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1 Zunehmende Bedeutung von Dienstleistungsinnovationen

Die Bedeutung von Dienstleistungen ist sowohl aus gesamtwirtschaftlicher Betrachtung als auch aus Unternehmenssicht in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Die EU hat dazu ein Maßnahmenpaket aktiviert, welches die Zielsetzung für 2020 hat, das Erreichen eines smarten, nachhaltigen, inklusiven Wachstums im Bereich Dienstleistungsinnovation zu unterstützen (IMP3rove 2010).

Die Gründe für eine zunehmende Bedeutung von Serviceinnovationen sind vielfältig und betreffen insbesondere den nachhaltigen Paradigmenwechsel in der Gesamtwirtschaft – weg vom produktorientierten Denken, hin zur ganzheitlichen Lösung von Kundenproblemen und damit zu verstärktem dienstleistungsorientierten Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft. So lässt sich beobachten, dass zunehmend physische Produkte durch Dienstleistungsbündel entlang des gesamten Produktlebenszyklus ergänzt werden. Mehr und mehr werden Produkte, die den ursprünglichen Kernnutzen für den Kunden darstellten, zum Träger für Dienstleistungen, was letztlich bis zum Ersatz von physischen Produkten und einer Transformation des Geschäftsmodells bzw. zu einer Geschäftsmodellinnovation führen kann. Nicht mehr der Besitz eines Produktes, sondern die Nutzung von Ressourcen und Wissen sowie der Mehrwert für den Kunden und die Gesellschaft stehen im Vordergrund.

Ein besonderer Treiber dieser Entwicklung ist die fortschreitende Digitalisierung. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sind hier die Motoren für neue innovative Dienstleistungen. Ein Großteil der neuen innovativen Geschäftsmodelle und Ideen kann nur auf Basis von IT-basierten Services realisiert werden. Beispiel hierfür sind mobile Anwendungen wie das Handy-Parken oder die verschiedenen Serviceanwendungen auf Basis der RFID-Technologie (radio-frequency identification). Andererseits sind oft Technologien wie Near field communication (NFC), RFID oder Augmented Reality erst in Verbindung mit innovativen Dienstleistungen kommerzialisierbar. Das heißt, neue Technologien und Dienstleistungen bedingen einander und legen sehr oft die Basis für Service- und Geschäftsmodellinnovationen. Die Folge ist, dass sich die Wertschöpfungs- und Innovationspotenziale zunehmend in den Dienstleistungsbereich verlagern.

Auch für Unternehmen des primär produzierenden Sektors ist es wesentlich, dass beispielsweise Dienstleistungen, die ergänzend zu Sachgütern angeboten werden, für den Umsatz bzw. den Gewinn von immer größerer Bedeutung werden. Durch die oft schon sehr hohe technologische Reife des Kernproduktes können sich Unternehmen daher zunehmend nur mehr durch ergänzende innovative (Mehrwert)dienstleistungen von den Mitbewerbern differenzieren und somit ihre Marktposition absichern (Bullinger & Scheer 2006). Nicht nur physische Produkte und Sachgüter bzw. Softwareprodukte benötigen einen strukturierten Entwicklungs- und Innovationsprozess – auch neue und innovative Dienstleistungen müssen auf systematische Art und Weise entwickelt werden. Dienstleistungen haben im Gegensatz zu physischen Produkten besondere Merkmale, die wiederum Implikationen auf den Innovationsprozess haben – das heißt, die klassische Vorgehenswei-se im Produktinnovationsprozess kann nicht direkt auf Dienstleistungen übertragen werden – auch die Methoden und Werkzeuge müssen demnach angepasst und um neue Instrumente erweitert werden.

Aktuelle empirische Untersuchungen, wie die im Jahre 2010/11 durchgeführte New Service Development Studie (NSD), zeigen, dass allzu oft die Entwicklung von Dienstleistungen ad hoc, also ungeplant, auf Zuruf eines Kunden hin oder auf Basis einer innovativen Idee eines Mitarbeiters ohne jegliches systematisches Vorgehen und ohne formalisierten Prozess erfolgt. Oft werden Fehler bei Dienstleistungen erst in der Erbringungsphase entdeckt und zu selten wird Qualität bei Dienstleistungen bereits hineinentwickelt. Auch in der bewussten Nutzung geeigneter Methoden und Werkzeuge zur Entwicklung marktfähiger Dienstleistungen gibt es Defizite. Dies erscheint umso kritischer, wenn man sich die zunehmende Bedeutung von Services vor Augen hält. Aus dem Status Quo der Dienstleistungsentwicklung in der Praxis ergibt sich eine Lücke zwischen der zunehmenden Wichtigkeit von neuen innovativen Dienstleistungen für das Gesamtleistungsangebot von Unternehmen und der betrieblichen Praxis, wie aktuell in Unternehmen Dienstleistungen entwickelt werden (siehe dazu ausführlicher: Kohlbacher und Schäfer 2011).

In Hinblick auf den aktuellen Stand der Dienstleistungsentwicklung in der betrieblichen Praxis liegen für Unternehmen die Herausforderungen einerseits in der hochqualitativen Entwicklung ihrer Dienstleistungen und andererseits in der Auswahl geeigneter Methoden und Werkzeuge, die den Besonderheiten von Dienstleistungen gerecht werden. Vor dem Hintergrund eines nachhaltigen Strukturwandels zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft stehen heute viele Unternehmen vor folgenden typischen Aufgabenstellungen:

  • Wie werden Dienstleistungsportfolios geführt und wie können innovative Services in das bestehende Leistungsangebot systematisch integriert werden?

  • Wie kann die Transformationskraft von neuen Dienstleistungen für Geschäftsmodellinnovationen im Entwicklungsvorgehen berücksichtigt werden?

2 Service Engineering – eine Methode zur strukturierten Dienstleistungsentwicklung

2.1 Service Engineering nach IAO

Im Bereich der Dienstleistungsentwicklung hat sich die Disziplin des „Service Engineerings” als geeignetes Modell zur professionellen Entwicklung von neuen Dienstleistungen sowie zur Optimierung bestehender Dienstleistungen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis etablieren können. Das Thema Service Engineering wurde in Deutschland durch die Dienstleistungsinitiative des Bundes in den Forschungsvordergrund gerückt. Bereits 1995 wurde in Deutschland ein Förderkonzept für die Initiative „Dienstleistungen für das 21. Jahrhundert” durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie begonnen. Diese Initiative war breit aufgestellt und nicht nur auf Technologie beschränkt (Schmied 2005). Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat im Bereich Dienstleistungsentwicklungsforschung eine führende Position in Deutschland, da es sich bereits zu Beginn der Initiative mit eigenen Modellansätzen und Praxisprojekten diesem neuen Fachgebiet gewidmet hat.

In einer Definition nach Bullinger et al. wird „Service Engineering” wie folgt definiert: „Service Engineering can be understood as a technical discipline concerned with the systematic development and design of services using suitable procedures, methods and tools.” (Bullinger et al. 2003, S. 275)

2.2 Strategiebasiertes Service Engineering

Basierend auf dem Service Engineering Ansatz des Forschungspartners Fraunhofer IAO wurde von der Studienrichtung IT & Wirtschaftsinformatik (IWI) der FH CAMPUS 02, ein phasenorientiertes Vorgehensmodell zur strategiebasierten Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, entwickelt und erprobt. Im Rahmen dieses generischen Vorgehensmodells wurde eine Toolbox an Methoden und Werkzeugen im Service Engineering Umfeld erarbeitet und praxisorientierte Erfahrungen in deren Anwendung gesammelt. Das Vorgehensmodell nach Kreuzer et al. orientiert sich am Stage-Gate® Modell nach Cooper (Cooper 1983, S. 2-11), bei dem in Iterationen gearbeitet wird und der nächste Prozessschritt erst nach Freigabe in einem sogenannten Qualitätstor („Quality Gate”) erfolgt. Der Unterschied zu vielen anderen Modellen (u. a. DIN-Fachbericht 75 oder das IAO Phasenmodell) in der Dienstleistungsentwicklung liegt neben der Qualitätstorthematik in der Vorphase der eigentlichen Dienstleistungsentwicklung. Hier führen Kreuzer et al. eine strategische Analyse ein, um den Strategischen Fit herzustellen.

Ziel dieses strategiebasierten Vorgehens ist es, die Komplexität der Entwicklung zu reduzieren und einen „Rahmenentwicklungsplan” in klar definierten strategischen Suchfeldern vorzugeben. Zusätzlich unterstützt das Vorgehen ein strategiegetriebenes und qualitätsorientiertes Entwickeln von Dienstleistungen im Sinne eines Top-down-Verfahrens. Somit verschafft man sich von Anfang an einen Blick auf das Gesamtsystem bzw. Gesamtleistungsangebot. Ausgehend von einer Basiserhebung des aktuellen Dienstleistungsportfolios mit der Erfassung sämtlicher Dienstleistungsaktivitäten, zum Beispiel mit Hilfe des Kundenkontaktkreises (Harms et al. 2009) und der Basisinformation über die strategischen Ziele des Unternehmens, können nun Service-Gaps und – Potenziale identifiziert werden.

Bei der systematischen Integration von neuen Dienstleistungen in das bestehende Leistungsangebot bzw. -portfolio eines Unternehmens bieten sich vier grundlegende strategische Entwicklungsmöglichkeiten an:

  • Entwicklungsstrategie 1: Integration von neuen sogenannten „Value Added Services” (Mehrwertdienstleistungen) in die Servicehülle Bei diesem strategischen Ansatz geht es um die Integration und Erweiterung von zusätzlichen Dienstleistungen entlang des gesamten Lebenszyklus des „Kernprodukts”, um damit das vorhandene Serviceportfolio zu ergänzen und folglich den Kundennut-zen durch eine Differenzierung vom Mitbewerb zu erhöhen. Dieser Ansatz ist ein klassischer Dienstleistungsstrategieentwicklungsansatz und stellt bezogen auf den Technologieeinsatz die geringste Komplexitätsstufe dar.

  • Entwicklungsstrategie 2: Einbau von sogenannten Smart Services (vgl. Allmendiger und Lombreglia 2005) in das Produkt bzw. in die Dienstleistung selbst

    Hier wird auf Basis des Kundenkontaktkreises und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens ein Smart Service Element (im „Produktkern”) implementiert, um die Kundenbeziehung zu vertiefen und um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern zu erzielen. Diese Art von Services sind Dienstleistungen, die zum Beispiel aus der Ferne durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden, Bezug zu einem Produkt haben und ggf. automatisiert Information über das Nutzungsverhalten des Kernprodukts an den Lieferanten/Hersteller übermitteln. Diese Information kann wiederum für eine Qualitätsverbesserung des Produktes bzw. der Services dienen sowie auch Auslöser für neue Serviceideen sein.

    Die Umsetzung dieser Entwicklungsstrategie ist sehr komplex, da die Entwicklung von Smart Services und die entsprechende Gestaltung der Prozesse zur Smart Serviceerbringung überarbeitet werden müssen. Der Aspekt der Proaktivität und Präemptivität stellt für Unternehmen, die bisher reaktiv auf Serviceerbringung eingestellt waren, ein hohes Maß an Dynamik und Unsicherheit dar. Daher ist die Entwicklung der Smart Service Technologie immer mit einem passenden Prozessmodell für die Erbringung des Services durchzuführen und abzuschätzen, ob das Unternehmen die Fähigkeit besitzt, das Smart Service Konzept prozessmäßig umzusetzen.

  • Entwicklungsstrategie 3: Integration von IT-basierten Services

    Hier werden IT-basierte Dienstleistungen (zum Beispiel Handy-Parken als Service eines Parkraumbewirtschafters) in das Service Portfolio bzw. in die „Servicehülle” integriert und damit der Servicegrad hinsichtlich Transparenz und Verfügbarkeit verbessert. Der Entwicklungsgrad ist von mittlerer Komplexität, weil das Serviceverhalten des Unternehmens in den vorhandenen Prozessen nicht hinsichtlich der Smart Service Anforderungen verändert werden muss.

  • Entwicklungsstrategie 4: Kombination der drei beschriebenen Strategien

    Diese Entwicklungsstrategie ist sehr komplex und kann nur von Unternehmen mit Service Engineering Erfahrung im Co-Design von Dienstleistungen und Technologie sinnvoll umgesetzt werden.

Abbildung 7.1
figure 1

Strategische Integration von Services in das bestehende Leistungsangebot (Kreuzer et al. 2011)

Diese vier generischen Strategien zielen auf das Entwickeln von strategischen Produkt-Service-Bündeln ab, die sich meist durch einen hohen Grad an Komplexität auszeichnen. Um die Entwicklung dieser Produkt-Service-Bündel zu unterstützen, dient das Service Engineering Modell nach Kreuzer et al., das für diese Entwicklungskomplexität und die Anforderungen von KMU modular entwickelt wurde. Ein Vorgehensmodell zur Entwicklung (IT-basierter) Dienstleistungen sollte idealerweise den kompletten Prozess von der strategischen Analyse des bestehenden Leistungsangebotes (Dienstleistungen und Produkt) als Ausgangspunkt für die kreative Phase der gezielten Ideenfindung und -bewertung, über die Grob- und Feinkonzeption der neuen Dienstleistung, dem Testen („Prototyping”), das heißt der pilothaften Erprobung der neuen Dienstleistung bis hin zur Markteinführung beinhalten.

Insgesamt gliedert sich das Vorgehensmodell in fünf Phasen: 1. Strategische Analyse des Unternehmens und des bestehenden Leistungsangebotes, 2. Ideengenerierung und Ideenbewertung, 3. Geschäftsmodellerstellung (siehe dazu auch Ehrenhöfer 2012), 4. Service Konzept Design und Ausformulierung 5. Testung und „Prototyping”. Alle diese Phasen haben einen definierten Input und einen definierten Output und in jeder Phase werden für die Dienstleistungsentwicklung passende Werkzeuge angeboten, um ein entsprechendes Artefakt für den jeweiligen Iterationsschritt zu erstellen (zum Beispiel Phase 1: Dokument mit der Beschreibung der strategischen Suchfelder und der strategischen Analyse bestehender Dienstleistungen bzw. des bestehenden Geschäftsmodells).

Abbildung 7.2
figure 2

Strategiebasiertes Service Engineering (Kreuzer et al. 2011)

Das Vorgehensmodell besteht aus inkrementellen aber auch iterativen Schritten. So wird beispielsweise das grobe Business Case der Phase 3 iterativ überarbeitet, verfeinert und ergänzt und damit das Servicekonzept im Laufe der Iterationen verbessert. Stellenweise ist neben der sequenziellen auch eine parallele Bearbeitung der Phasen notwendig bzw. sinnvoll. Wie die Erfahrungen in der Umsetzung des Vorgehensmodelles zeigen, empfiehlt sich dies insbesondere bei abteilungsübergreifenden Servicevorgängen und komplexen Unternehmensstrukturen und betrifft die Phasen 3, 4 und 5. Damit verbunden ist ein steigender Koordinationsaufwand der beteiligten Personen, dessen man sich als Projektverantwortlicher bewusst sein muss.

Das Modell nach Kreuzer et al. sieht weiters auch Flexibilisierungsmöglichkeiten in der Entwicklung explizit vor. Vor allem wird ein flexibles Entwickeln von Dienstleistungen (bzw. Dienstleistungsgeschäftsmodellen) möglich. Dies geschieht durch das frühe Einbinden der Geschäftsmodellentwicklung und durch das über die Entwicklungsphasen hinweg gehende iterative Weiterentwickeln des Geschäftsmodells – quasi als Parallelprozess zum eigentlichen Dienstleistungsentwicklungsprozess. Hierfür werden aus den Ideensteckbriefen tragfähige Geschäftsmodelle in den Phasen 3 und 4 des Vorgehensmodells abgeleitet und entwickelt. Dabei wird auf die Business Model Generation Methode von Osterwalder und Pigneur (Osterwalder und Pigneuer 2010) zurückgegriffen. In Iterationen wird neben der Ausformulierung des Servicekonzeptes im Service Design (Phasen 3 und 4) das Ge-schäftsmodell parallel dazu angepasst bzw. mitentwickelt. Die Ausgestaltung des Servicekonzeptes beinhaltet die Ausformulierung des Prozess-, Ressourcen- und Servicemodells. Dieser Entwicklungsschritt ist vor allem bei der Entwicklung von IT-basierten Services und Smart Services herausfordernd, da es zu einem Co-Design zwischen Software Entwicklungsteam und Service Engineering Team kommen muss. Der Business Model Canvas wird in dieser Phase weitergeführt und ständig weiterverfeinert. Durch die Entwicklungsphase und die ständige Einbindung weiterer Ressourcen können Informationen neu bewertet und geschärft eingebunden werden. Es kann festgestellt werden, dass der Business Model Canvas eine wesentliche Kommunikationsaufgabe im Entwicklungsprojekt und darüber hinaus im Service Operations (Betrieb) einnimmt. Beim Quality Gate zwischen den Phasen 4 und 5 entsteht eine iterative Schleife, da die Erkenntnisse aus der Testung von Prototypen direkt in die Entwicklung (Service Design Phase) rückeinfließen können. Das Quality Gate an dieser Stelle hat im Initialmoment vor allem die Aufgabe, den ersten Service Konzept Test anzuordnen und die Qualitätsnormen für einen erfolgreichen Service Konzept Test zu definieren.

Im Modell nach Kreuzer et al. werden auch die Kundenintegration und die Integration weiterer Anspruchsgruppen durch die Phasenorientierung im Rahmen eines Co-Creation explizit gefördert. Neben der Integration von Anspruchsgruppen durch Co-Creation kommt auch die Flexibilisierung der Entwicklungsmethoden zum Tragen: Durch den Einsatz eines „Methodenkoffers” werden in jeder Entwicklungsphase unterschiedliche Entwicklungsmethoden und Werkzeuge angeboten. Bei der Auswahl geeigneter Methoden und Werkzeuge sind zunächst jene Basiswerkzeuge festzulegen, die für eine systematische Dienstleistungsentwicklung erforderlich sind. Darauf aufbauend können weitere Methoden zum Einsatz kommen, die eine gezielte Verbesserung der Entwicklungsleistung in den einzelnen Phasen ermöglichen.

3 Weiterführende Entwicklungsaspekte und

3.1 Schlussfolgerungen

Nach fünf Jahren Erfahrung mit dem bestehenden Modell nach Kreuzer et al. können durch eigene Forschungsergebnisse und empirischen Untersuchungen folgende zukünftige Anforderungen an ein strategiebasiertes und agiles Service Engineering abgeleitet werden:

  • Forderung nach Agilität in der Entwicklung des Dienstleistungsgeschäftsmodells

  • Forderung nach Agilität in der Erbringung des Dienstleistungsgeschäftsmodells

3.2 Forderung nach Agilität in der Entwicklung des Dienstleistungsgeschäftsmodells

Agilität wird mittlerweile als Notwendigkeit angesehen, um im Rahmen der unternehmerischen Basisfähigkeit im Markt zu operieren. Gründe dafür gibt es viele: gestiegene Dynamiken des wettbewerblichen Verhaltens in der Wirtschaft, gesellschaftliche Veränderungen und Beschleunigung des Dienstleistungs- bzw. Produktlebenszyklus. Diese wiederum leiten sich laut Zobel (Zobel 2005) aus der gestiegenen Relevanz von sogenannten Akzeleratoren der Wettbewerbsdynamik ab.

Durch den Schritt, das Geschäftsmodell sehr früh im Rahmen der Entwicklung einzubinden und dann iterativ bis zum Ende des Entwicklungsprozesses weiter zu entwickeln, konnte bei Kreuzer et al. ein wichtiger Schritt hin zur agilen Entwicklung, aber auch zur Unternehmensführung von Dienstleistungsgeschäftsmodellen geschaffen werden. Der Einsatz des „Business Model Canvas” von Osterwalder und Pigneur (Osterwalder und Pigneur 2010) als wirksames agiles Werkzeug ermöglicht eine Co-Creation zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen und eine iterative Entwicklungsmöglichkeit.

3.3 Forderung nach Agilität in der Erbringung des Dienstleistungsgeschäftsmodells

Nicht jede Dienstleistung benötigt eine agile Entwicklungsstrategie, kann aber eine agile Erbringung notwendig machen, wie bereits Haberfellner und de Weck (Haberfellner und de Weck 2005) in ihren Überlegungen darlegen. Nur wenn folgende Aspekte gelten, sollte die Dienstleistung ein agiles Verhalten im Markt aufweisen (Haberfellner und de Weck 2005, S. 13):

  • Expensive, involving significant upfront investment cost

  • Long-lived, e.g. > 10 years. User requirements may change significantly during the lifecycle

  • Significant switching costs exist, i.e. the expense might be too largefor building an entirely new system each time the requirements change

Die daraus resultierende Forderung nach einem agilen Systemverhalten formulieren Qumer und Henderson-Seller (Qumer und Henderson-Sellers 2006), indem sie Agilität aus systemischer Sicht festlegen:

„Agility is a persistent behaviour or ability of a sensitive entity that exhibits flexibility to accommodate expected or unexpected changes rapidly, follows the shortest time span, uses economical, simple and quality instruments in a dynamic environment and applies updated prior knowledge and experience to learn from the internal and external environment.’’

Diese Definition eines agilen System-(Dienstleistungs-)Verhaltens stützt den Einsatz des von der Studienrichtung IWI entwickelten „Smart Services” Managementmodells. Dabei werden durch IKT Möglichkeiten genutzt, um ein präemptives Dienstleistungserbringungsverhalten zu ermöglichen. Das Handlungsframework gestaltet sich dabei wie in 7.3 dargestellt.

Durch den Einsatz von IKT schafft der Dienstleister im Service Operation durch gezielte Analyse der Nutzung des Produkts/der Dienstleistung Maßnahmen für eine Erbringung von präemptiven Services. In Abb. 7.3 ist dieser Einsatz von IKT als Smart S! Block beim Service/Produkt (S/P) im Markt dargestellt. Smart Services definieren sich nach Allmendinger und Lombreglia (Allmendinger und Lombreglia 2005) wie folgt:

Abbildung 7.3
figure 3

Agile Erbringung von Dienstleistungen – Smart Services Architektur (Aschbacher et al. 2010)

„Smart services go beyond the kinds of upkeep and upgrades you may be bundling with your product, both in their value to customers and in their cost efficiency to you. To provide them, you must build intelligence – that is, awareness and connectivity – into the products themselves. And you must be prepared to act on what the products then reveal about their use.”

Wie dargestellt, ergeben sich grundsätzlich zwei Szenarien:

  • Im Produkt/der Dienstleistung ist durch IKT eine sogenannte „Intelligenz” eingebaut und eine Dienstleistung wird automatisch bzw. autonom für den Kunden erbracht. Hier kann nur begrenzt von Smart Services gesprochen werden, da hier Services automatisiert und nur begrenzt individualisiert auf den Kundennutzen erbracht werden.

  • Durch Erfassung von Daten können über erweiterte Systemelemente echte präemptive Services erbracht werden. Dabei wird eine Business Intelligence (BI) für die Grundlage einer sogenannten Decision Intelligence genutzt. Die Decision Intelligence bietet nun Informationen für das „Smart Service Decisioning” an. Das Smart Service Decisioning, das entweder über lernende und autonome Systeme verläuft oder noch von Menschen gesteuert wird, schafft die Grundlage für die Entscheidung, wie der individualisierte präemptive Service für den Kunden auszusehen hat und wie er erbracht werden muss.

Man kann feststellen, dass Smart Service Erbringung, wie in Abb. 7.3 dargestellt, weit über klassische Technologiekonzepte hinausgeht. Durch die systemische Betrachtung der Ebenen von Strategie, Geschäftsmodell, Prozesse und eingesetzte IKT beim Kunden vor der Erbringung eines präemptiven Services, muss hier generell von einem „Smart Services Managementmodell” gesprochen werden. Wichtig dabei ist festzustellen, dass Smart Services Managementmodelle unter ethischen Prinzipien entwickelt werden müssen und dies immer in Co-Creation mit den Anspruchsgruppen erfolgen muss, die sich rund um das Dienstleistungsgeschäftsmodell befinden. Auch hier schafft das Vorgehen nach Kreuzer et al. die geeigneten Voraussetzungen, um diese komplexen Dienstleistungsgeschäftsmodelle mit Smart Service Managementansätzen entwickelbar zu machen.

3.4 Dienstleistungsgeschäftsmodelle und Agilität über Systemgrenzen hinweg

Strategiebasiertes und agiles Service Engineering zeichnet sich dadurch aus, dass es Agilität im Dienstleistungsgeschäftsmodell als Systemverhalten zum unternehmerischen Wettbewerbsvorteil nutzt und auf unterschiedlichen Systemebenen bewusst mitentwickelt. In Abb. 7.4 ist zu sehen, wo Agilität im Dienstleistungsgeschäftsmodell im Rahmen des strategiebasierten und agilen Service Engineering entwickelt und eingesetzt werden kann.

Abbildung 7.4
figure 4

Einsatzfelder des strategiebasierten und agilen Service Engineering (Aschbacher et al. 2010)

Ein strategiebasiertes und agiles Service Engineering schafft unternehmerischen Wettbewerbsvorteil durch den Einsatz von Agilität

  • bei der Entwicklung des Dienstleistungsgeschäftsmodells. Hier werden bewusst Methoden und Werkzeuge für die Kundenintegration in den Entwicklungsprozess genutzt, aber auch das Dienstleistungsgeschäftsmodell für einen möglichen Smart Service Ansatz durch IKT entwickelt.

  • in der Erbringung durch den Einsatz von Smart Services Managementmodellen. Durch die Nutzung von IKT kann das Produkt/der Service im Markt ein präemptives Serviceverhalten aufweisen und schlussendlich

  • kann durch eine „Multi-Agilität”, wie in Abb. 7.4 zu sehen ist, eine agile Verbindung zwischen den Systemen Unternehmen, Markt und Kunde hergestellt werden.

3.5 Schlussfolgerungen

Ein strategiebasiertes und agiles Service Engineering geht über den reinen Entwicklungsansatz von Dienstleistungen hinaus. Durch den Einsatz von agilen Ansätzen kann neben der Entwicklung von agilen Dienstleistungsgeschäftsmodellen auch der agile Einsatz der Geschäftsmodelle im Markt betrieben werden. Damit kann eine agile Unternehmensführung im Markt ermöglicht werden. Die Überlegungen hinsichtlich der Nutzung von Agilität in den oben angegebenen Systemebenen kann durch klassische Service Engineering Entwicklungsmodelle wie das des Fraunhofer IAO nicht abgedeckt werden. Ein strategiebasiertes und agiles Service Engineering schafft diesen Sprung hin zum multi-agilen Entwicklungsansatz für Dienstleistungsgeschäftsmodelle in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld.