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Kultur versus Gesellschaft?

Anmerkungen zu einer Streitfrage in der deutschen Soziologie

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Book cover Kultur-Soziologie

Zusammenfassung

»Kultursoziologie« – das ist ein »Thema«, das beziehungsreich auf Traditionen der deutschen Soziologie, damit auch auf Auseinandersetzungen um die Institutionalisierung des Faches, seine »Lehrgestalt« und seine Forschungsmethoden verweist. Daran soll angesichts neuerer, keineswegs historisierend gemeinter Forschungsansätze erinnert werden.

Dem vorliegenden Aufsatz liegt ein Vortrag zugrunde, den ich in der Gründungssitzung der DGS-Sektion »Kultursoziologie« beim 22. Deutschen Soziologentag gehalten habe. Eine Kurzfassung ist erschienen in: Hans-Werner Franz (Hrsg.), 22. Deutscher Soziologentag, Opladen 1985, S. 215 – 217. Herzlich danke ich Irmgard Pinn für ihre vielfältigen Anregungen und ihre Unterstützung bei der Ausarbeitung des Textes, sodann auch Elisabeth Rehberg.

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Notes

  1. 1.

    VgL das ltSchwerpunktheft Kultursoziologiu der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 31, 1979 (Heft 3), in dem auch auf die seit 1976 geführte Diskussion über Möglichkeiten einer Institutionalisierung kultursoziologischer Diskussionen im Rahmen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie verwiesen wird (bes. S. 394f.), die der Gründung der Sektion ltKultursoziologie« beim 22. Deutschen Soziologentag 1984 vorausgingen.

  2. 2.

    Vgl. Rene König. Kultur, in: Ders. (Hrsg.), Fischer-Lexikon: Soziologie. Frankfurt a.M. 1965 (zuerst 1958), S. 151; vgl. zum. Kultur-Begriff: Emil Lederer, Aufgaben einer Kultursoziologie, in: Melchior Palyi (Hrsg.), Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe für Max Weber. Bd. 2, München/Leipzig 1923, S. 147-171; Pranz Steinbacher, Kultur, Begriff -lheorieFunktion, Stuttgart u. a. 1976; Hans Peter 7hurn, Kultursoziologie - Zur Begriffsgeschichte der Disziplin, in: Schwerpunktheft, a. a. 0., S. 422-449 sowie Pranz Zwilgmeier, Kultur, in: Werner Ziegenfuß (Hrsg.). Handbuch der Soziologie. Stutlgarl 1956. S. 1102-1196.

  3. 3.

    Wilhelm Dilthey, Gesammelte Schriften, Bd. I: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte, hrsg. v. Bernhard Groethuysen, Stuttgart/Göttingen 1979, S. 68 ff.

  4. 4.

    Ebd., S. 76 ff., wobei Dilthey den Begriff »System« für die inhaltlichen Aussagezusammenhänge reserviert, z. B. Religion als ein »System des Glaubens« bezeichnet, während er die sozialen Organisationsformen als »Verbände« benennt, vgl. ebd., S. 81.

  5. 5.

    Vgl. zur programmatischen Weiterentwicklung vor allem Wilhelm Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. VII, 7. Aufl., Stuttgart/Göttingen 1979, bes. S. 93 ff., 135 ff. und 166 ff.; vgl. zur Würdigung und Kritik der Diltheyschen Begründung der »Wirklichkeitswissenschaft« auch Herbert Marcuse, Das Problem der geschichtlichen Wirklichkeit (zuerst 1931), in: Ders., Schriften, Bd. I: Der deutsche Künstlerroman. Frühe Aufsätze, Frankfurt a. M. 1978, S. 469-487.

  6. 6.

    Vgl. Wilhelm Dilthey, Gesammelte Schriften, Bd. II: Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation, hrsg. v. Georg Misch, 10. Aufl., Stuttgart/Göttingen 1957, S. 113.

  7. 7.

    Ebd., S. 114.

  8. 8.

    Max Scheler, Probleme einer Soziologie des Wissens, in: Ders., Gesammelte Werke, Bd. 8: Die Wissensformen und die Gesellschaft, 2., durchges. Aufl., hrsg. v. Maria Scheler, Bern 1960, S. 15– 90.

  9. 9.

    Ebd., S. 17 ff.

  10. 10.

    Ebd., S. 20.

  11. 11.

    Ebd., S. 35 f.

  12. 12.

    Alfred Weber, Prinzipien der Geschichts- und Kultursoziologie, München 1951. In diesem Sammelband verband er frühere Arbeiten mit neugeschriebenen Textteilen. Grundüberlegungen zum Thema hatte er erstmals in einer Vorlesung im WS 1909/10 in Heidelberg vorgetragen und wollte schon 1915 eine große kultursoziologische Studie fertiggestellt haben (vgl. bes. S. 44).

  13. 13.

    Ebd., S. 9 ff.

  14. 14.

    Ebd., S. 286 ff.

  15. 15.

    Ebd., S. 290.

  16. 16.

    Zu Alfred Webers wohl doch »geschichtsphilosophisch« zu nennenden Arbeiten vgl. ders., Abschied von der bisherigen Geschichte. Überwindung des Nihilismus? Bern 1946; ders., Kulturgeschichte als Kultursoziologie, München 1950 und ders., Der dritte oder der vierte Mensch, Vom Sinn des geschichtlichen Daseins, München 1953, wo er einen »Nachbericht« zu den »Prinzipien der Geschichts- und Kultursoziologie« liefert (S. 222-229). Vgl. auch ders. (Hrsg.), Einführung in die Soziologie, Tübingen 1955, bes. die Beiträge zur »Kultursphäre« von Erwin Faul und Alfred Weber, S. 356-416.

  17. 17.

    Vgl. A. Weber, Prinzipien, a. a. O., S. 288 u. 291 f. und 113; Alfred Weber steht Oswald Spengler skeptisch gegenüber, nähert sich dessen morphologischer Methode aber zuweilen an, beispielsweise mit seinem Begriff von »Kulturphysiognomie« oder wenn er von der »seelischen Entelechie« eines Volkes und der von ihr getragenen »Schicksalshaltung« spricht, ebd., S. 288. A. Weber grenzt seine Analyse gegen Spenglers Ansatz insofern ab, als er »wertfrei« verfahren und – anders als Spengler – »keinerlei Homologie« zwischen verschiedenen »historischen Lebewesen« anerkennen will (vgl. ebd., S. 291 f.).

  18. 18.

    Ebd., S. 71 f.

  19. 19.

    Ebd., S. 76 ff.

  20. 20.

    Ebd., S. 94 ff.

  21. 21.

    Ebd., S. 80 ff.

  22. 22.

    Ebd., S. 96. A. Weber schlägt zur Gliederung des Faches vor, Soziologie als Lehre vom »Gesellschaftsprozeß« und als Formenlehre (die der Schelerschen Wissenschaft von den »Realfaktoren« entspricht, vgl. Anm. 8) zu unterscheiden von einer »Geschichtssoziologie«, also einer Wissenschaft von den »historisch-soziologischen Konstellationen« (an welche Karl Mannheim und Norbert Elias angeknüpft haben – vgl. zum Verhältnis von Elias zu A. Weber und Mannheim: Karl-Siegbert Rehberg, Form und Prozeß. Zu den katalysatorischen Wirkungschancen einer Soziologie aus dem Exil, Norbert Elias, in: Peter Gleichmann, Johan Goudsblom und Hermann Korte (Hrsg.), Materialien zu Norbert Elias’ Zivilisationstheorie, Frankfurt a. M. 1979, S. 101-169). Interessant ist A. Webers Abgrenzung von der Soziologie seines Bruders, Max Weber, der bislang die einzige »Geschichtssoziologie« vorgelegt habe, welche »auf der Beherrschung der Fülle des heutigen historischen Materials ruht«: diesem sei es um »reine Erkenntnis« gegangen, während es ihm um eine Betrachtung aus der Perspektive der »Gegenwartsprobleme« gehe. Die »wissenschaftliche Dignität« der Max Weber- schen Konzeption beruhe auf einer »Reduktion«, nämlich darauf, die »Totalität begrifflich definitiv zu zerstören zugunsten einer zerlegenden Erkenntnis«, und auf der (M. Webers Kantianismus belegenden) Beschränkung auf das Problem der »Rationalisierung« – vgl. A. Weber, Prinzipien, a. a.O, S. 106 ff. Vgl. zu Max Webers » Rationalismus « und A. Webers » Irrationalismus « auch: Alfred von Martin, Geist und Gesellschaft. Soziologische Skizzen zur europäischen Kulturgeschichte, Frankfurt a. M. 1948, bes. S. 226 ff.

  23. 23.

    Ernst Grünwald, Das Problem der Soziologie des Wissens. Versuch einer kritischen Darstellung der wissenssoziologischen Theorien, repr. Nachdr. d. Ausg. Wien 1934, Hildesheim 1964.

  24. 24.

    Vgl. ebd., S. 59 ff. Kultursoziologie solle »völlig antipsychologisch sein«. Solche Zuordnungen sind zuweilen sehr willkürlich, was sich bei Grünwald in der Opposition von Kultursoziologie zur »Wissenschaft vom sozialen Handeln« (als »Gesellschaftssoziologie«) erweist und der dadurch begründeten Zuordnung Max Webers zur letzteren. Das beruht auf Grünwalds Mißverständnis, daß er Webers auf den »subjektiven Sinn gerichtete Verstehens-Methodik« als »psychologisch« verstand. Wiederum verschiedene Soziologietypen (aber mit anderen Grenzziehungen) gegeneinandersetzend, führte Hermann Kantorowicz sein Konzept einer »Soziologie der Kultur« (ders., Der Aufbau der Soziologie, in: Palyi, Hauptprobleme, a. a. O., Bd. II, bes. S. 85 u. 90 ff.) ein, welche die » Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft im ganzen« zu behandeln habe. Grundlegend war für ihn eine Unterscheidung von » › Ideal ‹ – oder Sinneswissenschaften« (z. B. Mathematik, Geschichtsdeutung und Rechtsdogmatik), »Wertwissenschaften« (z. B. praktische Nationalökonomie und Ethik) und schließlich » Wirklichkeitswissenschaften «, zu denen er die Soziologie, insbesondere das Werk Max Webers, zählte (vgl. ebd., S. 80 ff.). – Auch Georg von Below (ders., Streit um das Wesen der Soziologie, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 124, 1926, S. 218-245, bes. S. 234) konfrontierte in der von ihm wesentlich mitgeprägten Auseinandersetzung um die Einrichtung soziologischer Lehrstühle die »Gesellschafts-Soziologie« mit einer sich aus der Romantik herleitenden universalistischen und kulturwissenschaftlichen Tradition, für die z. B. die »historische Schule der Nationalökonomie« stand. Vgl. dazu auch Karl-Siegbert Rehberg, Deutungswissen der Moderne oder »administrative Hilfswissenschaft«? Konservative Schwierigkeiten mit der Soziologie, in: Sven Papcke (Hrsg.), Ordnung und Theorie, Darmstadt 1986, S. 7-47, bes. S. 36 ff.

  25. 25.

    Vgl. Karl Mannheim, Über die Eigenart kultursoziologischer Erkenntnis (unveröff. Ms., begonnen 1922), in: David Kettler, Volker Meja und Nico Stehr (Hrsg.), Strukturen des Denkens, Frankfurt a. M. 1980, S. 33-154, hier: S. 59.

  26. 26.

    Mannheim unterschied 1. »geschichtsphilosophische Soziologie«, die nach Gesetzen bzw. Regelmäßigkeiten der Geschichtsdynamik zu suchen habe, 2. »allgemeine Soziologie«, welche die »Grundformen des Sozialen« zu erforschen habe und für die ihm M. Webers Kompendium »Wirtschaft und Gesellschaft« beispielhaft ist, und 3. »reine Soziologie« (in der es um die Grundlagenreflexionen des Faches, wie etwa bei Georg Simmel oder Leopold von Wiese ausgearbeitet, gehen soll), vgl. ebd., S. 111 ff.

  27. 27.

    Ebd., S. 140, vgl. zur Klassifikation der Kultursoziologie ebd., S. 136 ff.

  28. 28.

    Vgl. Karl Mannheim, Die Gegenwartsaufgaben der Soziologie. Ihre Lehrgestalt, Tübingen 1932, S. 6 ff. und 15.

  29. 29.

    Vgl. Hans Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft. Logische Grundlegung des Systems der Soziologie, 2. Aufl. unveränd. Nachdr. d. Ausg. v. 1930 Darmstadt 1964, bes. S. 38 ff. u. 213 ff.

  30. 30.

    Rene König meinte sogar, Freyer habe Diltheys Dualismen »zugespitzt«, vgl. König, Kultur, a. a. O., S. 152.

  31. 31.

    Vgl. bes. Freyer, Soziologie, a. a. O., S. 158 ff. Ich gehe hier nicht auf die verhängnisvolle »Überwindung« der Soziologie als der »Wissenschaft von der Klassengesellschaft des Hochkapitalismus« (ebd., S. 10) ein, also auf jene Alternative zur Gesellschaftssoziologie, der Freyer dann 1935 eine völkische Konkretisierung gab; vgl. dazu Rehberg, Deutungswissen, a. a. O., bes. S. 42 ff.

  32. 32.

    Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, Erstes Stück, in: Karl Schlechta (Hrsg.), Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, Bd. I München 1973, S. 135-209, hier: S. 140 u. ebd., S. 233 (4).

  33. 33.

    Vgl. z. B. ebd., Drittes Stück, S. 287-365, hier: S. 330 (6); vgl. auch ebd., S. 326 (5).

  34. 34.

    Friedrich Nietzsche, Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre, in: Werke, a. a. O., Bd. III, S. 415-925, hier: S. 837.

  35. 35.

    Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, Band I: Gestalt und Wirklichkeit, München 1923, S. 139; vgl. auch Spengler, Untergang, Bd. II: Welthistorische Perspektiven, S. 41 f. und Anton Mirko Koktanek, Oswald Spengler in seiner Zeit, München 1968, S. 152.; vgl. zur Spengler-Kritik auch Otto Neurath, Anti-Spengler, München 1921 und Hendrik de Man, Vermassung und Kulturverfall. Eine Diagnose unserer Zeit, München 1951, bes. S. 10 sowie auch Adorno, Spengler, vgl. Anm. 76.

  36. 36.

    Ähnlich wirksam war die Unterscheidung von Kultur und Zivilisation in: Houston Stewart Chamberlain, Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, 2 Bde., 2. Aufl., München 1900, vgl. bes. S. 62 ff., 72 u. 731.

  37. 37.

    Das spiegelt sich auch in Max Webers Analysen der bürgerlichen »Lebensordnungen« wider; vgl. dazu Wilhelm Hennis, Max Webers Fragestellung, in: Zeitschrift für Politik, NF 29, 1982, S. 241– 281 u. ders., Max Webers Thema, »Die Persönlichkeit und die Lebensordnungen«, in: Zeitschrift für Politik, NF 31, 1984, S. 11-52 sowie Karl-Siegbert Rehberg, Rationales Handeln als großbürgerliches Aktionsmodell. Thesen zu einigen handlungstheoretischen Implikationen der »Soziologischen Grundbegriffe« Max Webers, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 31, 1979, S. 199-236 u. ders., Der Geist des Kapitalismus – ein anthropologisches Modell? Methodische Überlegungen zur »historischen Anthropologie«, in: Friedrich Heckmann und Peter Winter (Hrsg.), 21. Deutscher Soziologentag 1982, Beiträge der Sektions- und ad-hoc-Gruppen, Opladen 1983, S. 793-798.

  38. 38.

    Nietzsche, Nachlaß, a. a. O., S. 493.

  39. 39.

    Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, 1. Band, in: Werke, Bd. 1, a. a. O., S. 666 (439).

  40. 40.

    Karl Mannheim, Mensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus, Leiden 1935.

  41. 41.

    Vgl. auch Kurt Lenk, Marx in der Wissenssoziologie. Studien zur Rezeption der Marxschen Ideologiekritik. Neuwied/Berlin 1972, bes. S. 43 ff.

  42. 42.

    Dilthey, Einleitung, a. a. O., bes. S. 49 ff.; vgl. auch ders., Aufbau, a. a. O., S. 177 und ders., Weltanschauung, a. a. O.; vgl. auch Friedrich H. Tenbruck, Die Aufgaben der Kultursoziologie, in: Schwerpunktheft, a. a. O., S. 399-421, hier: S. 409 und ders., Sozialwissenschaften, a. a. O., sowie Rehberg, Kapitalismus, a. a. O. – Zur Skepsis gegenüber Konzepten der KulturEinheit vgl. die Formulierung Werner Bredes in seiner Rezension der Tenbruck-Festschrift, a. a. O.: »Schon Weber und Simmel waren sich nicht einig über den Gegenstand ihrer Untersuchungen. Was wir sehen, sind Parzellierungen und Parteiungen, Modeströmungen und Geldströme, Stammeskulturen und Stammtischkulturen, kurz: der babylonische Turm, wie Arnold Gehlen das nannte. Ein geschlossener Kulturbegriff ist in modernen Gesellschaften nicht haltbar, war aber vermutlich auch in der Vergangenheit schon trügerisch« (Werner Brede, Die eindrucksvolle Wiederkehr der Kultursoziologie, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12. Dez. 1984, S. 11).

  43. 43.

    Karl Mannheim, Das konservative Denken, in: Ders., Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk, eingel. u. hrsg. v. Kurt H. Wolff, Berlin/Neuwied 1964, S. 410. Dies gilt trotz Diltheys prinzipieller Ablehnung der Soziologie, die sich »letzten Endes nur auf die › westliche Gestalt ‹ dieser Disziplin bezieht«: »Aus den Spannungen dieser Pole entstand beinahe alles, was an historisch-soziologischer Forschung in Deutschland vorhanden ist, u. a. Max Weber, Alfred Weber, Troeltsch, Sombart, Scheler, Lukacs usw.« (ebd.).

  44. 44.

    Vgl. Herbert Marcuse. Zur Auseinandersetzung mit Hans Freyers » Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft« (zuerst 1931), in: Ders., Schriften, Bd. 1: Der deutsche Künstlerroman, Frühe Aufsätze, Frankfurt a. M. 1978, S. 488-508, hier: S. 501.

  45. 45.

    In diese Tradition der Analyse von Lebensordnungen und Kultureinheiten sind auch historiographische Darstellungen einzurechnen, wie Jacob Burckhardts berühmtes Buch »Die Kultur der Renaissance in Italien« (10. Aufl., Stuttgart 1976, zuerst 1869) oder Johan Huizingas »Herbst des Mittelalters. Studien der Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und den Niederlanden« (hrsg. v. K. Köster, 11. Aufl., Stuttgart 1975, ndl. zuerst 1919, dt. 1924). Burckhardt grenzte »Cultur« nicht gegen Gesellschaft (»Die Gesellschaft ist gewißer Maßen die Summa und äußere Darstellungsform der Cultur«), sondern gegen die zwei anderen »Potenzen«, Staat und Religion, ab, wobei ihm »Cultur« – identisch mit Zivilisation – als »Inbegriff alles dessen (erschien) was zur Förderung des physischen Lebens und als Ausdruck des Geistigen… spontan zu Stande gekommen ist, alle Geselligkeit, alle Techniken, Künste, Dichtungen und Wissenschaften, besonders alle Philosophien« (vgl. Jacob Burckhardt, Über das Studium der Geschichte. Der Text der »Weltgeschichtlichen Betrachtungen« nach den Handschriften herausgegeben von Peter Ganz, München 1982, S. 183 u. 173). Aufgabe der historischen Forschung sei es, die gegenseitigen Bedingtheiten der »drei Potenzen« zu untersuchen.

  46. 46.

    Vgl. bes. Dilthey, Einleitung, a. a. O., S. 49 ff. und Dilthey, Aufbau, a. a. O., S. 265 ff.

  47. 47.

    Alfred Webers historische Analysen von »Stufungen der Kultur« führen ihn auch zum Modell der »Stileinheit« (ders., Prinzipien, a. a. O., S. 289), welche ihm Mittel zu einer Gestalt- und Wesensanalyse sein soll (ebd., S. 109).

  48. 48.

    Vgl. bes. Scheler, Probleme, a. a. O., S. 17-51.

  49. 49.

    Vgl. Mannheim, Eigenart, a. a. O., bes. S. 95 ff.

  50. 50.

    Vgl. ebd., S. 39 ff., 57 ff., 62 ff. u. 73 ff. Das ist auch der Grund für die besondere Aufmerksamkeit, die Mannheim auf die Analyse von »Intelligenzschichten« richtet (vgl. dazu Lenk, Marx, a. a.  O.).

  51. 51.

    Vgl. Mannheim, Gegenwartsaufgaben, a. a. O., S. 25 ff.

  52. 52.

    Vgl. bes. Hans Freyer, Theorie des objektiven Geistes. Eine Einleitung in die Kulturphilosophie, 2. durchges. u. teilw. veränd. Aufl. Leipzig/Berlin 1928 (zuerst 1923), bes. S. 53 ff. u. 129 ff. sowie ders., Typen und Stufen der Kultur, in: Alfred Vierkandt (Hrsg.), Handwörterbuch der Soziologie, unveränd. Neudr. v. 1931, Stuttgart 1955, S. 294-308. Auch Erich Rothacker nennt die Untersuchung von »Lebensstilen« als zentralen Gegenstand jeder Kulturanthropologie. Insbesondere soll die Entstehung von »Stileinheiten« untersucht werden, zugleich aber auch die gesellschaftlichen Gegentendenzen, durch welche solche realen Synthesen aufgelöst würden (beispielsweise räumliche Ausdehnung von Populationen, Arbeitsteilung etc. Vgl. Erich Rothacker, Probleme der Kulturanthropologie, Bonn 1948, S. 86 ff.). Kerngebilde jeder Kultur seien »Haltungen«, vgl. ebd. S. 147 und 178 ff. Allerdings dienen ihm diese Begriffe als Erkenntnismittel, um die ständige Veränderung und die Spannungslagen in kulturellen Gefügen zu untersuchen; vermeiden will Rothacker »Reduktionen« auf »Seelen, Stile, Symbole, Schichten«, für welche er Jacob Burckhardts Darstellung des griechischen Menschen, Karl Lamprecht und Otto Bollnow als Beispiele nennt (vgl. ebd., S. 148 f.); vgl. auch ders., Bausteine zur Kultursoziologie, in: Gottfried Eisermann (Hrsg.), Gegenwartsprobleme der Soziologie. Alfred Vierkandt zum 80. Geburtstag, Potsdam 1949, S. 79-99. Vgl. des weiteren zum Begriff » Lebensstil « auch Wilhelm Perpeet, Kulturphilosophie, in: Archiv für Begriffsgeschichte, 1976, S. 42-99, hier: S. 92 ff.

  53. 53.

    Ähnlich betrachtet Erich Rothacker, unmittelbar an Dilthey anknüpfend, »Haltungen« als den »Kern« der großen Lebensstile, welche ein Verbindungsmoment schaffen zwischen dem handelnden Menschen und den großen »Ordnungen des Lebens« (vgl. Rothacker, Kulturanthropologie, a. a. O., bes. S. 63 ff., 71 ff., 147 und 178 ff.).

  54. 54.

    Schon bei Friedrich Nietzsche ist » Stil« der Vermittlungsbegriff der Selbstformung des Charakters mit einer Kreativität, die Regeln und Formzwänge nicht flieht, sondern zur Voraussetzung »schöpferischer« Tätigkeit nimmt und deren Materialisierung im »Kunstwerk«.

  55. 55.

    Georg Simmel, Philosophie des Geldes, 6. Aufl. Berlin 1958 (zuerst 1900). Vgl. hierzu die Analyse der kulturphilosophischen Implikationen des Simmelschen Buches in Klaus Lichtblaus Beitrag »Die Seele und das Geld« im vorliegenden Sonderheft.

  56. 56.

    Simmel, Philosophie des Geldes, a. a. O., S. 306; vgl. auch S. 23.

  57. 57.

    Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Leipzig 1908.

  58. 58.

    Vgl. zu Simmels »tragischer Kulturtheorie«: Lenk, Marx, a. a. O., bes. S. 13 ff. u. ders., Das tragische Bewußtsein in der deutschen Soziologie der zwanziger Jahre, in: Frankfurter Hefte, 18, Mai 1963, S. 313-329.

  59. 59.

    Vgl. zu diesem Begriff Wolfgang Schluchter, Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Gesellschaftsgeschichte, Tübingen 1979, bes. S. 1-38.

  60. 60.

    Ernst Troeltsch, Gesammelte Schriften, Bd. 3: Der Historismus und seine Probleme, Neudr. d. Ausg. v. 1922 Aalen 1961, S. 370.

  61. 61.

    Vgl. dazu Friedrich H. Tenbruck, Das Werk Max Webers, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 27, 1975, S. 663-702 und z. B. auch Alois Hahn, Religiöse Wurzeln des Zivilisationsprozesses, in: Hans Braun und Alois Hahn (Hrsg.), Kultur im Zeitalter der Sozialwissenschaften. Friedrich H. Tenbruck zum 65. Geburtstag, Berlin 1984, S. 229-260.

  62. 62.

    Vgl. Tenbruck, Werk, a. a. O.

  63. 63.

    Vgl. dazu die verschiedenen Arbeiten von Wilhelm Hennis, Anm. 37.

  64. 64.

    Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5., rev. Aufl. mit textkrit. Erläuterungen hrsg. v. J. Winckelmann, 3 Bde., Tübingen 1976, S. 177-180. Deshalb erscheint mir Johannes Winckelmanns Kennzeichnung der systematisierenden und vergleichenden Methode Webers als »Strukturphänomenologie« (Johannes Winckelmann (Hrsg), Max Weber, Soziologie – Weltgeschichtliche Analysen – Politik, 2. Aufl. Stuttgart 1956, S. 539 und Weber, Wirtschaft, bes. Winckelmanns »Vorbemerkung« zum Erläuterungsband) nach wie vor ebenso treffend wie Wolfgang Schluchters Vorschlag (ders., Entwicklung, a. a. O., S. 18 ff.), die in Webers Werk enthaltenen »gesellschaftlichen Strukturprinzipien« systematisch zu rekonstruieren. Winckelmann wird von Tenbruck (ders., Werk, a. a. O.), widersprochen; vgl. auch Schluchter, Entwicklung, S. 6 ff. sowie die Replik: Johannes Winckelmann, Die Herkunft von Max Webers »Entzauberungs«-Konzeption. Zugleich ein Beitrag zu der Frage, wie gut wir das Werk Max Webers kennen können, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 32, 1980, S. 12-53 sowie Walter M. Sprondel, Constans Seyfarth, Elisabeth Konau und Gert Schmidt, »Soziologie soll heißen…« Einige Anmerkungen zur Weber-Rezeption aus Anlaß des 80. Geburtstages von Johannes Winckelmann, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 32, 1980, S. 1-11. Vgl. hierzu auch den Beitrag von M. Rainer Lepsius in diesem Sonderheft.

  65. 65.

    Vgl. hierzu die einleitenden und von Max Weber für die Buchausgabe teilweise noch umgearbeiteten Teile der »Wirtschaftsethik der Weltreligionen« (WEWR), in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. I (GARS I), 5. Aufl. Tübingen 1963, hier bes. S. 237-275 und 536-573 sowie »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus« (GARS I, S. 17-206); auf die Programm-Texte der »Wirtschaftsethik der Weltreligionen« stützte sich auch Tenbrucks Neuinterpretation Webers (ders., Werk, a. a. O.), die (besonders auch hinsichtlich ihrer werkgeschichtlichen Annahmen) vielfältig diskutiert wurde; vgl. auch Wolfgang Schluchter, Max Webers Religionssoziologie. Eine werkgeschichtliche Rekonstruktion, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 36, 1984, S. 342-365 (jetzt in: Ders., (Hrsg.), Max Webers Sicht des antiken Christentums. Interpretation und Kritik, Frankfurt a. M. 1985, S. 525-560).

  66. 66.

    In diesem Sinne schreibt Weber: »Transzendentale Voraussetzung jeder Kulturwissenschaft ist nicht etwa, daß wir eine bestimmte oder überhaupt irgendeine › Kultur ‹ wertvoll finden, sondern daß wir Kulturmenschen sind, begabt mit der Fähigkeit und dem Willen, bewußt zur Welt Stellung zu nehmen und ihr einen Sinn zu verleihen. Welches immer dieser Sinn sein mag, er wird dazu führen, daß wir im Leben bestimmte Erscheinungen des menschlichen Zusammenseins aus ihm heraus beurteilen. – diese Erscheinungen haben für uns Kulturbedeutung, auf dieser Bedeutung beruht allein ihr wissenschaftliches Interesse« (ders., Die »Objektivität« sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (zuerst 1904), in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. v. Johannes Winckelmann, 3. Aufl. Tübingen 1968, S. 146-214, hier: S. 180.

  67. 67.

    Beispielsweise ist »Einheitskultur« für Max Weber nichts, das der Kulturwissenschaftler bei seinen Analysen immer schon zugrundelegen könnte, vielmehr sei dies eine in der Geschichte selten realisierte Synthese. So war für ihn in Europa eine »Einheitskultur« nur im Karolingerreich verwirklicht, sodann in wenigen Höhepunkten der deutschen Kaiserherrschaft und in den Ländern der Reformation oder Gegenreformation (vgl. ders., Wirtschaft, a. a. O., S. 713 f.). Weber ging also nicht, wie Thurn anzunehmen scheint, davon aus, daß eine europäische »Einheitskultur« sich erst in der Moderne aufgelöst habe (vgl. Thurn, Kultursoziologie, a. a. O., S. 422-449, hier: S. 439). Entsprechend sind für ihn » Kultureinheiten« Produkte »gesellschaftlicher Strukturen«, z. B. Folge der politischen Vereinheitlichungsleistung der Staatenbildung – wobei selbstverständlich ein festes Kausalverhältnis nicht unterstellt wird (vgl. Weber, Wirtschaft, S. 549 ff.). In der Religionssoziologie gilt sein Interesse den »in den psychologischen und pragmatischen Zusammenhängen der Religionen gegründeten praktischen Antrieben zum Handeln« (GARS I, a. a. O., S. 238). Auch im Rahmen dieser durch und durch kulturwissenschaftlichen Studien bleibt der Begriff »Kultur« mehrdeutig; zuweilen benutzt Weber ihn im Sinne von »Kultiviertheit«, so wenn er in seiner Analyse des antiken Judentums von der »Kulturfeindschaft« der Propheten spricht, die aber nicht gleichzusetzen sei mit »Kulturlosigkeit«. Das belegt, daß Religion und Kultur begrifflich nicht durchgängig identifiziert werden, denn an einigen Stellen bezeichnet »Kultur« lediglich die maßgeblichen Umgangs- und Ausdrucksformen der religiös oder politisch herrschenden Schichten (vgl. Weber, Wirtschaft, S. 299 f.). Für eine Theorie der »Kultur überhaupt« greift Weber – hierin Sigmund Freud vergleichbar (vgl. Sigmund Freud, Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Primitiven und der Neurotiker (zuerst 1912/13), in: Ders., Studienausgabe, Bd. IX: Fragen der Gesellschaft, Ursprünge der Religion, hrsg. v. Alexander Mitscherlich et al., Frankfurt a. M. 1974, S. 287-444, bes. Abschn. IV, S. 387 ff.) – weit zurück, nämlich auf den konstitutiven Zusammenhang von Kultur und religiöser Schuld, welcher »nicht nur als gelegentliches Akzidens, sondern als ein integrierender Bestandteil aller Kultur, alles Handelns in einer Kulturwelt und, schließlich, alles geformten Lebens überhaupt« erscheint (GARS I, S. 568 ff.).

  68. 68.

    Vgl. Tenbruck, Aufgabe, a. a. O., S. 408.

  69. 69.

    Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bde., Bern/München 1969. Vgl. zur Elias-Rezeption auch Johan Goudsblom, Aufnahme und Kritik der Arbeiten von Norbert Elias in England, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich, in: Gleichmann et al., Materialien, a. a. O., S. 17-100; Rehberg, Form, a. a. O., sowie Johan Goudsblom, Aufnahme und Kritik der Arbeiten von Norbert Elias. Kurze Ergänzung der Rezeptionsgeschichte, in: Peter Gleichmann, Johan Goudsblom und Hermann Korte (Hrsg.), Macht und Zivilisation. Materialien zu Norbert Elias’ Zivilisationstheorie, Frankfurt a. M. 1984, S. 305-312.

  70. 70.

    Elias, Prozeß, a. a. O., bes. S. 1-64.

  71. 71.

    Vgl. zu Elias’ » Begriffsvermeidungen « Rehberg, Form, a. a. O., S. 123.

  72. 72.

    Vgl. Axel Honneth, Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie, Frankfurt a. M. 1985, bes. S. 35 ff. u. 41.

  73. 73.

    Vgl. bes. Theodor W. Adornos letzte große Arbeit, die »Ästhetische Theorie«, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 7: Ästhetische Theorie, hrsg. v. Gretel Adorno und Rolf Tiedemann, 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1972.

  74. 74.

    Adorno, Ästhetische Theorie, a. a. O., S. 19.

  75. 75.

    Das entsprach den programmatischen Forderungen der »Kritischen Theorie«, der es im Grundsatz darum ging, die psychischen, intellektuellen und sozialstrukturellen Voraussetzungen der Entwicklung des Kapitalismus und der »bürgerlichen Gesellschaft« aufzuklären. Kein Werk belegt das besser als die von Horkheimer und Adorno gemeinsam verfaßte »Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente« (Frankfurt a. M. 1969, zuerst 1944), die zugleich eine Verschiebung des Arbeits- und Themenschwerpunktes des »Instituts für Sozialforschung« anzeigt. Die »Kulturindustrie«, die meinungs-und bewußtseinsformende manipulative Integration der Menschen in den entwickelten (auch den demokratisch verfaßten) Industriegesellschaften durch die Massenmedien wurde zum bevorzugten Gegenstand der Forschungen (vor allem der nach dem Kriege nach Deutschland zurückgekehrten Mitglieder des Instituts): Die Analyse der bürgerlichen Gesellschaft wurde als Kultur- und Ideologiekritik entfaltet.

  76. 76.

    Vgl. bes. Adornos Arbeiten in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10.1: Kulturkritik und Gesellschaft I, Prismen. Ohne Leitbild, hrsg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M. 1977; darin bes.: » Thesen zur Kunstsoziologie « (S. 367– 374); » Kulturkritik und Gesellschaft « (S. 11-30); »Das Bewußtsein der Wissenssoziologie« (S. 31-46) u. »Spengler nach dem Untergang« (S. 47– 71). Adorno durchschaut die »Eitelkeit« der Kulturkritiker, die vorgeben, jene Kultur zu haben, die den von ihnen kritisierten Zeitgenossen abgehe, wobei sie gerade diesem Umstand das »Unbehagen« verdanken, welches ihr zentrales Thema ist (vgl. ders., Kulturkritik, S. 11 f.). Auch kritisiert er den naiven Glauben an die »Kultur als solche«, den Kulturkritik und Faschismus teilten (ebd., S. 14). Aber er zeigt doch auch die potentielle Kritik an den »Wortführern der Macht«, die noch im »Hochmut« einer »Antibanausie« sichtbar werde, nämlich die »Bewahrung des Bildes einer Existenz, die hinausweist über den Zwang, der hinter aller Arbeit steht« (ebd., S. 20).

  77. 77.

    Vgl. zu Hinweisen auf Einflüsse der Kulturkritik und der Lebensphilosophie auf Adorno und Horkheimer: Honneth, Kritik, a. a. O., bes. S. 54, 339 f. u. Anm. 25 f.

  78. 78.

    Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 3. Aufl. Neuwied/Berlin 1968.

  79. 79.

    Vgl. bes. Jürgen Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt a. M. 1969 sowie ders., Arbeit, Erkenntnis, Fortschritt, Aufsätze 1954-1970, Amsterdam 1970; ders., Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt a. M. 1973; ders., Kultur und Kritik. Verstreute Aufsätze, Frankfurt a. M. 1973 und ders., Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt a. M. 1976.

  80. 80.

    Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a. M. 1968.

  81. 81.

    Vgl. Jürgen Habermas, Theorie und Praxis, 4. Aufl. Frankfurt a. M. 1971, S. 15.

  82. 82.

    Vgl. bes. Habermas, Erkenntnis, a. a. O., S. 14, 39 ff. u. 59-87 sowie ders., Rekonstruktion, a. a. O., Habermas’ Erweiterung der Grundbegriffe einer »materialistischen« Analyse durch den Begriff »Interaktion« bewährt sich selbst dann, wenn man seiner Interpretation der Marxschen Kategorie »Arbeit« als rein instrumenteller nicht folgt.

  83. 83.

    Vgl. Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. II: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Frankfurt a. M. 1981 und zur »Technisierung«, »Mediatisierung« und schließlich »Kolonisierung der Lebenswelt« z. B. ebd., S. 293 u. 489 ff.

  84. 84.

    Dabei will Habermas vor allem drei Forschungsrichtungen, die sich »mit dem Phänomen moderner Gesellschaften befassen«, miteinander verknüpfen, nämlich erstens den »sozialgeschichtlichen informierten Forschungsansatz« der »Gesellschaftsgeschichte«, zweitens die systemtheoretische Forschung und drittens solche handlungstheoretischen Ansätze, die unter den Titel einer »verstehenden Soziologie« zu stellen sind (ders., Handeln, a. a. O., S. 548 ff.) »Eine kritische Gesellschaftstheorie kann sich der Ergebnisse dieser drei Forschungsrichtungen um so eher versichern, je genauer sie ihnen im Einzelnen nachweist, daß die Objektbereiche, die sie naiv hinnehmen, in der Konstellation der frühen Moderne, und zwar als eine Folge der Entkoppelung von System und Lebenswelt, erst entstanden sind«, ebd., S. 553.

  85. 85.

    Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, 3., durchges. Aufl. Frankfurt a. M. 1984 (franz. zuerst 1979). Vgl. auch Hans-Peter Müllers Studie »Kultur, Geschmack und Distinktion« im vorliegenden Sonderheft.

  86. 86.

    Vgl. auch Axel Honneth, Die zerrissene Welt der symbolischen Formen. Zum kultursoziologischen Werk Pierre Bourdieus, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 36, 1984, S. 147-164, bes. S. 152 ff. und Volker Rittner, Geschmack und Natürlichkeit. Besprechungsessay über Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 36, 1984, S. 372-378.

  87. 87.

    Bourdieu, Unterschiede, a. a. O., S. 120.

  88. 88.

    Ebd., S. 174 ff.

  89. 89.

    Ebd., S. 744 u. 748 ff.

  90. 90.

    Ebd., S. 753.

  91. 91.

    Hans Gerth, Zum Problem einer wissenschaftlichen Theorie der Kultur, in: Vorträge gehalten anläßlich der Hessischen Hochschulwochen für staatswissenschaftliche Fortbildung 1955 in Bad Wildungen. Bd. 10, Bad Homburg v. d. H./Berlin 1956, S. 128-149, bes. S. 131 ff.

  92. 92.

    Diese grundlegende Übereinstimmung bleibt auch dann bedeutsam, wenn man im übrigen die Verschiedenartigkeit der Methoden und Erkenntnisziele von Dilthey und Weber anerkennt; vgl. Rainer Prewo, Max Webers Wissenschaftsprogramm. Versuch einer methodischen Neuerschließung, Frankfurt a. M. 1979, bes. S. 156 ff.

  93. 93.

    Wolfgang Lipp und Friedrich H. Tenbruck, Zum Neubeginn der Kultursoziologie, in: Schwerpunktheft, a. a. O., S. 393-398, hier: S. 397.

  94. 94.

    Tenbruck, Aufgabe, a. a. O.

  95. 95.

    So ist neben Tenbrucks Leitaufsatz über »Die Aufgaben der Kuhursoziologie«, a. a. O., vor allem auch sein Buch »Die unbewältigten Sozialwissenschaften oder Die Abschaffung des Menschen« (Graz u. a. 1984) als Quelle seiner kulturwissenschaftlichen Konzeption zu nennen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der kultursoziologischen Programmatik und jener Soziologiekritik, der Helmut Schelsky den griffigen Titel einer »Anti-Soziologie« gegeben hat (vgl. ders., Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen, Opladen 1975 sowie ders., Rückblicke eines »Anti-Soziologen«, Opladen 1981) und die Friedrich Tenbruck in seinem grundlegenden, aber auch polemischen Buch über die »Abschaffung des Menschen« erst jüngst vertiefte. Diese Kritik hat zum wiederhohen Male auch den Deutschen Soziologentag beschäftigt, vgl. Joachim Matthes, Soziologie: Schlüsselwissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts? in: Ders. (Hrsg.), Lebenswelt und soziale Probleme, Verhandlungen des 20. Deutschen Soziologentages, Frankfurt a. M. 1980, S. 15-27; Bernhard Schäfers, Die Soziologie und ihre Kritiker. Bericht über eine Podiumsdiskussion beim 22. Deutschen Soziologentag 1984, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 37, 1985, S. 185-187 und Rehberg, Deutungswissen, a. a. O.

  96. 96.

    Tenbruck, Sozialwissenschaften, a. a. O., S. 238.

  97. 97.

    Vgl. Anm. 42.

  98. 98.

    Tenbruck, Aufgabe, a. a. O., S. 414.

  99. 99.

    Vgl. z. B. Tenbruck, Sozialwissenschaften, a. a. O., bes, S. 202 f.

  100. 100.

    Der Kultursoziologie stellen sich vielfähige Aufgaben bei der Erforschung einzelner Kulturgebiete. Neuerdings werden neben den traditionellen Themen einer Soziologie der Deutungssysteme (bes. Wissens- und Religionssoziologie, sodann auch Wissenschaftssoziologie etc.) die Erforschung von Regionalkulturen und Kultur im »Alltag« etc. zunehmend wichtig. Vgl. dazu z. B. die Beiträge im Schwerpunktheft »Kultursoziologie«, a. a. O., aber auch die Tagungen der neugegründeten Sektion »Kultursoziologie« der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, wo es z. B. um die Erforschung typischer Produzenten und Träger kultureller Objektivationen geht.

  101. 101.

    Vgl. z. B. Arnold Gehlen, Rückblick auf die Anthropologie Max Schelers (zuerst 1975), in: Arnold-Gehlen-Gesamtausgabe. Bd. 4: Philosophische Anthropologie und Handlungslehre, hrsg. von Karl-Siegbert Rehberg, Frankfurt a. M. 1983, S. 247-258, hier: S. 253.

  102. 102.

    Georg Simmel faßte die Existenz der seit dem 19. Jahrhundert entstandenen »Gesellschaft« keineswegs als Intellektuellenerfindung und »Illusion« auf; deshalb sah er in den Ansprüchen der Soziologie die manifeste Folge »der praktischen Macht, die im 19. Jahrhundert die Massen gegenüber den Interessen des Individuums erlangt haben«, Simmel, Soziologie, a. a. O., S. 1 f.

  103. 103.

    Tenbruck, Sozialwissenschaften, a. a. O., S. 233.

  104. 104.

    Vgl. zur »Interpenetration« von Kultur und anderen gesellschaftlichen Subsystemen: Wolfgang Schluchter, Gesellschaft und Kultur. Überlegungen zu einer Theorie institutioneller Differenzierung, in: Ders. (Hrsg.), Verhalten, Handeln und System. Talcott Parsons’ Beitrag zur Entwicklung der Sozialwissenschaften, Frankfurt a. M. 1979, S. 106-149.

  105. 105.

    Tenbruck warnt davor, daß Kultursoziologie ihren Gegenstand reifiziere oder nun – in Umkehrung der Fehler der Struktur- und Sozialsystemtheorien – »von der grundsätzlichen Dominanz der Kultur« ausgehe; allerdings sollten die Kultursoziologie und die von ihr bewußt wieder in den Mittelpunkt gestellte Methodik des Verstehens und der Sinndeutung doch erweisen, daß nicht nur »die Gesellschaft« das »eigentlich Reale« sei (Tenbruck, Aufgabe, a. a. O., S. 399-421, hier: S. 399).

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Rehberg, KS. (2014). Kultur versus Gesellschaft?. In: Moebius, S., Albrecht, C. (eds) Kultur-Soziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02254-9_16

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