In dieser Einführung in die partizipative Forschungspraxis lag ein Fokus auf dem praktischen, empirischen Vorgehen und auf wissenschaftlichen Perspektiven auf die partizipative Forschung. Die Vielfalt partizipativer Ansätze wurde in Umrissen skizziert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die partizipative Forschung hierzulande unzulässig auf die besondere Rezeptionsgeschichte und Entwicklung der deutschen Aktionsforschung der 1970er-Jahre reduziert und die vielstimmige, lebendige internationale Diskussion weitgehend ausgeblendet wird. Das mag sich allerdings in naher Zukunft ändern angesichts der Zunahme partizipativer Projekte und Veröffentlichungen in Deutschland, angesichts der Erfolge der partizipativen Forschung in einzelnen Feldern (wie der Community-basierten partizipativen Gesundheitsforschung) und aktueller Debatten um die (Neu-)Bestimmung des Verhältnisses der Sozialwissenschaften zu der Gesellschaft – zum Beispiel in Diskussionen zu Public Sociology (Burawoy 2005).

Abschließend sei die Aufmerksamkeit auf ein Thema gerichtet, das aktuell in der englischsprachigen partizipativen Forschung diskutiert wird: die Gefahr der Kooption von partizipativer Forschung. Es wird die Besorgnis geäußert, dass die partizipative Forschung Opfer ihres eigenen Erfolges werden könnte. Diese Gefahr bestehe dann, wenn partizipative Verfahren standardisiert und vorgeschrieben werden und damit ihre Freiwilligkeit verlieren. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass sie teilweise ihre kritisch-emanzipatorische Ausrichtung verlieren und von bestehenden Eliten zur Sicherung des Status Quo vereinnahmt werden (Fine 2009; Reason und Bradbury 2008b, c). Während der erste Einwand z. B. in der nordamerikanischen Gesundheitsforschung ein reales Problem darstellt, bei dem durch Auflagen von Zuwendungsgebern Formen der Scheinpartizipation befördert werden, erscheint die zweite Sorge nur bedingt nachvollziehbar. Zum einen war die partizipative Forschung noch nie auf einzelne Gruppen beschränkt, sondern es gab seit ihrer Entstehung unterschiedliche Kontexte, in denen sie von unterschiedlichen Gruppen zu unterschiedlichen Zwecken angewandt wurde (Cassell und Johnson 2006). Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Aktionsforschungsgeschichte erscheint ein ideologisch-politisch motivierter Separatismus und damit zusammenhängend eine pauschale Abwertung einzelner Ansätze und Anwendungen als nicht ausreichend kritisch wenig hilfreich. Angemessener wäre es, die einzelnen Ansätze mit ihren jeweiligen Grundlagen, Zielen und Ansprüchen klarer herauszuarbeiten und die Vielfalt der Ansätze immer wieder neu von einander ab- und miteinander in Beziehung zu setzen.

In diesen Ausführungen wurde die Position vertreten, dass die partizipative Forschung als anwendungsorientierte, kooperative und wertebasierte Forschung im Kanon der Wissenschaften einen Platz hat. Allerdings wurden auch die Grenzen und Herausforderungen aufgezeigt. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht ein Handlungsbedarf in der Ausarbeitung und Weiterentwicklung der theoretischen und methodologischen Grundsätze partizipativer Forschungsansätze. Um die methodologische Debatte der sozialwissenschaftlichen, partizipativen Forschung hierzulande weiterzuführen, wären stärkere Bezüge zu diskurstheoretischen und wissenssoziologischen Perspektiven hilfreich. Das würde größere Klarheit schaffen im Hinblick auf Fragen wie: Welches Wissen besteht in den Lebenswelten, Gemeinschaften und Praxiszusammenhängen, wie wird es hergestellt und wie wandelt es sich in partizipativen Forschungsprozessen? Welches Wissen kann in einer partizipativen Zusammenarbeit nicht oder nur schwerlich hergestellt werden? Wie lässt sich die partizipative Forschung diskurstheoretisch rahmen? Ist es möglich, gesellschaftliche Diskurse mithilfe von partizipativer Forschung zu analysieren und zu beeinflussen? In methodischer und methodologischer Hinsicht eröffnet auch die Kombination von partizipativer Forschung und der Grounded Theory-Methodologie (vgl. Kap. 4) vielversprechende Möglichkeiten, die es weiter zu verfolgen gilt.

Forschungspraktisch steht in Deutschland an, weitere Erfahrungen zu sammeln und die Anschlüsse an internationale Entwicklungen und Debatten aktiv herzustellen und zu nutzen. Es bedarf des Aufbaus einer Infrastruktur und längerfristigen Forschungsförderung. Bei der Förderung partizipativer Projekte sollte darauf geachtet werden, genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen – für die Ermöglichung der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure an Forschungsprozessen und auch für die notwendige, zeitintensive Herstellung von Bezügen zum Wissenschaftssystem. Ein Kritikpunkt, der zu Recht gegen partizipative Forschung vorgebracht wurde, lautet, dass die Qualität der Erkenntnisse und Effekte bislang nicht ausreichend nachvollziehbar waren. Dem kann entgegen gehalten werden, dass dieser Umstand weniger im Ansatz und seiner Umsetzung begründet liegt, als vielmehr in den Bedingungen des partizipativen Forschens, die häufig keine ausreichenden Ressourcen für die wissenschaftliche Auswertungs- und Schreibarbeit vorsehen. Da partizipative Forschung erst in der längerfristigen Zusammenarbeit ihr Potential voll entfalten kann, bedarf es des Aufbaus einer Forschungsförderung, die auch Ressourcen für die wissenschaftliche Verwertung der Projektergebnisse vorsieht.

Um die partizipative Forschung in der Wissenschaft zu befördern, ist jedoch mehr nötig als die notwendige Ausstattung und ausgearbeitete theoretische, methodologische und epistemologische Argumente. Es bedarf zudem eines Umdenkens aufseiten der Wissenschaft im Umgang mit der eigenen Rolle und dem zugewiesenen Expert/innen-Status. Wissenschaftler/innen sind selbst gesellschaftliche Akteure und Mitglieder lebensweltlicher Gemeinschaften, die irgendwann in ihrer Ausbildung gelernt haben, wissenschaftlich zu arbeiten. Auch andere Akteure sind dazu in der Lage. Statt einseitig die Limitationen der Forschungskompetenzen von Laien zu betonen, ist es daher angemessener, in der wissenschaftlichen Debatte einen Kompetenzdiskurs zu führen (Nind 2011, S. 359–60) – und zwar nicht nur im Hinblick auf die eigenen Kompetenzen. Partizipative Forschung lässt sich als ein Ansatz im möglichen methodischen Spektrum auch für die Wissenschaft gewinnbringend nutzen: um einer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, Partnerschaften und Vertrauen aufzubauen, die eigenen Horizonte zu erweitern, Konzepte und Theorien zu hinterfragen und neue Ideen zu entwickeln – auch für Forschungsprojekte mit klassischen, akademischen Ansätzen. Denn genauso wie akademische Forschung (insbesondere qualitative Forschung) genutzt werden kann, um partizipative Forschung vorzubereiten, kann auch partizipative Forschung genutzt werden, um Anstöße und Ideen zu liefern für stärker akademisch orientierte Projekte, die einen größeren Fokus auf Theoriebildung und Anschlüsse an wissenschaftliche Diskurse legen, als partizipative Forschung dies zu tun vermag oder beabsichtigt.