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Rekonstruktion der Kritischen Theorie

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Kritische Theorie und Kapitalismus
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Zusammenfassung

Das Theorieprogramm der Kritischen Theorie verfügt konzeptionell betrachtet über eine komplexe Struktur. Es beinhaltet ein geschichtsphilosophisches Programm und soziologisch relevante Begrifflichkeiten. Durch die Rekonstruktion kann die zeitbezogene und nicht mehr aktuelle Geschichtsphilosophie von der weiterhin aufrecht zu erhaltenen kritischen Begriffsbildung analytisch getrennt werden. Ein erster Blick auf die Entstehungsgeschichte der Kritischen Theorie zeigt die intensive Suche nach einer geeigneten Gesellschaftstheorie.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Benjamin 2009, S. 95–97. Der zunächst gewonnene Spielraum an bisher noch nicht bekannten Möglichkeiten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der verlorene Weltkrieg die Bevölkerung in eine tiefe Depression hinein gebracht hat. Es setzt sich bei breiten Teilen der Bevölkerung die Erkenntnis durch, dass das wilhelminische Zeitalter endgültig zu Ende ist und republikanische Strukturen eine angemessene Antwort auf die Krise darstellt. Die Folgewirkungen aus dem Versailler Vertrag werden als aufgezwungen und ungerecht empfunden und führen zu dem Wunsch, möglichst schnell zu vergessen, denn die Realität zum Beginn der ersten Republik unter den Bedingungen der Hyperinflation wird von einer Mehrheit der Bürger als unerträglich wahrgenommen.

  2. 2.

    Vgl. Benjamin 2009, S. 390. Die persönlichen Lebenserinnerungen „Einbahnstraße“ verweisen auf die unüberschaubare und explosive Situation in Deutschland zu dieser Zeit.

  3. 3.

    Vgl. Safranski 2007, S. 341–347. Rüdiger Safranski fasst den antiromantischen Geist in Berlin zur Zeit der Weimarer Republik eindrucksvoll zusammen.

  4. 4.

    Vgl. Schützeichel 2004, S. 26–30. Die Wandlungsprozesse der historischen Soziologie beschreibt Rainer Schützeichel ausgehend von Max Weber, Alfred von Martin u. a. als Paradigmenwechsel in den deutschen Sozialwissenschaften. Auch in der historischen Soziologie werden geschichtliche Fragen als Gegenwartsfragen beantwortet. „Die großen Probleme der modernen Gesellschaften lassen sich (…) nur auf dem Wege ihrer historischen Rekonstruktion erschließen“ (S. 27).

  5. 5.

    Vgl. Menger 1968; Oppenheimer 1964; Schmoller 1978; Weber 1925. In ihren Schriften werden durchsetzungsfähige Konzepte zur soziologischen und ökonomischen Diskussion der 1920er Jahre vorgestellt.

  6. 6.

    Vgl. Bock 2000, S. 54–56 zur Entstehungsgeschichte der Kritischen Theorie und die Einflüsse der Weimarer Diskussionslage.

  7. 7.

    Vgl. Horkheimer 1987a, S. 339–340. Der von Max Horkheimer verwendete Begriff der „Scheinanerkennung“ muss mit dem später zu diskutierenden Grundbegriff Anerkennung der jüngeren Kritischen Theorie in einen Zusammenhang gebracht werden. Es wird sich zeigen, ob Axel Honneths Grundbegriff eine andere Form der Anerkennung beschreibt, oder auch mit diesen durchaus pessimistischen Umschreibungen zu kennzeichnen ist. Dass Anerkennung grundsätzlich in der Gefahr steht, verfremdet zu werden, ist nicht von der Hand zu weisen.

  8. 8.

    Vgl. Horkheimer 1970, S. 21–22. Die „Dialektik zwischen Kultur und Barbarei“ verweist zeitdiagnostisch bereits im Vorgriff auf eine Enttäuschung über den mühsamen Veränderungswillen der Arbeiterbewegung. Theoriearchitektonisch liegen hier die Wurzeln einer schwierigen Verbindung zwischen Arthur Schopenhauers Philosophie und der Gesellschaftstheorie von Karl Marx. Zunächst ist Max Horkheimers gesellschaftliche Veränderungsabsicht noch weitgehend ambivalent. In der Zeit des Exils schlägt Max Horkheimers Theorie einer ausbleibenden Revolution in eine Theorie der ausbleibenden Zivilisation um. Daraufhin wird die „Dialektik der Kultur und Barbarei“ zum theoriekonzeptionellen Zentrum Kritischer Theorie.

  9. 9.

    Vgl. Löffler-Erxleben 1999. Sie verweist auf Max Horkheimers Arbeitsprogramm, das darin besteht, Sozialphilosophie und Soziologie zusammenzuführen.

  10. 10.

    Vgl. Horkheimer 1997; Horkheimer/Adorno 1998; McCarthy 1993. In diesen Schriften werden wichtige Fragen der älteren Kritischen Theorie genauer untersucht.

  11. 11.

    Vgl. Bittlingmayer et al. 2011. Mit der Forderung ein umfassendes System der Wissenschaft zu errichten wird ein interdisziplinärer Arbeitszusammenhang eingeleitet. Ausgehend von diesem Text von 1937 lässt sich das neue Forschungsprogramm der Kritischen Theorie begründen.

  12. 12.

    Vgl. Horkheimer 1980e, S. 191–192. Die ältere Kritische Theorie versteht ihren spezifischen Theoriezugang auch im Sinne der Ausarbeitung eines demokratischen Marxismus. Sie orientieren sich innerhalb ihres Interesses an den Schriften des jungen Karl Marx und dabei stehen die Arbeiten zur Kritik an der politischen Ökonomie im Vordergrund. Max Horkheimer und seine Mitarbeiter lehnen jedoch schon früh jegliche marxistische Orthodoxie ab; So z. B. die Dialektik von den Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, den mechanischen Materialismus der II. Internationalen und die Interpretation des Materialismus im Sinne einer Geschichtsmetaphysik. Die Kritische Theorie bezieht sich im Gegensatz zum Marxismus der Sowjetunion insbesondere auf den Vorrang von Theorie gegenüber der Praxis. Hinzu kommt, dass die Gleichsetzung von Karl Marx Gesellschaftstheorie mit dem Staatssozialismus der Sowjetunion keineswegs unproblematisch ist. Die dogmatisierenden Einflüsse auf dessen Theorie haben zu grundlegenden Änderungen geführt. Berücksichtigt werden muss auch, dass sich Karl Marx immer wieder gegen festgelegte Formeln und Kategorien gewandt hat.

  13. 13.

    Vgl. Fath/Salonia in Basaure et al. 2009, S. 66–67. Die „Dialektik der Aufklärung“ als anschlussfähigem Basistext der älteren Kritischen Theorie zu begreifen, ist keineswegs unproblematisch. Zurzeit werden zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten verfolgt. Eine davon versteht den Text als „geschichtsphilosophische Zeitdiagnose“, die zuallererst auf den singulären Zivilisationsbruch und die Selbstentfremdung des Menschen verweist. Die andere Interpretation wird als „erschließende Kritik“ verstanden, um als Gesellschaftskritik auf eine Verbindung zwischen der Beherrschung der Natur und der Beherrschung des Menschen hinzuweisen. Besonders die zweite Lesart wird immer wieder diskutiert, weil sie die Möglichkeit einer vom unmittelbaren Zeitkern unabhängigen Kritik eröffnet.

  14. 14.

    Vgl. Habermas 1988, S. 130.Jürgen Habermas weist darauf hin, dass angesichts der negativen Fortentwicklung der Humanität die Kritik an der Moderne umfassender zu analysieren ist.

  15. 15.

    Vgl. Demirović 1999, S. 508–741. Die Entwicklung der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule zeichnet Alex Demirović anhand der theoretischen Praxis der älteren Kritischen Theorie nach.

  16. 16.

    Die ältere Kritische Theorie ist eine Gemeinschaftsarbeit verschiedener Philosophen, Soziologen, Ökonomen, Historiker und Psychologen. Mit der kurzen Vorstellung der Theorieabsichten Theodor W. Adornos und Herbert Marcuses wird eine theoriekonzeptionelle Zuordnung vorgenommen. Selbstverständlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass Friedrich Pollock mit Horkheimer Zeit seines Lebens verbunden bleibt. Auf das Theorieprogramm dieser Entwicklungsphase nehmen insbesondere Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse wesentlichen Einfluss. Keinesfalls ist an dieser Stelle davon auszugehen, dass die Beiträge von Walter Benjamin, Erich Fromm, Otto Kirchheimer, Leo Löwenthal, Franz Neumann und Karl August Wittfogel zur Kritischen Theorie demgegenüber unbedeutend sind.

  17. 17.

    Vgl. Wiggershaus 1993, S. 435–436. Die Aussagen in diesen Texten geben für Max Horkheimer ausreichenden Anlass zum gegen Herbert Marcuse erhobenen Orthodoxievorwurf.

  18. 18.

    Vgl. Adorno 1997h, S. 203–204. Bereits Max Horkheimer knüpft 1932 in „Geschichte und Psychologie“ an Theoriefragmente von Sigmund Freuds Persönlichkeitstheorie an, um auf die gesellschaftlichen Pathologien einerseits und auf die Triebstrukturen des Menschen andererseits einzugehen. Diese theoretischen Rahmenbedingungen nimmt Herbert Marcuse auf und dramatisiert sie noch einmal, indem er die Irrationalität des Menschen und der Gesellschaft in den Vordergrund stellt. Für ihn hat die damit vorgenommene Verknüpfung erheblichen Einfluss auf eine mögliche Befreiung des Menschen aus eigenen Zwängen. Damit wird zugleich eine theoretische Engführung vorgenommen, die Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ausdrücklich kritisieren und später ablehnen. Nach diesem Verständnis entsteht damit die Gefahr, dass die Kritische Theorie ihre eigenen Grundlagen verliert.

  19. 19.

    Vgl. Adorno 1997b, S. 36–71. In der von Theodor W. Adorno 1948 vorgelegten „Philosophie der neuen Musik“ setzt er sich mit Arnold Schönbergs Zwölftontechnik als bedeutende Form der künstlerischen Avantgarde auseinander.

  20. 20.

    Vgl. Adorno 1997b, S. 339. In der älteren Kritischen Theorie wird der Begriff der Verdinglichung genutzt, um auf einen zweckrationalen Umgang mit der Natur hinzuweisen. Die vom Menschen genutzten Objekte werden zweckentfremdet verwendet und aus ihrem naturgemäßen Zusammenhang herausgerissen. Objekte werden zu rein materiellen Dingen erklärt und verlieren daraufhin ihren direkten Rückbezug zur Lebenswelt. Als Beispiel wird u. a. die Entwicklung der Produktionsmittel durch industrielle Produktionsverhältnisse genannt. Verdinglichung entsteht dadurch, dass Produkte nicht mehr zur Selbsterhaltung des Menschen entwickelt werden, sondern der Vergrößerung des Mehrwerts dienen. Damit wird darauf hingewiesen, dass gesellschaftliche Verhältnisse besonders in der Form von Dingen in Erscheinung treten. Sie werden als feststehende Größen verwendet, die vom einzelnen Menschen nicht mehr formbar und gestaltbar sind.

  21. 21.

    Vgl. Benjamin 1995, S. 548–550. Die Bedeutung der politischen Praxis einerseits und die Bedeutung der theoretischen Erkenntnisse andererseits bzw. die Unmöglichkeit von deren Verknüpfung ist ein Dissens zwischen Walter Benjamin auf der einen Seite und Max Horkheimer/Theodor W. Adorno auf der anderen Seite. Walter Benjamin ist nicht selten dafür eingetreten, der Theorie endlich Taten folgen zu lassen. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno wollen diesen Weg aber nicht mitgehen und lassen damit den Praxistest der Kritischen Theorie merkwürdig in der Schwebe. Als Grund dafür ist außerdem vorstellbar, dass sie den marxistischen Kern der Theorie verbergen und die Theorie für verschiedene Seiten anschlussfähig erhalten wollen.

  22. 22.

    Theodor W. Adornos und Walter Benjamins mikrologische Methode geht auf die mikrosoziologische Konzeption Georg Simmels zurück. Die beiden kritischen Theoretiker verstehen sich in dieser Fragestellung als Schüler Georg Simmels.

  23. 23.

    Vgl. Abels 2009, Kapitel 2.2; Ritsert 1988. Auf die Bedeutung der Gesellschaft als Grundbegriff der Soziologie gehen Heinz Abels und Jürgen Ritsert innerhalb der Klärung zum Gegenstand der Soziologie ein.

  24. 24.

    Vgl. Marx 1990, S. 15–160. Karl Marx hat die Grundlagen zur Kritik der politischen Ökonomie entwickelt, auf die sich die ältere Kritische Theorie in ihrer Theorie immer wieder bezieht.

  25. 25.

    Vgl. Jay 1981, Kapitel V. Die Auseinandersetzung um eine angemessene Beurteilung des Kapitalismus im Nationalsozialismus wird in der Regel als Ende der erweiterten Institutsarbeit in der Emigration angegeben. Nach Interpretation von Martin Jay ist damit lediglich der Höhepunkt einer länger andauernden Auseinandersetzung am Institut erreicht. Bereits vorher existieren nicht wenige theoretische Auseinandersetzungen über die Grundlage der Kritischen Theorie. Franz Neumanns Veröffentlichung Behemoth (1942) spitzt den Dissens zwischen marxistisch-ökonomischer Theorie (Franz Neumann) und der Atomisierung des Menschen als psychosoziale Theorie (Max Horkheimer) noch einmal zu. Nach vergeblichen Versuchen eine gemeinsame Arbeitsbasis zu schaffen, verlässt Franz Neumann 1942 das Institut. Ein Ausschnitt aus einem Briefwechsel zwischen Max Horkheimer und Franz Neumann belegt diesen Sachverhalt noch einmal: „Da ich zu Ihrem Studium der ökonomischen Prozesse in Deutschland unbegrenztes Zutrauen habe, so glaube ich Ihrer Mitteilung, daß sich Deutschland auch nicht annähernd in einem staatskapitalistischen Zustand befindet. Andererseits kann ich mich von der Engels’schen Meinung, nach der die Gesellschaft auf eben diese hinstrebt, nicht frei machen. Ich muß daher annehmen, daß uns diese Periode mit großer Wahrscheinlichkeit noch droht, was mir den Wert der Pollock‘schen Konstruktion, als Diskussionsgrundlage für ein aktuelles Problem, trotz aller Mängel, weitgehend zu begründen scheint.“ (Horkheimer 1996, S. 116).

  26. 26.

    Vgl. Walter-Busch 2010, S. 73–115. Die Auseinandersetzung um die Faschismusanalysen zeigt den Schlusspunkt eines zwischen den Mitgliedern des Instituts für Sozialforschung im amerikanischen Exil länger andauernden Richtungsstreits um die angemessene theoretische Arbeitsgrundlage.

  27. 27.

    Vgl. Adorno 1997d, S. 354–370. Die hier vorgenommene Kritik verweist darauf, dass die ältere Kritische Theorie sich dem Kapitalismus nur indirekt zuwendet. In erster Linie geht es ihr darum, gesellschaftliche Antagonismen und Fehlinterpretationen der Produktionsverhältnisse zu erklären sowie insbesondere die Totalität als zentralen Begriff der Gesellschaft ins Zentrum zu stellen. Damit sind durchaus kapitalismusrelevante Begriffe angesprochen, ihnen wird aber nicht der Status einer eigenen Theoriebildung zugesprochen. „In der Soziologie freilich nehmen gemäß umfangslogisch klassifikatorischen Wesen die tragenden gesellschaftlichen Verhältnisse, die sozialen Bedingungen der Produktion, weiter dünner sich aus als jenes konkrete Allgemeine. Sie werden neutralisiert zu Begriffen wie Macht oder soziale Kontrolle. In solchen Kategorien verschwindet der Stachel und damit, möchte man sagen, das eigentlich Soziale an der Gesellschaft ihre Struktur“ (S. 365).

  28. 28.

    Mit Jürgen Habermas „Work in Progress“ stehen viele Autoren in Verbindung. Einige von ihnen knüpfen unmittelbar an sein Werk an (u. a. Forst 1996, Honneth 1989 oder McCarthy 1989), andere stehen diesem distanziert und kritisch gegenüber (u. a. Albert 1973, Bolte 1995 oder Steinhoff 2006) und wieder andere haben eine ambivalente Position zu Jürgen Habermas Theorieprogramm (u. a. Negt 2003, Offe 1984a oder Oevermann 2004). Die ebenfalls zur mittleren Kritischen Theorie zählenden Konzeptionen unterscheiden sich darin, ob sie von der älteren Kritischen Theorie, von Jürgen Habermas Programm, vom Poststrukturalismus oder von der Systemtheorie ausgehen.

  29. 29.

    Vgl. McCarthy 1989. In diesem Buch wird die Theorie von Jürgen Habermas mit einer Rekonstruktion seines Werkes verbunden.

  30. 30.

    Vgl. Schütz/Luckmann 1984. Die beiden Bände Strukturen der Lebenswelt bilden die Grundlage, auf die sich Jürgen Habermas innerhalb seines Lebensweltkonzeptes bezieht.

  31. 31.

    Vgl. Habermas 1987, Band 1, S. 446–452. Der Diskurs wird von Jürgen Habermas neben verschiedenen anderen Anwendungsgebieten auch im Rahmen des Rechts und Rechtsstaats als „herrschaftsfreier Diskurs“ oder als Diskursanalyse eingeführt. Im ersten Fall sollen die Regeln des Diskurses ein problematisch gewordenes kommunikatives Handeln gleichsam auf neue Beine stellen. Aufgrund der damit notwendigen Selbstreflexion des erkennenden Subjekts besteht die Möglichkeit, mit dem Diskurs zu einer echten Einigung zu gelangen. Im zweiten Fall allerdings wird eine problematisch gewordene Kommunikation dahingehend beeinflusst, dass die angewandten Geltungsansprüche einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

  32. 32.

    Vgl. Horkheimer/Marcuse 1980, S. 628–631. Max Horkheimer und Herbert Marcuse entwickeln in diesem Text die ersten Grundlagen zur Frage der gesellschaftlichen Pathologien.

  33. 33.

    Vgl. Habermas 1998a, 1998b, 2004 und 2005. Fragen und Wirkungen von Globalisierung und Deregulierung des Kapitalismus werden hier aufgeworfen und näher begründet.

  34. 34.

    Vgl. Luhmann 1987 und 1998. Diese Arbeiten zur Systemtheorie werden von einigen Vertretern der Kritischen Theorie als zusätzlicher Theoriebezugspunkt genutzt wird (u. a. Brunkhorst 1994; Offe 1972 oder Voswinkel 2007).

  35. 35.

    Vgl. Adorno 1997d, S. 369. Theodor W. Adorno entwickelt 1968 den Begriff des Spätkapitalismus, um auf die Weiterentwicklung des Kapitalismus hinzuweisen. Auf dem 16. Soziologentag in Frankfurt am Main wird darüber eine Diskussion eröffnet, ob eher der Begriff des Spätkapitalismus oder derjenige der Industriegesellschaft zutrifft. Theodor W. Adorno plädiert für den Begriff des Spätkapitalismus, die Aufrechterhaltung eines gesellschaftlichen Gesamtsubjekts und eine Aufdeckung des gesellschaftlich notwendigen Scheins.

  36. 36.

    Vgl. Habermas 1987 und 1994; Offe 1984b und 2003. In diesen Schriften lassen sich die weitergehenden Theorieinteressen zur Rechtstheorie und politischen Theorie verfolgen.

  37. 37.

    Vgl. Benhabib 1992. In der dritten Phase der Kritischen Theorie wird die normative Begründung einer kritischen Gesellschaftstheorie deutlich erkennbar. Aber bereits die beiden vorausgehenden Theoriephasen haben ihre Vorarbeiten explizit normativ verstanden und begründet. Seyla Benhabib erarbeitet die normativen Grundlagen der Kritischen Theorie im Zusammenhang mit dem immer deutlicher hervortretenden Kritikbegriff.

  38. 38.

    Nach dem Verständnis von Axel Honneth sind drei Prämissen der älteren Kritischen Theorie auch weiterhin von Interesse. Erstens der Gründungsimpuls der Kritischen Theorie, der in Abgrenzung zur traditionellen Theorie ein Forschungsprogramm einführt, das an Mündigkeit und Freiheit für alle Menschen orientiert ist. Zweitens die Frage nach der Normativität als zentralem Thema der Kritischen Theorie. Drittens die Forderung eines kritischen Verhaltens, um in Anknüpfung an Karl Marx „(…) alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist (…)!“ (Marx 2006, S. 385, Hervorh. weggel.). Dieses aussichtsreiche Programm bildet für Axel Honneth einen ernstzunehmenden Anknüpfungspunkt für sein Verständnis Kritischer Theorie.

  39. 39.

    Vgl. Hegel 1969, S. 194–210. In dieser Schrift finden sich seine Vorarbeiten und weitere Überlegungen zur Anerkennungstheorie.

  40. 40.

    Vgl. Honneth 2008, S. 11–29, und 2009b, S. 3–22. In diesen Texten begründet Axel Honneth den Entwurf einer Gerechtigkeitstheorie und führt diesen weiter aus.

  41. 41.

    Vgl. Honneth in Fraser/Honneth 2003, S. 295–305. Hier arbeitet Axel Honneth die Voraussetzungen der sozialen Anerkennungsordnung aus und verweist auf die Weiterentwicklung einer Gesellschaftstheorie durch ein Gerechtigkeitskonzept.

  42. 42.

    Vgl. Honneth/Fraser 2003, S. 122–128. Wie der Anspruch der jüngeren Kritischen Theorie zu legitimieren ist, wird von Nancy Fraser und Axel Honneth sehr unterschiedlich beantwortet.

  43. 43.

    Es ist darauf hinzuweisen, dass die aktuellen Arbeiten aus dem Institut für Sozialforschung in Frankfurt diesem Vorwurf durch eigene Projekte begegnen. Auf diesen Zusammenhang wird in Kapitel 9 näher eingegangen und verschiedene Begründungen vorgestellt.

  44. 44.

    Das Kapitel 1.4 „Entwicklungspotential der Kritischen Theorie“ postuliert keine vierte eigenständige Theoriephase. In diesem Teil werden ganz unterschiedliche Anschlussmöglichkeiten an alle drei Theoriephasen vorgestellt und diskutiert.

  45. 45.

    Max Horkheimer umreißt in seiner Antrittsvorlesung als Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt (24.01.1931) das zukünftige Programm Kritischer Theorie. Es trägt den Titel: „Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung“. Kritische Theorie hat sich „(…) um solche Phänomene zu bekümmern, die nur im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Leben der Menschen verstanden werden können: um Staat, Recht, Wirtschaft, Religion, kurz um die gesamte materielle und geistige Kultur der Menschheit überhaupt“ (Horkheimer zitiert nach Schmidt 1980, S. 12*). Auf diesen Gründungsimpuls nimmt die gesamte Kritische Theorie bis heute Bezug, auch wenn sie sich in allen weiteren Forschungsinteressen von der Gründungsphase unterscheidet und in Teilen davon distanziert.

  46. 46.

    Vgl. Adorno 1997d und Demirović 2003. Die ältere Kritische Theorie nutzt zwei grundsätzlich zu unterscheidende Interpretationen von Totalität. Theodor W. Adorno versteht Totalität zum einen als zentralen Begriff, um auf die Gesellschaft als Grundbegriff der Soziologie hinzuweisen. Weiterhin wird Totalität zum anderen funktional als Zwang zum Warentausch verstanden. In dem vorliegenden Fall bezeichnet Alex Demirović die Totalisierungstendenz im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Tauschhandlungen als Autonomieverlust.

  47. 47.

    Vgl. Rawls 1975, Teil III, und Walzer 2006, Kapitel 1. Beide Autoren legen zum Begriff der Gerechtigkeit explizite Untersuchungen vor.

  48. 48.

    Vgl. Bude/Willisch 2006; Farzin 2006; Luhmann 1995b; Münch 2009; Stichweh/Windolf 2009. In diesen Schriften werden gehaltvolle Konzepte zur Bedeutung und Reichweite von Inklusion und Exklusion vorgelegt.

  49. 49.

    Vgl. Honneth et al. 2007, S. 151–156. Axel Honneth, Rahel Jaeggi und Rainer Forst stellen in einer Analyse der ökonomischen Kolonialisierung der Gesellschaft sich gegenseitig ihre Auffassungen vor.

  50. 50.

    Vgl. Bröckling et al. 2000; Bröckling 2007; Krasmann/Volkmer 2007; Lemke 1997. Alle Autoren widmen sich der Auseinandersetzung um den Begriff der Gouvernementalität.

  51. 51.

    Vgl. Butler 2007a. In dieser Schrift wird auf Judith Butlers Position zur Anerkennungstheorie hingewiesen. Hier werden weiterhin die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Judith Butlers Sozialtheorie und Axel Honneths Anerkennungstheorie herausgearbeitet und einander gegenübergestellt.

  52. 52.

    Vgl. Butler 2007b und 2009. Judith Butler plädiert in beiden Büchern für demokratische Willensbildungsprozesse.

  53. 53.

    Vgl. Ziege 2009, S. 43–51. Sie führt aus, dass die Frankfurter Schule im amerikanischen Exil ihr Programm nur noch eingeschränkt weiter verfolgen konnte.

  54. 54.

    „Veralltäglichung“ ist eine Beschreibung von Max Weber, der damit auf die Theoriekorrekturen innerhalb von Denkschulen hinweist. Ausgelöst werden Brüche oder Korrekturen durch die differenzierten Interpretationen des Theoriekerns und der Theorieränder. Innerhalb der Kritischen Theorie ist auf die unterschiedliche Interpretation substantieller Theorieelemente durch den inneren und äußeren Kreis zu verweisen. Außerdem beeinflussen Zeitfaktoren, veränderte Kultureinflüsse oder auch ökonomische Bedingungen die Theoriebasis einer Schule. Die Kritische Theorie, in ihrem größeren Theorieverständnis als Frankfurter Schule bezeichnet, musste in der Zeit des Exils in Amerika derartige Wandlungen vollziehen. Die Anpassung an den neuen Kulturraum und zurückgehenden finanziellen Mittel erforderten Anpassungsleistungen und die Beteiligung an Forschungsprojekten von anderen Institutionen (u. a. American Jewish Committee, Rockefeller Foundation).

  55. 55.

    Vgl. Negt 2003, S. 80–85. Oskar Negt wendet sich gegen die Neuausrichtung der Kritischen Theorie durch Jürgen Habermas.

  56. 56.

    Vgl. hier Saar 2007. In dieser Schrift wird Michel Foucaults Beitrag zu einer eigenständigen Sozialtheorie herausarbeitet.

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Ludwig, C. (2013). Rekonstruktion der Kritischen Theorie. In: Kritische Theorie und Kapitalismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00209-1_2

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