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Zur Bedeutung familiärer Strukturen und Lebenspraxen für die Bildung von Sozialität

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Sozialpädagogik zwischen Staat und Familie
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Zusammenfassung

Im Beitrag geht es im Wesentlichen um zwei zentrale Aspekte. Zum einen plädiere ich für einen kontextsensiblen Zugang gegenüber Kindern und ihren Lebensbedingungen im Rahmen von Kinderschutzdebatten und -bemühungen, indem ich mich auf familiensoziologische Erkenntnisse und die eigene Forschung mit ehemaligen Pflegekindern beziehe. Kinder isoliert von ihren Eltern und generativen Zusammenhängen zu betrachten, wird demnach der Vielschichtigkeit kindlicher Entwicklungsprozesse nicht gerecht, insbesondere familiäre Beziehungen, Milieus und sozialstrukturelle Lebensbedingungen sind für die Sozialisation von Kindern bedeutsam.

Zum anderen geht es mir vor allem darum, aus der Familienforschung bekannte Leistungen von Familien mit der Versorgung, Pflege, Zuwendung und „vorpädagogischen“ (Winkler) Vermittlung von für die Teilnahme an Interaktionsprozessen grundlegenden sozialen Werten, Normen und Praktiken in Erinnerung zu rufen. Insbesondere Erfahrungen von Kindern im Rahmen einer triadischen Interaktionsstruktur sind für ihre Entwicklung und ihre soziale Integration im Erwachsenalter sehr instruktiv. In der Dreierkonstellation können Kinder wechselnde Ein- und Ausschlussprozesse mit den beiden Elternteilen erfahren, sie können gleichermaßen lernen mit sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit und sozialen Anforderungen und Zurückweisung umzugehen, ohne dauerhaft aus der Familie ausgeschlossen zu werden.

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Notes

  1. 1.

    1996 wuchsen noch 81,4 % aller minderjährigen Kinder im Rahmen einer Kernfamilie als primäre Sozialisationsinstanz auf.

  2. 2.

    Hier ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die wissenschaftlichen Kinderschutzdebatten wesentlich differenzierter und vor dem Hintergrund diverser Studienergebnisse geführt werden.

  3. 3.

    Schleiermacher versteht darunter, dass sich der Erziehungsprozess als wechselseitiger, ambivalenter, widersprüchlicher, zuweilen überraschender Prozess vollzieht, der nur bedingt von der erwachsenen Generation geplant und gelenkt werden kann.

  4. 4.

    Ich danke Michael Winkler dafür, dass er mir das Manuskript seines Vortrages an der HTW in Saarbrücken am 9.5. 2012 zur Verfügung gestellt hat. Im Folgenden werde ich auf dieses Manuskript Bezug nehmen, wenn ich die zentralen Kennzeichen moderner Familien referiere, die Winkler auch in seiner Monographie 2012 differenziert, mit all seinen komplexen Zusammenhängen und Ambivalenzen herausarbeitet hat.

  5. 5.

    So kann in der modernen Säuglingsforschung gezeigt werden, dass bereits Säuglinge in der Lage sind konkret zwischen zwei zentralen Bezugspersonen zu differenzieren (vgl. z. B. Fivaz-Depeursinge und Corboz-Warnery 2001).

  6. 6.

    „Die Sozialtheorie ist schlicht eine Theorie des Sozialen, sie reflektiert also das Soziale – oder das „Zwischen“ oder das „Inter“ zwischen Subjekten – als einen bestimmten Relationstyp, einen Typ von Relation, den man das Intersubjektive oder auch das Transsubjektive nennen kann. Die Sozialtheorie kreist darum, die Besonderheit dieses Relationstypus zu erschließen, so dass er nicht zu verwechseln ist mit dem Relationstypus des Subjekt-Objekt-Verhältnisses oder mit dem Relationstypus des Selbstverhältnisses des Subjekts zu sich selbst oder mit dem Relationstypus des Verhältnisses von Objekten untereinander, auch nicht mit dem Relationstypus des Absoluten oder Gott, der als das transzendente Dritte alle anderen Verhältnisse stiftet“ (Fischer 2010, S. 135).

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Gehres, W. (2014). Zur Bedeutung familiärer Strukturen und Lebenspraxen für die Bildung von Sozialität. In: Bütow, B., Pomey, M., Rutschmann, M., Schär, C., Studer, T. (eds) Sozialpädagogik zwischen Staat und Familie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01400-1_11

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