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Part of the book series: Fachbücher für Ärzte ((FACHAERZT OBA,volume 13))

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Zusammenfassung

Wenn wir, ohne uns in willkürliche theoretische Annahmen über das Wesen der Krankheitsprozesse zu verlieren, unserem therapeutischen Handeln die objektive Beobachtung des Krankheitswerdeganges zugrunde legen — und dies ist unzweifelhaft das wissenschaftlich Richtige —, so tritt uns als bemerkenswerteste allgemeine Erscheinung die Selbstheilung der Krankheiten entgegen. Das durchsichtigste Beispiel derselben ist die Selbstheilung der Infektionskrankheiten. Die Vaccinationsprophylaxe und die Serumtherapie, das Muster einer Naturheilmethode, haben das Geheimnis des natürlichen Schutzes und der natürlichen Heilung der Infektionskrankheiten der Natur abgelauscht. Daß das spezifische Toxin der Infektionskrankheit die Bildung von spezifischen Antitoxinen auslöst, ist eine Erscheinung, die sich in das Prinzip der „teleologischen Mechanik der lebendigen Natur“ E. Pflügers einordnet. Dieser Forscher stellte 1877 auf, daß die Schädigung die Ursache der Entfernung der Schädigung ist oder, wie er es umfassender als „teleologisches Kausalgesetz“ bezeichnet, daß die Ursache des Bedürfnisses zugleich die Ursache der Befriedigung des Bedürfnisses sei. Ursache des Bedürfnisses ist „jeder veränderte Zustand der lebendigen Organismen, der im Interesse der Wohlfahrt des Individuums oder der Art in einen anderen Zustand übergeführt werden muß“. Die Reaktionen, die sich an die Einwirkung einer Schädlichkeit anschließen, tragen den Charakter zweckmäßiger Abwehrbewegungen, dahin gerichtet, den veränderten (krankhaften) Zustand wieder in den normalen zurückzuführen, den Krankheitserreger zu vernichten, durch Abkapselung unschädlich zu machen, abgetötetes Gewebe aus dem Organismus auszuschalten usw. Der Naturheilprozeß ist also nicht als ein Vorgang zu denken, der eine neue, erst bei Krankheiten eintretende Funktion darstellt, gleich als ob wir providentiell mit inneren Mitteln ausgestattet wären, die erst bei der Eventualität von Krankheiten in Aktion treten — eine Vis medicatrix in diesem Sinne, ein Archaeus existiert nicht —, sondern der Naturheilprozeß ist durchweg auf die normalen physiologischen Prozesse zurückzuführen. Es handelt sich um Reaktionen auf physiologische und um entsprechende auf pathologische Reize. In den Krankheitserscheinungen sind somit zwei in ihrem Charakter verschiedene Reihen von Vorgängen enthalten, von denen die eine der direkten Einwirkung der Schädlichkeit, die andere der abwehrenden Reaktion der Regulierung entspricht. Es ist oft schwierig, beide voneinander abzugrenzen, aber es ist von einer Reihe von Krankheitserscheinungen (wie z. B. Fieber, Entzündung) immer klarer geworden, daß sie Abwehrvorgänge darstellen. Bier führt aus, daß ein heftiger Hustenanfall, wie er nach dem Eindringen eines Fremdkörpers in den Kehlkopf als sehr zweckmäßige Reaktionsbewegung auftritt, für den Betroffenen so unangenehm ist und so bedrohlich aussieht, daß der naive Beobachter, bliebe ihm der eingedrungene Schädling verborgen, ihn für das Übel selbst ansehen würde, während er doch in Wirklichkeit die Abwehr des Übels bedeutet. Für jeden Einsichtigen ist es klar, daß die Lebenstätigkeit der Zelle auch nicht annähernd durch die menschliche Technik erreicht oder ersetzt werden kann und daß alle unsere ärztlichen Eingriffe meist erst durch Vermittlung der lebendigen biologischen Reaktion wirksam werden können, daß daher auch die natürlichen Abwehrprozesse des Organismus im allgemeinen unseren Eingriffen überlegen und diese in ihrer Wirkung von jenen abhängig sind.

Quo natura vergit, eo tendere oportet.

(Hippokrates.)

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Goldscheider, A. (1929). Allgemeine Therapie. In: Therapie Innerer Krankheiten. Fachbücher für Ärzte, vol 13. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99456-2_1

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