Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich der deutschen Familienpolitik und zeigt anhand einer Auswertung der Familienberichte der Bundesregierung, inwieweit sich der öffentliche Sprachgebrauch hinsichtlich des familienpolitischen Leitbildes gewandelt hat.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsNotes
- 1.
Beispielhaft ist die (Vollzeit-)Schulpflicht für Kinder in der Regel von neun Jahren.
- 2.
Eine Ausnahme stellt hierbei der erste Familienbericht dar, der nicht von Sachverständigen formuliert und von der Regierung kommentiert, sondern vollständig im Ministerium erstellt wurde. Alle späteren Familienberichte weisen eine „duale Struktur“ auf, das heißt, sie enthalten einen wissenschaftlichen Teil, mit dessen Erstellung externe Experten beauftragt werden und der den „Ist-Zustand“ der Familien in Deutschland beschreibt, und einen politischen Teil, in dem die Bundesregierung eine Stellungnahme zu dem Expertenbericht vorlegt und einen „Soll-Zustand“, das heißt normative Grundlagen und Meilensteine zukünftiger Familienpolitik, definiert. In dieser Stellungnahme werden stets auch die familienpolitischen Leitbilder formuliert.
- 3.
Allerdings streben die von Walter (1993) und Peuckert (1996) entwickelten Kriterienkataloge keine Messung von Ökonomisierung an und müssen deshalb deutlich modifiziert werden. Lediglich die wertbasierten Prinzipien familienpolitischer Leitbilder (im Folgenden „Grundsatznormen“ genannt) werden von den beiden Autoren übernommen und um definitorische Merkmale von Familie und um eine gesonderte Beschreibung der Funktionen von Familie ergänzt, um die Fragestellung dieser Arbeit zufriedenstellend beantworten zu können. Verzichtet wird hingegen auf das von Walter angeführte Kriterium der „Institutionalisierung von Familie als gesondertem gesellschaftlichen Bereich“, da dieses in allen Berichten gleichermaßen mit Bezug auf eine entsprechende Festlegung in Artikel 6 GG erfüllt wird.
- 4.
Aus Platzgründen werden in den Quellenangaben zu den Familienberichten Abkürzungen verwendet: FB steht für Familienbericht. Die Stellungnahmen der Bundesregierung werden in den meisten Berichten mit römischen Zahlen nummeriert, die Berichte der Sachverständigenkommission folgen dem arabischen Zahlensystem. Die umfassenden Quellenangaben finden sich im Literaturverzeichnis; Herausgeber der Berichte ist jeweils das für Familienfragen zuständige Bundesministerium.
- 5.
Man könnte ob der Verwurzelung der CDU im Christentum durchaus die entgegengesetzte These vertreten. Im Rahmen unseres Erkenntnisinteresses liegt jedoch unsere Vermutung näher.
- 6.
Vgl. die Beiträge von Lemke/Schaal und Dumm/Ritzi in diesem Band.
- 7.
Selbstverständlich müsste eine entsprechende Untersuchung jedoch auf Gesetzesvorschläge eingehen, die konservative Lebensmodelle begünstigen wie das Betreuungsgeld, das seit dem 1. August 2013 einen finanziellen Ausgleich für die Familien bietet, deren Kinder keine Kindertagesstätte o. ä. besuchen.
- 8.
Für einen umfassenden Überblick über den Postdemokratiediskurs vgl. Ritzi 2014.
Literatur
Behning, Ute. 1996. Zum Wandel des Bildes „der Familie“ und der enthaltenen Konstruktionen von „Geschlecht“ in den Familienberichten 1968 bis 1993. Zeitschrift für Frauenforschung 14 (3): 146–156.
Biebricher, Thomas. 2012. Neoliberalismus zur Einführung. Hamburg: Junius.
Bleses, Peter, und Rose Edgar. 1998. Deutungswandel der Sozialpolitik: Die Arbeits- und Familienpolitik im parlamentarischen Diskurs. Frankfurt a. M.: Campus.
Blühdorn, Ingolfur. 2012. Die Postdemokratische Konstellation. Was meint ein soziologisch starker Begriff der Postdemokratie? In Demokratie! Welche Demokratie?: Postdemokratie kritisch hinterfragt, Hrsg. Nordmann Jürgen, Hirte Katrin, und Ötsch Walter, 69–93. Marburg: Metropolis.
Bourdieu, Pierre. 1992. Die verborgenen Mechanismen der Macht. Hamburg: VSA.
Brown, Wendy. 2003. Neo-liberalism and the end of liberal democracy. Theory and Event 7 (1).
Brown, Wendy. 2006. American nightmare: Neoliberalism, neoconservatism, and de-democratization. Political Theory 34 (6): 690–714.
Bundesministerium für Familie und Jugend. 1968. Bericht der Bundesregierung über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland – Erster Familienbericht. Bonn.
Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Hrsg. 1975. Zweiter Familienbericht. Bonn: Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit.
Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Hrsg. 1979. Die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland – Dritter Familienbericht. Bonn.
Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Hrsg. 1986. Die Situation der älteren Menschen in der Familie – Vierter Familienbericht. Bonn: Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg. 1994. Familien und Familienpolitik im geeinten Deutschland – Zukunft des Humanvermögens. Fünfter Familienbericht. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg. 2000. Familien ausländischer Herkunft in Deutschland. Leistungen, Belastungen, Herausforderungen. Sechster Familienbericht. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg. 2006. Familien zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit – Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik. Siebter Familienbericht. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hrsg. 2012. Zeit für Familie – Familienzeitpolitik als Chance einer nachhaltigen Familienpolitik. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Butterwegge, Christoph, Bettina Lösch, und Ralf Ptak, Hrsg. 2008. Neoliberalismus: Analysen und Alternativen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Crouch, Colin. 2008. Postdemokratie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Crouch, Colin. 2011. Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus: Postdemokratie II. Berlin: Suhrkamp.
Cyprian, Gudrun. 2003. Familienbilder als Forschungsthema. In Familienbilder. Interdisziplinäre Sondierungen, Hrsg. Gudrun Cyprian und Marianne Heimbach-Steins, 9–22. Opladen: Leske und Budrich.
Dean, Jodi. 2009. Politics without politics. Parallax 15 (3): 20–36.
Evers, Adalbert, und Rolf G. Heinze. 2008. Sozialpolitik: Gefahren der Ökonomisierung und Chancen der Entgrenzung. In Sozialpolitik. Ökonomisierung und Entgrenzung, Hrsg. Adalbert Evers und Rolf G. Heinze, 9–27. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Foucault, Michel. 1977. Die Ordnung des Diskurses: Inauguralvorlesung am Collège de France, 2. Dezember 1970. Frankfurt a. M.: Ullstein.
Foucault, Michel. 2004. Geschichte der Gouvernementalität I – Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Vorlesung am Collège de France 1977–1978. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Geller, Helmut, und Karl Gabriel. 2004. Ambulante Pflege zwischen Familie, Staat und Markt. Freiburg: Lambertus.
Gerlach, Irene. 1996. Familie und staatliches Handeln: Ideologie und politische Praxis in Deutschland. Opladen: Leske und Budrich.
Gerlach, Irene. 2004. Familienpolitik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Giesel, Katharina. 2007. Leitbilder in den Sozialwissenschaften – Begriffe, Theorien und Forschungskonzepte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Göhler, Gerhard. 1997. Der Zusammenhang von Institution, Macht und Repräsentation. In Institution – Macht – Repräsentation. Wofür politische Institutionen stehen und wie sie wirken, Hrsg. Gerhard Göhler, et al., 11–62. Baden-Baden: Nomos.
Hörnlein, Frank. 2000. Leitbilder im Zielsystem der europäischen Integration. Berlin: Köster.
Hülskamp, Nicole, und Susanne Seyda. 2004. Staatliche Familienpolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Ökonomische Analyse und Bewertung familienpolitischer Maßnahmen. Köln: Deutscher Institus-Verlag.
Kaufmann, Franz-Xaver. 1995. Zukunft der Familie im vereinten Deutschland. Gesellschaftliche und politische Bedingungen. München: Beck.
Landwehr, Achim. 2008. Historische Diskursanalyse. Frankfurt a. M.: Campus.
Lee, Jin-Sook. 1999. Familie und staatliche Familienpolitik in Deutschland im Lichte der sozialwissenschaftlichen Diskussion: Rekapitulation und kritische Analyse. Würzburg: Ergon.
Leitner, Sigrid. 2008. Ökonomische Funktionalität der Familienpolitik oder familienpolitische Funktionalisierung der Ökonomie? In Sozialpolitik. Ökonomisierung und Entgrenzung, Hrsg. Adalbert Evers und Rolf Heinze, 67–82. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Leu, Hans Rudolf. 1997. Die Familienberichte der Bundesregierung. In Sozialberichterstattung in Deutschland – Konzepte, Methoden und Ergebnisse für Lebensbereiche und Bevölkerungsgruppen, Hrsg. Heinz-Herbert Noll, 73–92. Weinheim: Juventa.
Mouffe, Chantal. 1993. The return of the political. London: Verso.
Münch, Ursula. 1990. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland: Maßnahmen, Defizite, Organisation familienpolitischer Staatstätigkeit. Freiburg: Lambertus.
Ostner, Ilona. 2008. Ökonomisierung der Lebenswelt durch aktivierende Familienpolitik? In Sozialpolitik: Ökonomisierung und Entgrenzung, Hrsg. Adalbert Evers und Rolf Heinze, 49–66. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Peuckert, Rüdiger. 1996. Familienformen im sozialen Wandel. 2. Aufl. Opladen: Leske und Budrich.
Rancière, Jacques. 2002. Das Unvernehmen: Politik und Philosophie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Ristau, Malte. 2005. Der ökonomische Charme der Familie. Aus Politik und Zeitgeschichte 6 (23–24): 16–22.
Ritzi, Claudia. 2014. Die Postdemokratisierung politischer Öffentlichkeit: Kritik zeitgenössischer Demokratie – theoretische Grundlagen und analytische Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS.
Statistisches Bundesamt. 2011. Statistisches Jahrbuch 2011. Wiesbaden.
Streeck, Wolfgang. 2013. Gekaufte Zeit: Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Berlin: Suhrkamp.
Vorländer, Hans, Hrsg. 2006. Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Walter, Wolfgang. 1993. „Ich bin nur mäßig enttäuscht darüber“: Zur Interpretation der Familienberichterstattung und der Sachverständigen-Rolle im Lichte von Experteninterviews. Universität Konstanz, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Fachgruppe Soziologie.
Weber, Max. 1984. Soziologische Grundbegriffe. 6. Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr.
Wingen, Max. 1994. Zur Theorie und Praxis der Familienpolitik. Frankfurt a. M.: Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge.
Wolin, Sheldon S. 2008. Democracy incorporated: Managed democracy and the specter of inverted totalitarianism. Princeton: Princeton University Press.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Ritzi, C., Kaufmann, V. (2014). Vom „menschlichen Grundbedürfnis“ zum „Humanvermögen“. In: Schaal, G., Lemke, M., Ritzi, C. (eds) Die Ökonomisierung der Politik in Deutschland. Kritische Studien zur Demokratie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02620-2_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-02620-2_5
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-02619-6
Online ISBN: 978-3-658-02620-2
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)