Zusammenfassung
Die Themenfelder Wohnen und Sicherheit weisen so vielfältige Bezüge und Interdependenzen auf, dass Wohnungseigentümer und -unternehmen Sicherheitsexperten sein müssten. Auf den ersten Blick geht es meist um Schließ- und Gegensprechanlagen, Beleuchtungssysteme oder Jalousien; also den Schutz vor Bedrohungen. Sicheres Wohnen schließt weiterhin soziale Dimensionen der Wohnversorgung ein, die besonders in prosperierenden Städten und angesichts der sich verändernden Akteursstruktur am Wohnungsmarkt aktuell an Bedeutung gewinnt. Ebenso liegt die Begabung der Wohnungswirtschaft zur Umsetzung von neuen, präventiven Ansätzen zur Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls, die maßgeblich lokale Akteure in Stadtquartieren fokussieren, auf der Hand. In der wohnungswirtschaftlichen Praxis erweist sich Sicherheit aber oft nur auf technischer sowie abstrakter Ebene als ein wichtiges Handlungsfeld. Als Teil des Prozesses lokaler Sicherheitsproduktion sehen sich die Wohnungsunternehmen dagegen nur in den seltensten Fällen. Ein vorsichtiger Umgang mit dem Thema ist plausibel, denn die Kommunikation von Unsicherheit stellt einen stigmatisierenden und somit potenziell ‚geschäftsschädigenden‘ Faktor für Vermieter dar. Der Beitrag ordnet das Themenfeld Sicherheit in aktuelle Trends der Wohnungswirtschaft ein. Anhand der Fallstudienuntersuchungen werden Quartiersbinnensichten und -praktiken im Kontext von Sicherheit reflektiert.
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Notes
- 1.
Der Artikel basiert auf Ergebnissen von Interviews mit wohnungswirtschaftlichen Akteuren in den Fallstudienstädten Leipzig, Nürnberg und Hamm. In jeder Stadt wurden 3 bis 4 Wohnungsunternehmen zum Stellenwert des Themas Sicherheit in ihrem Arbeitsalltag befragt. In die Untersuchung wurde nur die institutionelle Wohnungswirtschaft, d. h. keine Einzeleigentümer, einbezogen.
- 2.
Im Zentrum der Debatte stehen die Wohnungsunternehmen, also die organisierte Wohnungswirtschaft, mit ihrer im Vergleich zu Privateigentümern größeren stadtbildprägenden Wirkung durch die zusammenhängenden Bestände sowie ihre höheren finanziellen sowie organisatorischen Ressourcen.
- 3.
Zudem fällt sicher auch der Einfluss medialer Sicherheitsdiskurse ins Gewicht, da zum Zeitpunkt der Untersuchung in Leipzig (Sommer 2011) die Berichterstattung um einen Dissens zwischen kommunaler und polizeilicher Strategien im Umgang mit Drogenabhängigen ihren Höhepunkt erreicht hatte (vgl. auch Beitrag Abt/Tausendteufel sowie Tausendteufel).
- 4.
Es handelt sich damit um die zweite Neubewertung in kurzer Zeit: Angesichts regional entspannter Nachfragesituationen bei gleichzeitiger Verschlechterung der haushaltspolitische Lage der öffentlichen Hand, wurde Anfang der 2000er Jahre die Sinnhaftigkeit des öffentlichen Wohnungsbestandes diskutiert. Dies stieß eine Reihe von Verkäufen von Mieterprivatisierung bis hin zum Verkauf ganzer Wohnungsunternehmen bzw. großer Wohnungsportfolios an (vgl. BMVBS 2007). Auch viele der im öffentlichen Besitz verbliebenen Wohnungsunternehmen wurden grundlegend umstrukturiert.
- 5.
Ab 2002 rückten die Genossenschaften wieder in den Fokus der Politik. Im Rot-Grünen Koalitionsvertrag wurde das Ziel verankert, das genossenschaftliche Wohnen als dritte Wohnform – neben dem Wohnen zur Miete und Wohnen im Eigentum – zu stärken. Die folgenden Koalitionsvereinbarungen (2005 und 2009) bestätigten dies. Die Eigenschaften der Wohngenossenschaften – Identitäts-, Förder- und Demokratieprinzip – passten ebenfalls zu der Betonung der steigenden Eigenverantwortung der Bürger und der sukzessiven Abkehr von staatlicher Steuerung (aktivierender Staat). In den Debatten um die Wahrnehmung der sozialen Verantwortung von Wohnungsunternehmen, werden die Genossenschaften oft im gleichen Atemzug, wie die kommunalen Wohnungsunternehmen genannt.
- 6.
Die Überwindung dieses „Gefangenendilemmas“ war schon immer eine Zielrichtung der Städtebauförderung. Die öffentlichen Investitionen, flankiert von steuerlichen Anreizen für Private, sollten das Vertrauen in eine stabile Quartiersentwicklung stärken und so konzertierte, gemeinsame Investitionen fördern.
- 7.
Um in benachteiligten Quartieren Aktivitäten anzustoßen und Akteursnetzwerke zu initiieren, wurden seit 1999 in den Programmgebieten der Sozialen Stadt Quartiersmanagements installiert. Die langjährigen positiven Erfahrungen mit dem Instrument führten mittlerweile dazu, dass Kommunen aber auch große Wohnungsunternehmen Quartiersmanager auch außerhalb der Kulissen von Förderprogrammen beschäftigen.
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Pätzold, R., Rensing, L., Wendorf, G., Meier, J. (2014). „Was haben wir mit ‚Sicherheit‘ zu tun?“ Gedanken zum Sicherheitsverständnis von Wohnungsunternehmen. In: Abt, J., Hempel, L., Henckel, D., Pätzold, R., Wendorf, G. (eds) Dynamische Arrangements städtischer Sicherheit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01268-7_4
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