Zusammenfassung
Von dem bürgerlichen Zuzug, der allenthalben in Italien mit den Kampfverbänden Mussolinis sympathisierte, um sich mit ihnen im Laufe der Zeit enger zu verbinden 1), hoben sich die ersten fasci in ihrer geistigen Verfassung deutlich ab. Es ist schwierig, davon ein zutreffendes Bild zu geben. Die Erscheinung ist spezifisch romanisch. Sie steht in gewissem Sinne dem Syndikat Sorels ebenso nahe wie den Camelots du roi, den Stoßtrupps des Royalismus in Frankreich2). Das Gemeinsame bei den fascistischen Kampfverbänden liegt weniger in einem vage ernannten Ziel, gar nicht in einem ausgeklügelten Programm, sondern fast ausschließlich in einem im Grunde romantischen und juitibpurgeoisen Lebensgefühl, welches sich in Taten umsetzt, die in einem fort die Schranken der bürgerlichen Ordnung überspringen. Die Verbindung der Mittelschicht mit dem Fascismus in Italien war deshalb möglich, weil diese Kraft durch die Hand eines starken Realisten, dem Mythus Vaterland dienstbar gemacht und gegen den sterbenden Sozialismus eingesetzt wurde.
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Notes
Ursprünglich waren fasci und squadre — bewaffnete Banden — ein und dasselbe. Später, als ältere Leute in die fasci eintraten, differenzierten sich die beiden Bestandteile.
Vgl. über die Camelots du roi Louis Dimier: Vingt ans d’Action française, p. 105. Paris 1926.
Rocco, Alfredo: La Dottrina politica del Fascismo, p. 5. Roma 1925.
Sarfatti: l. c., p. 243.
Vgl. z. B. die Ausführungen Giovanni Gentiles: Che cosa è il fascismo, p. 55 s. Firenze 1924.
Marinetti, F. T.: Futurismo e Fascismo. Foligno 1924.
Im Mai 1918 hatte Mussolini eine Rede gehalten, worin es heißt: „Wir haben genug von dem Italien der Hotelbesitzer, dem Sammelplatz der Nichtstuer mit ihrem anwidernden Baedeker in der Hand; wir haben es satt, alte Gipswerke abzustauben …“ Vgl. die von Dr. Max H. Meyer herausgegebene Auswahl von Reden Mussolinis, S. 41. Leipzig 1925.
Matériaux d’une théorie du prolétariat, p. 67. Paris 1921.
Réflexions sur la violence, p. 168. Paris 1912.
Réflexions, p. 96.
Réflexions, p. 161.
Volpe, Gioacchino: Fra Storia e Politica, p. 56. Roma 1924. — Michels: L’Imperialismo italiano, p. 92 ss. Milano 1914. — Kronzeuge für die Entstehung des italienischen Nationalismus als einer Reaktion gegen die außenpolitische Lage ist Corradini selber: Il Nazionalismo italiano, p. 122. — Die imperialistischen Ideen der Nationalisten, die eine Expansion nach dem Vorbild Roms empfehlen, brauchen nicht kritisiert zu werden. Rom errichtete sein Reich auf der zerfallenden hellenistischen Welt. Das Italien von heute steht im Mittelmeer den überlegenen Imperialismen Englands und Frankreichs gegenüber.
Eine jede geistig-politische Bewegung hat weitverzweigte Wurzeln und saugt ihre Kräfte aus sehr verschiedenem Erdreich. Den italienischen Nationalismusausschließlich von der Action française herleiten zu wollen, wäre ganz verfehlte Daß sie in sehr vielem — dem Schwelgen in antiken Vorbildern, dem Glauben an den rein „aristokratischen“ Gehalt lateinischer Kultur, dem Bewußtsein ihrer Unübertrefflichkeit — Vorbild für den Nationalismus in Italien geworden ist, liegt nahe. Seine Lieblingsworte: Ordnung, Tradition, Disziplin, Hierarchie, Autorität, Familie, Korporation finden sich alle schon in der Action française (vgl. Charles Maurras: La Démocratie religieuse, p. 33. Paris 1921). Charles Maurras selber drückt die Beziehung zwischen beiden Bewegungen aus in den Zeilen: Die Intervention Italiens war Ausdruck eines Nationalismus, „dessen Träger lange Zeit unter die Freunde, man sagt sogar, unter die ‚Schüler ‘der Action française gerechnet wurden“; aber er vergißt nicht den Hinweis darauf, was die Action dem Risorgimento verdankte (vgl. Kiel et Tanger, p. 17. Paris 1921). Neben der Action française wirkten ganz andere Kräfte auf die Bildung des italienischen Nationalismus ein: Nietzsche, l’étranger brutal (Valois) der gleichzeitig das junge Frankreich um die Jahrhundertwende mächtig beeinflußte, und vor allem Hegels Staatsauffassung, die durch Spaventa, Croce und Gentile in Italien Eingang “und Verbreitung gefunden hatte. Dazu kam die soziologische Analyse der Herrschaft durch Gaetano Mosca und Vilfredo Pareto, welche zeigte, daß unabhängig von der Staatsform stets eine Elite, die classe dirigente sich in der Macht abwechselt. Diese Feststellung mußte das demokratisch-parlamentarische System und seinen Mehrheitskultus kompromittieren. Schon diese Bemerkungen zeigen die Verzweigtheit des Ursprungs der nationalistischen Bewegung in Italien. Natürlich soll diese nicht als Konglomerat von Abhängigkeiten aufgefaßt werden. Es läge sonst nahe, auf die französische Restaurationsphilosophie hinzuweisen. Politische Gedanken, die Reaktionen auf einander ähnliche Bewegungen darstellen, müssen notwendig in wesentlichen Punkten miteinander übereinstimmen, ohne daß dabei von einer Übernahme die Rede sein kann. Ebenso wie die Restaurationsphilosophie in Reaktion auf die französische Revolution entstanden ist, so bedeutet der italienische Nationalismus, im Verhältnis zum Risorgimento, das der Revolution Staats-und wirtschaftsphilosophische Kernstücke entnommen hatte, den Pendelausschlag nach der entgegengesetzten Seite. Schon daraus ergibt sich eine natürliche Verwandtschaft zwischen Restaurationsphilosophie und italienischem Nationalismus.
Gorradini, Enrico: La Vita nazionale, p. 123. Siena 1924. Es handelt sich um eine Sammlung von Aufsätzen, die 1903/04 in der Zeitschrift Il Regno erschienen sind.
l. c., p. 16 ss.
l. c., p. 3.
l. c., p. 5.
II Nazionalismo italiano, p. 10.
Valois, Georges: L’homme qui vient, p. 181 ss. Paris 1923. Valois hat sich neuerdings von der Action getrennt und fascistische Verbände nach italienischem Muster gegründet. Sein Organ, das die Action heftig angreift, ist der Nouveau, Sièclc. Sein Ziel ist der état des producteurs, wobei die Staatsform gleichgültig sein soll. Nirgends in Europa ist der Genius S t. Simons heute lebendiger als in Valois’ Organ.
La Vita nazionale, p. 30.
l. c., p. 124.
Salvemini: l. c., p. 164.
Il Nazionalismo italiano, p. 234.
La Vita nazionale, p. 227.
Valois: l. c., p. 179.
Réflexions, p. 368.
Discorsi politici, p. 422 ss. Firenze 1923.
Discorsi politici, p. 424.
Diuturna, p. 464 ss.
Verbände revolutionärer Aktion. Vgl. darüber die Angaben Sarfattis: l. c., p. 167.
Réflexions, p. 374 s.
Matériaux d’une théorie du prolétariat, p. 74 s.
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v. Beckerath, E. (1927). Die Fasci di Combattimento. In: Wesen und Werden des fascistischen Staates. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99662-7_4
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