Die zweckwidrigen Lebensvorgänge in der Pathologie

Zusammenfassung

Ist die mechanistische Auffassung richtig, daß das ganze Lebens-und Vererbungsproblem in der physikalisch-chemischen Struktur des Keimplasmas vollkommen enthalten ist, so muß es bei abnormer Konstitution dieses Keimplasmas (z. B. durch chemische Schädigung) auch eine Vererbung pathologischer, zweckwidriger, schädlicher Eigenschaften geben. Da wir heute wissen, daß derartige pathologische Vererbungsfaktoren an winzigen Chromatinteilchen haften, so müßte es ja der Entelechie, wäre die Zweckmäßigkeit das eigentliche Wesen der Formbildungsvorgänge, ein leichtes sein, im Laufe der Entwicklung dieses pathologischen Gen aus dem somatischen und Keimplasma zu eliminieren. Keine Rede davon! Die an zahlreichen Beispielen zu erweisende Tatsache der Vererbung pathologischer, im höchsten Grade zweckwidriger Eigenschaften ist ein weiterer schwerwiegender Beweis gegen alle vitalistischen Theorien, gegen jede Entelechie. Je nach der Konstitution des Ausgangsmaterials verläuft die Vererbung genau so zwangsläufig ohne jede Rücksicht auf Zweck- und Dauerfähigkeit, wie diese selbe Struktur des Eies auch in teleologischer Hinsicht den Organismus genau bestimmt und determiniert. All diese Dinge beweisen m. E. eindeutig, daß es eine primäre Zweckmäßigkeit der organischen Substanz und der organischen Reaktionen nicht gibt und daß die scheinbar höchst zweckmäßigen Wirkungsweisen rein mechanistisch, zwangsmäßig verlaufen und daher unter geeigneten Bedingungen in das Gegenteil umschlagen und den höchsten Grad von Unzweckmäßigkeit aufweisen können.