Zusammenfassung
Die wichtigste Aufgabe des Denkens ist vor allem, der Handlung oder Geschehnissen vorauszueilen, Weg und Ziel zu erfassen und so weit als möglich zu beeinflussen. Durch dieses Vorausdenken ist unser Einfluß über Zeit und Raum hinaus einigermaßen gesichert. Dementsprechend ist unsere Psyche in erster Linie ein Verteidigungs- und Angriffsorgan, geboren aus der Not allzuenger Grenzen, wie sie ursprünglich die Triebbefriedigung erschweren. Die rein physiologische Form der Triebbefriedigung hält nur so lange vor, bis der geeignete Weg gefunden ist, um stabilisiert und über die größten Anfechtungen hinaus gesichert zu werden. Gegen Ende der Säuglingszeit, wo das Kind selbständige, zielsichere Handlungen vollbringt, die nicht bloß auf Triebbefriedigung gerichtet sind, wo es seinen Platz in der Familie einnimmt und sich in seiner Umgebung einrichtet, besitzt es bereits Fertigkeiten, psychische Gesten und Bereitschaften. Zudem ist sein Handeln ein einheitliches geworden, und man sieht es auf dem Wege, sich einen Platz in der Welt zu erobern. Ein derartig einheitliches Handeln kann nur verstanden werden, wenn man annimmt, daß das Kind einen einheitlichen fixen Punkt außerhalb seiner selbst gefunden hat, dem es mit seinen seelischen Wachstumsenergien nachstrebt. Das Kind muß also eine Leitlinie, ein Leitbild gestaltet haben, in der Erwartung, sich so in seiner Umgebung am besten zu orientieren und zur Bedürfnisbefriedigung, zur Vermeidung von Unlust, zur Erzielung von Lust zu gelangen1).
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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© 1928 J.F. Bergmann in München
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Adler, A. (1928). Die verstärkte Fiktion als leitende Idee in der Neurose. In: Über den Nervösen Charakter. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99709-9_4
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