Skip to main content

Zur Aufgabe der empirischen Sozialforschung und der quantitativen Datenanalyse im soziologischen Forschungsprozess

  • Chapter
  • First Online:
Sozialwissenschaftliche Datenanalyse
  • 10k Accesses

Zusammenfassung

Im ersten Kapitel dieses Buches wird erläutert, welche Rolle der empirischen Datenanalyse im wissenschaftlichen Forschungsprozess zukommt. Zunächst wird anhand von zwei beispielhaft ausgewählten soziologischen Studien aufgezeigt, wie sich (nur) auf Basis einer empirischen Analyse entscheiden lässt, welche Hypothesen zu der Erklärung eines Phänomens Gültigkeit beanspruchen können oder abgelehnt werden müssen. Anschließend werden einige methodologische Grundsatzfragen behandelt: Warum sollte man überhaupt empirische Sozialforschung betreiben und welche Rolle spielt dabei die Theorie? In welchem Verhältnis stehen die qualitativ und die quantitativ orientierte Datenanalyse? Wie stark sollten sozialwissenschaftliche Erklärungsmodelle formalisiert werden?

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

eBook
USD 9.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Beide Zeitschriften werden im social science citation index berücksichtigt, einem Instrument zur bibliometrischen Erfassung und Bewertung von Wissenschaftlern und ihrer Produktivität. Die impact-Faktoren – ein Maß für die Wichtigkeit – beider Zeitschriften liegen auch deutlich über denen anderer deutschsprachiger Publikationen. Trotz einiger Diskussionen kann man sich deshalb relativ sicher sein, dass diese beiden Zeitschriften zu den zentralen Publikationsorten der deutschen Soziologie gehören. Beide Zeitschriften unterhalten informative Web-Seiten, die einen freien Zugang zu den Inhaltsverzeichnissen und den Zusammenfassungen der Beiträge zur Verfügung stellen. Über die meisten Universitätsbibliotheken ist zudem auch ein freier Zugriff auf die Artikel selbst möglich.

  2. 2.

    Der Beitrag von Weins (2010) bietet eine sehr klare und einfache Darstellung der verschiedenen theoretischen Mechanismen sowie eine Fülle von weiterführenden Literaturhinweisen. Die ursprünglichen Ideen firmieren meist unter dem Label des Humankapitalansatzes und sind eng mit dem Namen von Gary S. Becker verbunden, der in einer grundlegenden Arbeit die wesentlichen Ideen formuliert hat (Becker 1975).

  3. 3.

    Die diesen Analysen zugrunde liegende Studie beruht auf einer Zufallsauswahl. Es kann gar nicht stark genug betont werden, dass man nur aufgrund derartiger Untersuchungen prinzipiell in der Lage ist, verallgemeinerbare Aussagen zu treffen. Alle anderen Stichprobenverfahren sind dazu nicht in der Lage und können letztlich nur als illustratives Material oder als Einzelfallstudien verstanden werden.

  4. 4.

    Genauer wurde der Einfluss auf das logarithmierte Einkommen berechnet. Um andere Einflussfaktoren wie etwa die Familienplanung zu kontrollieren, wurden nur Männer in der Analyse berücksichtigt. Ein tiefergehendes Studium des Textes von Weins (2010) zeigt, wie viele Einzelentscheidungen bei empirischen Studien zu treffen sind, die jeweils durchaus Einfluss auf die Ergebnisse haben können. Umso wichtiger ist es, diese entweder – wie in diesem Text geschehen – explizit oder wenigstens durch die Verfügbarkeit entsprechender Arbeitspapiere nachvollziehbar zu machen. In der Zwischenzeit ist es problemlos möglich, entsprechende Informationen auch im Internet verfügbar zu machen.

  5. 5.

    Um wenigstens ansatzweise diesem Drang nachzukommen, sei ohne jede Systematik an die Arbeiten zur ethnischen Ungleichheit von Coleman et al. (1966), Bowen und Bok (1998) oder neuerdings Steinbach (2009) hingewiesen, die viele auch immer wieder öffentlich kundgetane Vorurteile revidieren helfen. Im Bereich der Bildungsforschung sei darüber hinaus an die PISA-Studien gedacht und im Bereich der Familiensoziologie an die vielfältigen Arbeiten zur Scheidungsforschung (Wagner und Weiß 2003) oder zur Arbeitsteilung im Haushalt (Schulz und Blossfeld 2006).

  6. 6.

    Auch wenn definitorische Abgrenzungen oder gar Streitereien über Definitionen letztlich unergiebig sind, so soll an dieser Stelle trotzdem festgehalten werden, dass die klassische Zweiteilung der wissenschaftlichen Welt in Geistes - und Naturwissenschaften dauerhaft mehr als anzweifelbar ist. Tertium datur! Dass die Soziologie keine Naturwissenschaft ist, sondern dass die ‚Objekte‘ soziologischer Analysen sinnhaft handelnde Menschen sind, deren Handeln und vor allem dessen intendierten und nicht-intendierten Konsequenzen der eigentliche Gegenstandsbereich der Soziologie sind – um die klassische Max-Weber-Definition von Soziologie zu verwenden – macht unser Fach gerade zu dem spannenden Bereich, der es auch wirklich ist. In aller Regel ist es aber das konkrete Handeln der Menschen und nicht die Reflexion über geistige Erzeugnisse der Gegenstand der Analyse. Soziologie ist also keine Geisteswissenschaft, sondern eine (empirisch orientierte) Sozialwissenschaft. Dass dabei der Zugang zur empirischen Realität und deren Interpretation keine triviale Aufgabe ist, ist Thema dieser (und anderer) Einführungen in die Methoden der empirischen Sozialforschung und der entsprechenden Datenanalyseverfahren.

  7. 7.

    Grundlage der Abb. 2.2 ist eine Bachelorarbeit von Juliana Schneider und Franziska Timmler aus dem Jahr 2011 an der TU Chemnitz (Schneider und Timmler 2011). In dieser Arbeit werden für den Zeitraum 1970 bis 2010 im Fünfjahresrythmus sämtliche 425 Aufsätze der beiden Zeitschriften analysiert. Da die Zeitschrift für Soziologie erst ab dem Jahr 1972 erscheint, wurden die Jahre 1970 und 1972 gemeinsam dargestellt. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie finden sich auch in Kopp et al. 2012. Die entsprechenden Datensätze können bei den Autoren dieses Buches angefordert werden.

  8. 8.

    Dies ist eine Tatsache, die sich bereits in den in den 1970er Jahren sehr weit verbreiteten Schriften Mao Zedungs findet: „‚Zahlen‘ im Kopf haben. Das heißt, man muß die quantitative Seite einer Situation oder eines Problems beachten, muß eine grundlegende quantitative Analyse vornehmen (…). Viele unserer Genossen verstehen bis jetzt immer noch nicht, die quantitative Seite der Dinge zu beachten (…) und machen infolgedessen unvermeidlich Fehler“ (Mao Tsetung 1972, S. 132 f.).

  9. 9.

    In der Arbeit von Rohwer und Pötter (2001) wird auch auf den Zusammenhang zwischen Statistik und der Möglichkeit der Theorieprüfung eingegangen: „In der Literatur wird gelegentlich die Auffassung vertreten, daß man einen sehr unmittelbaren Zusammenhang zwischen inhaltlichen Fragestellungen der empirischen Sozialforschung und methodischen Fragestellungen der Statistik (…) herstellen könne. Manchmal wird sogar die Ansicht vertreten, daß statistische Methoden gewissermaßen als eine ‚Prüfinstanz‘ zur Beurteilung theoretischer Überlegungen der empirischen Sozialforschung eingesetzt werden können; einige Autoren sprechen davon, daß mithilfe statistischer Methoden ‚Hypothesen getestet‘ werden können. Wir halten diese Auffassung für fragwürdig, in dem es noch kaum explizit formulierte theoretische Modelle für die begriffliche Repräsentation des gesellschaftlichen Lebens und seiner Veränderungen gibt“ (Rohwer und Pötter 2001, S. 42) – das ist ein zumindest missverständliche Position! Selbstverständlich kann man Theorien testen! Inwieweit gerade in der Soziologie die theoretischen Positionen soweit ausformuliert sind, dass wirklich zu testende Hypothesen abgeleitet werden können, ist sicherlich diskussionswürdig, wobei es eine wohl unzulässige Verkürzung darstellt, alle soziologischen Positionen einheitlich beurteilen zu wollen.

Literatur

  • Albert, Hans. 1984 (zuerst 1963). Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung. In Logik der Sozialwissenschaft, Hrsg. Topitsch Ernst, 352–380. Königstein: Athenäum.

    Google Scholar 

  • Andreski, Stanislav. 1974. Die Hexenmeister der Sozialwissenschaften. Mißbrauch, Mode und Manipulation einer Wissenschaft. München: List.

    Google Scholar 

  • Bartley, Nigel. 1997. Traumatische Tropen. Notizen aus meiner Lehmhütte. München: dtv.

    Google Scholar 

  • Becker, Gary S. 1975. Human capital. A theoretical and empirical analysis, with special reference to education. Chicago: University of Chicago Press.

    Google Scholar 

  • Bienfait, Agathe. 2006. Zeichen und Wunder. Über die Funktion der Selig- und Heiligsprechungen in der katholischen Kirche. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 58:1–22.

    Article  Google Scholar 

  • Bowen, William G., und Derek Bok. 1998. The shape of the river. Long-term consequences of considering race in college and university admissions. Princeton: Princeton University Press.

    Google Scholar 

  • Coleman, James, et al. 1966. Equality of educational opportunity. Washington: U.S. Government Printing.

    Google Scholar 

  • Fürtjes, Oliver, und Jörg Hagenah. 2011. Der Fußball und seine Entproletarisierung. Zum sozialstrukturellen Wandel der Kickerleserschaft von 1954 bis 2005. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 63:279–300.

    Article  Google Scholar 

  • Girtler, Roland. 2004. Der Strich. Soziologie eines Milieus. Neuauflage. Münster: Lit-Verlag.

    Google Scholar 

  • Girtler, Roland. 2006. Abenteuer Grenze. Von Schmugglern und Schmugglerinnen, Ritualen und „heiligen“ Räumen. Münster: Lit-Verlag.

    Google Scholar 

  • Hume, David. 2004. An enquiry concerning human understanding. Mineola: Dover Publications.

    Google Scholar 

  • Hunt, Morton. 1991. Die Praxis der Sozialforschung. Reportagen aus dem Alltag einer Wissenschaft. Frankfurt: Campus.

    Google Scholar 

  • Kaesler, Dirk, und Ludgera Vogt, Hrsg. 2000. Hauptwerke der Soziologie. Stuttgart: Teubner.

    Google Scholar 

  • König, René. 1967. Einleitung. In Handbuch der empirischen Sozialforschung. Erster Band, Hrsg. René König, 3–17. Stuttgart: Ferdinand Enke.

    Google Scholar 

  • Kopp, Johannes, Juliane Schneider, und Franziska Timmler. 2012. Zur Entwicklung soziologischer Forschung. Soziologie 41:293–310.

    Google Scholar 

  • Mao, Tsetung. 1972. Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung. Peking: Verlag für fremdsprachige Literatur.

    Google Scholar 

  • Maus, Heinz. 1967. Zur Vorgeschichte der empirischen Sozialforschung. In Handbuch der empirischen Sozialforschung. Erster Band, Hrsg. René König, 18–37. Stuttgart: Ferdinand Enke.

    Google Scholar 

  • Papcke, Sven, und Georg W. Oesterdiekhoff, Hrsg. 2001. Schlüsselwerke der Soziologie. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

    Book  Google Scholar 

  • Popper, Karl R. 1989 (zuerst 1935). Logik der Forschung. Tübingen: Mohr Siebeck.

    Google Scholar 

  • Popper, Karl R. 1994. Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. München: Piper.

    Google Scholar 

  • Rohwer, Götz, und Ulrich Pötter. 2001. Grundzüge der sozialwissenschaftlichen Statistik. Weinheim: Juventa.

    Google Scholar 

  • Schneider, Juliana, und Franziska Timmler. 2011. Zur Entwicklung soziologischer Forschung. Eine quantitative Inhaltsanalyse der „Zeitschrift für Soziologie“ und der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“. Bachelor-Arbeit an der Technischen Universität Chemnitz.

    Google Scholar 

  • Schnell, Rainer, Paul Bernhard Hill, und Elke Esser. 2011. Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg.

    Google Scholar 

  • Schulz, Florian, und Hans-P. Blossfeld. 2006. Wie verändert sich die häusliche Arbeitsteilung im Eheverlauf. Eine Längsschnittsstudie der ersten 14 Ehejahre in Westdeutschland. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 58:23–49.

    Article  Google Scholar 

  • Silver, Catherine Bodard. 1982. Introduction. In Frédéric Le Play: On family, work, and social change, Hrsg. (S. 3–134). Chicago: University of Chicago Press.

    Google Scholar 

  • Steinbach, Anja. 2009. Die häusliche Aufgabenteilung bei Paaren mit türkischem Migrationshintergrund und einheimischen deutschen Paaren im Vergleich. Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 34:79–104.

    Article  Google Scholar 

  • Vollmer, Gerhard. 2002. Evolutionäre Erkenntnistheorie. Angeborene Erkenntnisstrukturen im Kontext von Biologie, Psychologie, Linguistik, Philosophie und Wissenschaftstheorie. Stuttgart: Hirzel.

    Google Scholar 

  • Wagner, Michael, und Bernd Weiß. 2003. Bilanz der Scheidungsforschung. Versuch einer Meta-Analyse. Zeitschrift für Soziologie 33:29–49.

    Google Scholar 

  • Weins, Cornelia. 2010. Kompetenzen oder Zertifikate? Die Entwertung ausländischer Bildungsabschlüsse auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Zeitschrift für Soziologie 39:124–139.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Johannes Kopp .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Kopp, J., Lois, D. (2014). Zur Aufgabe der empirischen Sozialforschung und der quantitativen Datenanalyse im soziologischen Forschungsprozess. In: Sozialwissenschaftliche Datenanalyse. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02300-3_2

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-02300-3_2

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-02299-0

  • Online ISBN: 978-3-658-02300-3

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics