Zusammenfassung
„Wenn man nur nachdenkt, so wird man finden, daß es auf der gangen Welt nichts giebt, das fo gewaltig unb zugleich so ohnmächtig ist wie ein Wort.“ Zu diesem Satze Turgenjew’s giebt bie „formale Bildung“ ein Beispiel. Das Wort ist ein Gespenst geworden, mit dem man die erwachsensten Menschen erschreckt. Wer das Gymnasium schelten will, der wirft ihm vor, daß es nichts weiter schaffe als formale Bildung; wer es vertheidigen will, der sucht sich vorweg als vorurtheilsfreien Denker dadurch zu bethätigen, daß er ein paar geringschätzige Worte über formale Bildung fallen läßt und versichert, auch das Gymnasium wisse seinen Schülern jetzt etwas Besseres zu bieten; die große Schaar der Zeitungsleser denkt sich unter „formaler Bildung“ so etwas wie den Inbegriff aller geisttödtenden Kräfte. Was steckt nun eigentlich dahinter? Die Vermuthung geht wohl nicht fehl, daß manchen bei ihrem Abscheu gegen die formale Bildung der Gedanke vorschwebt, sie sei benannt wegen der schlimmen Formen-Extemporalien, Welche die armen Jungen in der Schule schreiben müssen. Und diese Erklärung wäre immer noch verständiger, als der allmähliche Prozeß der Erschlaffung im Denken gewesen ist, wodurch thatsächlich ber Begriff einer „bildenden Bildung“ geschaffen wurde.
Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort, Doch der freie wandelt im Sturme fort. Schiller.
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Gauer, P. (1890). Formale Bildung. In: Unsere Erziehung durch Griechen und Römer. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99562-0_2
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