Zusammenfassung
Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität versuchen Krankenhäuser in den letzten Jahren, die Ansätze des Lean Production aus der Automobilproduktion unter den Stichworten „Lean Hospital” und „Lean Health Care” in die Gesundheitsbranche zu übertragen. Mit Hinweis auf vermeintliche Dienstleistungsbesonderheiten droht die Umsetzung von Lean Methoden in Dienstleistungsbranchen jedoch ins Stocken zu geraten. Vielfach werden Unterschiede zwischen dem sekundären und tertiären Sektor auf der Ebene der Arbeitsprozesse betont, statt Gemeinsamkeiten zu suchen und kreativ zu nutzen. Vor dem Hintergrund der Adaptionsprobleme sollen im Rahmen des vorliegenden Beitrags auf Grundlage einer breitenempirischen Studie die Übertragbarkeit der Lean Management Methoden in den Dienstleistungsbereich überprüft werden. Dabei wird gezeigt, dass abseits vieldiskutierter Unterschiede zwischen Sachgüter- und Dienstleistungserstellung auf der Arbeitsprozessebene sehr oft gleiche oder ähnliche produktivitätsbestimmende Probleme herrschen, die somit eine kreative Übertragung bewährter Methoden des Lean Managements zur Steigerung der Dienstleistungsproduktivität ermöglichen. Gleichzeitig wird am Beispiel einer Wertstrommethode (Value Stream Mapping) im Krankenhaus exemplarisch aufgezeigt, wie ein konkreter Tooleinsatz im Gesundheitsbereich aussehen kann und welche Erfolgspotenziale auf diese Weise gehoben werden können. Auf der Grundlage der skizzierten Problemstellung ist es Ziel des Beitrags, empirisch fundierte Hinweise zu den Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit der japanischen Philosophie des verschwendungsarmen Arbeitens in den Dienstleistungsbereich zu geben.
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Die Befunde der empirischen Erhebung basieren auf einer branchenübergreifenden Querschnittserhebung. Den Feldzugang ermöglichten die Nutzung einer kommerziellen Adressdatenbank sowie eigene Recherchen über das Business-Netzwerk Xing. Auf diesem Wege konnten 5000 Fragebögen verschickt werden, von denen 316 (1,6 % aus dem primären Sektor; 46,4 % aus dem sekundären Sektor; 52,0 % aus dem tertiären Sektor) verwertbar ausgefüllt zurückgeschickt wurden, was einer Rücklaufquote von 6,3 % entspricht. Die dargestellten Ergebnisse basieren auf einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt (Förderkennzeichen: 01FL10053).
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Bei der Analyse eines Wertstroms unterscheidet die japanische Lean-Management-Philosophie zwischen drei unterschiedlichen Typen: Wertschöpfende Tätigkeiten definieren Schritte im Leistungsprozess durch die eine Produkt oder eine Dienstleistung einen Mehrwert erhält und für die der Kunde bereit ist, zu zahlen. Im Gegensatz hierzu beschreibt die offensichtliche Verschwendung, oder auch MUDA Typ 2 oder Blindleistung genannt, diejenigen Tätigkeiten, die keinen Mehrwert generieren und die sich direkt vermeiden lassen. In der Lean-Management-Literatur zählen unter anderem auch Überproduktion, hohe Bestände und lange Wartezeiten zur offensichtlichen Verschwendung. Einen Sonderfall stellt die verdeckte Verschwendung, oder auch MUDA Typ 1 oder Scheinleistung genannt, dar. Auch diese Tätigkeiten generieren keinen Mehrwert für den Kunden, sind für die Erstellung eines Produktes aber notwendig und erforderlich. Diese Art der Verschwendung gilt es auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Hierzu zählen unter anderem die innerbetriebliche Materialversorgung oder die Prüfung und Sicherstellung der Qualität im Verlauf des Wertschöpfungsprozesses (vgl. Womack und Jones 2004, S. 28 f.).
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Die dargestellten Abb. 17.2 und Abb. 17.3 zeigen eine Auswahl an Tipps und Tools zum verschwendungsarmen Arbeiten der breitenempirisch erhobenen Studie des Instituts für angewandte Innovationsforschung (IAI) e. V. an der Ruhr-Universität Bochum. Zur vollständigen Diskussion der branchenübergreifenden Ergebnisse siehe Kerka et al. (2013).
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Knickmeier, A., Nottmeier, S., Albers, S., Rabsahl, T. (2014). Die Lean Production Philosophie im Health Service Management. In: Bornewasser, M., Kriegesmann, B., Zülch, J. (eds) Dienstleistungen im Gesundheitssektor. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02958-6_17
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