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Integrative Nachhaltigkeitspolitik: Evaluationsansatz

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Book cover Policy-Integration und Nachhaltigkeit
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Zusammenfassung

Im folgenden Kapitel werden die methodologischen und analytischen Grundlagen der empirischen Fallstudie entfaltet. Dabei geht es vornehmlich um die Darlegung eines analytischen Bezugsrahmens, der eine differenzierte empirische Rekonstruktion und Evaluation nationaler Nachhaltigkeitsstrategien im Hinblick auf die Anforderungen einer integrativen Nachhaltigkeitspolitik ermöglicht. Hierfür werden die in Abschnitt 5.3 begründeten allgemein-abstrakten Kriterien in operationale und für den empirischen Untersuchungskontext passfähige Bewertungskriterien übersetzt (7.2). Zuvor soll jedoch das in der Gesamteinleitung zu dieser Arbeit lediglich in Grundzügen skizzierte Design der empirischen Evaluationsstudie eingehender erört ertwerden, zumal sich hieraus einige Konsequenzen für die Entwicklung des Evaluationsrahmens ergeben (7.1).

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Notes

  1. 1.

    Der wissenschaftlicheCharakter von Evaluationen wird mitunter in Frage gestellt. Behrens (2003: 217)ordnet Evaluationsstudien zusammen mit Benchmarking-Studien dem beratendenZweig der Policy-Forschung zu. Im Unterschied zu wissenschaftlichen Verfahrenorientierten sich Evaluation und Benchmarking von ihren Erkenntnisinteressenher an der Beratungstätigkeit und zielten auf einen unmittelbaren praktischenNutzen ihrer Ergebnisse. Ferner seien sie im Unterschied zu wissenschaftlichenArbeiten grundsätzlich mit normativen Urteilen bzw. Bewertungen verbunden.Schließlich würden die Ergebnisse entsprechender Studien nicht publiziert,wodurch sie dem wissenschaftlichen Diskurs entzogen blieben. Eine derartige funktionale Engführung undEntwissenschaftlichung evaluativer Zugänge erscheint nicht nur mit Blick aufetablierte Verständnisse problematisch, die Evaluation immerhin als spezifischeForm der nutzen- und anwendungsorientierten Forschung von wissensorientierterGrundlagenforschung abheben (Vedung 2006; Stockmann 2006). Die Angemessenheitder von Behrens vorgenommenen Zuordnung und deren Begründung ist angesichtspost-positivistischer Zweifel an einer szientistischen Fakten-Werte-Dichotomieaber auch theoretisch sowie mit Blick auf einen Bestand theorieorientierterEvaluationen (Chen 1996) empirisch kaum haltbar (vgl. grundlegend Guba/Lincoln2003).

  2. 2.

    Obgleichsich die Gründe für diesen gouvernementalen Zuschnitt des Gegenstandsbereichsbereits in den Unterkapiteln6.1 und6.2 finden, sollen sie hier noch einmalrekapituliert werden: (1) Die Begrenzung der Analyse auf Regierungspolitikberuht einerseits auf der Einschätzung, dass Regierungen gleichsam von ihrerfunktionalen Stellung in politisch-administrativen Systemen her aufKoordination, Abstimmung und die Herstellung einheitlicher Politik ausgerichtetsind. Von daher ist zu erwarten, dass sich Phänomene der Policy-Integrationbesonders in Regierungshandeln manifestieren. (2) Sie basiert andererseits aufder empirischen Vorabeinschätzung, wonach Regierungen im Allgemeinen eine zentrale Rolle innerhalb der Arrangementsstrategischer Nachhaltigkeitspolitik einnehmen. Regierungen tragen nicht nurdie organisatorische und die politische Gesamtverantwortung fürNachhaltigkeitsstrategieprozesse; es sind auch Regierungen bzw.Regierungsakteure, die Nachhaltigkeitsstrategien letztlich ausformulieren,aufschreiben und veröffentlichen. Insofern kommt Regierungen in Bezug aufstrategische Nachhaltigkeitspolitik gleichsam eine»bottleneck«-Funktion zu. Insgesamt ist anzunehmen, dass sich Akte derRelationierung von Policies im Kontext strategischer Nachhaltigkeitspolitik,wenn auch nicht ausschließlich, so doch auch in Regierungshandeln vollziehen.Der regierungsbezogene Zuschnitt des Gegenstandsbereichs bedeutet freilichnicht, dass andere Elemente der Arrangements strategischerNachhaltigkeitspolitik im weiteren Sinne als für Policy-Integrationirrelevant erachtet werden. Sie werden jedoch im Sinne von Einflussfaktoren aufbzw. Kontextbedingungen von Regierungshandeln konzipiert, die auf dieIntegrationsleistung von Regierungen Einfluss nehmen. In diesem Sinne werdensie als Elemente von Integrationsmechanismen und nicht als Orte derManifestation von Policy-Integration gedacht.

  3. 3.

    Der hier verfolgteUntersuchungsansatz unterscheidet sich von vorliegenden Untersuchungennationaler Nachhaltigkeitsstrategien durch seine dezidierte Fokussierung aufStrukturen, Prozesse und Funktionen der Policy- Integration. Anders als ineinigen bestehenden Untersuchungsansätzen, welche das Vorhandensein bestimmterinstitutioneller Arrangements als Indikator für (erfolgreiche!)Politikintegration werten (vgl. zum Beispiel OECD 2002b; Briassoulis 2005a:70ff.; Lafferty/Hovden 2002), rücken in dieser Arbeit zum einen diestrukturelle Grundanlage entsprechender Arrangements, zum anderen ihr»Innenleben«, also die Funktionsweise der politischen Problemverarbeitung, undschließlich deren Einbindung und Wirkungsweise in den politisch-administrativenKontext in den Mittelpunkt des Interesses. Von der bloßen Existenz einerNachhaltigkeitsstrategie und entsprechender institutioneller Strukturen kann –so die hier vertretene These – noch nicht auf die Integriertheit,Integrativität und Integrierung von Nachhaltigkeitspolitik geschlossen werden.Das ergibt sich nicht nur mit Blick auf die potentielle Vielfalt empirischerAusgestaltungsmöglichkeiten solcher Arrangements, sondern auch vor demHintergrund der erheblich variierenden Kontextbedingungen, die dazu führenkönnen, dass identische Arrangements unter verschiedenen Bedingungenunterschiedliche Policy-Integrationsformen hervorbringen und unterschiedlicherfolgreich sind.

  4. 4.

    Das Ausgangsproblem der empirischen Analysevon Phänomenen der Policy-Integration besteht darin, Integranden (Policies)zunächst analytisch isolieren zu müssen, um sie hinsichtlich ihrerRelationierung betrachten zu können. Da sich Phänomene der Policy-Integrationempirisch nicht ohne Weiteres als Integrationsphänomene erkennen lassen (Integrationwird immer erst dann bemerkt, wenn sie fehlt), erfordert die Analyse vonPolicy-Integration einen Kunstgriff: die Konstruktion eines hypothetischen(Ausgangs-)Zustands der Desintegration als Bezugspunkt für die Bestimmung einesZustands der Policy-Integration. Die Identifikation von Policies mitRessortpolitiken ist Ausdruck eines solchen (zugegebenermaßen wenig kreativen)Kunstgriffs. Er ermöglicht eine wenn auchkünstliche, so doch vergleichsweise scharfe Trennung von Policy-Integranden.Begreift man Ressorts in diesem Sinne als Repräsentanten von Policies undPolicy-Integration als Ressortpolitikintegration, ist der hypothetische Ausgangszustand der Nicht-Integration von Policies dadurch gekennzeichnet, dassRessorts hinsichtlich der Ausgestaltung von Policy-Aktivitäten vollständigautonom sind. Der Umstand, dass viele Politikfelder und politische Programme imSchnittbereich unterschiedlicher Ressorts zu verorten sind – das giltinsbesondere angesichts der Querschnittsfunktion einiger Ressorts wie Finanzenund Justiz -, verweist dann darauf, dass Policy-Integration in der einen oderanderen Form immer schon vorliegt.

  5. 5.

    Ausdruck hiervon ist etwa der Umstand, dasssich das parlamentarische Ausschusswesen im Regelfall an der Ressortstrukturorientiert, aber auch eine Korrespondenz desZuschnitt von Ressorts mit umfassenderen sozietalen policy-Netzwerken(Prittwitz 2007: 256).

  6. 6.

    Auf Deskription und Verstehen sozialerZusammenhänge ausgerichtete Ansätze interpretativer Forschung beziehen sichoftmals auf die Rekonstruktion feldimmanenter Wahrnehmungs- undSprachstrukturen – Story-lines, Narrative, Argumente etc. (vgl. Yanow 2007;Fischer 2003; Fischer/Forester 1993b) – und verzichten weitgehend auf eine weitere (explizite) Vorstrukturierung undFokussierung des Analyserepertoires. Post-positivistisch und auf die Praxisausgerichtete Ansätze der Policy-Evaluation zielen ferner darauf ab, auch dieBewertungskriterien auf der Grundlage der Vorstellungen involvierterPolicy-Akteure zu begründen und zu spezifizieren sowie Ergebnisse derEvaluation durch diese Akteure validieren zu lassen (Guba/Lincoln 2003; Fischer1995).

  7. 7.

    Mit der justbenannten Einschränkung ließe sich die wissenschaftstheoretische Grundpositionwie folgt zusammenfassen: (1) Die Existenz einer objektiven Realität wird nichtbestritten, sondern angenommen (realistische Ontologie). (2) Allerdingswird eine systematische ontologischeDifferenz zwischen phyisch-objektiven und sozialen Sphären der Realitätunterstellt. So wird soziale Wirklichkeit im Unterschied zu einer regelhaftstrukturierten physischen Realität als durch Interaktionen und Interpretationenkonstituierte, mehrdeutige und dynamische Konstruktion verstanden, die sichauch auf die Sphäre des Physisch-Objektiven bezieht, diese aber potentiellunterschiedlich ausdeutet (konstruktivistische Epistemologie). (3) Dasich die objektive und soziale Realität nur durch Interpretation erschließt,ist auch die Erkentnisgewinnung in Bezug auf beide (!) Sphären der Realität aufein interpretativ-hermeneutisches Vorgehen angewiesen (interpretativeMethodologie).

  8. 8.

    Auf dem Umweg der Rekonstruktion sozialkonstruierter Bedeutungen lassen sich Aussagen über die Möglichkeiten undGrenzen des Handelns von Akteuren innerhalb des Arrangements und damit überdessen institutionelle Funktionsweise erschließen. Dahinter steht die Annahme,dass »men act in terms of their interpretations of, and intentions towards,their external conditions, rather than being governed directly by them« (Fay,zitiert nach Fischer 2003: 159). Diese Bedingungen dürften daher nicht im Sinnekausaler Ursachen des Handelns verstanden werden, sondern als »warrantingconditions which make a particular action or belief more  >  reasonable  <  ,  >  justifiable  <  or  >  appropriate  <  ,given the desires, beliefs, and expectations of the actors« (ebd.).

  9. 9.

    Dies liegtallerdings bereits in der relationalen und graduellen Konzeptualisierung vonIntegration begründet (vgl. oben 3.1.2).

  10. 10.

    Innerhalb des positivistischen Paradigmasorientiert sich empirische Forschung an einem durch Validität operatio-nalisierten korrespondenztheoretischen Wahrheitsanspruch. Validitätkennzeichnet dabei eine isomorphe Beziehung,eine eindeutige und gleichbleibendeKorrespondenz, zwischen Daten und dem Phänomen, das durch diese Datenrepräsentiert wird. In einer Welt »multipler Realitäten« verliert dieseKonzeptualisierung von Validität im Sinne eines Nachweises isomorpherBeziehungen an Plausibilität. Einschlägiger erscheint vielmehr einValiditätsbegriff, der im Sinne einer Kohärenztheorie der Wahrheit auf die»compatibility of the constructed realities that exist in the minds of theinquiry’s respondents with those that are attributed to them« abstellt (Fischer2003: 154). Ein solches Validitäts- konzept ist nicht mehr alsDaten-Objekt-Korrespondenz, sondern als »credibility« bzw. »trustworthiness« zuoperationalisieren (ebd.: 130, 154; Guba/Lincoln 2003: 236f.).

  11. 11.

    Dabei distanziert sich Yanow (2007: 409) voneiner positivistischen Terminologie der Datensammlung, suggeriere diese doch,dass die Daten in der Welt »herumlägen« und darauf warteten, »eingesammelt« zuwerden. Aus einer interpretativen Perspektive sei das vom Forscher analysierte»evidentary material« indes selbst das Ergebnis von Konstruktionsleistungenjener Personen, die den Untersuchungsgegenstand bzw. das untersuchte Ereigniserst erzeugten und sprachlich verfügbar machten. Aufgrund derInteraktionseffekte des Forschers mit seinem Untersuchungsgegenstand und derimmer schon interpretativen Aneignung dieser sozialen Konstruktionen könne mansogar von einer »co-construction or co-generation of evidence« sprechen (2007:409).

  12. 12.

    Vgl. hierzu die methodologischen Anmerkungenim vorhergehenden Abschnitt.

  13. 13.

    Auch hier wird deutlich, dass sich der»methodische Auftrag« einer interpretativen Methodologie, den Akteuren und ihrenWahrnehmungen zu folgen, im Rahmen dieser Arbeit allein auf die Genese desDatenmaterials, nicht aber auf die Begründung und Spezifikation desDeutungsschemas bezieht. Das Deutungsschema ist vielmehr das Ergebnis einertheoretisch-konzeptionellen Interpretations- und Konstruktionsleistung desAutors.

  14. 14.

    Freilich wird nichtdavon ausgegangen, dass etwaige Reflexionen über Erfordernisse und Ansätzeeines integrierten Policy-Making vollständig und gleichsam unmittelbar inöffentlich kommunizierte Darstellungen des Selbstverständnisses übersetztwerden. Das gilt umso weniger als ein erheblicher Teil der hier als Reflexionenüber das Selbstverständnis behandelten Textstellen kaum Resultate einesexpliziten und intentionalen Selbstverständigungsdiskurses innerhalb derBundesregierung sein dürften – geschweige denn von der Bundesregierunginsgesamt geteilte Ergebnisse eines von der Bundesregierung insgesamt geführtenDiskurses. Tatsächlich, das zeigt die empirische Studie, liegt dieAutorenschaft der entsprechenden Textstellen meistens beim Bundeskanzleramt(vgl.8.3). Gleichwohl wird hier davon ausgegangen, dass in Selbstverständnisbekundungeninsbesondere etwaige Differenzen zu etablierten Vorstellungen politischerProblembearbeitung zum Ausdruck kommen. Die Bundesregierung, so die dahinterliegende Annahme, kommt angesichts eines ausdifferenzierten Diskurses über diepolitischen Implikationen der Nachhaltigkeitsidee in der Außendarstellungihrer eigenen Nachhaltigkeitspolitik aus legitimatorischen Gründen nicht umhin,sich zu diesem Diskurs zu verhalten. Dabei produziert sie gleichsamunweigerlich Reflexionen (sic!) über die Herausforderungen einer Politik derNachhaltigkeit, in denen nach Spuren einer integrationsbezogenen Konzeptuali-sierung strategischer Nachhaltigkeitspolitik gesucht werden kann.

  15. 15.

    An dieser Grundausrichtung ändert auch dievon Bogner und Menz (2002: 44) eingeforderte und mittlerweile sichdurchsetzende »methodische Integration des Experten als  >  Privatperson  <  «nichts. So vertreten auch Meuser und Nagel, zwei den deutschsprachigenMethodendiskurs zu Experteninterviews maßgeblich prägende Autoren, jüngst diePosition, dass private Relevanzen unweigerlich im Wissen des Experteneingelagert und eine Trennung des Befragtenin »Privatperson« und »Experte« methodisch wie praktisch kaum möglich sei(Meuser/Nagel 2009b, 2009a). Allerdings plädieren sie für eine Integration privater Relevanzen nicht umihrer selbst willen, sondern nur insofern, als diese das Wissen und Handeln desExperten in einem spezifischen Funktionszusammenhang beeinflussen. Nach wie vorgelte, dass das Experteninterview kein biographisches Interview sei: »Nicht diePerson des Experten in seiner biographischen Motiviertheit, sondern der ineinem Funktionskontext eingebundene Akteur ist Gegenstand der Betrachtung«(ebd. 2009a: 469).

  16. 16.

    So werde»[e]ine Person [.. ] im Rahmen eines Forschungszusammenhangs als Experteangesprochen, weil wir wie auch immer begründet annehmen, dass sie über einWissen verfügt, das sie zwar nicht notwendigerweise alleine besitzt, das aberdoch nicht jedermann in dem interessierenden Handlungsfeld zugänglich ist. Aufdiesen Wissensvorsprung zielt das Experteninterview« (Meuser/Nagel 2009a: 467).

  17. 17.

    Vgl.für eine ausführliche Bestimmung der Folgengesellschaftlicher Transformationsprozesse für Vorgänge der Produktion vonWissen insgesamt sowie für die Struktur und Bedeutung von ExpertenwissenMeuser/Nagel 2009b (mit weiteren Hinweisen).

  18. 18.

    Dabei repräsentiere ein Experte eine für den spezifischen Kontext, in dem er seinWissen erworben hat und in dem er handelt »typische Problemperspektive«: »eine typische Problemtheorie, einen typischenLösungsweg und typische Entscheidungsstrukturen« (Meuser/Nagel 2009a: 469).

  19. 19.

    In einer kritischenAuseinandersetzung mit etablierten wissenssoziologischen Ansätzen, die auf eine besondere Struktur des Expertenwissens(»Sonderwissen«) abstellen, plädieren Bogner/Menz (2009: 72 ff.) indes für eine Abgrenzung von Experten über die »sozialeRelevanz« ihres Wissens, also gewissermaßen für eine(funktionale) Bestimmung des Expertenstatus von einer potentiellenWirkmächtigkeit bzw. »Gestaltungsmacht« (ebd.: 73, Fn. 11) des Expertenwissensfür einen spezifischen Problembereich her. So weise das »Wissen des Experten[…] die Chance auf, in der Praxis in einem bestimmten organisationalenFunktionskontext hegemonial zu werden« (ebd.: 73) und »die Handlungsbedingungenanderer Akteure in seinem Aktionsfeld in relevanter Weise mit [zustrukturieren]« (ebd.). Experten ließen sich dementsprechend als »Personenverstehen, die sich – ausgehend von problemspezifischem PraxisoderErfahrungswissen, das sich auf einen klar begrenzbaren Problemkreis bezieht –die Möglichkeit geschaffen haben, mit ihren Deutungen das konkreteHandlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend zu strukturieren« (ebd.).Wenngleich auch Bogner und Menz einer konstruktivistischen Grundperspektiveverhaftet bleiben, indem sie »Experte« als relationalen Begriff ausweisen, der(auch) in Abhängigkeit von dem spezifischen Erkenntnisinteresse eines Forscherszu bestimmen sei (ebd.), wirft ihre auf die potentielle Wirkmächtigkeit vonExperten bzw. Expertenwissen abstellende Spezifizierung theoretische undmethodische Fragen auf: Sind Wissensbestände, die aufgrund von Unterdrückungoder Nicht-Anerkennung keine soziale Relevanz haben per definitionem keineExpertisen? Wo beginnt und wo endet soziale Relevanz? Trotz der in Teilenberechtigten Kritik an der Strukturfixiertheit bestehenderwissenssoziologischer Ansätze führen diese offenen Fragen dazu, dass imWeiteren auf die Konzeptualisierung von Meuser und Nagel zurückgegriffen wird.

  20. 20.

    Diese Konzeptualisierung des Expertenwissensals »analytische Konstruktion« eines »interpretierenden Sozialwissenschaftlers«(Bogner/Menz 2009: 71) korrespondiert mit der von Yanow für Methoden derinterpretativen Datengenese insgesamt vertretenen Auffassung einer»co-generation of evidence« (vgl. oben Fn. 596). Sie unterstreicht diemethodologische Verortung des Experteninterviews in einem interpretativenParadigma (ebd.: 60f.).

  21. 21.

    Insgesamt wurden 16 Interviews mitRessortvertretern aus dem Bundeskanzleramt (BK), dem BMU, dem BMWA bzw. demspäteren BMWi, dem BMZ, dem BMVBW bzw. BMVBS, dem BMVEL bzw. BMELV, dem BMBF,dem BMG und dem BMF geführt. Alle Interviewpartner arbeiten oder arbeiteten alsReferenten, Referatsleiter oder Unterabteilungsleiter in den für dieKoordinierung der Nachhaltigkeitsstrategie zuständigen Einheiten ihrerRessorts. Eine – auch namentliche –Übersicht über die Interviewpartner findet sich im Anhangsband zu dieserArbeit, der aus Datenschutzgründen unter Verschluss gehalten werden muss. Inder Fallstudie wird auf die entsprechenden Belegstellen in denInterviewtranskriptionen bzw. -protokollen in Form einer Kurzzitierweiseverwiesen (s. hierzu die Angaben hinten im Interviewverzeichnis aufS. 659).

  22. 22.

    Vor demHintergrund einer von Froschauer/Lueger eingeführten Unterscheidungverschiedener Formen von Expertisen nach ihrer organisatorischen Verortung ginges zum einen um die Erhebung »feldinterner Handlungsexpertise«, also um dieErmittlung von »Erfahrungswissen, das aus der Teilnahme [der interviewtenExperten, B.B.] an Aktivitäten im Untersuchungsfeld entstammt«(Froschauer/Lueger 2002: 228). Zum anderen stand mit Blick auf die eingeschlageneIntegrationsperspektive und den spezifischen Gegenstand (interministerielleKoordination) auch die Aktivierung und Erschließung »feldinternerReflexionsexpertisen« im Fokus. Das sind Wissensbestände, die Personenzugeschrieben werden können, welche aufgrund ihrer Positionierung anorganisationalen Schnittstellen Handlungen und Aktivitäten unterschiedlicherTeileinheiten sowie im Kontext der Organisation überblicken. »ExterneExpertisen«, also Wissen »zweiter Ordnung« von externen Beobachtern wurde indesnicht erhoben.

  23. 23.

    Die explorativen Interviews der ersten Phasewurden telefonisch durchgeführt und zum Teil nur in Form von stichwortartigenGedächtnisprotokollen niedergelegt. Die Interviews der zweiten Phase unddritten Phase fanden zum Teil vis-a-vis und zum Teil telefonisch statt. Siewurden auf Tonband aufgezeichnet und anschließend vollständig und wörtlich transkribiert.Die Transkriptionen finden sich im gesperrten Anhangsband der Arbeit. Dietelefonischen Befragungen wurden aus forschungsökonomischen Gründendurchgeführt. Christmann (2009) weist auf die spezifischeninteraktionsbezogenen Herausforderungen und Probleme telefonischerExperteninterviews hin, dokumentiert aber auch die prinzipielle Eignungtelefonischer Expertenbefragungen für explorativ-systematisierende Studien. DieVerwendbarkeit entsprechender Daten für theoriegenerierende Studien sei indessenaufgrund nicht überschaubarer Veränderungen der Interviewsituation und derdamit verbundenen Aufmerksamkeitsstörungen des Interviewpartners eingeschränkt.

  24. 24.

    So sind es »die »Texte des Aggregats  >  ExpertInnnen  <  , die[…] als Ganzes zum Objekt der Interpretation« gemacht werden(Meuser/Nagel 2002: 80, Hervorhebung B.B.).

  25. 25.

    »[A]uf der Suche nach der Typik des Objektsbehandeln wir die einzelne Expertin von vornherein als Repräsentantinihrer Zunft « (Meuser/Nagel 2002: 80).

  26. 26.

    In der Terminologie der analytischenPerspektive handelt es sich hierbei um das Verhältnis von Gegenstandsbereichund Aufmerksamkeitsbereich (vgl. hierzu die Abschnitte 3.3.2 und 3.3.3.).

  27. 27.

    So können sich Hinweise auf dieIntegrativität strategischer Nachhaltigkeitspolitik aus der Analyse desProzesses und der organisatorischen Verankerung ergeben; die Analyse derstrukturellen Integriertheit von Nachhaltigkeitspolitik bezieht auch dieprogrammatische Dimension der Nachhaltigkeitsstrategie sowie denStrategieprozess ein usw.

  28. 28.

    Die Rede von einer »verstecktenKorrespondenz« bezieht sich auf den Umstand, dass die gegenständlichenBezugspunkte des analytischen Fokus in operationale Kriterien aufgehen, dienicht nach Gegenständen, sondern nach Modi von Policy-Integration benannt sind.

  29. 29.

    Wenn Nachhaltigkeitspolitik auf einem engen,einzelne gesellschaftliche Funktionsbereiche fokussierenden Verständnis vonNachhaltigkeit basiert, ist dies ein erster Hinweis auf eine enge Auslegung der Integrationsaufgabe selbst. Unterdiesen Vorzeichen erscheint es zumindest kaum plausibel anzunehmen, dass imRahmen strategischer Nachhaltigkeitspolitik ein extensiver Ansatz der Policy-Integrationangestrebt wird. Ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit alsgesamtgesellschaftliche Entwicklungsidee lässt sich indes als Hinweis auf eine extensive Interpretation derIntegrationsaufgabe lesen.

  30. 30.

    Dahinter steht – analog zu den Überlegungenin Bezug auf Extensität – die Annahme, dass das Symmetrieverständnis desNachhaltigkeitskonzepts eine Annäherung andas Symmetrieverständnis strategischer Nachhaltigkeitspolitik darstellt. Wennbeispielsweise einzelne Nachhaltigkeitsdimensionen systematisch priorisiertwerden, kann vermutet werden, dass dadurch auch Asymmetrien zwischenPolitikbereichen begünstigt werden.

  31. 31.

    Damit ist gemeint, dass sich dieprozessbezogene Analysekategorie im Unterschied zu den struktur- und funkti-onsbezogenen Analysekategorien vom Aufbau her nicht an den konzeptionellentwickelten und normativ begründeten Integrationsmodi orientiert. Das bedeutetfreilich nicht, dass die entsprechenden normativen Anforderungen verworfenwerden. Vielmehr werden diese in Kriterien der Prozessanalyse übersetzt, die –zumindest dem Anspruch nach – »quer« zu den prozessbezogenen Modi liegen. Fürdiese von einer Orientierung an abstrakten Integrationsmodi abweichende Anlageder Prozessanalyse gibt es mehrere Gründe: Zum einen kommt darin der Versucheiner Annäherung des Analysrahmens an etablierte Vorstellungen von Prozessender Politikproduktion zum Ausdruck, mithin also das Bemühen um eine größere Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeitder empirischen Analyse. Für eine Loslösungvon abstrakten Zeitkriterien spricht desweiteren die Absicht eineranschlussfähigeren und weniger sperrigen, aber zugleich differenzierterenAbbildung der »doppelten Zeitlichkeit« von Policy-Integration, also derVerbindung von gegenständlicher und modaler Zeitlichkeit bei der Analyse vonPolicy-Integration (vgl. oben 3.4.2.3). Ein weiterer Grund ergibt sich mitBlick auf die nur schwache Resonanz normativer Anforderungen der Nachhaltigkeitsidee mit den Prozessmodi von Policy-Integration, also aus dem Umstand,dass das normative Spezifizierungspotential der Nachhaltigkeitsidee in Bezugauf die Prozesse von Policy-Integration nur gering ist. Vor diesem Hintergrund wird die Prozessanalyse nicht allein um ihrer selbst willen vorgenommen,sondern auch zum Zwecke der Mikrofundierungder struktur- und funktionsbezogenen Betrachtungen.

  32. 32.

    Meta-Policy-Making unterscheidet sich vonPolicy-Making nicht hinsichtlich des Ausgangs- und des Endpunkts – auch hiergeht es um Probleme bzw. Problemlösungen. EineMeta-Policy unterscheidet sich aber hinsichtlich der Form dieser Probleme undProblemlösungen. So beziehen sich die Probleme einer Meta-Policy auf dieProblembereiche unterschiedlicher Policies zugleich bzw. auf Ordnungsproblemezwischen diesen Policies; die Problemlösungen adressieren nicht unmittelbargesellschaftliche Problemlagen, sondern Prozesse der Problemlösung innachgeordneten Policies.

  33. 33.

    Die Proposition dieses Modells geht mit demAnspruch einher, dass damit die normativen Anforderungen einer integrativenPolitik der Nachhaltigkeit in Bezug auf Dauer, Dynamik, Synchronität undSequentialität von Policy- Integrationsprozessen abgedeckt werden. In anderenWorten: Wenn die empirisch rekonstruierten Prozesse dem im Folgendendargelegten vier-phasigen Muster integrierenden Meta-Policy-Making entsprechen,sind auch die allgemein-abstrakten prozessbezogenen Anforderungen integrativerNachhaltigkeitspolitik erfüllt.

  34. 34.

    Diese an Modellen rationalerProblembearbeitung orientierte Differenzierung ist im Sinne einer Heuristik zuverstehen, die allein analytischen Zwecken dient; sie ermöglicht eine zeitlich differenzierte Erfassung empirischerPhänomene, ohne mit einem eigenständigen normativen Anspruch ausgestattet zusein. Die Normativität der Nachhaltigkeitsidee bezieht sich also nicht aufden spezifischen (rationalen) Ablauf der Phasen, sondern auf eine dauerhafte, frühzeitige, kontinuierliche,synchrone und parallele Integrierung von Policies.

  35. 35.

    Für den gegebenen Untersuchungskontexterscheint eine breite Operationalisierungdes Kriteriums der Folgenabschätzung geboten. Ziel ist es zu ermitteln, ob undinwieweit überhaupt eine Relationierungpolicy-bezogener Reflexionsgrundlagen erfolgt, inwieweit Nachhaltigkeitspolitikalso auf der Basis umfassenderer, policy-übergreifender Reflexionenhinsichtlich ihrer Folgen betrieben wird. Neben der Erfassung der Verwendungvon Mechanismen (»tools«) der Folgenabschätzung richtet sich das Augenmerk auchauf weniger explizite Formen der Folgenabschätzung wie die Einbeziehungwissenschaftlicher Expertise in die Vorbereitung von Entscheidungen. Es gehtalso darum, gleichsam »Spuren« der Reflexivierung von Entscheidungen zuidentifizieren.

  36. 36.

    Outputseitig ergibt sich ein Integrationsbedarfangesichts einer angestrebten hohen Bindungswirkung des Arrangements: Inwieweitist das Arrangement dazu in der Lage, nachgeordnete Policies in ihrerBeweglichkeit einzuschränken?

  37. 37.

    Ein hohes Maß an Integriertheit vonNachhaltigkeitspolitik ist zugleich eineBedingung zur Herstellung äußerer Kohärenz zwischen Nachhaltigkeitspolitik undSektorpolitiken und damit eine allgemeineVoraussetzung für ein System rationaler Problemverarbeitung.

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Bornemann, B. (2013). Integrative Nachhaltigkeitspolitik: Evaluationsansatz. In: Policy-Integration und Nachhaltigkeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02209-9_7

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