visualisierung der Struktur nutzbar zu machen. Verwendbar sind hierzu unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten (Linienfarbe oder Liniendicke) aber auch die voneinander getrennten Darstellungen von positiven und negativen Einstellungen.

Noch sieht also das entstandene Bild ziemlich chaotisch aus. Man kann zunächst einmal dadurch Abhilfe schaffen, dass die Merkmalsausprägungen der Einstellungsskala von 1: „sehr negativ“ über 3: „indifferent“ bis 5: „sehr positiv“ getrennt voneinander betrachtet werden. Dies ist in Netdraw sehr leicht machbar, da für ein Diagramm jeweils diejenigen Kanten ausgewählt werden können, deren Kantengewicht > ,  , = ,  oder < als ein vorgegebener Wert ist. Auf diese Weise bekommt man einen Eindruck davon, wo die positiven und die negativen Beziehungen zu finden sind.

Mehrere unterschiedliche Strategien sind möglich: zum Ersten kann man die Zahl der dargestellten Kanten reduzieren. Dies geht dadurch, dass nur ein Teil der vorhandenen Beziehungen auch abgebildet wird. Man könnte etwa nur die stark positiven und die stark negativen Einstellungen abbilden.

Zum Zweiten kann man so vorgehen, dass man die einzelnen Bewertungen getrennt voneinander abbildet.

Eine dritte Möglichkeit ist es, das Kantensymbol entsprechend der Bewertung zu verändern. Das „Kantensymbol“ ist im Netzwerkdiagramm ein Pfeil. Der Pfeil lässt sich variieren durch die Dicke des Symbols, durch die Farbe oder durch die Form (durchgängig, gestrichelt, gepunktet, mit oder ohne Pfeilspitze etc.). Wir können also das Kantensymbol entsprechend der Bewertung (von „sehr gut befreundet“ bis „überhaupt nicht mögen“) variieren.

Um nur Kanten anzuzeigen, die ein vorgegebenes Kantengewicht besitzen oder deren Kantengewicht einen gewissen Wert nicht unter- bzw. überschreitet, wenden wir uns in NetDraw auf der rechten Seite dem Relationenauswahlmenü (Registerkarte „Rels“, siehe auch Abb. 6.7) zu. Unter Umständen muss man dazu zunächst von der Registerkarte „Nodes“ auf die Registerkarte „Rels“ wechseln.

Abb. 6.7
figure 7

Unterer Teil des Relationenauswahlmenüs (Reiter „Rels“) auf der rechten Seite. Hier können Kanten zur Visualisierung ausgewählt werden, die ein bestimmtes Gewicht aufweisen (oder über- bzw. unterschreiten)

Im unteren Drittel der Registerkarte „Rels“ werden folgende Vergleichsoperatoren angeboten:

> , ≥ , = , ≤ oder < .

Das bedeutet, dass Kanten ausgewählt werden können, deren Kantengewicht  > ,  , = ,  oder < einem vorgegebenen Wert ist, in dem hier behandelten Beispiel liegen die zulässigen Kantengewichte zwischen 1 und 5. In der Abbildung wird gezeigt, wie man die Vergleichsoperationen im unteren Bereich aufruft.

Von den verschiedenen angebotenen Einstellmöglichkeiten, werden uns zunächst nur die rot umrandeten interessieren. Hier sind von links nach rechts ein Menü zur Wahl des Vergleichsoperators, ein Eingabefeld für den Schwellenwert, ein Tastenfeld (+) zur Erhöhung des Schwellenwerts und ein Tastenfeld zur Verringerung () des Schwellenwerts angeordnet.

Im Menü für den Vergleichsoperator wählt man in unserem Fall den Gleichheitsoperator (=). Danach verschwinden zunächst alle Linien aus dem im Graphikfenster zu sehenden Diagramm, weil es keine Kanten mit dem Gewicht Null gibt. Wenn man das Tastfeld „+“ drückt, kann man sich sukzessiv durch die fünf Kodes für die Einstellung der Schüler und Schülerinnen untereinander klicken. Es ist sinnvoll beim Kode 5 (stark positive Einstellung) die Knoten des Netzwerks mit dem spring embedding – Layout anzuordnen, da hier am ehesten das Zerfallen des Netzwerks in kohäsive Teilbereiche zu erwarten ist.

Mit diesem Design kann man dann durch Drücken des Tastenfelds „–“ wieder durch die Kodes 5 bis 1 klicken und bei jeder Station durch Drücken der Tastenkombination Strg + C ein Bild des Diagramms in die Zwischenablage kopieren und von dort aus weiterverarbeiten.

6.6 Kanteneigenschaften verändern anhand ihres Kantengewichts

Im unteren Teil des Relationenauswahlmenüs können auch die graphischen Eigenschaften der Kantensymbole verändert werden. Jeder Kante kann auf diese Weise abhängig vom Kantengewicht eine unterschiedliche Farbe und Linienbreite zugewiesen werden. Im abgebildeten Beispiel wird den Kanten mit dem Gewicht von 1 (absolut nicht mögen) die Farbe rot zugewiesen. Die Kanten, welche das Gewicht von 5 aufweisen, wird die Farbe blau zugeordnet.

Die Farbe und die Strichstärke der Kanten kann man an jeder der Stationen direkt in der Registerkarte „Rels“ einstellen, die ohnehin geöffnet ist. Zum Beispiel blau mit der Strichstärke 4 für den Kode 5 (vgl. linkes Bild) bzw. rot mit der Strichstärke 4 für den Kode 1 (vgl. Abb. 6.8).

Abb. 6.8
figure 8

Veränderung der graphischen Kanteneigenschaften je nach Kantengewicht im Relationenauswahlmenü (Registerkarte „Rels“)

In der nächsten Abb. 6.9 zeigen wir das Netzwerk separiert für jedes der vorhandenen Kantengewichte. Eine klare Strukturierung des Netzwerkes finden wir lediglich beim extrem positiven Wert. Dies ist nicht unüblich. Normalerweise stehen wir den meisten unserer Mitmenschen freundlich-indifferent gegenüber. Unsere Kapazität für sehr freundschaftliche Relationen ist durch zeitliche, kognitive und räumliche Einschränkungen sehr begrenzt. In der rechten unteren Graphik deutet sich an, dass die Schulklasse im Wesentlichen in zwei bzw. drei Bereiche gegliedert ist. Auf der linken Seite ist eine Subgruppe erkennbar und in der Mitte rechts eine weitere Subgruppe, die nur über wenige positive Verbindungen zur ersten Gruppe verfügt. Außerdem finden sich rechts außen einige peripherere Schüler, die nur über vergleichsweise wenige positive Beziehungen verfügen.

Abb. 6.9
figure 9

Netzwerkvisualisierungen nach Kantengewicht (links oben Kantengewicht 1, rechts unten 5)

In den sehr negativen Beziehungen links oben hingegen ist keine ausgeprägte Struktur zu erkennen. Im Zusammenspiel mit den sehr positiven unten links sollte sich aber die dort erkennbare Struktur aufklären lassen. Die Beziehungen im mittleren Bereich (Kode 2 bis 4) dagegen sind nicht sehr aussagekräftig.

Über den Menüpfad

Properties → Nodes → Symbols → Color → General, all active nodes

wurden in den oben zu sehenden Diagrammen die Knoten gelb eingefärbt, um ihre Farbe von der roten Farbe der zu den negativen Einschätzungen gehörenden Kantensymbole (Kode 1 und 2) zu unterscheiden.

6.7 Verbesserung der Darstellung

Die Darstellungen, so wie sie in der Abbildung vorhanden sind, befriedigen noch nicht vollständig, da die Struktur des Netzwerkes noch nicht angemessen sichtbar gemacht werden kann. Die Frage ist, ob man nicht deutlicher eine Struktur erkennen kann, wenn bestimmte Eigenschaften hervorgehoben werden oder man weitere Informationen berücksichtigt.

Eine erste Idee ist, dass die erkennbare Struktur sich durch das Knotenattribut „Geschlecht“ erklären lässt. Mindestens seit Moreno (1934) weiß man, dass insbesondere unter Jugendlichen im Alter der befragten Schüler das Geschlecht ein wesentlicher Strukturierungsfaktor für Beziehungen darstellt. Wir könnten also das Knotenattribut Geschlecht berücksichtigen.

Eine andere Möglichkeit ist, die sehr stark negativen und die sehr stark positiven Einstellungen gemeinsam zu betrachten. Wir wissen aus der Theorie struktureller Balancierung (Heider 1958; auch Davis 1977; Davis und Leinhardt 1972), dass die Vorzeichen von Beziehungen (mögen und nicht mögen) einer bestimmten Struktur folgen, so dass diese ausbalanciert sind. Aus diesem Grunde gibt es normalerweise innerhalb einer Clique oder Subgruppe keine negativen Beziehungen. Allerdings trifft man diese sehr wohl zwischen solchen Formationen. Kurz könnte man sagen, dass Gruppen durch viele positive Beziehungen zusammen gehalten werden und wenige negative Beziehungen ausreichen, um die Gruppen voneinander zu trennen.

Am einfachsten ist es für uns das Knotenattribut „Geschlecht“ einzuführen. Bei den anderen Ideen ist die Organisation, in der die Daten im Moment vorliegen, nicht geeignet. Aus diesem Grunde müssen wir jeweils ein Netzwerk mit der Relation stark negative Einstellungen und ein weiteres Netzwerk mit stark positiven Einstellungen erzeugen.

Wollen wir nur reziproke Beziehungen einbeziehen, müssen wir aus diesen Netzwerken die einseitigen Beziehungen eliminieren.

Machen wir uns an die Arbeit! Zunächst führen wir das Knotenattribut, wie bereits gelernt, über die Attribut-Datei ein. Wir aktivieren die Möglichkeit der Einfärbung der Knoten und wählen als Farbe für die weiblichen Schüler die Farbe Magenta, für die männlichen Schüler wählen wir Schwarz.

Wie erwartet, zeigt sich hier eine eindeutige Strukturierung der Beziehungen nach Geschlecht (vgl. Abb. 6.10). Lediglich die dichteste Subgruppe auf der mittleren rechten Seite hat einige männliche Schüler in ihren Reihen. Die beiden anderen identifizierten Strukturen (Subgruppe links) und periphere Schüler rechts sind geschlechtshomogen.

Abb. 6.10
figure 10

Knotenattribut berücksichtigen (es werden nur sehr gute Freundschaften abgebildet, Kantengewicht 5)

Um die anderen Visualisierungsstrategien durchführen zu können, müssen wir etwas an der Datenorganisation verändern. Wie wir das tun, wird im nächsten Abschnitt gezeigt.

6.8 Datenreorganisation

Wie bereits gesagt, sind die mittleren Bewertungen der Beziehungen der Schüler untereinander nicht so sehr aussagekräftig, da diese eher einem indifferenten Umgang miteinander entsprechen. Viel spannender sind die beiden Extrempositionen. Diejenigen, die sehr eng miteinander befreundet sind, und noch mehr diejenigen, die sich gar nicht leiden können. Leider gibt uns NetDraw keine direkte Möglichkeit, nur Kanten mit den Kantengewichten 1 oder 5 anzuzeigen, da dies sich nicht durch einen einzigen Vergleichsoperator ausdrücken lässt. NetDraw bietet allerdings einen eleganten Weg, dieses Problem zu lösen: wir generieren für die „stark negativen“ und die „stark positiven“ Einschätzungen je ein (unbewertetes) Netzwerk. Dabei gehen wir so vor, wie bei der Erzeugung der Netzwerkdiagramme in der vorigen Abbildung, klicken dann aber noch zusätzlich das Feld „Save As New Relation“ an und benennen die neue Relation mit „stark negativ“ bzw. „stark positiv“. In der folgenden Abbildung sind die Einstellungen für die Relation „stark positiv“ aufgeführt. Was ist nun der Vorteil dieses Vorgehens? Das Relationenauswahlmenü erlaubt es uns, einzelne Relationen auszuwählen und diese einzeln oder kombiniert als Netzwerkdiagramm darzustellen. Dies funktioniert ganz analog zur Auswahl von Knoten im Knotenauswahlmenü (Registerkarte „Nodes“). Mit Hilfe dieses „Tricks“ können wir nun die beiden uns interessierenden Einstellungen („sehr negativ“ und „sehr positiv“) zusammen darstellen und die mittleren Einstellungen („negativ“, „indifferent“ und „positiv“) weglassen.

In der Relationenauswahl wählen wir zunächst nur die stark positiven Beziehungen aus. Diesen ist der Wert „5“ zugeordnet. Nach Auswahl dieser Relationen, sind nur solche Kanten aktiv, die diesem Wert entsprechen. Die aktiven Kanten lassen sich nun noch einfärben. Wir wählen die Farbe blau, wie in der Abbildung gezeigt. Ferner wählen wir rechts neben dem Fenster für die Farbwahl eine Dicke für die zu zeichnende Verbindungslinie zwischen den aktiven Kanten. Wenn wir nun diese Einstellungen als neuen Beziehungstyp abspeichern, haben wir die Eigenschaften der Kanten sofort und ohne zusätzliche Manipulationen zur Verfügung. Zum Abspeichern der neuen Relation klickt man auf die Schaltfläche „Save As New Relation“. Es öffnet sich ein Fenster, in welchem man einen Namen für den neu generierten Beziehungstyp angeben kann. Wir verwenden für unser Beispiel den Namen „stark_positiv“ (dazu auch Abb. 6.11).

Abb. 6.11
figure 11

Erzeugen eines eigenen Beziehungstyps aus aktiven Kanten

Genauso, wie wir für die positiven Beziehungen vorgegangen sind, machen wir es auch für die stark negativen Beziehungen. Diesen hatten wir den Wert „1“ zugeordnet. Wir wählen also in der Relationenauswahl alle Kanten mit dem Wert „1“ aus, färben die Kantensymbole rot ein, versehen sie mit der Linienbreite 4 und speichern das Ganze als eigene Relation unter dem Namen „stark negativ“ ab.

Wichtig ist noch der Hinweis, dass die beiden neu erzeugten Relationen ungewichtet sind. Die Relation „sehr positiv“ hat den Wert 1 genau dann wenn die ursprüngliche Relation „Ego_bipolar“ den Wert 5 hatte und ansonsten den Wert Null. Analoges gilt für die Relation „sehr negativ“. Sie hat den Wert 1 genau dann wenn die ursprüngliche Relation „Ego_bipolar“ den Wert 1 hatte und ansonsten den Wert Null.

Im oberen Bereich des Relationenauswahlfensters (siehe Abb. 6.12) finden wir nun die neuen Beziehungen. Mit einem Haken lassen sich diese aktivieren. Wichtig sind jetzt noch zwei Dinge:

Abb. 6.12
figure 12

Stark negative & stark positive Einstellungen

  1. 1.

    Die ursprüngliche Relation „Ego_bipolar“ muss deaktiviert werden, in der ja alle, d. h. die uns nicht interessierenden mittleren Einstellungswerte berücksichtigt sind.

  2. 2.

    Zudem müssen alle Kanten mit einem Kantengewicht größer Null (> 0) angezeigt werden, da es sich bei den beiden neu erzeugen Relationen um unbewertete Relationen handelt.

Nach der Aktivierung beider neuer Relationen bekommen wir eine Visualisierung angezeigt, in der nur noch die stark positiven und die stark negativen Einstellungen berücksichtigt sind (Abb. 6.13).

Abb. 6.13
figure 13

Einfärbung der Kanten nach „stark positiven“ (blau) und „stark negativen“ (rot) Beziehungen

In der Graphik ist nun auf den ersten Blick erkennbar, dass viele negative Beziehungen auf die Schüler 2 und 11 gerichtet sind. Die Graphik weist aber immer noch sehr viele Kanten auf, die das Bild unübersichtlich machen. Es zeigt sich, dass ein Grundsatz berücksichtigt werden sollte, der für alle Visualisierungsanstrengungen gilt: Reduziere die Darstellung auf das Wesentliche und eliminiere übe r flüssige Informationen so weit wie möglich.

Wenn man diesem Grundsatz folgt, bedeutet dies, dass man nicht benötigte Informationen für die Visualisierung ausblendet. Das Problem dabei ist, dass man während der Auswertung oft noch nicht so ganz genau weiß, welche Informationen wichtig sein werden. Aus diesem Grund soll man die im Moment nicht benötigten Informationen nicht unbedingt endgültig verwerfen. Für den Darstellungszweck überflüssige Informationen haben aber nichts in einer wissenschaftlichen Graphik zu suchen, die insbesondere zwei Anforderungen genügen soll:

  1. 1.

    Die Graphik dient der Auswertung der Daten. Sie hilft dem Forscher bei der Interpretation des Netzwerkes.

  2. 2.

    Die Graphik dient der Mitteilung der Ergebnisse. Im besten Falle ist ein Netzwerkdiagramm so aufgebaut, dass ein Betrachter diese auch ohne größere Vorkenntnisse leicht interpretieren kann.

Natürlich kommt der erste Anspruch zeitlich immer vor dem zweiten. Zunächst einmal kommt die Analyse der Daten und dann deren Veröffentlichung. Dabei muss man sich aber auch im Klaren darüber sein, dass die Veröffentlichung der Daten anders aussehen sollte, als die Schritte, die man während der Analyse vornimmt.

Mit anderen Worten, die Darstellung in der obigen Abbildung entspricht noch nicht ganz dem formulierten Anspruch auf Klarheit. Wir wenden also noch zusätzliches Instrumentarium an, um die Visualisierung zu vereinfachen. Dies tun wir im nächsten Schritt, indem wir nur noch diejenigen Einstellungen berücksichtigen, bei denen die Schüler wechselseitig miteinander übereinstimmten. Also jedes Schülerpaar gab an, sehr gut miteinander befreundet zu sein oder sich überhaupt nicht leiden zu können.

6.9 Wechselseitige Einstellungen

Unser Ziel ist es also, nur noch die reziproken Einstellungen sichtbar werden zu lassen. Wir blenden im Folgenden Informationen aus, die uns für die Klärung der Struktur des Netzwerks als nicht wesentliche Informationen erscheinen. Wir reduzieren mit diesem Vorgehen die dargestellten Daten sehr stark. Mit unserem Vorgehen haben wir das angezeigte Netzwerk ja schon sehr stark vereinfacht, indem wir nur noch die Extremwerte der Beziehungen angezeigt haben. Nun eliminieren wir auch noch die einseitigen BeziehungenFootnote 2

Es geht dabei nicht darum, das Netzwerk so „vollständig“ wie möglich darzustellen – viel wichtiger, ist es, das Wesen der Beziehungsstruktur sichtbar zu machen. Die Auswahl der für uns wichtigen Beziehungen erfolgt folgendermaßen:

Transform → Simmelian Ties

Wir klicken im Auswahlmenü auf „Transform“ und dort auf „Simmelian Ties“. Nachdem dies erledigt ist, finden wir im Relationenauswahlmenü eine Reihe neuer Beziehungstypen. Hiervon schalten wir lediglich „Simmelian“ und „Sole-Symmetric“ an. Die anderen Beziehungstypen lassen wir ausgeschaltet.

Beschränkt man die Abb. 6.14 auf die reziproken stark positiven und stark negativen Einstellungen, so ist das Netzwerkdiagramm wesentlich besser zu lesen. Es zeigt sich nun, dass das Schulklassennetzwerk quasi in zwei Komponenten zerfällt. Wir finden auf der linken Seite eine Komponente, die ausschließlich aus Jungen besteht und auf der rechten Seite eine Komponente, die mit Ausnahme von zwei Schülern nur Mädchen umfasst. Zwischen den beiden Komponenten aus positiven Beziehungen bestehen unter der Bedingung der Reziprozität lediglich negative Beziehungen. Eine solche Konstellation lässt sich theoretisch aus Überlegungen der Balance-Theorie erklären. Alle negativen Beziehungen zwischen den beiden Komponenten richten sich auf Schüler 11. Darüber hinaus findet sich nur noch eine gegenseitige negative Beziehung zum ansonsten isolierten Schüler 2.

Abb. 6.14
figure 14

Auswahl der symmetrischen Ties

Die Darstellung in der Abbildung ist insofern noch nicht optimal, weil der, den Schüler 12 repräsentierende Knoten von einer Kante in der Mädchenkomponente geschnitten wird. Das ist nicht sehr schön. Man würde nun diesen Knoten manuell mit Hilfe der Maus etwas nach links verschieben.

Das endgültige Ergebnis für das Beispielnetzwerk sehen Sie in der nächsten Abb. 6.15. Wir haben, wie oben gezeigt, aus der Zerlegung des Schulklassennetzwerkes in Simmelsche, reziproke (Sole-Symmetric) und asymmetrische Beziehungen nur diejenigen ausgewählt, die wechselseitig und „simmelsch“ sind. Ferner wurden die Etiketten weggelassen und der eine störende Knoten verschoben.

Abb. 6.15
figure 15

Ergebnisdarstellung des Beispiels – Schulklassennetzwerk

Mit dem hier demonstrierten Verfahren lassen sich also symmetrische Beziehungen und asymmetrische Beziehungen nicht nur unterschiedlich gestalten (wie mit „Analysis → Reciprocal ties“), sondern die Darstellung asymmetrische, nur symmetrische und Simmelsche Beziehungen lässt sich einzeln oder in beliebiger Kombination ein und ausschalten (vgl. Abb. 6.16).

Abb. 6.16
figure 16

Das Diagramm dieses Netzwerks lässt sich durch erneute Anwendung des spring embedding – Algorithmus und Weglassen der Pfeilspitzen noch weiter verbessern

Exkurs: Simmelian Ties

Zu Beginn des Buches hatten wir uns mit der Bedeutung von Dyaden und Triaden befasst. Wir hatten gezeigt, dass die gesamten technischen Überlegungen zu Netzwerken auf der dyadischen Konstruktion von Beziehungsstrukturen beruhen. Eine Triade ist ein höherstelligeres Beziehungsmuster, welches aber ebenfalls in Dyaden aufgelöst wird (drei Dyaden). Höherstellig ist es deswegen, weil diesem Muster besondere Eigenschaften zugeordnet werden, die durch die Dyaden nicht erklärt werden können. Man nennt einen solchen Zusammenhang Emergenz. Eine solche Konstellation ist auch unter dem Begriff „Simmelsche Beziehungen“ bekannt, sofern die Beziehung zwischen allen Dreien wechselseitig ist. Diese Triaden aus wechselseitigen Beziehungen gelten als besonders stabil (Krackhardt 1998) und sind von daher auch von Interesse. Solche simmelschen Beziehungen sind eingebettet in andere Beziehungsstrukturen.

Simmelsche Beziehungen können mit NetDraw hervorgehoben werden. Mit der Funktion „Simmelian“ werden alle aktiven Beziehungen in die folgenden drei Klassen zerlegt:

  • Simmelian ties

  • Sole-Symmetric ties

  • Asymmetric ties

Die folgende Abb. 6.17 zeigt eine eingebettete Simmelsche Beziehung. Dieser Beziehungstyp ist nicht nur für die Visualisierung von Bedeutung. Er wird beispielsweise auch in die Messung der Entwicklung von Beziehungen in größeren Netzwerken verwendet. Dort misst man solche Beziehungsformationen als „Clustering“-Koeffizient.

Abb. 6.17
figure 17

Eingebetteter „Symmelian Tie“ (markiert in magenta)