Zusammenfassung
Die an Luhmanns Rechtsoziologie ausgerichtete Untersuchung ist per se kein Votum für einen systemtheoretischen Ansatz schlechthin. Luhmanns Theorie wird insbesondere wegen derdoppelten Offenheit gewählt, die familiengerichtliche Verfahren zur Sicherung des Kindeswohleszu Eigen ist: der Ausgang solcher Verfahrens ist offen einerseits aufgrund unbestimmter Rechtstitel zur Bestimmung darüber, ob Kindeswohlgefährdung vorliegt oder nicht.Andererseits müssen sich in Verfahren drei Professionen gemeinsam oder in Mehrheitspaarendarüber abstimmen, ob eine solche Gefährdung existiert. Mithin bewirkt die von den unbestimmten Rechtsbegriffen erzwungene Offenheit notwendiger Weise die Offenheit zum interprofessionellen Austausch.
Zunächst gilt es zu klären, was Luhmann unter Verfahren versteht; sodann, welchem Legitimitätsbegriff er folgt; schließend werden jene Kategorien erläutert, anhand derer sich Gerichtsverfahren nach Luhmann beschreiben und bewerten lassen.
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Notes
- 1.
Inwieweit die Offenheit des Verfahrensausganges in besonderer Weise mit Luhmanns Legitimation durch Verfahren ‚korrespondiert‘, wird später auszuführen sein.
- 2.
Hier gilt es allerdings zu differenzieren. Unbestimmte Rechtstitel bestimmen unmittelbar nur ASD und Richter; das Handeln von Gutachtern bestimmen sie allenfalls nur mittelbar und nur soweit, als sich infolge der Methodik der beiden anderen Verfahrensprofessionen Dissens oder Unsicherheit bei der Legitimation ergeben, den Eltern zur Sicherung des Kindeswohles das Sorgerecht zu entziehen.
- 3.
Die nachfolgend in Klammern gesetzten Ziffern verweisen auf die Seitenangabe im Luhmann-Text.
- 4.
Für „sich selbst steuernd“ hat Luhmann den Begriff autopoetisch gewählt.
- 5.
Es gehört – ohne hier näher darauf eingehen zu wollen – zum systemtheoretischen Axiom Luhmanns, die aus seiner Sicht ‚vermeintliche‘ Entgegensetzung von System und Prozess aufzugeben.
- 6.
Im Kontext des untersuchten Themas beispielsweise die lange, komplexe vorgerichtlichen Phase von Hilfemaßnahmen seitens des Jugendamtes, die aus verschiedenen Gründen oft erst angenommen, dann wieder verweigert werden.
- 7.
Solche Rahmenordnungen werden im Prozessrecht festgelegt.
- 8.
Luhmann, S. 28 (Hervorhebung von Luhmann).
- 9.
ebd.
- 10.
Luhmann, S. 30.
- 11.
Luhmann, S. 30 f.
- 12.
Luhmann, S. 31.
- 13.
ebd. – FN #27.
- 14.
Luhmann, S. 34.
- 15.
Nicht aufgenommen werden die Kategorien Ausdifferenzierung, Grenzen der Lernfähigkeit, Darstellung für Unbeteiligte sowie Programmstruktur und Verantwortlichkeit.
- 16.
Unter Ausdifferenzierung versteht Luhmann die Grenzfestigung des Verfahrens zur Umwelt: ohne beide kausal und kommunikativ zu isolieren, wird mit einem Verfahren eine eigenständige Sinnsphäre etabliert, damit selektive Prozesse der Verarbeitung von Umweltinformationen durch systemeigene Regeln und Entscheidungen gesteuert werden können. Mit anderen Worten: Struktur und Ereignis der Umwelt gelten im Verfahren nicht automatisch, sondern nur vermittels eigener, gefilterter Anerkennung eines Gerichtsverfahrens. – Luhmann, S. 59. Jürgen Habermas sieht dies bekanntlich anders.
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Schneider, K., Toussaint, P., Cappenberg, M. (2014). Theoretische Ausrichtung: Legitimität durch Verfahren . In: Kindeswohl zwischen Jugendhilfe, Justiz und Gutachter. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01902-0_2
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