Zusammenfassung
Am Ende dieses Beitrages kann festgehalten werden, dass trotz der Erarbeitung des Kriterienkatalogs zur Ausbildungsreife der Sprachgebrauch und das Verständnis des Begriffs Ausbildungsreife weiterhin uneinheitlich sind. Das bedeutet jedoch auch, dass Aussagen über die Ausbildungsreife stets etwas Unterschiedliches meinen können, je nachdem, wer sie äußert. Zudem fehlen immer noch gesicherte Erkenntnisse darüber, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten den Jugendlichen einen erfolgreichen Einstieg in eine Lehre ermöglichen. Es ist also immer noch zu wenig bekannt über die Ausbildungsreife, ihre Merkmale und praktischen Implikationen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Argument der fehlenden Ausbildungsreife auch interessenpolitisch genutzt wird, so dass nicht klar wird, wie groß das Problem um die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger tatsächlich ist. Bei der Debatte um die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger müssen daher stets zwei Ebenen unterschieden werden: eine interessenpolitische Ebene, auf der das Argument der mangelnden Ausbildungsreife genutzt wird, um den Umfang des aktuellen Ausbildungsplatzangebots legitimieren zu können, sowie eine Ebene, bei der es um die während eines betrieblichen Ausbildungseinstiegs nicht behebbaren Qualifikationsdefizite von Schulabgängern geht.
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Notes
- 1.
Der vorliegende Beitrag stellt eine Aktualisierung des 2012 in dem Lehrbuch „Berufsorientierung“ von Brüggemann und Rahn erschienenen Aufsatzes „Ausbildungsreife als Ziel der Berufsorientierung“ von Eberhard (2012) dar.
- 2.
Die Spitzenverbände der Wirtschaft schlossen sich 2004 mit der Bundesregierung und der BA zu diesem Pakt zusammen. Sein selbstgesetztes Ziel ist, die Ausbildungsreife der Jugendlichen zu fördern und jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten (Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs, 2006).
- 3.
Ein Überblick über Testergebnisse, welche als Belege einer mangelnden Ausbildungsreife gewertet werden, sowie eine kritische Auseinandersetzung mit diesen finden sich bei Eberhard [4] und Winkler [19].
- 4.
Die Befragungsteilnehmer wurden nicht nur gebeten, zu entscheiden, welche Merkmale zur Ausbildungsreife gehören (zum Beispiel Beherrschung der deutschen Rechtschreibung, Zuverlässigkeit), sondern sollten auch angeben, wie sich die vorgelegten Merkmale in den letzten 15 Jahren verändert hatten (Eberhard [3]).
- 5.
Die BA untersucht lediglich indirekt die Ausbildungsreife der Ratsuchenden, indem sie überprüft, ob die Personen für den gewünschten Ausbildungsberuf geeignet sind. Diese Prüfung ist erforderlich, da die BA den gesetzlichen Auftrag hat, nur jene Jugendliche als Bewerber zu unterstützen, bei denen die Voraussetzungen bzw. die Eignung für den Beruf gegeben sind. Da die Ausbildungsreife jedoch der Berufseignung vorausgeht, sind geeignete Bewerber gleichzeitig als ausbildungsreife Personen zu betrachten.
- 6.
Unter Übergangsmaßnahmen werden teilqualifizierende Bildungsgänge verstanden, die nicht zu einem Berufsabschluss führen, sondern auf eine Berufsausbildung vorbereiten sollen (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). Beispiele für teilqualifizierende Maßnahmen sind das Berufsvorbereitungsjahr oder die berufsvorbereitenden Maßnahmen der BA.
- 7.
In Abb. 4.2 werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nur drei unterschiedliche Verbleibsformen unterschieden. Grundsätzlich weist die BA aber weitere Verbleibsgruppen aus. So wird innerhalb der Gruppe der alternativ verbliebenen Bewerber zwischen unbekannt verbliebenen Bewerbern, alternativ verbliebenen Bewerbern ohne weiteren Vermittlungswunsch sowie alternativ verbliebenen Bewerbern mit weiterem Vermittlungswunsch unterschieden.
- 8.
- 9.
Weitere Informationen zu den BA/BIBB-Bewerberbefragungen sind abrufbar unter: http://www.bibb.de/de/wlk30081.htm.
- 10.
Auch viele staatliche Stellen stehen einer Ausbildungsplatzabgabe kritisch gegenüber. Dies mag vor allem daran liegen, dass sie allein aus Kostengründen daran interessiert sind, weiterhin den Großteil der Schulabgänger über die Betriebe zu qualifizieren, und gegenüber größeren systemischen Eingriffen vorsichtig sind. Es ist aber nicht klar, welche langfristigen Folgen Zwangsmaßnahmen wie die Ausbildungsplatzabgabe für die Ausbildungsmotivation der Betriebe hätten. Nicht auszuschließen ist, dass sie sich gegen den Eingriff in ihre Entscheidungsautonomie wehren und sich aus ihrer aktiven Ausbildungsbeteiligung zurückziehen. Die langfristigen Ausbildungskosten der Umlagefinanzierung könnten damit für den Staat deutlich höher ausfallen als der kurzfristige Nutzen.
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Eberhard, V., Ulrich, J. (2013). Mangelnde Ausbildungsreife – ein umstrittenes Thema. In: Appel, W., Michel-Dittgen, B. (eds) Digital Natives. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00543-6_4
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