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Auf den Spuren der Anerkennung: Einleitung zu einer ‚Arbeit an den Grenzen‘

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Zusammenfassung

„Wenn man nicht weiß“, so fragt Alfred Schäfer, „was eine ‚pädagogische Wirklichkeit‘ ist, woher soll man dann wissen, ob man ‚erziehungswissenschaftliche Forschung‘ betreibt?“ (Schäfer 2005, 15) Es ist diese Frage nach der Spezifik und dem ‚Gegenstand‘ wie auch den (disziplinären) Grenzen erziehungswissenschaftlichen Forschens, die die hier vorgelegten Spuren der Anerkennung ebenso andauernd wie nachhaltig begleitet hat. So kann, wenn man das von Schäfer, aber auch anderen ErziehungswissenschaftlerInnen (bisweilen implizit) ausgewiesene Kriterium für die ‚Erziehungswissenschaftlichkeit‘ von Forschung zugrunde legt, die Frage, ob es sich bei dieser Arbeit um eine erziehungswissenschaftliche Forschungsarbeit handelt, allenfalls mit einem ‚Jein‘ beantwortet werden.

Die Überschreitung ist eine Geste, die die Grenze betrifft; dort, in dieser Schmalheit der Linie, zeigt sie sich blitzartig als Übergang, vielleicht aber auch in ihrem gesamten Verlauf und sogar in ihrem Ursprung. […] Doch existiert die Grenze überhaupt ohne die Geste, die sie stolz durchquert und leugnet? Was wäre sie danach und was könnte sie davor sein?

(Michel Foucault)

Der Begriff kann gewiß keine Originalität für sich in Anspruch nehmen, der Zugang zu ihm jedoch ist steil und beschwerlich wie ehedem. Die Schwierigkeiten des Aufstiegs – sein vielfaches Scheitern und sein je neues Beginnen – sind einem Schreiben eingezeichnet, in dem dazu wohl noch die Atemlosigkeit des Autors sich bezeugt.

(Emmanuel Levinas)

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Notes

  1. 1.

    Auch vor der Folie einer Gegenstandsbestimmung bleibt aber, was hier nur angedeutet sei, für die erziehungswissenschaftliche Forschung die Frage, was denn „diese Forschung von einer psychologischen, soziologischen Forschung [unterscheidet], die sich schließlich auch um das Verhältnis etwa von Erwachsenen und Kindern“ (Schäfer 2005, 15) oder um Erziehungsprozesse – aus ihrer je spezifischen Perspektive – kümmern könnten. Es ist daher auch eine spezifische Perspektive auf ‚Erziehung‘ und insofern ein spezifischer Gegenstandsbezug, der erziehungswissenschaftliche Forschung zu einer solchen macht.

  2. 2.

    Prange kritisiert, dass es zu einem „wahrhaft inflationären Import auswärtiger Themen und Begriffe gekommen ist, von denen nur zu ahnen ist, dass sie irgendwie etwas mit dem Erziehen zu tun haben“ (Prange 2000, 7), und dies „sich auch in der Rekrutierung des Personals für die wissenschaftliche Pädagogik“ (ebd.) widerspiegle. Er bestreitet aber nicht (explizit), dass die Erziehungswissenschaft, wie Markus Rieger-Ladich vorbringt, „auf den Theorieimport angewiesen und damit auch stets abhängig von den Forschungsleistungen anderer Disziplinen“ (Rieger-Ladich 2007, 171) bleibt, sondern fordert dazu auf, „das Wissen und die Wissensformen anderer Disziplinen […] unter eigenen Prämissen“ (Prange 2005, 97) zu verarbeiten.

  3. 3.

    Darin, dass ‚die‘ Anerkennungstheorie als „die neueste Ausprägungsform des intersubjektivitätstheoretischen Paradigmas anzusehen ist“ (Stojanov 2006, 10) und mit ‚Anerkennung‘ zumeist ein „Zugang zu den Prozessen der Formung und Entwicklung von Subjektivität“ (ebd. 14) gesucht wird, gründet bereits, so betont Krassimir Stojanov, ihre „hohe bildungs- und erziehungstheoretische Relevanz“ (ebd.), kann doch die Frage danach, wie sich ein Mensch in Auseinandersetzung mit und Abhängigkeit wie auch Abgrenzung von anderen ‚entwickelt‘, als eine zentrale – wenn auch nicht bloß – pädagogische Fragestellung gelten; vgl. hierzu auch Norbert Rickens These, dass „alle mit der ‚menschlichen Entwicklungstatsache‘ verbundenen Phänomene wie Probleme als pädagogisch relevant aufzunehmen“ (Ricken 1999, 411) sind.

  4. 4.

    Der lange Zeitraum, in dem diese Arbeit entstanden ist, bringt es mit sich, dass ‚Anerkennung‘ auch in der Erziehungswissenschaft nicht mehr eine sehr ‚originelle‘ und auch nicht mehr nur eindeutige Kategorie ist. Er bringt es auch mit sich, dass Zwischenergebnisse in verschiedenen Beiträgen publiziert wurden, aus denen bisweilen Passagen textnah verwandt wurden (und umgekehrt). Von besonderer Bedeutung für das Folgende sowie das Schlusskapitel ist der zusammen mit Norbert Ricken verfasste Text zu Anerkennung als pädagogisches Problem (vgl. Balzer/Ricken 2010); darüber hinaus ist auf die folgenden Beiträge zu verweisen: Balzer 2007; Balzer/Künkler 2007; Ricken/Balzer 2007; Balzer/Ludewig 2012 sowie Balzer/Bergner 2012.

  5. 5.

    So stellt Eva Borst noch 2003 fest, dass „eine wirklich intensive theoretische Auseinandersetzung […] nur in Ansätzen statt[findet]“ (Borst 2003, 101) und Anerkennung in neueren Lexika „überhaupt nicht mehr vor[kommt]“ (ebd. 108), sondern aus diesen „getilgt ist“ (ebd.). Dies mag, so vermutet Borst, ihren Grund darin finden, dass „Anerkennung im pädagogischen Handeln als selbstverständlich vorausgesetzt wird“ (ebd. 101). Dabei stellt Borst zugleich einen Wandel der Definitionen von ‚Anerkennung‘ in früheren pädagogischen Lexika fest, und zwar als Wandel von einem geisteswissenschaftlich justierten Verständnis von Anerkennung als Achtung jenseits „moralischer Wertungen“ (ebd.) hin zum Verständnis von Anerkennung als „Lob“ (ebd. 107), das mit einem „Werturteil“ (ebd.) sowie mit Leistung verbunden ist.

  6. 6.

    ‚Anerkennung‘ kann aber auch heute nicht als eine in der Erziehungswissenschaft etablierte „feste Bezugsgröße“ (Röhr 2009, 93) bezeichnet werden. In der Sozialen Arbeit ebenso wie in der Erwachsenenbildung ist sie als Begriff wie Thema bislang kaum präsent; vgl. für die Soziale Arbeit als Ausnahmen Sauerwald u. a. 2002; Schoneville/Thole 2009; vgl. für die Erwachsenenbildung Schäffter 2009. Zentraler noch ist, dass ‚Anerkennung‘ nach wie vor eher selten als ein Theorem allgemeinpädagogischer und bildungs-, lern- und erziehungstheoretischer Reflexionen auftaucht und der Zusammenhang von Anerkennung und Pädagogik bis heute vergleichsweise selten theoretisch ausgearbeitet wie empirisch bearbeitet worden ist. Vielmehr wird ‚Anerkennung‘ im erziehungswissenschaftlichen Diskurs bisweilen auch zum bloßen ‚Schlagwort‘, so dass ‚wenn Anerkennung draufsteht, bisweilen gar nicht so viel von ihr drinsteckt‘.

  7. 7.

    So begründen z. B. Holger Schoneville und Werner Thole jüngst die Notwendigkeit, in der Sozialen Arbeit „Fragen der Anerkennung eine deutlich stärkere Aufmerksamkeit zu schenken“ (Schoneville/Thole 2009, 141), folgendermaßen: „Wenn die Beobachtungen empirisch belastbar sind, dass wir gegenwärtig erstens eine verstärkte Gefährdung der Herstellung von Subjektivität und Identität, zweitens ein dynamisches Implodieren sozial gerechter Formen der Vergemeinschaftung, von tradierten sozialen Verkehrsformen und Netzwerken sowie drittens eine zugespitzte Reduktion bürgerlicher Rechte und Möglichkeiten der sozialen, kulturellen und politischen Teilhabe erleben, dann ist das Projekt der Sozialen Arbeit nicht zu denken ohne deutliche Verweise auf den Begriff der Anerkennung“ (ebd.).

  8. 8.

    Für den erziehungswissenschaftlichen Diskurs zu ‚Anerkennung‘ kann daher gelten, was Bärbel Frischmann für die Philosophie und die Kultur- und Sozialwissenschaften insgesamt herausgestellt hat: Selbst wenn die jeweiligen AutorInnen Honneths Modell „im Einzelnen kritisch gegenüberstehen, setzen sie es doch als das elaborierteste Anerkennungskonzept voraus“ (Frischmann 2009, 146).

  9. 9.

    Prengel stellt insbesondere das Selektionsprinzip der Schule ins Zentrum ihrer Kritik des Bildungswesens: Dieses habe „systematisch und regelmäßig zur Mißachtung eines Teils der Kinder und Jugendlichen (im Sinne Honneths) geführt und so längst große persönliche und gesellschaftlichen ‚Lücken aufgerissen‘“ (Prengel 1993, 61). Die ‚Pädagogik der Anerkennung‘ wirke diesen „schädlichen Folgen des im Bildungssystems vorherrschenden Selektionsprinzips entgegen“ (ebd. 62).

  10. 10.

    Diese Argumentation lässt sich auch in Studien zu Ursachen jugendlichen Gewalthandelns finden (vgl. Combe/Helsper 1994; Helsper 1995; Allert 1997; Sutterlüty 2002 und Helsper/Lingkost 2002 wie Sitzer 2009). Diese weisen Gewalthandeln als Folge von Anerkennungsdefiziten und der Verletzung von Anerkennungsbedürfnissen und -ansprüchen aus und verbinden dies teils mit schulstruktur- und schulkulturtheoretischen Überlegungen (vgl. Helsper/Lingkost 2002 wie Helsper u. a. 2001).

  11. 11.

    Vgl. zu früheren bildungstheoretisch justierten Überlegungen zu ‚Anerkennung‘ die Ausführungen in Borst 2003; vgl. auch Carsten Büngers Versuch, „zu klären, ‚ob‘ und ‚warum‘ der Anerkennungsdiskurs für bildungstheoretische Reflexionen relevant sein kann“ (Bünger 2005, 1).

  12. 12.

    Borst betont jedoch, dass der Begriff der Anerkennung „nicht nur für das Geschlechterverhältnis entscheidend“ (Borst 2003, 9) sei, sondern „Anschlüsse auch für andere Differenzverhältnisse“ (ebd.) biete; der von ihr entwickelte Anerkennungsbegriff könne „auch für andere marginalisierte Individuen oder Gruppen Geltung beanspruchen“ (ebd. 183).

  13. 13.

    Dabei gibt Borst verschiedentlich Hinweise darauf, dass Anerkennung und Bildung „über die Identität miteinander verbunden“ (Borst 2003, 180) sind, weil „Identitätsbildung […] die Basis intersubjektiver Anerkennung“ (ebd.) sei und durch Bildung „ihre historische Gestalt“ (ebd.) erhalte. Zudem seien Anerkennung und Bildung aufgrund ihres „gemeinsamen Fluchtpunkts“ (ebd. 179) und zugleich ihres „gemeinsamen Ursprung[s]“ (ebd.) der Entfremdung verbunden. ‚Entfremdung‘ sei „die Voraussetzung sowohl für die Anerkennung des Anderen als auch für Bildung“ (ebd.), weil sich Anerkennungsprozesse „nur über die Selbstentfremdung vollziehen“ (ebd.) könnten und weil Bildung „über weite Strecken ‚aus der unmittelbaren Wirklichkeit‘ herausgenommen sein“ (ebd. 210) wolle.

  14. 14.

    Stojanov betont dabei, dass er ‚Welt‘ – „im nicht-reduktionistischen Sinne“ (Stojanov 2006, 108) – als den „Horizont von Objekten und propositional strukturierten Bedeutungen für den Einzelnen“ (ebd.) versteht; ‚Welt‘ werde zumeist „ausschließlich im Sinne der Existenz von anderen, dem Bewusstsein des Einzelnen außenstehenden Personen“ (ebd.) und nicht auch als eine „zentrale[.] und selbständige[.], von der Ebene der interpersonalen Beziehungen strukturell zu unterscheidende[.] Dimension der Subjektkonstitution“ (ebd. 109) verstanden.

  15. 15.

    Dies zu berücksichtigen ist, so stellt Stojanov heraus, das Verdienst der Ansätze im Rahmen der mit den Namen Hans-Christoph Koller und Winfried Marotzki verbundenen erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung. Diese stelle eine echte ‚kopernikanische Wende‘ in der Bildungstheorie (vgl. Stojanov 2006, 41 wie 20) dar, allerdings werde sie „durch einen Verlust der normativen Kraft des Bildungsbegriffs erkauft“ (ebd. 20) und brauche daher „die Inkorporierung der Perspektive eines normativen Universalismus“ (ebd. 47).

  16. 16.

    Bildung hängt – so bringt Stojanov an anderer Stelle seine „anerkennungstheoretische Grundprämisse“ (Stojanov 2008, 526) auf den Punkt – „entscheidend von der Gewährleistung einer kontinuierlichen Erfahrung mit den Intersubjektivitätsformen des moralischen Respekts und der sozialen Wertschätzung in Bildungsinstitutionen ab[…]“ (ebd.).

  17. 17.

    Die Setzung von individueller Autonomie als normatives Leitprinzip von Bildung begründet auch Stojanovs Kritik am Postulat der ‚Anerkennung von Differenz‘: „[D]urch die Optik der Anerkennung von kulturellen Differenzen“ (Stojanov 2006, 169) werde dieses Prinzip verdeckt. Mit Fokus auf die „normativen Leitprinzipien“ (ebd. 224) der „egalitären Autonomiestiftung“ (Stojanov 2008, 525) sowie der ‚sozialen Partizipation‘ hat Stojanov eine anerkennungstheoretische „Transformation des Begriffs der Chancengleichheit“ (ebd.) vorgelegt. Bildungsbezogene Chancengleichheit besteht, so seine These, darin, „dass jedes Kind eine bestimmte Qualität schulischer Sozialbeziehungen erfährt, die sich dahingehend äußert, dass sein Potenzial anerkannt wird, über die ‚Vorgaben‘ seiner Herkunft durch Bildung hinauszuwachsen“ (ebd.). Im Blick hat Stojanov dabei „eine Idealsituation, in der jedes einzelne Kind den gleichen moralischen Respekt als Minimalvoraussetzung der Entwicklung seiner Autonomiefähigkeit erfährt“ (ebd.) und in der nicht nur sein Potenzial, „sich moralisch-argumentativ über kulturelle Differenzen hinwegzusetzen“ (ebd. 526), sondern auch sein Potenzial, „neue Fähigkeiten hervorzubringen und seine Kompetenzen stets zu erweitern“ (ebd. 528), anerkannt werde. Dabei kritisiert er, wie bereits Prengel, „Selektion als Bildungsungerechtigkeit“ (ebd. 527). Selektion setze „von ihrem Grundsatz her die Betrachtungs- und Behandlungsweise der betroffenen Kinder als schon in einem sehr frühen Alter festgelegt […] voraus“ (ebd. 528). Dies bedeute „Mangel an moralischem Respekt, der aber als Grundbedingung für die Verwirklichung des Prinzip der egalitären Autonomiestiftung anzusehen ist“ (ebd.).

  18. 18.

    Weil Bildungsprozesse „kontinuierliche Erfahrungen“ (Stojanov 2006, 223) der Anerkennung voraussetzen, müssen Lehrpersonen, so z. B. Stojanov, Anerkennungserfahrungen bei den Lernenden „gewährleisten“ (ebd. 209) und deshalb über eine „Anerkennungsfähigkeit“ (ebd. 220) und für diese wiederum über „Kompetenzen […] verfügen“ (ebd. 209).

  19. 19.

    In Überlegungen zur ‚Zumutung des Erziehens‘ (vgl. Reichenbach 2000a) stellt Roland Reichenbach heraus, dass Symmetriegebote wie auch Forderungen nach ‚gleichberechtigter Partizipation‘, gegenseitigem Verstehen und Vertrauen nicht nur wenig sagen, sondern sich auch aufgrund ihres Antagonismus zur prinzipiellen Asymmetrie des erzieherischen Verhältnisses als die erzieherische Verantwortung hintertreibende ‚Zumutung‘ erweisen und daher nicht als Leitbegriffe eines modernen Verständnisses des Erziehungsverhältnisses fungieren können.

  20. 20.

    Obwohl Levinas die französische Nationalität angenommen hat, schrieb er seinen Namen in hebräischer Schreibung ohne Akzent, ich folge dieser Schreibweise in der gesamten Arbeit, werde jedoch in Zitationen die Schreibweise mit Akzent beibehalten.

  21. 21.

    In jüngeren anerkennungstheoretischen Schriften bezieht sich Rösner jedoch vorzugsweise auf die Arbeiten Judith Butlers und stellt verstärkt die Ambivalenz von Anerkennung heraus (vgl. Rösner 2004, 2006, 2009 und 2012); vgl. zu Butlers Anerkennungsverständnis Kapitel 7

  22. 22.

    Vgl. z. B. Dederich 2001, 2002, 2004 wie 2010; Fragner 2002 und 2004 wie auch insgesamt Dederich/Jantzen 2009 und Dederich/Schnell 2010a.

  23. 23.

    Werner Helsper und Angelika Lingkost stellen ein „prinzipielles Strukturproblem bei der reflexiven Ausgestaltung der konstitutiven Antinomie von Autonomie und Zwang“ (Helsper/Lingkost 2002, 153) heraus, aus dem sich Problematiken der „moralischen Anerkennung gegenüber Schülern in der gegenwärtigen Schulstruktur“ (ebd.; vgl. Helsper u. a. 2001) ergeben, die die Partizipations- und Anerkennungsvorhaben in einen „Disziplinardiskurs“ (Helsper/Lingkost 2002, 151) umschlagen lassen.

  24. 24.

    So reformulieren zwar z. B. Werner Helsper u. a. (2005) schulische Beziehungen als Anerkennungsbeziehungen und loten die Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung der Anerkennungstheorie (Honneths) auf durch Asymmetrie und Statusungleichheit gekennzeichnete Beziehungen aus. Dazu aber rekonstruieren sie vorrangig individuelle Bildungsgeschichten als Anerkennungsgeschichten und untersuchen folglich nicht, wie Anerkennung z. B. im Unterricht praktiziert wird. Zudem verstehen sie schulische Anerkennungsräume vorwiegend als Integrations- und Partizipationsräume (vgl. exemplarisch Helsper u. a. 2006 wie darin Helsper 2006).

  25. 25.

    Insbesondere in seinen Ausführungen zur symbolischen Herrschaft verweist Pierre Bourdieu darauf, dass Akteure in sozialen Feldern „jeweils proportional zum Umfang ihres symbolischen Kapitals“ (Bourdieu 1985, 23) die Möglichkeit haben, „sich Anerkennung zu verschaffen“ (Bourdieu 1998, 42); zur Bedeutung von Anerkennung und Macht bei Bourdieu vgl. Kapitel 8; vgl. zu einem anerkennungstheoretisch justierten Versuch der Verbindung des Honnethschen Ansatzes mit der Soziologie Pierre Bourdieus nur exemplarisch die – auf den Wandel von Reproduktionsformen von Bildungseliten in Anerkennungsbeziehungen bzw. -arenen fokussierenden – Überlegungen in Büchner/Brake 2006.

  26. 26.

    Darauf, dass die Gefahr einer Reifizierung von Differenz(en) nicht minder auch für die Forschungspraxis zu veranschlagen ist, sei hier nur hingewiesen; vgl. exemplarisch für durchaus viele Diehm u. a. 2010.

  27. 27.

    Vor diesem Hintergrund wird – mit Blick z. B. auf die ‚strategische Instrumentalisierung der Subjektivität der Arbeitenden‘ (vgl. Kocyba 2000) sowie den Zusammenhang von ‚Macht und Subjektivierung in modernen Beschäftigungsverhältnissen Angestellter‘ (vgl. Wetzel 2004a) – die Frage nach dem ‚Preis der Anerkennung‘ bearbeitet (vgl. insgesamt Wetzel 2004a und 2004b sowie Kobyca 2000; vgl. zum Zusammenhang von Anerkennung und Arbeit exemplarisch auch Holtgrewe u. a. 2000; Rössler 2005 und 2007 sowie Honneth 2008b wie 2009).

  28. 28.

    So wurden z. B. verschiedentlich Politiken der Anerkennung konzipiert, die auf die Dekonstruktion von (Gruppen-)Identitäten sowie auf die Destabilisierung und Zersetzung von binären Gegensätzen (wie insbesondere männlich/weiblich, eigen/fremd, zugehörig/ ausgeschlossen oder gesund/behindert) abzielen (sollen) (vgl. Bhabha 2000; Nealon 1998; Castro Varela/ Dhawan 2005 wie Zeillinger 2010b).

  29. 29.

    Frederik Neuhouser hat nicht nur die These begründet, dass Rousseau „der erste Denker in der Geschichte der Philosophie“ (Neuhouser 2008, 899) gewesen ist, „der das Streben nach Anerkennung durch Andere im Innersten der menschlichen Natur lokalisiert und es damit zu einem zentralen Thema der Moral-, Sozial-und politischen Philosophie“ (ebd.) gemacht habe, sondern auch betont, dass „die Ansichten Kants, Hegels und aller späteren Theoretiker der Anerkennung […] als Weiterentwicklungen oder Revisionen der Rousseauschen Position“ (ebd.) zu begreifen sind. Es ließe sich „ohne Übertreibung sagen, dass sich die Philosophie der Anerkennung im 19. und 20. Jahrhundert zu Rousseau verhält wie die abendländische Philosophie zu Platon: als eine Reihe von Fußnoten“ (ebd.; vgl. auch insgesamt Neuhouser 2010, Todorov 1998, 23ff., Taylor 1993, Nothdurft 2007). Neben durchaus vielen anderen (vgl. Halbig 2006 wie Düsing 2000) hat jüngst Bärbel Frischmann in auch pädagogischer Perspektive verdeutlicht, dass „mit Fichte […] Anerkennung in den Status eines systematischen Begriffs erhoben worden“ (Frischmann 2009, 147) ist. Hegel übernehme von Fichte „das Anliegen, den Anerkennungsbegriff für die Erklärung der Genese von Selbstbewusstsein wie auch für die Beschreibung von Personalität und dann für die Behandlung von Recht und Sittlichkeit“ (ebd. 146) zu veranschlagen. Zu Unrecht werde „[d]iese Theoriegenese […] in der Rezeption des Anerkennungsbegriffs zumeist ignoriert oder nur am Rande erwähnt“ (ebd. 146f.).

  30. 30.

    Nancy Fraser wirft Honneth vor, dass er die Anerkennungskategorie „bis hin zu dem Punkt [überstrapaziert], da sie ihre kritische Kraft einbüßt“ (Fraser 2003b, 231). Indem Honneth, so Fraser, „den Begriff der Anerkennung bis zur Unkenntlichkeit aufbläht, macht er aus einer treffsicheren Handhabe der Gesellschaftskritik ein stumpfes Allzweckinstrument, mit dem den Herausforderungen unserer Zeit nicht Herr zu werden ist“ (ebd.). An Anerkennung als einem diagnostischen Instrument der Gesellschaftskritik festhaltend, entwickelt Fraser eine zweidimensionale Konzeption der Gerechtigkeit, in der der Anerkennungsbegriff mit dem Begriff der Umverteilung verbunden und entgegen der Auslegungen von Axel Honneth und Charles Taylor bestimmt wird; vgl. das Kapitel 4.1.

  31. 31.

    Vgl.: „Wenn ich der Frage nach dem Wie einen gewissen vorläufigen Vorzug zubillige, so nicht, weil ich die Frage nach dem Was und dem Warum ausschalten will, sondern weil ich sie anders stellen will, oder besser, weil ich erkennen will, ob es legitim ist, sich eine MACHT vorzustellen, die ein Was, ein Warum, ein Wie in sich vereinigt. Schroff gesagt, führt gerade der Beginn der Analyse mit dem Wie zu dem Verdacht, daß die MACHT nicht existiert; jedenfalls führt es zu der Frage, welche bestimmbaren Inhalte denn gemeint sein sollen, wenn man diesen majestätischen, globalen und substantivierenden Begriff verwendet. Dahinter steht der Verdacht, daß man ein Ensemble sehr komplexer Realitäten verpaßt, wenn man ewig um die Doppelfrage: Was ist die MACHT? Woher kommt die MACHT? herumschleicht. Die kleine, platte und empirische, gewissermaßen als Spähtrupp vorgeschickte Frage: Wie spielt sich das ab? hat nicht die Funktion, eine ‚Metaphysik‘ oder ‚Ontologie‘ der Macht einzuschmuggeln, sondern dient dazu, eine kritische Untersuchung der Machtthematik anzugehen“ (Foucault 1994a, 251).

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Balzer, N. (2014). Auf den Spuren der Anerkennung: Einleitung zu einer ‚Arbeit an den Grenzen‘. In: Spuren der Anerkennung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03047-6_1

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