Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert die Bedeutung der akzelerierenden Zunahme von Events, d. h. einer ‚Eventisierung‘ der Kultur für Mensch und Gesellschaft. Diese scheint eines der wichtigsten Kennzeichen ‚spätmoderner‘, vielleicht aber auch schon sich ‚modernisierender‘ Gesellschaften in Kontexten der Globalisierung zu sein. Er gliedert sich in vier Abschnitte. Zuerst wird der Event mit Hilfe von sechs Strukturmerkmalen begrifflich bestimmt. In einem zweiten Schritt wird der Event in Beziehung gesetzt zu Phänomenen, die ihm verwandt sind. Verwandt sind ihm Feste und Feiern, denen beide spezifische Funktionen für menschliche Identitätsbildung und die Stabilität beziehungsweise Kreativität gesellschaftlicher Ordnungen zukommen. Dies erscheint vor allem deshalb als notwendig, weil sich die Kulturbedeutung der ‚Eventisierung‘ nur aus dem Vergleich mit jenen Phänomen ergibt, die ähnliche Funktionen erfüllen wie der Event. In einem dritten Schritt wird der historische Prozess der ‚Eventisierung‘ kurz skizziert. Und abschließend wird darauf eingegangen, welche sozialen und kulturellen Auswirkungen die akzelerierende Transformation des Festlichen hin zum Event zeitigt und wie sich die ursprünglichen Funktionen von Fest und Feier im Zuge dieser Transformation verändern.
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Beschreibungen und soziologische Analysen zu Events aus unterschiedlichen Bereichen finden sich in den Sammelbänden ‚Events. Soziologie des Außergewöhnlichen‘ (Gebhardt et al. 2000), ‚Populäre Events. Medienevents, Spielevents, Spaßevents‘ (Hepp et al. 2008) und ‚Urbane Events‘ (Betz et al. 2011). Als kultur- oder wissenssoziologische Fallstudien zu – meist in irgendeiner Form herausgehobener – Events, wie den Weltjugendtagen der katholischen Kirche, den Bayreuther Richard Wagner-Festspielen oder der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010, sind zu nennen: Gebhardt und Zingerle 1998, Forschungskonsortium WJT 2007, Pfadenhauer 2008, Kirchner 2011, Niekrenz 2011, Hitzler et al. 2013.
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Zu den maßgeblichen Vertretern der deutschen philosophischen Festtheorie müssen wohl Josef Piper (1963), Karl Kerényi (1971), Otto Friedrich Bollnow (1979) und Odo Marquard (1989) gerechnet werden, für die französische Tradition wären neben Durkheim und Marcel Mauss vor allem Roger Caillois (1950), Jean Duvignaud (1973) und Jean-Jacques Wunenburger (1977) zu nennen.
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Beschreibungen und Analysen bürgerlicher Feiern finden sich u. a. in den Sammelbänden ‚Deutsche Feiern‘ (Grimm und Hermand 1977), ‚Öffentliche Festkultur‘ (Düding et al. 1988) und ‚Festkulturen im Vergleich‘ (Maurer 2010). Eine bis heute lesenswerte Fallstudie über die gerade für das deutsche Bürgertum zentralen Schillerfeiern ist Noltenius 1984.
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Literatur
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Gebhardt, W. (2015). Feste, Feiern und Events. Die etwas andere Freizeit. In: Freericks, R., Brinkmann, D. (eds) Handbuch Freizeitsoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01520-6_16
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