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Kommunikation: technisch offline vermittelt

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Kommunikation und Gesellschaft - systemtheoretisch beobachtet
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Zusammenfassung

Getippte schriftliche Kommunikationen wie Brief, Fax, Email, Nachrichten im Chatroom, über Facebook oder Twitter verlieren im Vergleich zur Handschrift auch das individuelle Moment des persönlichen Schriftzuges. Sie werden technisch vermittelt. Da sie jedoch auf einen bestimmten Adressaten gerichtet bleiben, zählen sie noch nicht zu den Massenmedien. Die mitgeteilte Information und das manifestierte Sinn-Verstehen in einer möglichen Antwort lassen sich auch bei gerichteter Kommunikation, die gedruckt, also technisch erstellt ist, noch kausal aufeinander beziehen. Dies ändert sich erst grundlegend, wenn die Kommunikation zur Massenkommunikation wird, sich also indirekt und ungerichtet an ein disperses Publikum wendet.

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Notes

  1. 1.

    Zwar kann auf einen massenmedial publizierten Text geantwortet werden – z. B. durch einen Leserbrief −, sodass die Kommunikationsofferte und das soziale Verstehen als vierte Selektion (= Leserbrief als Annahme oder Ablehnung des Gelesenen) aufeinander beziehbar sind. Doch dabei handelt es sich im Grunde um eine gerichtete Kommunikation: Aus dem strukturell dispersen Publikum löst sich ein distinkter Leser, der zurechenbar antwortet und damit das massenhafte Kommunikationsangebot in eine gerichtete schriftliche Kommunikationsofferte (rück)transformiert.

  2. 2.

    So sind Dialekte heute meist nur noch mundartlich präsent und entsprechend an ihre Träger – die Personen, die sie sprechen – gebunden. Es gibt zwar auch mundartliche Texte – Volkstheater, Romane etc. −, doch hier wird der Dialekt als eigenes Stilmittel angewendet, also gerade in Differenz zur Hochsprache.

  3. 3.

    Zur modernen Öffentlichkeit siehe Gerhards und Neidhardt 1991, Jarren und Weßler 2002, Bentele et al. 2003, Wunden 2005 sowie RdM: 183ff., 1992b. Zu den Wirkungen des Internet auf Politik und Öffentlichkeit siehe Emmer und Wolling 2010, Emmer und Bräuer 2010.

  4. 4.

    In oralen oder Schriftkulturen, die den Buchdruck noch nicht kannten, wurde die Zeit primär als Kreislauf wahrgenommen: Tag-Nacht, Morgen-Mittag-Abend, Frühjahr-Sommer-Herbst-Winter, Trockenzeit-Regenzeit, Geburt-Tod-ewiges Leben. Die Gegenwart stellte sich als ein lang andauernder Zeitraum dar, eben als Sommer oder als Tag. Mit der durch den Buchdruck erzeugten „Zusatztechnologie des Lesens“ (GdG I: 293) wird die Wahrnehmung des Nacheinanders gefördert: Man liest Wort für Wort, Seite für Seite, Buch für Buch.

  5. 5.

    Man könnte auch sagen: Die Gesellschaft stellt von Einheit auf Differenz um.

  6. 6.

    Ausführlicher begründet Luhmann: „Da Bücher über den Markt verbreitet werden, wird die Behauptung, sie enthielten etwas Neues, zu einem wichtigen Verkaufsargument – zunächst wohl vor allem bei kleinen, billigen Texten wie Pamphleten, Balladen, Kriminalgeschichten aus Anlaß von Hinrichtungen. Der Käufer möchte offenbar nicht etwas geliefert bekommen, was er schon kennt. Und das gilt nicht nur für wissenschaftliche und technische Innovationen, sondern gerade auch für fiktionale Literatur auf Unterhaltungsniveau, die man nicht kauft, wenn man dasselbe schon einmal gelesen hat. Der Buchmarkt selbst prämiert behauptete Neuheiten unabhängig davon, ob sich in den Künsten und Wissenschaften eine Positivwertung des Originalen und Neuen durchsetzt.“ (GdG I: 294f.).

  7. 7.

    Mit dem schriftlich fixierten und massenhaft gedruckt vorrätigem Wissen der Gesellschaft, das nun öffentlich verfügbar ist und öffentlich diskutiert werden kann, wird die „alte“ Stabilitätsgarantie ersetzt, „die ältere, mündlich kommunizierende Gesellschaften an den familialen und räumlichen Strukturen des Zusammenlebens gefunden hatten.“ (GdG I: 300) Diese personenabhängige Stabilitätsgarantie einer oralen, immobilen Gesellschaft wird abgelöst durch ein soziales Wissen, das nicht mehr an das Gedächtnis von Personen und sich wiederholende Kommunikationen zwecks Weitergabe und Memorierung von Informationen gebunden ist, sondern sich der gedruckten Konservierung und erneuerbaren Verbreitung durch die Druckpresse verdankt. Luhmann: „Die damit verbundene Stabilitätsgarantie ist, unabhängig von dem Generationswechsel der Individuen, erneuerungsfähig und offen für eine durch sie nicht festgelegte Zukunft.“ (GdG I:300)

  8. 8.

    Nach Luhmann gibt es Gründe anzunehmen, „dass in der modernen Gesellschaft die Beobachtung der Beobachter, das Verlagern von Realitätsbewusstsein auf die Beschreibung von Beschreibungen, auf das Wahrnehmen dessen, was andere sagen oder was andere nicht sagen, die avancierte Art, Welt wahrzunehmen, geworden ist, und zwar in allen wichtigen Funktionsbereichen, in der Wissenschaft ebenso wie in der Ökonomie, in der Kunst ebenso wie in der Politik.“ (ESys: 140f.)

  9. 9.

    ALM = Arbeitsgemeinschaften der Landesmedienanstalten.

  10. 10.

    Die Publizistik, die den Begriff der Massenkommunikation kritisiert, unterlegt einen Kommunikationsbegriff, der von Kommunikation nur dann spricht, wenn die vom Sender mitgeteilte Botschaft auch tatsächlich (also überprüfbar) beim Empfänger ankommt. Luhmanns Kommunikationsbegriff ist mithin weiter gefasst: Er erlaubt auch ein nicht zurechenbares Verstehen, sodass sein Kommunikationsbegriff auch Massenkommunikation umfasst.

  11. 11.

    Luhmann weist auf die notwendig fiktionale Komponente dieser Annahme hin, entsprechend fasst er „öffentliche Meinung“ als ein Medium, das das Bekanntsein von Informationen unterstellt, vgl. RdM: 183ff., Luhmann 1992b.

  12. 12.

    Zur Dynamisierung und Beschleunigung der modernen Gesellschaft siehe Rosa 2005, 2012.

  13. 13.

    Allerdings konzediert Luhmann, dass sich die Vielzahl offensichtlicher Auswirkungen des Buchdrucks in ihrer Gesamtheit schwer einschätzen lasse: „In vielen Hinsichten handelt es sich noch um Folgen der Verschriftlichung, die nur mangels Verbreitungsmöglichkeiten nicht zum Tragen gekommen waren und jetzt, nach Wegfall dieser Beschränkung, wie mit einer plötzlichen Spätzündung ausgelöst werden.“ (GdG I: 298f.) Für die „Zündung“ sorgte die Drucktechnologie.

  14. 14.

    Luhmanns allgemeine Formel lautet ja: „Steigerung durch Reduktion von Komplexität“ (GdG I: 507) Oder an anderer Stelle: „Reduktion von Komplexität ist Bedingung der Steigerung von Komplexität.“ (ESys: 121).

  15. 15.

    Der Code Information/Nichtinformation ist freilich noch zu allgemein gefasst, um die Selektionen der Massenmedien zu instruieren, Luhmann: „Deshalb ist alle Information auf Kategorisierungen angewiesen, die Möglichkeitsräume abstecken, in denen der Auswahlbereich für das, was als Kommunikation geschehen kann, vorstrukturiert ist. Das ist nur eine andere Formulierung für die These, daß der Code Information/Nichtinformation nicht genügt, sondern das zusätzlich Programme erforderlich sind, die das, was als Information erwartet werden kann bzw. ohne Informationswert bleibt, aufgliedern in Selektionsbereiche wie Sport oder Astrophysik, Politik oder moderne Kunst, Unfälle oder Katastrophen.“ (RdM: 38). Die Zuordnung zu bestimmten Ressorts ist ein Programm, ein anderes sind die Nachrichtenfaktoren, wie sie Galtung/Ruge (1965) zuerst herausgearbeitet haben. Luhmann nimmt auf sie Bezug und listet als Selektoren u. a. auf: Überraschung, Konflikt, Quantitäten, lokaler Bezug, Normverstöße (insbesondere gegen die Moral), prominente Personen, Meinungsäußerungen, Aktualität (vgl. RdM: 58ff.).

  16. 16.

    Siehe auch Abschn. 4.1: Information, S. 32.

  17. 17.

    Aber selbst die Einschaltquote sagt nichts darüber aus, ob die Personen tatsächlich vor dem Fernseher sitzen und zuschauen und damit die gesendeten Kommunikationsangebote verstehen.

  18. 18.

    Sie stellt sich nur dann und wann, wenn furchtbare Ereignisse – z. B. Amokläufe − nach Erklärungen suchen und diese in Videospielen, Gewaltszenen und täglichen Horrormeldungen gefunden werden.

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Thye, I. (2013). Kommunikation: technisch offline vermittelt. In: Kommunikation und Gesellschaft - systemtheoretisch beobachtet. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00439-2_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-00439-2_7

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-00438-5

  • Online ISBN: 978-3-658-00439-2

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