Zusammenfassung
Dass Lehrjahre keine ‚Herrenjahre‘ sind, ist eine Weisheit, die besonders auf die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im deutschen Wissenschaftssystem zutrifft. Als problematisch auf dem Weg zur Professur erweisen sich die geringe Vergütung in der langen Qualifikationsphase, der Leistungsdruck und die hohe Selektivität der wissenschaftlichen Laufbahn bei gleichzeitig weiterbestehender Subjektivität bei der Besetzung der Lehrstühle. Besonders gravierend ist jedoch der letzte Faktor, der zu einer hohen Unsicherheit des Berufsweges führt. Verschärft wird das Problem durch die zunehmende Tendenz zu einer befristeten Anstellung. Der Beitrag von Tuttenuj nimmt diesen Befund zum Anlass, die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses von heute mit der Lage der Generation von Promovierenden und Post-Docs vor zwanzig Jahren zu vergleichen. Zunächst beleuchtet der Autor die bedeutendsten Regeländerungen der wissenschaftlichen Laufbahn in Deutschland, bevor er die methodische Vorgehensweise des intergenerationellen Vergleichs erläutert und insbesondere auf die problematische Datenlage eingeht. Der eigentliche Vergleich erfolgt anhand quantitativer Faktoren wie der Dauer, Befristung, Selektivität und Finanzierung des wissenschaftlichen Karrierewegs sowie anhand qualitativer Faktoren wie der wahrgenommenen Berufszufriedenheit, der Planbarkeit des Berufsweges sowie der subjektiv empfundenen Arbeitsplatzsicherheit. In der Zusammenschau ergibt sich ein differenziertes Bild: Die gegenwärtige Generation des wissenschaftlichen Nachwuchses hat demnach weder Anlass zu Schwarzmalerei, noch zu überschwänglichem Enthusiasmus.
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Vgl. hierzu die 1996 verfasste Definition des deutschen Wissenschaftsrates, laut der zu der Gruppe alle Personen gehören, die „sich im Anschluss an einen ersten Studienabschluss durch wissenschaftliche Arbeit an einer Hochschule oder einer außeruniversitären Forschungseinrichtung für eine Tätigkeit qualifizieren, in der sie an der Mehrung und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Innovationen mitwirken können“ (zit. in Jaksztat und Briedis 2009, S. 1 f.). Eingegrenzt werden kann diese Gruppe anhand ihrer Position innerhalb der wissenschaftlichen Laufbahnen an den Hochschulen. Demnach fallen hierunter wissenschaftliche Beschäftigte unterhalb der Professorenränge, mit Ausnahme der Juniorprofessoren.
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Für eine ausführliche Liste von Faktoren: (Kreckel und Pasternack 2008, S. 40).
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Darunter lässt sich zum Beispiel die Ausweisung neuer Studiengänge anführen, die spezialisierte Teilbereiche traditioneller Fachrichtungen stärker oder ausschließlich fokussieren.
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So haben Kreckel und Pasternack (2008, S. 43) beispielsweise die Vielfalt der Mittelbaustellen in den einzelnen Bundesländern aufgezählt.
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Neben den gängigen Handbüchern zur Studiengangreform und dem Bologna-Prozess hat jüngst die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine Bestandsaufnahme der Situation nach der Einführung der neuen Abschlüsse vorgelegt: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2009.
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Allerdings haben die bisher erfolgten Reformmaßnahmen nicht alle von den Autoren erläuterten Strukturen verändert und die mit ihnen verbundenen Probleme zu lösen vermocht. Daher erfolgt ihre Beschreibung teils in der Gegenwartsform.
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Vgl. zu den Zahlen Abschn. 4.1.
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Deutlicher sprach sich ein gemeinsames Papier von Thesis, ver.di, PromovierendenInitiative, BuKoF, BAM, DGB und wissenschaftlichernachwuchs.de gegen die Habilitation aus, siehe „Wissenschaftliche Qualifizierung für morgen und übermorgen – Die Dienstrechtsreform aus der Sicht des Wissenschaftlichen Nachwuchses. Gemeinsame Erklärung. Berlin 19.10.2001.
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Für die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Fachbereich Medizin beträgt der Befristungszeitraum 15 Jahre, wobei sich im Vergleich die Post-Doc-Phase um drei Jahre verlängert.
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Genauer ist hier der so genannte chronologisch-temporale Generationenbegriff gemeint, der vom chronologisch-intertemporalen Begriff zu trennen ist. Bei diesem handelt es sich um die in einem bestimmten Zeitraum lebende Gesamtheit der Bevölkerung. Der Unterschied zu ersterem Generationenbegriff besteht darin, dass somit zwei Generationen nie zur selben Zeit leben können (Tremmel 2011, S. 102).
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Hierbei handelt es sich um Brutto-Beträge.
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Die durch Drittmittel finanzierten Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter beschäftigten sich eher weniger mit Lehrtätigkeiten.
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Tuttenuj, D. (2014). Die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses im Kohortenvergleich. In: Tremmel, J. (eds) Generationengerechte und nachhaltige Bildungspolitik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02742-1_8
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