Zusammenfassung
Hinter einem Widerspruch verbergen sich ganz unterschiedliche linguistische Gebilde. Im Alltag bezeichnen wir die Widerrede als Widerspruch.
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- 1.
Der Beweis ist einfach:
(1) Prämisse p.← p
(2) Erste Teilprämisse p
(3) Aus (2) folgt p v q (für beliebiges q)
(4) Zweite Teilprämisse ← p
(5) Aus (3) u. (4) q (für beliebiges q)
p ist das logische Kürzel für eine Proposition oder Aussage.
- 2.
Analytisch nennt man oft auch den Zusammenhang zwischen Sätzen, wenn zwischen ihnen ein Ableitungsverhältnis besteht: Eine Konklusion folgt aus ihren Prämissen. Die Bedeutung der Konklusion ist in der Bedeutung der Prämissen enthalten. Beispiel: Alle B (Bayern) sind D (Deutsche) und alle D sind E (Europäer); ergo: Alle B sind E. Es liegt im Begriff eines Bayers, dass er ein Europäer ist.
- 3.
Bei der Frage, wie der Satz vom verbotenen Widerspruch zu begründen sei, kommt bemerkenswerterweise auch Tugendhat (ein Autor, der sonst von synthetischen Urteilen und von transzendentalen Begründungen nicht viel hält) zu folgendem Ergebnis: „Solche Beweisführungen, die die Notwendigkeit eines Satzes in der Weise begründen, daß gezeigt wird, daß das, was in ihm gesagt wird, die ‚Bedingung der Möglichkeit‘ einer Tätigkeit ist, ohne die wir uns selbst nicht denken können, sind in jüngster Zeit im Anschluß an Kant als ‚transzendentale Argumente‘ bezeichnet worden. […] In diesem Sinn wäre also die aristotelische Argumentation für den Satz vom Widerspruch ebenfalls ein ‚transzendentales Argument‘, da in ihm gezeigt wird, daß der Satz vom Widerspruch die Bedingung der Möglichkeit für sinnvolles Sprechen ist. Im allgemeinen scheinen jedoch diese sogenannten transzendentalen Argumente formal gesehen einfach Darlegungen von analytischen Zusammenhängen zu sein. Einzig die Begründung des Satzes vom Widerspruch nimmt hier eine ausgezeichnete Stellung ein, weil man sie deswegen nicht als analytisch bezeichnen kann, weil alle analytischen Sätze ihrerseits auf dem Satz vom Widerspruch gründen“ (Tugendhat/Wolf 1983: 64 f.).
- 4.
Bzw. impliziert sie keine begriffliche Konstellation, die sich in unhintergehbarer Weise aufdrängte.
- 5.
Diese Bestimmung des Antinomie-Begriffs deckt sich nicht mit derjenigen, die vielfach von Logikern und Mathematikern verwendet wird. Kutschera z. B. definiert: „Eine Antinomie ist, ganz allgemein gesprochen, ein kontradiktorischer Satz, der nach anerkannten logischen Schlußregeln aus anscheinend wahren Prämissen ableitbar ist“ (Kutschera 1964: 11). Es gibt noch andere Verwendungsweisen des Antinomie-Begriffs, z. B. bei Kant und Hegel. Die von mir vorgeschlagene Bezeichnung deckt sich auf weite Strecken mit derjenigen von van Hejenoort (1967: 45) und Meschkowski (1964: 45, 1973: 35).
- 6.
Die Unentscheidbarkeit der Aussage A „Die Aussage A ist wahr“ wird auch als truth tellerParadox bezeichnet. Die Bekräftigung einer Person, dass, was sie sage, wahr sei, ist logisch wertlos, wenn es darüber hinaus keine empirischen Evidenzen für die Wahrheit gibt. Isoliert für sich sind solche Bekräftigungen unentscheidbar. Die Behauptung eines Witzbolds „Was ich jetzt sage, ist wahr“ (wobei er nichts weiter mehr sagt), ist in ihrem Wahrheitswert ebenso unentscheidbar wie die gegenteilige Behauptung, „Was ich jetzt sage, ist falsch.“ Im zweiten Fall ist der Wahrheitswert unentscheidbar, weil er zwischen wahr und falsch oszilliert, im ersten, weil das Satzgebilde für beide Annahmen – er sei wahr und er sei falsch – eine konsistente Deutung zulässt (Gupta/Belnap 1993: 273). Auf analoge Quasi-Paradoxa stößt man immer, wenn man in antinomischen Aussagen die Negation herausnimmt.
- 7.
Aus der Sicht der formalen Logik stellt dann der Teufel – ähnlich wie Russells Dorfbarbier – gar nicht das Beispiel einer Antinomie dar, sondern lediglich „die Bestimmung eines leeren Begriffs, aus der zusammen mit der falschen Annahme, es gäbe einen Gegenstand, der unter ihn fällt, ein Widerspruch abgeleitet werden kann.“ (Kutschera 1964: 41f.)
- 8.
as wird auch von van Heijenoort (1967: 45 ff.) kritisiert.
- 9.
Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich: Sowohl der Begriff Paradoxie als auch der
Begriff Antinomie werden vieldeutig verwendet, in manchen Fällen wird zwischen Paradoxien
und Antinomien ein Unterschied getroffen. Vgl. Anm. 5.
- 10.
Dazu: Domeisen 1990.
Literatur
Bachmann, Manuel (1998): Die Antinomie logischer Grundsätze, Bonn
Carroll, Lewis (1984): Alice im Spiegelland, Frankfurt am Main
Domeisen, Norbert (1990): Logik der Antinomien, Bern
Freese, Hans-Ludwig (1990): Kinder sind Philosophen, Weinheim/Berlin
Gupta, Anil/Belnap, Nuel D. (1993): The Revision Theory of Truth, Cambridge/Mass.
Kesselring, Thomas (1984): Die Produktivität der Antinomie, Frankfurt
Kuhlmann, Wolfgang (1985): Reflexive Letztbegründung. Untersuchungen zur Transzendentalpragmatik, Freiburg/München
Kutschera, Franz von (1964): Die Antinomien der Logik. Semantische Untersuchungen, Freiburg/ München
Meschkowski, Herbert (1964): Wandlungen des mathematischen Denkens, Braunschweig
Ders. (1973): Mathematik als Grundlage. Ein Plädoyer für ein rationales Bildungskonzept, München
Quine, Willard van Orman (1953): Two Dogmas of Empiricism, in: From a Logical Point of View. 9 Logico-Philosophical Essays, Cambridge/Mass.
Tugendhat, Ernst/Wolf, Ursula (1983): Logisch-Semantische Propädeutik, Stuttgart
Van Heijenoort, John (1967): Logical Paradoxes, in: The Encyclopedia of Philosophy, Jg. 5
Wandschneider, Dieter (1995): Grundzüge einer Theorie der Dialektik, Stuttgart
Ders. (1997): Zur Struktur dialektischer Begriffsentwicklung, in: Ders. (Hg.): Das Problem der Dialektik, Bonn, S.114–169
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Kesselring, T. (2013). Formallogischer Widerspruch, dialektischer Widerspruch, Antinomie. Reflexionen über den Widerspruch. In: Müller, S. (eds) Jenseits der Dichotomie. Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialpsychologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02270-9_2
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