Zusammenfassung
Der ökonomische Aufstieg von China, Indien, Südafrika und Brasilien macht diese Länder zu wichtigen Gebern in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Verwandeln die großen Schwellenländer ihre neue Position in gestiegenen Einfluss im Entwicklungsregime der Vereinten Nationen (VN), und wenn nein, warum nicht? Eine Analyse der a) Finanzbeiträge zum VN-Entwicklungssystem, b) der Süd-Süd- Kooperation innerhalb der VN und c) der Haltung der vier Länder in Bezug auf das Development Cooperation Forum zeigt, dass die Staaten weitestgehend auf ihren traditionellen Status als Empfängerländer in VN-Entwicklungssystem beharren und gegenüber einem als dominant bezeichneten Lager der Industrieländer ihren Status als Entwicklungsländer verteidigen. Diese Zurückhaltung kann dadurch erklärt werden, dass ein verändertes Verhalten materielle und politische Kosten verursacht, die den potentiellen Nutzen übersteigen würden. Aber auch der gemeinsame Erfahrungshorizont als Entwicklungsland und die jahrzehntelange Abgrenzung von traditionellen Geberländern machen es schwierig, eine neue Rolle zu finden.
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Notes
- 1.
Die Entwicklungsländer verfügen über mehr als zwei Drittel der Stimmrechte in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und über eine etwas geringere Mehrheit in Organen wie dem Wirtschafts- und Sozialrat sowie den Aufsichtsgremien der VN-Fonds und -Programme, deren Mitgliedszahl begrenzt ist.
- 2.
Dies könnte etwa analog zur Gründung der BRICS-Entwicklungsbank erfolgen. Kommentatoren interpretieren diesen Schritt als bewusste Umgehung der multilateralen Finanzinstitutionen, wie etwa der Weltbank, und erwarten eine weitreichende Erosion des westlich dominierten Finanzsystems durch dezentralisierte und regionale Neugründungen von Entwicklungs- und Schwellenländern (Desai 2012).
- 3.
Das allgemeine Verständnis von Süd-Süd-Kooperation reicht weiter als die Definition des OECD-DAC für Entwicklungszusammenarbeit, indem es alle Formen der wirtschaftlichen und politischen Kooperation, und damit auch marktvermittelte Transaktionen, einschließt (Chaturvedi 2012a, S. 25).
- 4.
Die VN-Mitgliedsstaaten haben nur die Verpflichtung, für das Kernbudget der Weltorganisation, das die Infrastruktur und Gehaltskosten des Sekretariats sowie Friedens- und politische Missionen abdeckt, zu zahlen. Die jeweiligen Pflichtbeiträge werden auf Grundlage der Zahlungsfähigkeit eines Landes bestimmt, die sich aus dem Bruttonationaleinkommen und anderen ökonomischen Faktoren wie Auslandverschuldung und Pro-Kopf-Einkommen ergibt (Hüfner 2003).
- 5.
Dabei werden sogenannte lokale Ressourcen nicht berücksichtigt. Diese Mittel werden von Regierungen an VN-Organisationen gezahlt, um Leistungen im eigenen Land zu ermöglichen.
- 6.
Für jedes der vier Länder existiert ein UN Development Assistance Framework, das die diversen Aktivitäten der VN-Entwicklungsorganisationen (beispielsweise 13 präsent in Südafrika und 23 in Indien) zusammenführt (Weinlich 2010).
- 7.
Die Etablierung von UN Women ist ein interessantes Beispiel für die wachsende Durchsetzungsfähigkeit des Südens im VN-Entwicklungsbereich. Der Süden konnte seine Position bei der Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der neuen Organisation geltend machen. Die Mehrheit der Entwicklungsländer fällt hier noch deutlicher aus als in vergleichbaren VN-Einrichtungen. Außerdem erreichten Schwellenländer wie Indien und Brasilien, dass einige Sitze für diejenigen Staaten reserviert werden, die die höchsten Beiträge an UN Women leisten. Zum ersten Mal wurde hier zwischen beitragenden Industriestaaten und beitragenden Entwicklungsländern unterschieden. Vier Sitze wurden für traditionelle Geber eingerichtet, und zwei weitere für Geberländer, die nicht dem OECD-DAC angehören (Weinlich 2011, S. 89f.).
- 8.
China als die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt trägt aktuell zwar weniger als drei Prozent des VN-Kernbudgets (2010-2012), musste aber eine Aufstockung um 0,5 Prozentpunkte gegenüber der Vorperiode (2007-2009) akzeptieren. Der brasilianische Finanzierungsanteil hat sich von 0,9 auf 1,6% fast verdoppelt. Indiens Anteil ist von 0,45 auf 0,54% und Südafrikas Anteil von 0,29 auf 0,83% gestiegen (Weinlich 2011, Tabelle 8).
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Weinlich, S., Fues, T. (2014). Aufstrebende Schwellenmächte in den Vereinten Nationen. In: Nölke, A., May, C., Claar, S. (eds) Die großen Schwellenländer. Globale Politische Ökonomie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02537-3_17
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