Die Tendenzen des allgemeinen Wirtschaftsplanes für 1929/30

Zusammenfassung

Der Fünfjahrplan ist ein zum Gesetz erhobenes System von Richtlinien, nach denen die aus der zarischen Epoche übernommene gemischte Wirtschaft Eurasiens zu einer rein sozialistischen entwickelt werden soll. Aufhebung aller Klassenunterschiede und Kollektivisierung aller wirtschaftlichen Betätigung wird in allen Verlautbarungen von Partei und Regierung als oberstes Gesetz hingestellt. Damit soll nicht gesagt sein, daß der Fünfjahrplan auch wirklich dem Sozialismus dient oder dienen kann; es bestehen in dieser Beziehung sogar große Zweifel. Zur Beantwortung dieser Frage bedürfte es einer besonderen Untersuchung, die hier nicht angestellt werden soll. Nur dies soll gesagt werden: Der Fünfjahrplan wurzelt in seinen Einzelheiten nicht in der bolschewistischen Epoche des russischen Lebens, ist auch durchaus nicht aus kommunistischen, sondern aus staatskapitalistischen Gedankengängen entstanden. Seine ältesten Wurzeln liegen in jenen Auffassungen der vorkapitalistischen Zeit, die den selbstherrlichen Zaren als den Großgrundbesitzer Allrußlands ansprachen, die jüngeren in den zum Hochkapitalismus drängenden Unternehmungen und Plänen aus der Zeit des Grafen Witte. In den vom Auslande befruchteten Universitäten und Forschungsinstituten des kaiserlichen Rußland und in den Kanzleien seiner Ministerien für Wirtschaft, Finanzen, Verkehr usw. sind die meisten der Pläne entstanden, die dem bolschewistischen Fünfjahrplan als Grundlagen dienen und die in ihm zusammengefaßt sind.