Zusammenfassung
An der Genese kirchlicher Organisationsstrukturen und der Vermittlung zwischen den verschiedenen Sozial- und Rechtsformen der katholischen Kirche zeigt sich, dass Kirche als Glaubensorganisation und Kirche als Arbeitsorganisation deutlich zu unterscheidende Organisationstypen darstellen. In stark wertbezogenen Interessenorganisationen besteht eine Diskrepanz zwischen faktischer Verhaltensstruktur und normativer Ordnung. Ein kaum zu überschaubarer interorganisationeller Verflechtungszusammenhang führt zu einer weitgehend erfolgreichen und spezifisch kirchlichen Autoritätsstruktur über die gesamte Wirklichkeit kirchlichen Organisationsgeschehens.
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„Nahezu alle Einrichtungen der organisierten Caritas finanzieren ihre sozialen Dienstleistungen in erster Linie über die Leistungsentgelte der öffentlichen Kostenträger wie die örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger sowie die gesetzlichen Pflege- und Krankenkassen. Daneben stellen staatliche Zuschüsse wie Investitionshilfen für den Bau von Einrichtungen oder sonstige öffentliche Förderungen eine weitere wichtige Finanzierungsquelle dar. Daraus folgt aber auch eine finanzielle und rechtliche Abhängigkeit von der staatlichen Lenkung im Gesundheits- und Sozialwesen, die den besonderen kirchlichen Charakter und die Eigenständigkeit der Caritas potentiell gefährden kann“ (Stiftung Liebenau 2013, S. 48). „Erst im Zuge von Säkularisierung und Industrialisierung kam es zu der noch heute bestehenden organisationsrechtlichen und damit auch wirtschaftlichen Spaltung zwischen verbandlicher Caritas und der verfassten Kirche“ (Stiftung Liebenau 2013, S. 57).
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So unterscheidet der Codex Iuris Canonici 1983, den der kirchliche Gesetzgeber als „Krönung des II. Vatikanischen Konzils“ versteht, „aufgrund göttlicher Einsetzung Kleriker und Laien (c. 207§ 1). Beide Stände gehören zur hierarchischen Struktur der Kirche (§ 2). Aufgrund göttlicher Anweisung bewirkt das Sakrament der Weihe die Aufnahme in den Klerikerstand und bestimmt die sacri ministri unwiderruflich dazu, das Volk Gottes zu weiden, indem (nur) sie die Aufgaben des Lehrens, Heiligens und des Leitens in der Person Christi des Hauptes ausfüllen können“. Dementsprechend kann, um den Bonner Kanonisten Norbert Lüdecke weiter zu zitieren, „der Klerikerstand als Leitungs- oder Führungsstand bezeichnet werden. Mit einem lange üblichen, seit dem II. Vaticanum weniger geläufigen und eher peinlich vermiedenen Ausdruck, der gleichwohl rechtlich zutrifft, ist die katholische Kirche eine societas inaequalis, eine Gesellschaft von Ungleichen“, die „auf göttlicher Anordnung“ und „nach kirchlichem Selbstverständnis der Aufhebung durch die kirchliche Gewalt entzogen“ ist. Eine Gesellschaft von Ungleichen ist die Kirche auch „innerhalb des Laienstandes“, insofern er „eine göttlich-rechtliche Differenzierung“ aufweist: „Sie betrifft die Rechtsfähigkeit der Gläubigen, das Personsein in der Kirche (c. 96). Nach c. 213 haben alle Gläubigen das Recht, ‚das Wort Gottes verkündet und die Sakramente gespendet zu bekommen‘. Der Canon spricht ohne Unterschied von den Sakramenten. Dieses Recht besteht für Mann und Frau nicht im gleichen Umfang […]. Was Klerikern vorbehalten ist, können Männer nicht ohne besondere Berufung, Frauen können es Kraft göttlichen Rechts keinesfalls. Insofern gibt es in der Kirche aufgrund des Geschlechts zwei Kategorien von Laien, die sich durch den Umstand ihrer Rechtsstellung unterscheiden. In der Kirche gibt es eine Vielfalt an fraulichen Mitwirkungsmöglichkeiten. Letztverantwortliche Leitung in der Kirche kommt nach amtlicher Auffassung unveränderlich nur Männern zu. Insofern ist der ständische Aufbau rechtlich eine Geschlechterhierarchie“ (Lüdecke 2009, S. 67 ff.).
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Ebertz, M. (2014). Kirche als Organisation von Organisationen. Am katholischen Beispiel. In: Heiser, P., Ludwig, C. (eds) Sozialformen der Religionen im Wandel. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00096-7_8
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