Zusammenfassung
Die nachfolgenden Überlegungen gelten der Differenz zwischen den traditionellen Begriffen unserer Wirklichkeits- und Wissensordnung und einer soziologischen Typisierung der Handlungswirklichkeit. Das Demonstrationsbeispiel für diese Differenz ist das Konzept von »Kunst«, das – in seinen Prämissen weitgehend unbewußt und gerade deswegen bisher unangefochten – Institutionen, Rollen und Handlungsnormen bestimmt.
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Notes
- 1.
Nur die Architekturen und Einzelwerke blieben erhalten, die »Kunst« bzw. »Denkmäler« waren, d.h. durch einen Wert ausgezeichnet waren, der die Beweggründe ihrer Veränderung oder »Zerstörung« überwog. Seit dem 19. Jahrhundert war dies zunehmend ein historischer Dokumentationswert. Aber selbst noch die Wiederentdeckung der mittelalterlichen Malerei und Skulptur in der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts ging einher mit einer gewaltsamen Umfunktionierung und Teilzerstörung: die Altarfiguren und -Bilder wurden getrennt, Gehäuse und alte Rahmungen vernichtet, die meist doppelseitigen Flügel wurden zu Galeriebildern auseinandergesägt; und häufig wurden die von der Altarform bedingten Umrisse zu simplen Quadraten begradigt. »Abergläubisches« Bildwerk – wenn es nicht gerade eine noch in Funktion befindliche besonders wundertätige Darstellung war – wurde genauso getilgt wie die ästhetisch weniger beachtlichen Kastenrückseiten- und Flügelaußenseitenbemalungen. Ähnliches gilt für die Behandlung von Details in den Bildern: Heiligensymbole, verkleinerte Stifterdarstellungen, aber auch für die farbige Fassung von Skulpturen, die verschönt übermalt oder auch abgenommen wurde. Einen gewissen Anhalt für die Radikalität dieses Wandels kann man durch die verstreuten Arbeiten zur Erhaltungs- und Restaurierungsgeschichte gewinnen. Vgl. auch C. Grimm, 1978.
- 2.
Vgl. dazu: W. O. Hagström, 1965.
- 3.
Es ist die Möglichkeit der »Kunst« Kernbestand der modernen Utopien. So gilt mehr als jede andere Tätigkeit in unserer Gesellschaft das »künstlerische« Tun als kreativ, als anregende Bewegung vernachlässigter Seelenkräfte, als Entlastung. Es ist zum Modell humaner Selbstverwirklichung geworden. »Kunst« erscheint im Rückblick als der edelste Teil der Geschichte, als Hinweis auf die ursprünglichen und reinen Fähigkeiten des Menschen. Hier konnten in konservativer Deutung die Realisationen des Immergültigen gefunden werden, in gesellschaftskritischer Sicht die Unterpfande eines Handelns, das die gesellschaftliche Denaturierung durchbrochen hatte. Vgl. dazu: K. O. Werckmeister, 1971.
- 4.
I. Kant, 1790.
- 5.
F. Roh, 1953.
- 6.
R. Leiss, 1971.
- 7.
J. Dewey (1934) 1958, S. 214.
- 8.
Winckelmann – etwa in den » Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst« (1756) – erkannte die Werke der griechischen »Kunst« und die ganze Epoche ihrer Hervorbringung insgesamt als »ideal« an und erhob sie entsprechend zur nachzuahmenden Norm.
- 9.
Th. W. Adorno, 1970, S. 414.
- 10.
F. Piel, 1972, S. 22.
- 11.
U. Kultermann, 1966.
- 12.
H. Bauer, 1976, S. 24.
- 13.
Vgl. die Veröffentlichungen im »Journal of the Courtauld and Warburg Institutes«, London oder in »The Art Bulletin«, New York.
- 14.
Vgl. z. B. die Arbeiten von O. Pächt, 1977.
- 15.
Vgl. die Österreichische Kunsttopographie, hrsg. vom Bundesdenkmalamt, Wien, Bände VII, IX bis XIII, XX, XXII, XXV, XXVIII.
- 16.
Vgl. H. Bauer, 1976, S. 17 ff.
- 17.
Vgl. H. v. Sonnenburg, 1976, S. 9 ff.
- 18.
Vgl. H. Bauer, S. 74 ff.; L. Dittmann.
- 19.
Alois Riegl, (1901) 1927, vgl. zum »Kunstwollen« auch: L. Dittmann, 1967, S. 20 ff. und H. Bauer, 1976, S. 74 ff. Zur Theorie des »Wollens« von Objektivationen vgl. auch E. Cassirer, 1929; S. K. Langer, 1959; F. Leander, 1966.
- 20.
Vgl. dazu P. A. Sorokin, 1953, Kap. : »Ästhetische Geschichtsdeutungen«.
- 21.
W. Dilthey, 1886, S. 142 ff. und (1894) 1957, S. 139 ff.
- 22.
W. Dilthey, (1894) 1957, S. 217; zu dem Dilemma einer Ableitung präskriptiver Normen aus deskriptiven Sätzen vgl. Manfred Riedel, Einleitung zu W. Dilthey, 1970.
- 23.
H. Sedlmayr, 1958, S. 35-70.
- 24.
H. Sedlmayr, 1958, S. 92 ff.
- 25.
A. Schütz, 1974, S. 187-190.
- 26.
Vgl. dazu die Interpretation von N. Schneider, 1973, S. 21.
- 27.
H. Sedlmayr, 1958, S. 88 und S. 142 ff.
- 28.
H. R. Jauß, 1970, S. 247.
- 29.
H. R. Jauß, 1970, S. 251.
- 30.
E. Panofsky, 1964, S. 92.
- 31.
E. Panofsky, 1964, S. 91 ff.
- 32.
K. Mannheim, 1921/22, wiederabgedruckt in K. Mannheim, 1964, S. 91-154.
- 33.
Zitiert nach der Zusammenfassung bei Bourdieu, 1970, S. 128.
- 34.
P. Bourdieu, 1978, S. 125 ff.
- 35.
A. a. O., S. 130.
- 36.
Vgl. P. Bourdieu, 1974, S. 155, dann die Formulierung »Habitus als generative Grammatik« und: »Die Geschichte erscheint hier nur als ein Schauplatz, auf dem das System, das dazu tendiert, sich selbst zu entfalten, seine logischen Möglichkeiten, z. B. diejenigen die stilbildende Kraft haben, voll entfaltet.«
- 37.
J. Habermas, 1971, S. 305.
- 38.
Vgl. Hans-Georg Gadamer, 1960; Habermas, 1971, S. 261 ff.; Faber, 1971, S. 109 ff.
- 39.
Vgl. G. G. Iggers, 1978.
- 40.
Vgl. A. Silbermann, 1963, S. 20; vgl. auch zur Diskussion um eine positivistische Kunst- und Literatursoziologie B. J. Warneken, S. 81 ff.
- 41.
A. Silbermann, 1963, S. 20 ff.
- 42.
A. Silbermann, 1963, S. 24.
- 43.
H. Sedlmayr, 1958, S. 95 ff.
- 44.
Katalog Holländische Malerei, Kunsthistorisches Museum Wien, 1972, S. 95/96.
- 45.
H. Sedlmayr, 1958, S. 168.
- 46.
Die Ideologie dieser platonischen Rückwendung zu einer Konzeption idealer Urbilder ist dokumentiert in der Abhandlung von E. Panofsky, 1960.
- 47.
H. Sedlmayr, 1958, S. 169 ff.
- 48.
Diese typischen Schichtungen generationsmäßig sich ausdifferenzierender Themen sind bisher nicht beachtet worden. Vielmehr ist anläßlich von Ausstellungen (z. B. »Die Sprache der Bilder, Realität und Bedeutung in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts«, Braunschweig 1978) und Katalogabfassungen eine assoziativ ungeordnete Überinterpretation Mode geworden. Bemerkungen über die Nähe zur Literatur, über die entsprechende Bildung von Malern und Publikum verraten, daß weder das damalige Alltagswissen – das im Vergleich zu unserem Natur- und Menschenbild so archaisch anmutet, daß es schon wieder als »gebildet« mißverstanden werden kann, identifiziert ist, noch weitergreifende Zeitthemen zur Kenntnis genommen worden sind. Zur Weltbild-Analyse vgl. E. M. W. Tillyard, 1943.
- 49.
Vgl. Ch. Seymour, Jr., 1964, Nr. 3.
- 50.
So lautet ein Untertitel in Athanasius Kircher, 1646.
- 51.
M. Mandelbaum, London 1959, S. 476-487.
- 52.
H. G. Gadamer, a. a. O.
- 53.
G. H. Mead, 1973, S. 81.
- 54.
Vgl. N. Goodman, 1973, S. 32 ff.
- 55.
Alan H. Gardiner, 1951.
- 56.
W. Weidle, 1962, S. 249-273.
- 57.
N. Goodman, 1973, S. 265.
- 58.
R. Assunto, 1963, S. 16 ff. und S. 53 ff.
- 59.
H. Bauer, 1976, S. 20.
- 60.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Zuweisung der Grisaille-Fresken der Casa Pellizzari in Castelfranco an Giorgione, die in einem Programm der Künste und Wissenschaften (der artes liberales) auch die »Kunst des Malens« zeigen; in Form eines Ateliers, wo Bücher, Proportionskonstruktionen und Meßgeräte neben den Malutensilien zu sehen sind.
- 61.
J. von Schlosser, Wien 1924.
- 62.
Vgl. dazu K. H. Tjaden, 1969; J. Habermas, 1976; H. Holzer, 1978.
- 63.
Die hier nur angedeuteten Problemhintergründe sowie die Überlegungen für künftige Forschungsziele sind breiter ausgeführt in der Habilitationsschrift des Verfassers »Der Wandel der Bildsymbolik, Eine soziologische Deutung von› Kunst‹«, die z. Z. für den Druck vorbereitet wird.
- 64.
P. Tenbruck, 1972, vgl. auch W. Bühl, 1975 und J. Habermas, 1976, S. 200 ff.
- 65.
H.-G. Gadamer, 1960.
- 66.
F. Tenbruck, 1972.
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