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Die Rolle moralischer Werte in der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2004

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Deutschland und Amerika aus der Sicht Max Webers

Part of the book series: Studien zum Weber-Paradigma ((SZWP))

  • 1535 Accesses

Zusammenfassung

Ganz Europa hat sich dieselbe Frage gestellt: Wie konnten die Amerikaner 2004 George W. Bush wählen? Was hat, angesichts einer schwierigen Wirtschaftslage und eines quälenden Krieges im Irak, seine deutliche Niederlage gegenüber John Kerry verhindert? 22 Prozent der amerikanischen Wähler gaben an, ‚moralische Werte‘ seien ‚das wichtigste Thema‘ bei der Wahl. 20 Prozent bezeichneten die Wirtschaft, 19 Prozent den Terrorismus und 15 Prozent den Irak als ‚am wichtigsten‘. Was sind nun ‚moralische Werte‘ und warum waren sie wichtiger als der Krieg im Irak?

Übersetzt von Dr. Ursel Schäfer; durchgesehen vom Verfasser.

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Notes

  1. 1.

    Bush gelang es, in seinem Wahlkampf den internationalen Terrorismus und den Irakkrieg zu einem Thema zu verschmelzen, was ihm sehr zugute kam. Eine ausführlichere Erörterung dieses Aspekts ist unerlässlich, um den Wahlausgang vollständig zu verstehen, aber sie bleibt einer eigenen Analyse vorbehalten. Siehe Danner 2008.

  2. 2.

    In den Vereinigten Staaten glauben sehr viel mehr Bürger an Gott als in anderen westlichen Ländern (fast 94 Prozent). In Gallup-Umfragen geben regelmäßig rund 40 Prozent der Amerikaner an, dass sie jede Woche den Gottesdienst besuchen. Siehe Hadaway, Kirk, Marter und Chaves 1993. Diese erheblichen Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Europa beim Thema gläubig oder säkular können gar nicht überschätzt werden.

  3. 3.

    Max Weber scheint unter den Klassikern der Soziologie die klare Ausnahme zu sein. Tocqueville hat zwar herausgearbeitet, wie viel weiter als in Europa die Bürgervereine in Amerika entwickelt waren, aber er übersah ihre Ursprünge in den protestantischen Sekten. Siehe Kapitel 4.

  4. 4.

    Interessanterweise waren alle Verfechter der Ansicht, dass Säkularisierung und Industrialisierung Hand in Hand gehen, europäische Denker (wie Tönnies, Durkheim, Spencer und Simmel).

  5. 5.

    Dieser Abschnitt folgt Weber 1988b: 163–206; 1988c.

  6. 6.

    Eine weiter gehende Analyse transkultureller Unterschiede, wie die Wähler bei Ihrer Wahlentscheidung die Sachkenntnis von Kandidaten bewerten, müsste nicht nur das asketisch-protestantische Erbe betonen, sondern eine Reihe weiterer Faktoren wie die ‚Leistungsorientierung‘ der amerikanischen Gesellschaft mit ihrem relativ hohen Maß an beruflicher Mobilität und offenen Arbeitsmärkten sowie den verbreiteten Populismus und das soziale Gleichheitsdenken. All das trägt erheblich zum amerikanischen Misstrauen gegenüber Berufspolitikem, Politikexperten, Regierungsbediensteten und Intellektuellen bei (siehe Fn. 13).

  7. 7.

    Das ist, in denkbar knappster Form skizziert, Webers Argumentation. Siehe Weber 1988b: 163–206; Kalberg 2011.

  8. 8.

    Bemerkenswerterweise fehlt in Bellahs Analyse der amerikanischen ‚Zivilreligion‘ vollkommen die ihr zugrundeliegende asketische Komponente. Die Erneuerung der Zivilreligion (durch Feiertage usw.) wäre ohne den Fortbestand dieses Elements nicht möglich. Siehe Bellah 1963.

  9. 9.

    Aktuellen Umfragen zufolge sind 63 Prozent der Eltern sehr besorgt über sexuelle Darstellungen im Fernsehen, 58 Prozent sind besorgt über Gewaltdarstellungen.

  10. 10.

    Dass die Vereinigten Staaten jedes Jahr das Ziel von Millionen von Immigranten sind, trägt indirekt zu diesem Provinzialismus bei: Der Zustrom so vieler Menschen bestätigt die Amerikaner in ihrer Überzeugung, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Und er rechtfertigt es, dass die Amerikaner mehr auf sich selbst blicken als auf das Ausland. Ähnliches gilt für den amerikanischen Wohlstand und eine starke amerikanische Wirtschaft.

  11. 11.

    Die ‚gebrochene‘ Weltsicht von Nachkriegsdeutschland steht am anderen Ende des Spektrums der nationalen Identität.

  12. 12.

    Dieses große und komplexe Thema – die Rolle der Intellektuellen – verdient eine genauere Betrachtung. Doch zwei Punkte sollen im Kontext der hier vorgelegten Analyse erwähnt werden:

    1. (1)

      Die Rolle des Intellektuellen als Kritiker der politischen Verhältnisse ist in Europa geläufig. Die Selbstdefinition der Intellektuellen und ihre daraus folgende Pflicht sind ganz eindeutig: Sie sollen das politische Leben beobachten und die Politiker zwingen, Rechenschaft abzulegen. Für amerikanische Intellektuelle gilt das sehr viel weniger. Wieder spielt hier eine entscheidende Rolle, dass politisch-ethisches Handeln diffus in zahllosen Bürgervereinen lokalisiert wird und weniger in den politischen Parteien und im Staat (siehe Kapitel 4 und 5). Das fördert einerseits eine populistische Orientierung und schwächt den Status aller Eliten einschließlich der Gelehrten und Denker, andererseits hat es zur Folge, dass die Kritik der Intellektuellen pluralistisch zersplittert. Die Rolle als politische Kommentatoren und Kritiker war nur eine unter vielen. Mit anderen Worten: Der Intellektuelle in Amerika versteht sich weniger als ‚Politikkritiker‘, aber sehr viel stärker als in Europa übernimmt er die Rolle des ‚Sozialkritikers‘. Die amerikanischen Intellektuellen äußern sich nur bei außerordentlichen politischen Umständen in einem ähnlichen Maß wie die europäischen kritisch zu politischen Fragen.

    2. (2)

      Soweit sich die amerikanischen Intellektuellen wie ihre Pendants in Europa mit dem Staat befassen, seinen Aufgaben und dem Feld der Politik allgemein, wird ihnen in den Vereinigten Staaten weniger Beachtung geschenkt, als es in Europa der Fall ist, und ihre Stimmen haben weniger Gewicht. Wieder hängt das damit zusammen, dass das politisch-ethische Handeln auf einer anderen Ebene lokalisiert ist, nämlich in den verschiedenen Bürgervereinen. Das verhindert, dass eine bestimmte Gruppe sich kontinuierlich über einen längeren Zeitraum Gehör verschaffen kann. Typisch für die dynamische, ruhelose politische Landschaft in Amerika ist ein vielstimmiger Chor – und die Botschaft des Intellektuellen (wenn er sich äußern darf) zählt nur wenig mehr (wenn überhaupt) als die Stimmen aller anderen, die sich äußern (Gäste in Talkshows, Journalisten, Experten zu einem bestimmten Thema, Prominente usw.). Der Umstand, dass die amerikanische Politik nie durch rechte und linke ‚Weltanschauungen‘ gefiltert wurde, hat ebenfalls den Einfluss der Intellektuellen geschwächt. Dieses Thema verdient eine ausführliche Untersuchung.

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© 2013 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Kalberg, S. (2013). Die Rolle moralischer Werte in der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2004. In: Deutschland und Amerika aus der Sicht Max Webers. Studien zum Weber-Paradigma. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02840-4_7

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